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Der Findling ist eine Novelle von Heinrich von Kleist die zum ersten Mal 1811 in Erzahlungen Band 2 erschienen ist Abb rechts Lange Zeit herrschte grossere Diskussion daruber ob das Werk wirklich erst fur diese Veroffentlichung geschrieben wurde oder ob es sich nicht um ein sehr fruhes Werk handelt Heute geht die Forschung von der Spatdatierung aus 1967 entstand ein gleichnamiger Fernsehfilm der auf der Novelle basiert Erstdruck 1811 Inhaltsverzeichnis 1 Handlung 2 Deutung 3 Sekundarliteratur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseHandlung BearbeitenAntonio Piachi wohlhabender Guterhandler und in zweiter Ehe verheiratet mit Elvire reist mit seinem Sohn Paolo dem Sohn seiner ersten Frau nach Ragusa Dort herrscht eine pestartige Krankheit Aus Sorge um sein Kind will er wider kaufmannischer Interessen sogleich abreisen Bei der Abreise nimmt er aus Mitleid den angesteckten Waisenknaben Nicolo mit obwohl es ihm anfangs widerstrebt In einem Wirtshaus werden sie von der Polizei festgenommen und aus Quarantaneschutz nach Ragusa transportiert Im dortigen Krankenhaus bleibt Piachi gesund sein eigener Sohn aber stirbt und Nicolo erholt sich Als Nicolo ihm eine gute Reise wunscht entschliesst Piachi sich ihn mitzunehmen Zuruck in Rom trauert Elvire um den toten Paolo nimmt Nicolo jedoch in die Familie auf Nicolo erhalt eine gute Schulbildung Piachi adoptiert ihn schliesslich und setzt ihn als Kommis in seinem Geschaft ein Er ist zufrieden mit seinem Sohn bis auf zwei Laster Nicolos Nicolo hat Umgang mit den Karmeliten die vor allem an dem kunftigen Erbe des Jungen interessiert sind und er hat ein fruhes Interesse am weiblichen Geschlecht Mit 15 hat er eine Affare mit Xaviera Tartini der Beischlaferin des Bischofs Mit 20 wird Nicolo mit Constanze Parquet einer Nichte Elvirens im Interesse der Eltern verheiratet Mit 60 Jahren geht der Vater in den Ruhestand und uberschreibt den Grossteil seines Vermogens und das Geschaft an den Sohn Es folgt eine Ruckblende die Elvirens Vorgeschichte in Form ihrer Erinnerung berichtet Vater Phillippo Parquet ein bemittelter in Genua wohnhafter Tuchhandler hatte wegen seines Berufs ein Haus am Meer Es brach ein Feuer im Haus aus als Elvire 13 Jahre alt war Sie rettete sich auf einen Balken hoch uber dem Meer der aber bald auch Feuer fing Kurz bevor sie in den Tod springen wollte wurde sie von einem jungen Genueser dem Sohn des Marquis gerettet Dieser zog sich dabei aber so schwere Verletzungen zu dass er nach drei Jahren Krankenlager starb Die von Liebe ergriffene Elvire pflegte ihn wahrend seiner Krankheit und lernte in seinem Haus auch Piachi kennen der mit dem Marquis Handelskontakte unterhielt Nach dem Tod des Genuesers heiratete sie Piachi konnte den Tod ihres Retters aber nie uberwinden Piachi respektiert Elvire und hutet sich mit ihr uber den Genueser zu sprechen Nicolo unterhalt sein Verhaltnis mit Xaviera Tartini auch nach der Hochzeit weiter und betrugt seine Frau Elvire will um einer Unpasslichkeit ihres Gatten abzuhelfen Medizin holen Nicolo kehrt in dem Karnevalskostum eines Genueser Ritters von seinem Liebesgeschaft zuruck Nicolo hatte freilich seine Gattin nicht uber seinen Ausflug unterrichtet insofern verfallt er in Panik