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Die Doppelschleichen Amphisbaenia auch Ringelschleichen Wurmschleichen oder Ringelechsen genannt sind eine Gruppe hochspezialisierter relativ kleinwuchsiger ausserlich an Regenwurmer erinnernder Schuppenkriechtiere Squamata Ihr wissenschaftlicher Name ist abgeleitet von Amphisbaena ἀmfisbaina die in zwei Richtungen gehende einer mythischen Schlange mit einem Kopf an jedem Ende Er bezieht sich darauf dass bei den Tieren manchmal auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist an welchem Korperende sich der Kopf befindet Auch der deutsche Trivialname Doppelschleiche bringt dies zum Ausdruck DoppelschleichenMaurische Netzwuhlen Blanus cinereus Systematikohne Rang Amnioten Amniota ohne Rang SauropsidaUberordnung Schuppenechsen Lepidosauria Ordnung Schuppenkriechtiere Squamata ohne Rang Lacertibaeniaohne Rang DoppelschleichenWissenschaftlicher NameAmphisbaeniaGray 1844 Inhaltsverzeichnis 1 Vorkommen 2 Aussehen und Anatomie 3 Fortpflanzung 4 Ernahrung 5 Stammesgeschichte 6 Systematik 6 1 Aussere Systematik 6 2 Innere Systematik 7 Anmerkungen 8 Literatur 9 Einzelnachweise 10 WeblinksVorkommen Bearbeiten nbsp VerbreitungsgebieteDie meisten der uber 201 Arten 1 Stand 2021 leben in Afrika Sudamerika und auf den Inseln der Karibik Florida und im Suden der Baja California Die Gattung Blanus lebt im Mittelmeergebiet Die 30 cm lange Maurische Netzwuhle Blanus cinereus lebt auf der Iberischen Halbinsel Die Turkische Netzwuhle lebt auf Rhodos Kos Zypern der westlichen Turkei Libanon Syrien und dem nordlichen Irak Da sie selten sind und eine grabende Lebensweise haben ist ausser ihrer Anatomie wenig bekannt Aussehen und Anatomie Bearbeiten nbsp Dalophia pistillum eine Vertreterin der Eigentlichen Doppelschleichen Amphisbaenidae A Kopf und vorderer Rumpf von unten B Kopf in Seitenansicht C Kopf von oben Diese Art gehort zu den Vertretern mit schaufel oder spatenformigem Kopf nbsp Rote Doppelschleiche Amphisbaena alba Doppelschleichen sind die am weitesten an eine unterirdische Lebensweise angepassten Schuppenkriechtiere Alle bis auf die Zweifuss Doppelschleichen Bipedidae sind beinlos Die Schuppen sind bis auf Reste am Kopf verschwunden Die Tiere werden von einem derben quer geringelten Hautsack umgeben der zur Verwechslung mit Regenwurmern fuhren kann Der gestreckte Korper ist drehrund vorne und hinten gleich dick Es konnen vier verschiedene Kopfformen unterschieden werden rundlich schaufelformig dorsal gekielt sowie meisselformig 2 Das Maul ist klein der Unterkiefer kurzer Die Tiere graben mit Hilfe ihres kraftigen Schadels der im Erdreich ahnlich wie ein Bohrkopf eingesetzt wird Hierbei scheint jede der eingangs aufgezahlten Kopfformen mit einem bestimmten Grabstil verbunden zu sein Die Nasenlocher zeigen nach hinten damit keine Erde hineinkommt Auch der Schwanz ist kurz und stumpf oder zugespitzt Doppelschleichen kriechen nicht nach Art der Schlangen oder Schleichen durch seitliches Winden des Korpers sondern in Anpassung an die Fortbewegung in engen Grabgangen gestreckt Dabei laufen wie bei Regenwurmern pulsartige Wellenbewegungen durch den Korper So konnen sie zwar nur relativ langsam dafur aber gleichermassen vorwarts wie ruckwarts kriechen Doppelschleichen atmen mit dem vergrosserten linken Lungenflugel der rechte ist reduziert im Gegensatz zu den Schlangen und fast allen schlangenahnlichen Echsen Ausnahme die Zwergteju gattung Bachia bei denen stattdessen der linke Lungenflugel in Funktion und Grosse reduziert ist Sie werden meist 20 bis 30 Zentimeter gross Die Rote Doppelschleiche Amphisbaena alba aus Sudamerika und Monopeltis capensis aus Afrika werden 