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In ihrer Studie Der lange Schatten der Vergangenheit Erinnerungskultur und Geschichtspolitik 1 aus dem Jahr 2006 untersucht Aleida Assmann die letztlich europapolitischen Auswirkungen der zivilgesellschaftlichen Erinnerungskultur von unten und der institutionell gestutzten Geschichtspolitik von oben Mit ihren Uberlegungen versucht Aleida Assmann den Beitrag beider Faktoren zur europaischen Integration zu starken Inhaltsverzeichnis 1 Ubersicht 2 Basiskategorien im Erinnerungsdiskurs 2 1 Gedachtnisebenen 2 1 1 Individuelles Gedachtnis 2 1 2 Soziales Gedachtnis 2 1 3 Kollektives Gedachtnis 2 1 4 Politisches und Nationales Gedachtnis 2 2 Rollen und Restriktionen der Erinnerung 2 2 1 Tater und Opfer 2 2 2 Sacrifice und Victim 2 2 3 Trauma und Schweigen 2 2 4 Zeugen 3 Erinnerungsprozesse 3 1 Authentizitats Verluste 3 2 Identitats Einbildungen 3 3 Themen Konjunktur 3 3 1 Sozialer Rahmen der Erinnerung 3 3 2 Ausklammerung anderer Opfererfahrungen 3 3 3 Formung von Opferdiskursen 4 Infrastruktur des offentlichen Gedachtnisses 4 1 Museen 4 2 Gedenkstatten 4 3 Jahrestage 4 4 Internet 5 Universalisierung der Holocaust Erinnerung 5 1 Holocaust als Paradigma der Ausloschung von Minderheiten 5 2 Dialogische Erinnerungskultur 6 Rezeption 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseUbersicht BearbeitenDie vorliegende dem Andenken an Reinhart Koselleck gewidmete Studie will nicht den Holocaust oder den Zweiten Weltkrieg erforschen sondern ausschliesslich die nachtragliche Rezeption dieser Ereignisse in der Erinnerungskultur und der Geschichtspolitik 2 Deren Debatten hatten die Geschichtswissenschaft verandert die Geschichtsschreibung habe wieder eine moralische Funktion Mit diesem Kriterium der Moralitat pruft die Autorin den Gebrauch historischer Erinnerungen 3 Ihre Uberlegungen fokussiert sie auf die Begrundung einer kontinentalen ja globalen Erinnerungsgemeinschaft die sich auf den Holocaust als ihr universal negatives Paradigma bezieht Die Autorin tritt der Wiederbelebung nationaler Geschichtsmythen und der Unterordnung der Gegenwart unter den spaltenden Schatten der Vergangenheit entgegen Diese meta historische Untersuchung dient einer Verringerung der durch aggressive Mythen neu belebten historischen Konflikte und damit einer Starkung der europaischen Perspektive In theoretischen Ausfuhrungen und entlang mehrerer Fallstudien werden zentrale Begriffe und Zusammenhange dieses Diskurses historischer Erinnerungen diskutiert Der Schwerpunkt liegt darauf wie die individuelle Erinnerung an Schuld und Leid sich uber mehrere Ebenen Rollen und in Uberwindung verschiedener Schnittstellen in ein kollektives Gedachtnis ubersetzt und dieses durch Vereinheitlichung und Instrumentalisierung zu einem politischen Gedachtnis geformt wird Assmann fragt nach dem Verhaltnis von Authentizitat und Wahrheit untersucht die Konjunktur des Holocaust Themas und beschreibt die Infrastruktur des kollektiven und politischen Gedachtnisses Basiskategorien im Erinnerungsdiskurs BearbeitenIn der gesellschaftlichen Verstandigung uber nationale Geschichte haben verschiedene Instanzen und Institutionen Strukturen und Strategien ihren Platz Die Auseinandersetzung uber deren Ziele und Inhalte operiert mit einer Reihe von Kategorien die Assmann in einer theoretischen Einfuhrung sortiert In einem ersten theoretischen Schritt grenzt Assmann das kollektive oder kulturelle und politische Gedachtnis vom individuellen und sozialen Gedachtnis ab in einem zweiten definiert sie Grundbegriffe und Topoi der fur den Diskurs uber das historische Gedachtnis wichtigen Rollen und Restriktionen von Erinnerung Gedachtnisebenen Bearbeiten Individuelles Gedachtnis Bearbeiten An Erinnerungsprozessen sind mehrere Gedachtnisebenen wechselwirkend beteiligt die sich in den Reichweiten und Zeithorizonten deutlich voneinander unterscheiden Das individuelle Gedachtnis sei fluchtig und trugerisch gewinne durch soziale Interaktion seine Stabilitat und vermittle seinem Trager die eigene Identitat es ist das dynamische Medium subjektiver Erfahrungsverarbeitung Es ist physisch an den Trager gebunden und mit Kindern und Enkeln im langsten Fall ein Drei Generationen Gedachtnis dessen Inhalte und Material Fotoalben Mobel Kleider Accessoires schliesslich vergehen oder Fossilien werden 4 Soziales Gedachtnis Bearbeiten Da aber jedes Ich vielen verschiedenen Gruppen und Organisationen angehore Jedes Ich ist verknupft mit einem Wir entstehe ein soziales Gedachtnis in dem gewisse Uberzeugungen Haltungen Weltbilder gesellschaftliche Wertmassstabe und kulturelle Deutungsmuster mit anderen geteilt eigene Erfahrungen mit denen anderer angereichert Sekundarerfahrungen in die eigene