als er die Schlafzimmertur verschlossen findet Elvire erschreckt uber die Masquerade sturzt von einem Stuhl den sie als Leiter benutzt hatte da sie wie vom Blitz getroffen war Um seine amourosen Abenteuer zu verdecken und keinen Ruffel von seinem Vater zu erhalten entreisst er Elvire den Schlussel legt seinen Schlafrock an und stellt sich als Piachi kommt uberrascht Elvire steht unter Schock Sie erholt sich wieder bleibt aber in der Folgezeit schwermutig Ein Jahr spater sterben Constanze Nicolos Gattin und ihr Kind bei der Niederkunft Die Bigotterie und Hurerei Nicolos beginnen wieder Noch ehe Constanze unter der Erde ist erwischt Elvire Nicolo mit einer Zofe von Xaviera in seinem Zimmer Sie verrat aber nichts Piachi wird misstrauisch als er dieselbe Zofe mit einem Brief von Nicolo an Xaviera betreffs eines Termins fur ein Stelldichein zufallig abfangt Piachi beantwortet den Brief im Namen der Frau und gibt Nicolo die Magdalenenkirche als Treffpunkt an Piachi lasst das Begrabnis Constanzes am nachsten Tage absagen und ordnet einen Leichenzug zum Gewolbe der Magdalenenkirche wo sie bestattet werden soll fur sofort an Nicolo fragt dort wen man bestatte und man sagt ihm dass es Xaviera Tartini sei Nicolo weiss aber dass es sich um seine Frau handelt Nicolo verfallt in Hass gegen Elvire weil er glaubt sie habe ihm diese Schande bereitet und ihn verraten Piachi spricht kein Wort mehr mit Nicolo Nicolo will ohne wirkliche Absicht Piachi die Auflosung des Verhaltnisses mit Xaviera versprechen Elvire erregt nun sein Begehren zugleich will er Rache an ihr nehmen Nicolo glaubt Elvire bei einem Verhaltnis durch das Schlusselloch zu beobachten doch stellt sich heraus dass sie vor nichts weiter als einem Stuck selbstgewebter Leinwand in Stellung der Verzuckung gekniet war Nicolo dringt nachdem sie es verlassen hat in ihr Gemach ein und stellt fest dass es sich um das Bild eines jungen Ritters handelt Nicolo erzahlt Xaviera die sonderbare Begebenheit Xaviera will Elvire sturzen und das Bild sehen Sie und ihre kleine Tochter Klara deren Vater der Bischof ist sehen das Bild Die Kleine ruft plotzlich Signor Nicolo wer ist das anders als Sie Xaviera reagiert eifersuchtig Nicolo erregt Die geglaubte Leidenschaft Elvirens erregt ihn fast wie das Gefuhl der Rache an ihr Nicolo spielt mit Buchstaben aus seiner Kinderzeit und entdeckt das Anagramm Nicolo Colino der Mann auf dem Bild Auch Elvire sieht das Anagramm und weint errotet Nicolo glaubt an sein Liebesziel und will ihr in ihr Schlafzimmer folgen Piachi kommt und stort ihn Nicolos schandliche Freude wird zerstort durch ein Billett von Xaviera Neuigkeiten uber Elvire durch eine Beichte Elvirens bei den Karmeliten die es dem Bischof gesagt haben der es Xavira verraten hat Gegenstand von Elvirens Liebe ist der schon seit zwolf Jahren tote Aloysius Marquis von Montferrat genannt Colino Dieser ist auch auf dem Bild Dieses Wissen solle Nicolo aber geheim halten Bei Nicolo vereinigen sich Rache und Wollust Nicolo plant einen Betrug einen satanischen Plan gegen die reine Seele Elvirens Nicolo schleicht sich in seiner Colino Verkleidung in Elvirens Gemach Elvire will ihn nackt vergotten Er versinkt in Anschauung ihrer Reize Sie sinkt vom Kuss des Todes erbleicht nieder Er bedeckt sie mit Kussen