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Die Verlobung in St Domingo ist eine 1811 erschienene Novelle von Heinrich von Kleist In der Novelle die um 1800 im heutigen Haiti fruher Saint Domingue spielt geht es um zwei Einzelschicksale in den Wirren des damaligen Befreiungskriegs Inhaltsverzeichnis 1 Geschichtlicher Hintergrund 2 Handlung 2 1 Vorgeschichte 2 2 Hauptgeschichte 3 Interpretation 4 Literatur 5 Horbuch 6 Verfilmung 7 Oper 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseGeschichtlicher Hintergrund BearbeitenHauptartikel HispaniolaAm 6 Dezember 1492 landete Christoph Kolumbus an der Sudostkuste Hispaniolas im heutigen Haiti Aufgrund der brutalen Behandlung durch die Spanier und durch eingeschleppte Krankheiten wurde die einheimische Bevolkerung binnen weniger Jahrzehnte beinahe ausgeloscht Daher begannen die Spanier schon bald versklavte schwarze Menschen aus Afrika einzufuhren Bereits im Jahre 1503 gelangte die erste Schiffsladung mit Sklaven nach Santo Domingo Wenige Jahrzehnte spater verliessen viele der spanischen Siedler die von ihnen ausgeplunderte Insel und folgten den Konquistadoren in die neueroberten Reiche Mexiko und Peru Zu Anfang des 17 Jahrhunderts landeten franzosische Seerauber die den auf dem Weg von Mittel und Sudamerika nach Europa vorbeifahrenden mit Silber und Gold beladenen spanischen Beuteschiffen auflauerten Diese franzosischen Seerauber verwandelten die spanische Kolonie Santo Domingo in eine franzosische Niederlassung die fortan Saint Domingue hiess Um die Bevolkerung zu vermehren schickte die franzosische Regierung Auswanderer und deportierte auch Kriminelle auf die ferne Insel Als im Jahr 1644 das Zuckerrohr aus Java eingefuhrt wurde begann ein enormer okonomischer Aufschwung Es entstanden daraufhin riesige Zuckerrohrplantagen aber auch Kaffee Kakao und Baumwollpflanzungen 1697 trat Spanien im Frieden von Rijswijk den Westteil von Hispaniola an Frankreich ab In der zweiten Halfte des 18 Jahrhunderts war St Domingue die reichste Kolonie Frankreichs die nicht weniger als ein Viertel des franzosischen Handelsvolumens bestritt Fur ihre ausgedehnte Plantagenwirtschaft fuhrten die Franzosen jahrlich 30 000 schwarze Sklaven ein Am Vorabend der franzosischen Revolution betrug das Zahlenverhaltnis der Rassen welches in Kleists Erzahlung so wichtig ist 450 000 Schwarze zu 40 000 Weissen und 30 000 Mulatten Uber die Behandlung der Schwarzen durch die Weissen gibt das franzosische Sklavengesetz der Code noir von 1685 Auskunft Die haufigste Strafe waren Peitschenhiebe die mit schweren geknoteten Riemen ausgefuhrt wurden und von denen jeder das blutige Fleisch blosslegte In die Wunden wurden Salz und Pfeffer gestreut oder sogar gluhende Kohlen gelegt Der Spezialausdruck der franzosischen Pflanzer fur diese Art der Strafe war tailler un negre einen Neger schnitzen In Kleists Erzahlungen wird Babekan Opfer einer solchen Strafe Handlung BearbeitenVorgeschichte Bearbeiten In Port au Prince lebt zum Anfang des 19 Jahrhunderts auf der Pflanzung eines Weissen namens Guillaume von Villeneuve welche der Schauplatz dieser Geschichte ist ein furchterlicher alter Neger mit Namen Congo Hoango Dieser von der Goldkuste Afrikas stammende Mann der in seiner Jugend von treuer und rechtschaffener Gemutsart schien war von seinem Herrn weil er ihm einst auf einer Uberfahrt nach Kuba das Leben gerettet hatte mit unendlichen Wohltaten uberhauft worden Guillaume hat ihm nicht nur auf der Stelle seine Freiheit geschenkt und ihm bei seiner Ruckkehr nach St Domingo Haus und Hof angewiesen sondern machte ihn einige Jahre darauf sogar gegen die Gewohnheit des Landes zum Aufseher seiner betrachtlichen Besitzung und gab ihm weil