Biografie integriert und bestatigt wurden Dieses zeitlich begrenzte Gedachtnis habe seine Stutzen in einer gemeinsamen Erinnerungskommunikation memory talks in Briefen Fotografien und Ritualen Aber die Hervorhebung von Ereignissen in der wechselseitigen Vergewisserung wird erganzt durch ein unbewusst bewusstes Vergessen von Identitatsmakeln Wir sind mit anderen Worten zu ganz wesentlichen Teilen das was wir erinnern und vergessen 5 Kollektives Gedachtnis Bearbeiten Das kollektive Gedachtnis in Erzahlungen Medien Denkmalern Jahrestagen Ritualen und gestalteten Orte habe im Gegensatz zu den anderen beiden Gedachtnisformen als eine Vergemeinschaftung die uber Generationen und Epochen hinausgreift eine ganz andere Reichweite und einen potenziell uber Jahrhunderte wirkenden Zeithorizont Indem symbolisches Material des kollektiven Gedachtnisses durch eine institutionalisierte Infrastruktur gesichert und die Auseinandersetzung mit ihm in Bildungseinrichtungen Museen Bibliotheken Theatern Konzerten usw gefordert und gestutzt werde werde das kollektive zugleich ein kulturelles Gedachtnis Die entkorperten und zeitlich entfristeten Inhalte des kulturellen Gedachtnisses fliessen in die soziale Kommunikation zuruck und wurden von Individuen in freier Identifikation ubernommen wodurch das Individuum neben personaler und sozialer seine kulturelle Identitat gewinnt und auch spatere Generationen so ohne eignen Erfahrungsbezug in eine gemeinsame Erinnerung hineinwachsen 6 Politisches und Nationales Gedachtnis Bearbeiten Durch eine vereinheitlichende Uberformung des kulturellen Gedachtnisses durch eine Engfuhrung entstehe ein offizielles oder ein politisches Gedachtnis das durch eine strategische Kombination aus Akzentuieren und Vergessen eine bereinigte Wir Identitat in einem nationalen Gedachtnis konstruiert 7 Historische Ereignisse wurden mit den Augen der Identitat gesehen also neu bewertet und dieses gemeinsame Erbe von Ruhm und Reue Ernest Renan verleihe der Gegenwart einen gemeinsamen Sinn 8 und orientiert zugleich auf die zukunftigen Aufgaben der Nation Auch heroisch aufladbare Niederlagen wurden in den nationalen Mythos eingepasst und was nicht in dieses heroische Bild passt fallt dem Vergessen anheim Wie vor dem Ersten Weltkrieg die Erinnerungen in Europa nationalistisch ausgeformt wurden so wurden sie nach 1945 der bipolaren Weltsituation untergeordnet und konnten sich eigentlich erst nach 1989 aus dieser Instrumentalisierung befreien erst seitdem weichen die offiziellen nationalen Opfer und Widerstandsnarrative vor allem im westlichen Teil der EU einer differenzierteren Darstellung Fur Polen Ungarn Tschechien Russland und Serbien lasse sich dagegen leider eine Erneuerung nationalistischer Mythen beobachten die einem gemeinsamen Gedachtnis an Krieg Holocaust und Vertreibung entgegenstehen 9 Rollen und Restriktionen der Erinnerung Bearbeiten Mit Holocaust und Zweitem Weltkrieg sind sowohl objektive Rollen von Individuen und Gruppen als auch ihre je bestimmten Perspektiven der Erinnerung verbunden die sich in entsprechenden Erzahlmustern und Topoi zeigen In einer zweiten methodischen Klarung werden die hier zur Analyse von Standpunkten notwendigen Begriffe konturiert 10 Tater und Opfer Bearbeiten Wo bislang nur von Siegern und Verlierern die Rede war musse im Zusammenhang nicht nur der neueren deutschen Geschichte auch von Tatern und Opfern gesprochen werden Diese Gegensatzpaare wirkten sich in ihren spezifischen Verschrankungen auf die Perspektiven und Strategien der Erinnerung aus So mache es einen wesentlichen Unterschied ob Verlierer eine Niederlage in einen heroischen Mythos umfirmieren 11 ob Verlierer in einem moralischen Sinn auch Tater waren und ob die Opfer ihre Erinnerungen des Leids in das kollektive Gedachtnis gleichberechtigt einbringen konnen oder zusatzlich unter dem Druck der Sieger leben mussen Sacrifice und Victim Bearbeiten Absolut grundlegend fur das Thema sei die sich heute durchsetzende neue Spaltung des Opferbegriffs mit der unterschiedliche Gedachtnisstrategien verbunden seien Assmann unterscheidet das engl sacrifice als das aktive Opfer fur hohere Ziele vom engl victim als dem passiven und wehrlosen Objekt von Gewalt Auf der einen Seite gebe es den selbstbestimmten Opfertod fur hohere Ziele der nachtraglich in ein heroische Opferbereitschaft forderndes Gedenken der Martyrer munde Auf der anderen Seite einen massenhaften Tod von Opfern durch eine uberwaltigende Macht in einer radikal asymmetrischen Situation ohne oder nur mit wenig Widerstand der Opfer Daruber nachzudenken wurde mit der Diskussion uber den Holocaust intensiviert aber diese Asymmetrie trafe auch schon vorher zu auf die Versklavung afrikanischer Einwohner indigener