Piachi kehrt in diesem Moment heim Nicolo enttarnt sich bittet um Vergebung Elvire bricht zusammen Sie erholt sich bald und Piachi ist bereit die Angelegenheit im Stillen zu klaren Er holt die Peitsche Nicolo droht plotzlich aufgrund von Dokumenten dass ihm doch das Haus gehore und der Vater hier gar nichts zu sagen habe Er verweist Piachi und Elvire des Hauses Ein Rechtsstreit geht zu Gunsten Nicolos aus weil der Bischof der auf einen spateren Erbanteil fur die Kirche hofft sich fur diesen einsetzt Dazu kommt noch dass der Bischof froh ist weil Nicolo ihm die lastig gewordene Xavira abnehmen und heiraten will Piachi bricht beim Rechtsanwalt zusammen Elvire stirbt an den Folgen des Vorfalls und Piachi ermordet Nicolo Piachi wird ohne Absolution hingerichtet da er den Priestern droht und kann nun Nicolo auch noch in der Holle verfolgen wie es sich Piachi wunscht Deutung BearbeitenDie Fruhdatierung des Textes wurde unter anderem aufgrund von Bruchen in der Handlung bzw wenig psychologischer Motivierung der Handlung erwogen Jurgen Schroder hat versucht die Handlung mit Ruckgriff auf soziophysikalische Uberlegungen Kleists zu motivieren Im Allerneusten Erziehungsplan oder auch in dem Essay Uber die allmahlige Verfertigung der Gedanken beim Reden aussert Kleist den Gedanken einer merkwurdige n Ubereinstimmung zwischen den Erscheinungen der physischen und moralischen Welt 1 Die soziophysikalische Lesart sieht den Text wie es fur die meisten Texte Kleists in der neueren Forschung bedacht wird als Versuchsanordnung Der Findling scheint am Anfang neutral geladen Die Erregung des Vaters uber den Tod seines leiblichen Sohnes polarisiert ihn positiv und komplementar Nicolo negativ Dies druckt sich darin aus dass er keinerlei Anteilnahme oder Mitleid zeigt sondern in sich gekehrt dasitzt und Nusse knackt Elvire hat durch ihre sexuelle Inaktivitat ein Liebesvakuum und kann daher als negativ polarisiert angesehen werden Nicolo baut durch den Mangel an Liebe in seinem Elternhaus fruhe sexuelle Aktivitat auf was man als positive Polarisierung verstehen kann Seine Frau Constanze vermag diese Ladung etwas zu binden Als Nicolo als Colino verkleidet Elvire nachts begegnet kommt es zu einer elektrischen Entladung Es blitzt und Elvire sinkt ohnmachtig zusammen Als Constanze gestorben ist wird die Polaritat Nicolos frei Sie polarisiert Antonio Piachi komplementar dass dieser auf Rache sinnt Dies polarisiert Nicolo gegen Elvire Sein sexuelles Begehren an ihr und zugleich der Wunsch nach Rache deutet Schroder als Oszillieren zwischen zwei Polaritatszustanden Dieser Spannungsaufbau implodiert als Antonio Piachi eintritt und der Fast Liebesszene ein Ende setzt Elvire bricht zusammen Als Antonio Piachi nun die Peitsche zuckt polarisiert dies wiederum Nicolo gegen ihn was plausibel macht wieso er ihn so plotzlich aus dem Haus wirft In Kleists Novelle spielt die Ersetzung von Personen eine wiederkehrende Rolle So wird unter anderem die erste Frau Piachis durch Elvire ersetzt oder auch Colino durch Nicolo Des Weiteren vertritt Nicolo auch den toten Sohn Paolo Dies wird dadurch deutlich dass er dessen Kleider Zimmer ja seine ganze Rolle ubernimmt 2 Sekundarliteratur BearbeitenHelga Arend Heinrich von Kleists Der Findling als triviale Schauergeschichte