er nicht wieder heiraten wollte zu seiner Hilfe eine alte Mulattin namens Babekan bei mit welcher er durch seine erste verstorbene Frau weitlaufig verwandt war Als Congo Hoango sein sechzigstes Lebensjahr erreicht hatte versetzte Guillaume ihn mit einem ansehnlichen Gehalt in den Ruhestand und kronte seine Wohltaten noch damit dass er ihm in seinem Vermachtnis sogar ein Legat auswarf Diese Beweise von Dankbarkeit konnten ihn aber nicht vor all der Wut dieses grimmigen Menschen schutzen Congo Hoango war namlich einer der Ersten der zur Buchse griff und seinem ehemaligen Herrn eine Kugel durch den Kopf jagte um die weisse Tyrannei auf der Insel zu bekampfen zusammen mit seiner Lebensgefahrtin Babekan und der jungen Toni Babekans Tochter aus einem Verhaltnis mit einem franzosischen Kaufmann Congo Hoango fordert Babekan und ihre Tochter auf Weisse die auf der Flucht vor den schwarzen Trupps in das Haus kommen so zu behandeln als ob sie ihnen helfen wurden und sie so lange im Haus zu behalten bis Congo Hoango mit den Negertruppen wieder von seinen Streifzugen zuruckkommt Hauptgeschichte Bearbeiten Zurzeit ist Congo Hoango wieder einmal unterwegs um die Aufstandischen zu verstarken Zu Hause klopft ein junger Weisser an die Ture und bittet um Unterschlupf Toni nimmt ihn auf und zeigt ihm sein Zimmer Er ist fasziniert von der anmutigen Schonheit des funfzehnjahrigen Mischlingsmadchens und erzahlt ihr seine Geschichte Sein Name ist Gustav von der Ried und er kommt ursprunglich aus der Schweiz Seine Familie ist auf der Flucht und versteckt sich zurzeit an einem geheimen Ort und er bittet um Nahrung und Hilfe Noch in derselben Nacht lernen die beiden sich besser kennen verlieben und verloben sich Als jedoch Tonis Mutter Babekan die zwischen den Parteien steht verlangt den Mann zu verraten und seine Reisegruppe Congo Hoango auszuliefern ist Toni zuerst entsetzt Auf Druck ihrer Mutter stimmt sie schliesslich zu in letzter Sekunde zogert sie jedoch und schmiedet einen Plan Bevor Hoango zuruckkehrt fesselt sie ihn damit er nicht sofort getotet wird und sein Gefolge die Moglichkeit bekommt ihn zu befreien Zu diesem Zweck holt sie die Familie des Mannes ins Haus Als Gustavs Familie mit Toni ins Haus eindringt und dort gegen die Negertrupps von Congo Hoango kampft und Gustav befreien will erschiesst dieser seine Verlobte im Glauben sie habe ihn verraten Als er seinen Irrtum bemerkt richtet er sich selbst Congo Hoango und Herr Stromli der Vetter Gustavs und zugleich Familienoberhaupt der Stromlis treffen ein Abkommen und so gelingt es den Stromlis unversehrt zu entkommen Interpretation BearbeitenAls weltweit bedeutendster Zuckerproduzent war Haiti wie die gesamte Karibik seit dem Siebenjahrigen Krieg Zankapfel der rivalisierenden Machte Frankreich und Grossbritannien Kleists Novelle steht im Zeichen dieser Konflikte als Folgen von Globalisierungsprozessen uber deren langfristige Wirkungen die Zeitgenossen um 1800 sich vollig im Klaren waren 1 Napoleon der vergeblich versucht hatte die Insel zuruckzuerobern konnte die Unabhangigkeit Haitis am 1 Januar 1804 nicht verhindern Dieser erste und bis zur Abschaffung der Sklaverei einzige erfolgreiche Sklavenaufstand der Neuen Welt war ein Schock fur die Grossmachte der Kolonialzeit die ihren Reichtum auf der Sklaverei gegrundet hatten und fur Kleist ein Vorbild fur den Kampf gegen Napoleon der im Jahr 1811 in dem die Novelle verfasst wurde eine erhebliche militarische Niederlage auf der Iberischen Halbinsel erlitt Zur berserkerhaften Wut der aufstandischen Sklaven vergleiche man Kleists Gedicht Germania an ihre Kinder Eine Ode in dem es uber Napoleon heisst Zu den Waffen Zu den Waffen Was die Hande blindlings raffen