Bevolkerungen und den Genozid an den Armeniern sowie heute auf verfolgte und ermordete Zivilisten uberall auf der Welt 12 Trauma und Schweigen Bearbeiten Fur diese ohnmachtigen Opfer gelte ein traumatisches Opfergedachtnis ohne hoheren Sinn und Trost fur das es zunachst kein Rezeptionsmuster gegeben habe 13 Viele der uberlebenden Opfer konnten auf ihre Enthumanisierung nur durch psychische Abspaltung des Traumas reagieren woraus bestimmte psychische Symptome oder ein Beschweigen und ein Tabu im Rahmen des familiaren und sozialen Gedachtnisses folgten Das Schweigen und die Ausfluchte der Tater dagegen waren Wirkung eines politischen Umbruchs und neuer moralischer Wertungen und der davon ausgelosten Scham ein manchmal behauptetes Tatertrauma sei wohl eher ein Trauma der Scham Folge der Konfrontation der Tater mit ihren Verbrechen Schweigen verschafft dem Opfer fur eine Weile Distanz zu dem bedrohenden Trauma dem Tater dagegen gewahrt es Sicherheit und Schutz vor Verfolgung Tabuisierung der Tat ist deshalb das Ziel des Taters wahrend aufarbeitende Erinnerung das therapeutische und moralische Ziel des Opfers ist 14 Anhand auch prominenter Tater untersucht Assmann das Aufrechnen der Opfer nicht nur quantitativ sondern in komplexen Opfernarrativen das Externalisieren das aus einem Aussetzen von Aufmerksamkeit folgende Ausblenden das Schweigen und die Umfalschung oder Verdrehung als Taterstrategien die vordringlich das individuelle und soziale Gedachtnis der Deutschen betreffen 15 Zeugen Bearbeiten Wegen der Ausloschung der Opfer und dem traumatisierten Schweigen der Uberlebenden wird die Rolle der Zeugen notwendig die das Leiden der Opfer bestatigen und an eine moralische Gemeinschaft als einer dritten Instanz neben Opfer und Tater vermitteln Auf Urteil und Schuldspruch folgt die sekundare Zeugenschaft der Gesellschaft in Form einer Erinnerungskultur die diese Zeugnisse sichert und institutionell als Elemente des kulturellen Gedachtnisses kanonisiert 16 Wie allerdings die Trauer uber die Verbrechen und damit die Erinnerung an sie in ein nationales Selbstbild eingefugt werden konne sei ein historisch neues Phanomen fur das uberzeugende Vorbilder nicht existieren Aber die inzwischen uberall auf der Welt zunehmenden Erklarungen und Bekenntnisse von Staats und Kirchenoberhauptern wurden auf einen Paradigmenwechsel der Geschichtspolitik hinweisen 17 Erinnerungsprozesse BearbeitenIm zweiten Teil der Studie werden in neun Abschnitten Erinnerungsprozesse ihre Formen Determinanten und Folgen sowohl systematisch als auch anhand von Beispielen untersucht und dabei der kategoriale Rahmen des ersten Teils weiter erganzt 18 Authentizitats Verluste Bearbeiten Wenn Geschichte zuruckubersetzt wird in ein zu bezeugendes Geschehen geht es vor allen Fragen nach der Wahrheit zuallererst um die Authentizitat der Zeugenschaft Aus mehreren Autobiografien ubernimmt Assmann als erste Stufe des individuellen Gedachtnisses die Einschreibung gravierender Ereignisse in den Korper bzw die Seele die hervorgerufen durch Orte und Dinge in einem Erinnerungsblitz aus ihrem vorbewussten Status latenter Bereitschaft ins bewusste Ich Gedachtnis ubersetzt werden konnen 19 Ihre Ubersetzung in Erzahlungen in Bilder oder Texte als Mit Teilung an Dritte uberfuhre die Erinnerung zwar in das soziale oder kulturelle Gedachtnis entferne sie aber von ihrer sinnlichen Ein Pragung in ihrer artikulierten Form wird der erlebte authentische Kern zusatzlich moglicherweise unwillkurlich erganzt durch erworbene Vorstellungen aus anderen Quellen oder anders akzentuierte Ausschnitte des erinnerten Geschehens oder willentlich uberformt infolge der inneren Zensur zugunsten eines bereinigten Selbstbildes und einer koharenten Biografie 20 Erinnerungen konnen also subjektiv authentisch oder wahrhaftig sein ohne dadurch wahr zu werden aber sie konnen verbluffender Weise auch wahr sein ohne authentisch zu sein wie die folgenden Beispiele zeigen Identitats Einbildungen Bearbeiten Wie weit sich erzahlte individuelle Identitaten von den biografischen Fakten entfernen konnen schildert Assmann anhand zweier bekannter Falle 21 in denen die konstruierten Biografien im Bewusstsein ihrer Schopfer die ursprunglichen Lebenszusammenhange zeitweilig verdrangen konnten Sie folgten im eigenen Korper unter neuer Identitat auf sich selbst wurden zu Doppelgangern ihrer selbst konnten ihre fruheren Identitaten von sich abspalten und zeitweilig vergessen 22 Diese Verwandlungen eines NS Funktionars in einen linksliberalen Akademiker und eines in Sicherheit aufgewachsenen Burgersohnes in einen Holocaust Uberlebenden die im ersten Fall mit krimineller Tauschungsabsicht und im zweiten der Aufmerksamkeit wegen begonnen wurden unterstreichen