50 bis 70 Zentimeter lang Fortpflanzung BearbeitenMannliche Doppelschleichen haben wie alle Schuppenkriechtiere zwei Hemipenes als Begattungsorgan Die meisten Arten legen Eier oft in Termitenbauten einige Arten sind auch lebendgebarend Ernahrung BearbeitenRingelschleichen fressen Wurmer Tausendfusser Insekten und deren Larven viele tropische Arten ernahren sich hauptsachlich von Ameisen und Termiten Auch die Maurische Netzwuhle hat eine Vorliebe fur Ameisen Stammesgeschichte BearbeitenDoppelschleichen sind ab dem Palaozan fossil nachgewiesen 3 Die Zugehorigkeit alterer Funde zu dieser Gruppe gilt nicht als gesichert Sineoamphisbaena aus der Oberkreide des Gobi Beckens ursprunglich als fruhe Doppelschleiche identifiziert 4 wird in jungeren Arbeiten der rein fossilen Squamatenfamilie Polyglyphanodontidae zugewiesen 5 Untersuchungen mit der Methode der molekularen Uhr sprechen fur einen Ursprung der Gruppe im Kanozoikum lange nach dem Auseinanderbrechen des Urkontinents Pangaea Die ersten Doppelschleichen lebten in Nordamerika und sie haben sich wahrscheinlich dreimal uber Ozeane eventuell driftend auf Treibholz auf andere Kontinente ausgebreitet zuerst von Nordamerika nach Europa dann von Nordamerika nach Afrika und zuletzt von Afrika nach Sudamerika 3 Alle Fossilfunde von Doppelschleichen stammen bislang nur von den Nordkontinenten Nordamerika Europa und Asien Mit Blanus antiquus aus dem Mittelmiozan Suddeutschlands stellen sie auch eine mitteleuropaische Art 6 Heute erstreckt sich ihr Verbreitungsgebiet jedoch uberwiegend auf die Sudkontinente Afrika und Sudamerika Systematik BearbeitenAussere Systematik Bearbeiten Die Doppelschleichen wurden aufgrund ihrer speziellen Anatomie und Lebensweise traditionell neben den Schlangen Serpentes und Echsen Sauria Lacertilia als Unterordnung der Ordnung Squamata Schuppenkriechtiere gefuhrt Zum Ende des 20 Jahrhunderts mit wachsendem Einfluss der Kladistik auf die zoologische Systematik zeigte sich jedoch dass eine solch tiefgreifende Untergliederung der Schuppenkriechtiere eigentlich nicht gerechtfertigt ist weil sowohl Schlangen als auch Doppelschleichen Untergruppen der Echsen sind und die Echsen selbst keine in sich geschlossene naturliche Gruppe bilden Paraphylum Trotz ihrer Ahnlichkeit mit Schlangen sind die Doppelschleichen mit diesen nicht naher verwandt Welche Position genau die Doppelschleichen innerhalb der Schuppenkriechtiere einnehmen war noch bis Ende des 20 Jahrhunderts nicht genau geklart 7 Teilweise galt eine Stellung innerhalb der Skinkartigen Scincomorpha d h eine engere Verwandtschaft mit Skinken Scincidae Echten Eidechsen Lacertidae Gurtelschweifen Cordylidae und Schienenechsen Teiidae als wahrscheinlich 8 9 Nach jungsten molekularbiologischen Untersuchungen sind die Doppelschleichen die Schwestergruppe der Echten Eidechsen und bilden mit ihnen ein Lacertibaenia genanntes Taxon 10 Die These wird durch den Fund von Cryptolacerta gestutzt einer kleinen Echse aus der Grube Messel deren Skelettanatomie sich durch eine Mischung aus Eidechsen und Doppelschleichenmerkmalen auszeichnet 5 Eine sehr umfassende molekulargenetische Untersuchung der Verwandtschaftsbeziehungen der Schuppenkriechtiere jeweils 44 Zellkerngene von 161 Squamaten und 10 Aussengruppentaxa deren Ergebnisse Ende 2012 publiziert wurden bestatigte zwar das enge verwandtschaftliche Verhaltnis von Echten Eidechsen und Doppelschleichen lieferte gleichzeitig aber auch Hinweise auf eine mogliche Paraphylie der Doppelschleichen Im Kladogramm der Maximum Likelihood Analyse stand Rhineura floridana Rhineuridae ausserhalb einer gemeinsamen Klade aus Eidechsen und den ubrigen Vertretern der Doppelschleichen