moralische Erzahlung oder philosophischer Diskurs Die Befreiung von der Kategorie Trivialliteratur In dies Hg Und wer bist du der mich betrachtet Populare Literatur und Kultur als asthetische Phanomene Festschrift fur Helmut Schmiedt Bielefeld 2010 S 279 296 ISBN 978 3 89528 814 2 Gunter Bamberger Der Findling In Ingo Breuer Hrsg Kleist Handbuch Leben Werk Wirkung Metzler Stuttgart 2009 S 133 136 Fritz Gottler Handlungssysteme in Heinrich von Kleists Der Findling Diskussion und Anwendung narrativer Kategorien und Analyseverfahren Frankfurt am Main Bern Peter Lang 1983 Joachim Muller Zufall und Vorfall Geschehenswelt und Erzahlstruktur in Heinrich von Kleists Novelle Der Findling In Zeitschrift fur Germanistik 3 1982 S 427 438 Gail M Newman Family Violence in Heinrich von Kleist s Der Findling In Colloquia Germanica 29 1996 S 287 302 Bernhard Rieger Geschlechterrollen und Familienstrukturen in den Erzahlungen Heinrich von Kleists Frankfurt am Main Peter Lang 1985 Frank G Ryder Kleist s Findling Oedipus manque In Modern Language Notes 92 1977 S 509 524 Branka Schaller Fornoff Den Findling gibt es nicht Projektion und Permutation in Kleists Novelle In dies Hg Kleist Relekturen Dresden Thelem 2011 S 63 78 ISBN 978 3 939888 93 2 Jochen Schmidt Identitat als aporetisches Projekt Kleists Erzahlung Der Findling In Werner Frick Susanne Komfort Hein Marion Schmaus Michael Voges Hg Aufklarungen Zur Literaturgeschichte der Moderne Festschrift fur Klaus Detlef Muller zum 65 Geburtstag Tubingen Niemeyer 2003 S 203 210 Jurgen Schroder Kleists Novelle Der Findling Ein Pladoyer fur Nicolo In Kleist Jahrbuch 1985 S 109 127 Wiederabdruck in Anton Philipp Knittel Inka Kording Hg Heinrich von Kleist Neue Wege der Forschung Darmstadt Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2 durchgesehene Auflage 2009 S 40 58 ISBN 978 3 534 23081 5 Marianne Schuller Bild im Text Zu Kleists Erzahlung Der Findling In Konstanze Fliedl Bernhard Oberreither Katharina Serles Hg Gemalderedereien Zur literarischen Diskursivierung von Bildern Berlin Erich Schmidt Verlag 2013 S 42 50 ISBN 978 3 503 13761 9 Sigrid Weigel Der Findling als gefahrliches Supplement Der Schrecken der Bilder und die physikalische Affekttheorie in Kleists Inszenierung diskursiver Ubergange um 1800 In Kleist Jahrbuch 2001 S 120 134 Mathias Weissbach Naturliche und rhetorische Irrtumer Der Findling und die Kunst der Ver Stellung In Kleist Jahrbuch 2016 S 82 99 Cornelia Zumbusch Ubler Schutz Die Pest und das Problem der Abwehr in Kleists Der Findling In Zeitschrift fur deutsche Philologie 4 2009 S 495 510 Weblinks BearbeitenLesung bei librivox org Nr 10 Einzelnachweise Bearbeiten Uber die allmahliche Verfertigung der Gedanken beim Reden Sigrid Weigel Der Findling als gefahrliches Supplement Der Schrecken der Bilder und die physikalische Affekttheorie in Kleists Inszenierung diskursiver Ubergange um 1800 In Gunter Blamberger Sabine Doering und Klaus Muller Salget Hrsg Kleist Jahrbuch 2001 Metzler Stuttgart Weimar S 120 134 Werke von Heinrich von Kleist Dramatische Werke Die Familie Schroffenstein Amphitryon Der zerbrochne Krug Die Hermannsschlacht Penthesilea Robert Guiskard Das Kathchen von Heilbronn Der Schrecken im Bade Prinz Friedrich 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