die Wirkungen einer hartnackigen Autosuggestion die in beiden Fallen von einem entsprechenden kulturellen Erwartungsklima der fruhen und spateren Bundesrepublik unterstutzt wurde Die Beispiele dieser Identitatspathologien verweisen auf die Formbarkeit unserer Erinnerungen durch den sozialen Rahmen in dem sie aufgerufen werden Man erinnert und vergisst um dazuzugehoren 23 Themen Konjunktur Bearbeiten Sozialer Rahmen der Erinnerung Bearbeiten Der Soziologe Jeffrey Alexander betont dass der Holocaust nicht schon immer war was er heute ist Fur dieses Thema musste sich erst ein sozialer Gedachtnisrahmen bilden Ohne das historisch neue Phanomen des Opferdiskurses ohne die Privilegierung dieser Opferperspektive ohne eine Opferkultur ohne ein Erinnerungscrescendo waren diese oben beschriebenen Phanomene daher vermutlich nicht moglich gewesen 24 Die beiden vorstehenden Falle seien keine individuellen Fehlleistungen sondern opportunistische Anpassungen an die Bedingungen der jeweiligen Gegenwart deren Informationsnachfrage im Fall des imaginierten Holocaustopfers diesen Identitatsentwurf mit hervorgebracht habe 25 Die Konjunktur des Themas ist diskurstheoretisch ein Musterbeispiel da hier ein Thema der historischen Erinnerung seine Kommunikationsformen und Institutionen gesellschaftlich evoziert worden waren dadurch eine eigene kulturelle und politische Wirkungsmacht bekamen und dann auf die Gesellschaft durch kulturelle und politische Akzente und Kampagnen zuruckwirkten 26 Ausklammerung anderer Opfererfahrungen Bearbeiten Anhand der Konjunktur des Holocaust Themas in den USA konne gezeigt werden dass es dort erst mit einer Veranderung des Kalten Kriegs in den Vordergrund ruckte als der deutsche Bundnispartner weniger wichtig und eine Diskussion seiner Verbrechen daher weniger storend wurde Der Holocaust erhielt erst seit den 1970er Jahren einen Namen und Fokus 27 Das Holocaustnarrativ wurde Zentrum einer neuen judisch amerikanischen Identitat die so konstatiert der judische Historiker Peter Novick zur Erosion eines umfassenderen sozialen Bewusstseins beigetragen hat Denn diese Identitatsfundierung resultierte in einer Immunisierung gegen die Erfahrungen anderer Opfer und in einer mythisch uberhohten Opferrolle motivierte zur Einforderung von medialer Aufmerksamkeit sozialer Anerkennung materieller Wiedergutmachung und symbolischer Restitution Eine auf der Opfersemantik fussende Identitatspolitik erweist sich damit eher als Teil des Problems denn als seine Losung 28 Formung von Opferdiskursen Bearbeiten Die imperative Ausrichtung an der Gegenwart impliziere nicht nur ein Dieses Nicht wie z B die zeitweilig semioffizielle Tabuisierung der Versenkung der mit Fluchtlingen uberfullten Wilhelm Gustloff 29 oder der Bombardierung deutscher Stadte durch die Alliierten bis in die 1990er Jahre 30 oder des weitgehend verschwiegenen Genozids an den Armeniern im Jahre 1915 31 Impliziert wird auch ein Nicht So wie es an den ablehnenden Reaktionen auf Philipp Jenningers Rede im Deutschen Bundestag am 10 November 1988 und auf Martin Walsers Paulskirchenrede am 11 Oktober 1998 abzulesen sei Abgesehen von den Problemen der Weitergabe unbearbeiteter Leidenserfahrungen an nachfolgende Generationen bleibe das nicht politisch offentlich anerkannte deutsche Trauma politisch virulent wie die Besetzung revanchistischer Themen durch den Bund der Vertriebenen und deutsche Neonazis zeige 32 Statt einer Priorisierung von entweder Leid oder Schuld die eine integrierende Erinnerung verhindere schlagt Assmann eine Kontextualisierung der deutschen Opfererfahrungen durch Eingliederung in Weltkriegsschuld und Taterverantwortung vor Die Norm des nationalen Gedachtnisrahmens der Deutschen ist der Holocaust In diesen allgemeinen Rahmen sind alle Erinnerungsgeschichten einzugliedern In dieser Hierarchisierung konne sich das Leidgedachtnis der Familien endlich aussprechen und sich dennoch nicht mehr uber das Schuldgedachtnis des Staates hinwegsetzen 33 Assmann registriert eine neue Intensitat der Bearbeitung der familiaren Schuld in Kunst Literatur und Film die kein Opfernarrativ konstruiere und mit passiver Verstrickung entschuldige sondern sich der Verkettung der eigenen mit der Tatergeneration stelle und endlich dem so lange Unausgesprochenen zu einer Sprache verhelfe 34 Infrastruktur des offentlichen Gedachtnisses BearbeitenDie Vergegenwartigung der eigenen Verluste oder Verbrechen oder der Verbrechen der Familienangehorigen wie auch ihrer Opfer oder das einer ganzen Generation findet in der zum Teil offentlich organisierten meist freiwilligen Konfrontation mit Elementen des kulturellen Gedachtnisses in symbolischer oder materialer Form statt Fur den Ubergang der Erinnerungen vom