Die Bayes sche Analyse ergab hingegen monophyletische Doppelschleichen mit den Eidechsen als Schwestergruppe siehe folgendes Kladogramm 11 Schuppenkriechtiere Squamata Schlangenschleichen Dibamidae Geckoartige Gekkota Skinkartige Scincoidea Scinciformata Lacertoidea Zwergtejus Gymnophthalmidae Tejus Teiidae Lacertibaenia Echte Eidechsen Lacertidae Doppelschleichen Amphisbaenia Schlangen Serpentes Schleichenartige Anguimorpha Leguanartige Iguania Vorlage Klade Wartung StyleInnere Systematik Bearbeiten Die Doppelschleichen werden aktuell Stand 2014 in sechs Familien unterteilt Florida Doppelschleichen Rhineuridae Nur eine Art die Florida Doppelschleiche Rhineura floridana lebt im nordlichen Florida bis zum Okeechobeesee im Everglades Nationalpark Systematisch steht sie allen anderen Doppelschleichen als Schwestergruppe gegenuber Eigentliche Doppelschleichen Amphisbaenidae 11 bis 16 Gattungen Verbreitung in Afrika Sudamerika und den Karibischen Inseln Spitzzahn Doppelschleichen Trogonophidae Vier Gattungen Agamodon Diplometopon Pachycalamus Trogonophis mit insgesamt sechs Arten in Afrika und dem Nahen Osten Zweifuss Doppelschleichen Bipedidae Die einzige Gattung die Handwuhlen Bipes mit drei Arten haben kleine zu Grabwerkzeugen umgestaltete Vordergliedmassen Sie leben im westlichen Mexiko Cadeidae Eine in Kuba vorkommende Gattung Cadea mit zwei Arten Cadea blanoides und Cadea palirostrata Blanidae Eine in der Mittelmeerregion vorkommende Gattung Blanus mit sieben Arten darunter die Maurische Netzwuhle Blanus cinereus Die Familien Blanidae und Cadeidae sind erst 2004 12 bzw 2008 13 aufgestellt worden Das folgende Kladogramm verdeutlicht die Verwandtschaftsverhaltnisse innerhalb der Doppelschleichen 13 Doppelschleichen Florida Doppelschleichen Rhineuridae Eigentliche Doppelschleichen Amphisbaenidae Spitzzahn Doppelschleichen Trogonophidae Zweifuss Doppelschleichen Bipedidae Cadeidae BlanidaeVorlage Klade Wartung StyleNach dieser Hypothese haben die Florida Doppelschleichen als komplett beinlose Formen mit Grabkopf die basalste Stellung im Kladogramm und die Bipedidae die uber Vorderbeine und einen nicht sonderlich stark zum Graben umgebildeten Schadel verfugen gehoren zu den starker abgeleiteten Taxa Dies impliziert dass bei Korrektheit der Hypothese die Entwicklung des Kopfgrabens und die Reduktion der Vordergliedmassen mindestens dreimal unabhangig voneinander innerhalb der Doppelschleichen stattgefunden haben muss bei den Florida Doppelschleichen den Eigentlichen und Spitzzahn Doppelschleichen sowie bei den Cadeiden und Blaniden 12 Anmerkungen Bearbeiten Diese Formenbezeichnungen werden in der Literatur nicht einheitlich gehandhabt So wird die Bezeichnung spatenformig sowohl fur schaufel als auch fur meisselartige Kopfformen verwendet Beispielsweise wird die Kopfform von Dalophia mal als schaufel 14 und mal als spatenformig 15 bezeichnet wahrend die Kopfform des meisselkopfigen Diplometopon auch als spatenformig bezeichnet wird 16 Literatur BearbeitenNicolas Vidal Anna Azvolinsky Corinne Cruaud S Blair Hedges Origin of tropical American burrowing reptiles by transatlantic rafting Biology Letters Bd 4 Nr 1 2008 S 115 118 doi 10 1098 rsbl 2007 0531 Wolfgang Bohme Squamata Schuppenkriechtiere In W Westheide R Rieger Hrsg Spezielle Zoologie Teil 2 Wirbel oder Schadeltiere Spektrum Munchen 2004 ISBN 3 8274 0307 3 S 377 398 Carl Gans Ricardo Montero An Atlas of Amphisbaenian Skull Anatomy S 621 738 in Carl Gans Abbot S Gaunt Kraig Adler Hrsg Biology of the reptilia Vol 21 Morphology I The skull and appendicular locomotor apparatus of Lepidosauria Contributions to Herpetology Vol 24 Society for the Study of