Mit der Keule mit dem Stab Stromt ins Tal der Schlacht hinab Schlagt ihn tot Das Weltgericht Fragt euch nach den Grunden nicht 2 Auch in der Novelle werden Menschen mit Keulen erschlagen Gustav steht als Schweizer offenbar unfreiwillig in franzosischen Diensten die Schweiz war von 1798 bis 1813 ein franzosischer Vasallenstaat Als unschuldige Opfer der Schwarzen werden auch Hollander und Portugiesen genannt ebenfalls von Frankreich besetzte Staaten Gustav nimmt das Gastrecht auf Grund der helleren Hautfarbe Babekans und Tonis in Anspruch Euch kann ich mich anvertrauen aus der Farbe Eures Gesichts schimmert mir ein Strahl von der meinigen entgegen Dieses Vertrauen in die Hautfarbe trugt jedoch da Babekan und Toni als Mulattin bzw Mestizin zwischen den beiden Rassen stehen und ihre Loyalitat nicht automatisch den Weissen gilt 3 Literatur BearbeitenVance Byrd Family Intercategorical Complexity and Kleist s Die Verlobung in St Domingo In The Germanic Review Literature Culture Theory 92 3 2017 223 244 doi 10 1080 00168890 2017 1329702 Rolf Fullmann Die Verlobung in St Domingo Interpretation In Rolf Fullmann Einfuhrung in die Novelle Kommentierte Bibliographie und Personenregister Wissenschaftliche Buchgesellschaft WBG Darmstadt 2010 ISBN 978 3 534 21599 7 S 96 100 Barbara Gribnitz Schwarzes Madchen weisser Fremder Studien zur Konstruktion von Rasse und Geschlecht in Heinrich von Kleists Erzahlung Die Verlobung in St Domingo Konigshausen und Neumann Wurzburg 2010 ISBN 978 3 826 02317 0 Hans Peter Herrmann Die Verlobung in St Domingo In Walter Hinderer Hrsg Kleists Erzahlungen Reclam Stuttgart 1998 ISBN 3 15 017505 4 S 111 141 Reclams Universal Bibliothek 17505 Literaturstudium Interpretationen Paul Michael Lutzeler Europa oder Amerika Napoleons Kolonialkrieg in Santo Domingo und Kleists literarischer Widerstand In Ders Kontinentalisierung Das Europa der Schriftsteller Aisthesis Bielefeld 2007 Herbert Uerlings Preussen in Haiti Zur interkulturellen Begegnung in Kleists Verlobung in St Domingo In Kleist Jahrbuch 1991 ISSN 0722 8899 S 185 201 Herbert Uerlings Die Haitianische Revolution in der deutschen Literatur H v Kleist A G F Rebmann A Seghers H Muller In Jahrbuch fur Geschichte von Staat Wirtschaft und Gesellschaft Lateinamerikas 28 1991 ISSN 0075 2673 S 343 389 Herbert Uerlings Poetiken der Interkulturalitat Haiti bei Kleist Seghers Muller Buch und Fichte Niemeyer Tubingen 1997 ISBN 3 484 32092 3 Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte 92 Sigrid Weigel Der Korper am Kreuzpunkt von Liebesgeschichte und Rassendiskurs in Heinrich von Kleists Erzahlung Die Verlobung in St Domingo In Kleist Jahrbuch 1991 S 202 217 Horbuch BearbeitenSprecher Hans Jochim Schmidt Verlag Vorleser Schmidt Format 2 Audio CDs 1 37 Std ISBN 978 3 941324 48 0 Verfilmung BearbeitenKleists Erzahlung wurde 1970 unter dem Titel San Domingo von Hans Jurgen Syberberg verfilmt 4 Oper BearbeitenDer deutsche Komponist Werner Egk legte Kleists Erzahlung einer Oper zugrunde die 1963 in Munchen uraufgefuhrt wurde und seither an zahlreichen Opernhausern zur Auffuhrung gelangte Weblinks BearbeitenText als PDF Memento vom 30 Juni 2013 im Internet Archive Einzelnachweise Bearbeiten David P Geggus Hrsg The Impact of the Haitian Revolution in the Atlantic World Columbia 2003 Heinricht von Kleist Samtliche Werke und Briefe Band 1 Munchen 1977 S 25 27 Anette Horn Eine gescheiterte Utopie der Gewaltlosigkeit in einer Sklavenhaltergesellschaft In literaturkritik de 2011 imdb com imdb de Werke von Heinrich von Kleist Dramatische Werke Die Familie Schroffenstein Amphitryon Der zerbrochne Krug Die Hermannsschlacht Penthesilea Robert 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