individuellem in das kollektive Gedachtnis gebe es eine grosse Zahl von Schnittstellen deren offentliche institutionalisierte Seite eine architektonische personelle mediale und konzeptionelle Infrastruktur bildet die Infrastruktur der Geschichtspolitik 35 Museen Bearbeiten Assmann beschreibt die Entstehung des kulturellen Gedachtnisses beispielhaft konkret in der Wanderung von symbolischen und materialen Alltagsresten aus personlichen Zusammenhangen in einen musealen Kontext in welchem diese und viele andere Artefakte zwischen dem Archiv bzw Speichergedachtnis und der Ausstellung oder dem Funktionsgedachtnis je nach den Gegenwartserwartungen hinein und hinausgewechselt werden In einem ihrer Fallbeispiele stellt Assmann anschaulich dar wie das lebendige Erfahrungsgedachtnis des Buchenwaldhaftlings Jorge Semprun durch das Medium der amerikanischen Filmaufnahmen nach der Befreiung mehrerer KZs einerseits erschuttert und seine Leidenserfahrung der Intimitat entkleidet wurde sie sich zugleich damit aber auch objektivierten und als Bestandteil des kulturellen Gedachtnisses integrierten 36 Gedenkstatten Bearbeiten Wahrend in diesen beiden Beispielen die Wiederbegegnung mit Residuen oder personlichen Erfahrungen eher Zufallsergebnisse sind sind Gedachtnisorte Sicherungsformen der Dauer und Jahrestage Sicherungsformen der Wiederholung das Ruckgrat der politischen Selbstdarstellung und nationalen Geschichtspolitik 37 Ebenso wie musealisierte Objekte sind Gedenkstatten des Holocaust an denen Besucher in der Regel eine je verschiedene Erlebnisverstarkung suchen uberdeterminiert durch die von gesellschaftlichen Gruppen mitbestimmten Ausstellungskonzepte durch eine in die Substanz eingreifende Restaurierung oder durch Zweckentfremdung die ihre Authentizitat historisch erganzen oder uberformen Gedachtnisorte sind immer auch Inszenierungen Jahrestage Bearbeiten Mit offentlichen Gedachtnisorten konnen feierliche Erinnerungen an Jahrestagen verbunden werden Hierfur muss das zu Erinnernde unablosbar mit der Identitat einer Gruppe einer Erinnerungsgemeinschaft verbunden sein Fur diese hat der meist an runden Kalenderdaten orientierte Blick in die Vergangenheit sowohl die Funktion das Trauererlebnis gemeinsam erlebbar und aushaltbar zu machen als auch eine Handlungsverpflichtung fur die Zukunft zu entwickeln die ins kulturelle Langzeitgedachtnis ubernommen werden kann Die Feierlichkeiten werden fur Interaktionen der Teilnehmer fur die Selbstdarstellung der Organisatoren und als Anstoss zur Reflexion genutzt Dieser Anstoss kann von Gedachtnisaktivisten entweder als historische Erinnerung oder als Mythos Fortsetzung mit ubergeschichtlichem Auftrag geformt werden 38 Internet Bearbeiten Das unfassbare Ausmass des Grauens das Problem seiner Darstellbarkeit und die Zeugenschaft der Uberlebenden fuhrten zunachst zu einem Darstellungstabu des Holocausts Inzwischen aber hat sich ein medial gestutztes Holocaustgedachtnis etabliert in dem die Massenmedien auf der Suche nach Aufmerksamkeit wenigstens kurzfristig wichtige Impulse geben erganzt durch das Internet als Schauplatz eines Kampfes um Deutungen und damit einer Konstruktion von Geschichte und Erinnerung von unten Neue Medien wurden die inzwischen traditionellen Reprasentationen des Holocaustgedachtnisses nicht uberflussig machen das Erinnern bedurfe der Grundlage der Schauplatze und Archive der Stutze wiederholter Anlasse und wiederholbarer Gesten Aber vor allem neue kunstlerische Formen konnten die historische Imagination erweitern und pragnante Formen der Vergegenwartigung von Vergangenheit erfinden Sogar Kontroversen und Skandale lieferten hierzu ihren Beitrag Die Debatte ist das Denkmal 39 Universalisierung der Holocaust Erinnerung BearbeitenHolocaust als Paradigma der Ausloschung von Minderheiten Bearbeiten Eine europaische Identitat nur auf einen Wertekanon bzw auf eine europaische Leitkultur Bassam Tibi zu stutzen greife zu kurz denn ihre Verbindlichkeit erwachse aus einer verpflichtenden Erfahrung aus einem Erbe von Ruhm und Reue Ernest Renan Konnte daher der Holocaust die Basis einer kontinentalen oder globalen Erinnerungsgemeinschaft werden Mit der Vielzahl der zu erinnernden Opfergruppen des Holocausts dem heutigen Aufschwung einer zur Opferkonkurrenz neigenden Identitatspolitik und mit den ganz anderen Trauma Erfahrungen aussereuropaischer Nationen konnten sich andere Nationen nicht in gleicher Weise an den Holocaust erinnern Nur wenn die Einzigartigkeit des Holocaust als Paradigma der Ausloschung von Minderheiten kodiert und als Bezugspunkt fur den Schutz von Minderheiten als eine europaische Verpflichtung und Orientierung verstanden werde sei eine kontinentale ja universale Erinnerungsgemeinschaft moglich die