Amphibians and Reptiles Ithaca NY 2008 ISBN 978 0 9169 8477 9 online Einzelnachweise Bearbeiten Amphisbaenia In The Reptile Database Autorenkollektiv Die Enzyklopadie der Tiere National Geographic Deutschland Hamburg 2012 ISBN 978 3 8669 0246 6 S 370 a b Nicholas R Longrich Jakob Vinther R Alexander Pyron Davide Pisani Jacques A Gauthier Biogeography of worm lizards Amphisbaenia driven by end Cretaceous mass extinction Proceedings of the Royal Society Series B Mai 2015 volume 282 issue 1806 DOI 10 1098 rspb 2014 3034 Xiao Chun Wu Donald B Brinkman Anthony P Russell Sineoamphisbaena hexatabularis an amphisbaenian Diapsida Squamata from the Upper Cretaceous redbeds at Bayan Mandahu Inner Mongolia People s Republic of China and comments on the phylogenetic relationships of the Amphisbaenia Canadian Journal of Earth Sciences Bd 33 Nr 4 1996 S 541 577 doi 10 1139 e96 042 alternativer Volltextzugriff wormlizard org PDF 6 3 MB a b Johannes Muller Christy A Hipsley Jason J Head Nikolay Kardjilov Andre Hilger Michael Wuttke Robert R Reisz Eocene lizard from Germany reveals amphisbaenian origins Nature Bd 473 S 364 367 doi 10 1038 nature09919 H Hermann Schleich Neue Reptilienfunde aus dem Tertiar Deutschlands 3 Erstnachweis von Doppelschleichen Blanus antiquussp nov aus dem Mittelmiozan Suddeutschlands Munchner Geowissenschaftliche Abhandlungen Reihe A Geologie und Palaontologie Bd 4 1985 S 1 16 Beispielseite mit Abbildungen u a des Holotyps Memento des Originals vom 24 September 2015 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www pfeil verlag de 79 kB Richard Estes Kevin de Queiroz and Jacques Gauthier Phylogenetic Relationships within Squamata In Richard Estes Gregory Pregill Hrsg Phylogenetic Relationships of the Lizard Families Essays Commemorating Charles L Camp Stanford University Press Stanford CA 1988 S 219 281 Wolfgang Bohme Squamata Schuppenkriechtiere 2004 siehe Literatur S 393 Gerhard Mickoleit Phylogenetische Systematik der Wirbeltiere Verlag Dr Friedrich Pfeil Munchen 2004 ISBN 3 89937 044 9 S 309 Nicolas Vidal S Blair Hedges The phylogeny of squamate reptiles lizards snakes and amphisbaenians inferred from nine nuclear protein coding genes Comptes Rendus Biologies Bd 328 Nr 10 11 2005 S 1000 1008 doi 10 1016 j crvi 2005 10 001 John J Wiens Carl R Hutter Daniel G Mulcahy Brice P Noonan Ted M Townsend Jack W Sites Jr Tod W Reeder Resolving the phylogeny of lizards and snakes Squamata with extensive sampling of genes and species Biology Letters Bd 8 Nr 6 2012 S 1043 1046 doi 10 1098 rsbl 2012 0703 Supplementa u a mit Baum der Bayes schen Analyse a b Maureen Kearney Bryan L Stuart Repeated evolution of limblessness and digging heads in worm lizards revealed by DNA from old bones Proceedings of the Royal Society B Bd 271 2004 S 1677 1683 doi 10 1098 rspb 2004 2771 PMC 1691774 freier Volltext a b Nicolas Vidal et al Origin of tropical American burrowing reptiles 2008 siehe Literatur G John Measey Krystal A Tolley A molecular phylogeny for sub Saharan amphisbaenians African Journal of Herpetology Bd 62 Nr 2 2013 doi 10 1080 21564574 2013 824927 Gans amp Montero An Atlas of Amphisbaenian Skull Anatomy 2008 siehe Literatur S 699 J A Maisano M Kearney T Rowe Cranial anatomy of the spade headed amphisbaenianDiplometopon zarudnyi Squamata Amphisbaenia based on high resolution X ray computed tomography Journal of Morphology Bd 267 Nr 1 2006 S 70 102 doi 10 1002 jmor 10388 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Amphisbaenia Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Amphisbaenia In The Reptile Database Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Doppelschleichen amp oldid 229843514