die Anspruche anderer Opfergruppen nicht langer verdrangt Es war die Einfuhlungsverweigerung die den Krieg und den Holocaust moglich gemacht hat Die negative Erinnerungen seien in positive und zukunftsweisende Werte konvertierbar in die Affirmation von Menschenrechten 40 Dialogische Erinnerungskultur Bearbeiten Den Holocaust als einer eindeutigen gemeinsamen historischen Referenz fur das neue Europa zu etablieren konne aber nur mit versohnlichen Prinzipien der nationalen Erinnerungspolitiken gelingen Anerkennung der Offenheit historischer Ereignisse fur verschiedene Sichtweisen ein Verbot der Schuldaufrechnung und der Priorisierung von Opfergruppen oder der Opferkonkurrenz eine Uberwindung der Ausklammerung eigener Schuld und positiv vor allem die Bereitschaft eine auch schmerzliche eigene Vergangenheit und das europaische Einigungsprojekt in grosseren Zusammenhangen zu sehen 41 Ohne Bezug auf einen gemeinsamen europaischen Rahmen von Regeln der Erinnerung wurde das Trennende der nationalen Leidenserfahrungen sich durchsetzen und der Burgerkrieg der Erinnerungen fortgesetzt Die vielfaltige unerwartete Mediatisierung des Holocausts in Dokumentationen Spielfilmen usw resultiere eben auch in einer unbekannten Emotionalisierung der Geschichte und biete so Anknupfungspunkte fur aggressive Mythen 42 hier musse die kulturwissenschaftliche Forschung der gefahrlichen Dynamik kollektiver Erinnerungskonstruktionen entgegentreten um die Erinnerungskultur von unten und die Geschichtspolitik von oben aus dem langen Schatten negativer Schlusselerlebnisse der Vergangenheit zu fuhren Rezeption BearbeitenArning siehe Weblinks hebt hervor dass Assmanns Studie Grundzuge des erinnerungskulturellen Diskurses in grosser Deutlichkeit und Prazision entwickelt Indem sie fur eine Darstellung auch deutscher Opfererfahrungen im Rahmen der deutschen Schuld und des Holocausts eintrete offne sie die den deutschen Diskurs auch fur die Beschaftigung mit anderen Leiderfahrungen Ihre Studie sei ein lesenswerter Beitrag Frei siehe Weblinks wurdigt Assmanns Beitrage zum kulturwissenschaftlichen Gedachtnisdiskurs und seiner begrifflichen Ausdifferenzierungen Andererseits werde alles aus sehr grosser Flughohe formuliert von wo allerdings die erinnerungsgeschichtliche Entwicklung in Deutschland sich nicht erklaren lasse Mehrfach kritisiert Frei Vagheit Zuruckhaltung von Details und dass geschichtliche Zusammenhange kaum zur Kenntnis genommen wurden Sein Resumee Die Studie vermag jene Orientierung nicht zu liefen die man sich von diesem Buch und von dieser Verfasserin erwartet hatte Heinlein siehe Weblinks lobt die zweifellos kenntnis und materialreiche Studie und ihre sehr griffige und gut strukturierte Taxonomie der diskursnotwendigen Kategorien im ersten Teil Er kritisiert aber am zweiten Teil dass sich hier kaum mehr als Zusammenfassungen bekannter Positionen finde Es fehle an manchen Stellen an der konsequenten Klarheit und vieles bleibt im Diffusen und ohne Konturen Es stelle sich die Frage ob man dies nicht auch ohne all die aufwandigen theoretischen Unterscheidungen hatte sagen konnen Er schliesst mit dem Hinweis auf den sinkenden Grenznutzen einer Forschung zu diesem Thema sofern sie sich im Rahmen der 1980er und 1990er Jahren bewegt Heinrichs siehe Weblinks lobt die mit der Studie gelungene Systematisierung des Gedachtnisdiskurses zu einer internationalen kulturwissenschaftlichen Gedachtnisforschung Dabei gelingen ihr grundsatzliche Bestimmungen von Begriffen die wir nur klischeehaft verwenden Assmanns Begriff des posttraumatischen Zeitalters sei allerdings zu europazentriert da die augenblicklichen weltweiten Traumatisierungen durch Kriege und andere Migrationsursachen nicht hoch genug einzuschatzen sind Dadurch werde auch die normierende Kraft des Holocausts in Frage gestellt Aber die von der Autorin befurwortete Offnung der Diskussion fur die deutschen Opfererfahrungen im Kontext einer Tatergeschichte ermogliche auch die Integration aussereuropaischer Leidenserfahrungen in den Diskurs Jahr siehe Weblinks lobt die Zusammenfuhrung der Ansatze verschiedener bisher weitgehend voneinander getrennt forschender Disziplinen zum Thema Gedachtnis des Holocausts dessen Einzigartigkeit das zentrale Axiom im Selbstverstandnis westlicher Staaten und ihr negativer Referenzpunkt sei Er wunscht der Studie viele aufmerksame Leser die es wegen der im ersten Teil fein ziselierten Begriffsarbeit und der ambitionierten theoretischen Erorterungen bzw Hohenfluge seiner Meinung nach auch brauche Dagegen biete der empirische Teil wenig Neues sei sprunghaft und wegen der Kurze der Abhandlung so vieler Themenbereiche auch oberflachlich Weblinks BearbeitenMatthias Arning Langer Schatten Aleida Assmann will die Erinnerungskultur aus der Sackgasse befreien in Frankfurter Rundschau vom 2 Oktober 2006 zuletzt aufgerufen am 19 Februar 2021 1 Norbert Frei Ich erinnere mich Aleida Assmanns Gedachtnisdiskurs gefallt sich in seinen eigenen Konstruktionen in Die Zeit 28 September 2006 zuletzt aufgerufen am 19 Februar 2021 2 Michael Heinlein Aleida Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit in H Net CLIO Online 2007 zuletzt aufgerufen am 19 Februar 2021 3 Hans Jurgen Heinrichs Kulturwissenschaftliche Gedachtnisforschung Uber das Erinnern als kulturelles Verhalten in Deutschlandfunk am 9 Januar 2007 zuletzt aufgerufen am 19 Februar 2021 4 Christoph Jahr Das Leiden an der Erinnerung in Neue Zurcher Zeitung am 6 Dezember 2006 zuletzt aufgerufen am 19 Februar 2021 5 Einzelnachweise Bearbeiten Aleida Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit 3 Auflage C H Beck Munchen 2018 ISBN 978 3 406 66650 6 S 320 Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 239 274 ff Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 15 47 ff Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 23 ff 25 f 32 ff Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 21 26 34 59 60f 206 f Assmann verwendet diesen Begriff trotz seiner Vagheit und der verbreiteten Skepsis weil sie hier nicht ausschliesslich Ideologie Mythen und Manipulation sondern auch eine irreduzible Angewiesenheit des Menschen auf Bilder und kollektive Symbole sieht und daher einen Paradigmenwechsel von der Ideologiekritik zum kollektiven Gedachtnis befurwortet Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 29 ff 36 53 ff 208 ff Sie stellt dem eher patriarchalischen an der Form einer aufgeblasenen Familie orientierten preussisch deutschen Konzept der Nation das von Ernest Renan an demokratischer Willensbildung und gemeinsamem Leiden orientierte franzosische Konzept gegenuber In einem Exkurs zur Geschichtsschreibung bei Herodot Cicero im 19 Jahrhundert und zum deutschen Historikerstreit der 1986er untersucht Assmann das Zusammenspiel von Historiografie und ethnisch orientierten oder nationalen Erinnerungsprozessen Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 36 52 Stuart Hall hat aus der Perspektive der Cultural Studies und der Postkolonialen Theorien die rassistische Infiltration der englischen Nationalkultur wahrend des Imperialismus in Das verhangnisvolle Dreieck beschrieben Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 64 ff 259 ff Gibt es so etwas wie eine Psycho Logik der Formung von Erinnerungen unter dem Einfluss von Stolz und Scham bzw Schuld und Leid Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 34 f Die Geschichtsschreibung der Verlierer sei zwar wegen eines grosseren Erklarungsbedarfs komplexer und instruktiver als die der Sieger Reinhart Koselleck ihre Geschichtserinnerung aber arbeitet mehr an Selbstauratisierung und Mythenbildung Verlust von Ehre fuhrt auf diese Weise zur Steigerung von Ehre Verlierer in der Schlacht werden zu spirituellen Siegern Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 64 ff 69 f Die Kategorie des Opfers im Kontext der Erinnerung sei daher keine naturwuchsige sondern werde durch eine moralische Gemeinschaft erst konstruiert Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 72 ff 87 ff 237 Unertraglich aber ist die Vorstellung dass Millionen Menschen fur nichts und wieder nichts ermordet wurden Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 74 Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 82 Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 169 ff 183 ff 266 ff Da das spatere Schweigen in der SS zeitlich schon vor den Verbrechen verabredet worden war und fast alle Deutschen wahrend und nach den Verbrechen in einer gigantischen Komplizenschaft mit den Tatern lebten gibt es nach Hannah Arendt und Primo Levi zwar keine juristische wohl aber eine moralische Kollektivschuld des deutschen Volkes Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 68 82 ff 91 f 95 ff Assmann unterscheidet typologisch den Zeugen vor Gericht den historischen den religiosen und den moralischen Zeugen Wegen des juristisch unabgegoltenem Rests der Verbrechen ihrer transkriminellen Wucht und Uberschussigkeit richtet sich der moralische Zeuge an die moralische Gemeinschaft deren gestaltete offentliche Erinnerung z B in Wahrheitskommissionen der Erinnerungsasymmetrie von Tatern und Opfern eine gemeinsame Vergangenheitsbewahrung entgegensetze Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 85 ff 89 ff 107 ff Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 112 ff Wahrend der erste Abschnitt in seinem Fortgang vom Einzelnen uber das Besondere zum Allgemeinen einen systematischen Zugriff offenbart zeigt der zweite Teil neben Fallanalysen in seinen wieder systematischen Abschnitten auch Uberschneidungen und Wiederholungen Hier werden Arbeiten der letzten funf Jahre Vorwort veroffentlicht die leicht besser aufeinander abzustimmen gewesen waren mit einer koharenten Architektur hatte die Veroffentlichung ein Handbuch der Erinnerungspolitik werden konnen Vergleiche auch die deutliche Kritik im Abschnitt Rezeption Diese Unterschiede im Gedachtnisstatus werden mit den Begriffspaaren Ich Gedachtnis bewusste Konstruktion in einer Erzahlung fur Dritte und Mich Gedachtnis Ein Das erinnert mich an eine plotzlich Erinnerung durch einen ausseren Trigger sowie Gedachtnis Spur eine auch korperliche Einpragung durch die Wucht eines Erlebnisses und Gedachtnis Bahn eine relative feste Nachordnung der Erinnerung durch wiederholte Erzahlung entfaltet Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 119 ff Will man diese disparaten Gegensatzpaare logisch genetisch verbinden musste man sie verschranken und drehen von der Spur zum Mich zum Ich zur Bahn Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 134 f Es handelt sich um die Falle Schneider alias Schwerte und Dossecker alias Wilkomirski Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 138 ff Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 150 Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 79 f 154 ff 157 159 Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 149 154 Assmann zitiert Maurice Halbwachs George Herbert Mead Jean Paul Sartre und Martin Walser die weitgehend darin ubereinstimmen dass wir uns dem Vergangenen unter dem Diktat der Gegenwart zuwenden und jede prasentierte Vergangenheit immer schon eine Konstruktion vom Standpunkt der Gegenwart ist Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 158 ff 184 f 196 f Bis dahin waren die Taterbezeichnung Endlosung oder Grauel oder Nazibarbarei oder einfach Auschwitz gebrauchlich bevor das hebraische Wort Shoah und seine Ubersetzung Holocaust fur Brandopfer verwendet wurden Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 79 81 155 f 248 267 Die Autorin erwahnt auch einen Gedanken des Historikers Christian Meier dass ein bereitwilliger Holocaust Fokus der deutschen Tatererinnerung auch dazu gedient haben konnte von den deutschen Verbrechen an Polen und Russen zu schweigen Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 268 Assmann analysiert die Literarisierung der Erinnerungsarbeit in Im Krebsgang von Gunter Grass S 194 ff W G Sebald habe mit seiner Zuricher Poetikvorlesung 1997 einen Schleier des Tabus durchstossen Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 184 ff Es ist aber zu erganzen dass schon relativ fruh und an prominenter Stelle Uwe Johnson in den Jahrestagen die Vergewaltigungen durch die Rote Armee eine weitere umfassende Leiderfahrung neben Vertreibung und Bombenkrieg literarisch bearbeitet hat als diese Verbrechen nur unter der Hand weitergetragen wurden Uwe Johnson Jahrestage Band 2 ff Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 240 f Assmann analysiert wie sich in Tabuzonen der Erinnerungspolitik deutsche Opfernarrative ausbreiteten die deutsche Kriegs und Nachkriegstraumen gegen Kriegsschuld und Holocaust aufzurechnen versuchten Fur die USA konstatiert sie einen ahnlichen Zusammenhang von langanhaltender offentlicher Ignoranz gegenuber gruppenspezifischer Opfererfahrungen und der neuerlichen Konjunktur ethnischer Identitatsbildung Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 183 ff 213 ff 241 250 f 266 Die Re Mythisierung in Osteuropa nach dem Zusammenbruch der sowjetischen Diktatur mit ihrer Unterdruckung nationaler Besonderheiten zeigt eine gleiche Entwicklungslogik Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 123 248 269 Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 216 Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 238 ff 274 Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 53 ff 209 ff Johan Harstad stellt in seinem Roman Max Mischa und die Tet Offensive die Erschutterung einer Tater Verdrangung dar indem sich ein amerikanischer GI und Vietnam Veteran mit dem Film Apokalypse Now konfrontiert Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 217 ff Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 228 ff 231 247 Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 236f 242 f 246 ff 273 Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 251 255 ff 269 279 Zur Entwicklung der Kriterien vergleiche Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 169 ff 266 ff 277 Assmann Der lange Schatten der Vergangenheit S 237 244 f 266 ff 270 273 277 279 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Der lange Schatten der Vergangenheit amp oldid 234580817