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Das Depotstimmrecht oder Vollmachtstimmrecht ist im Wertpapierrecht ein Stimmrecht welches durch Kreditinstitute auf der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien als bevollmachtigte Vertreter der Aktionare ausgeubt wird Inhaltsverzeichnis 1 Deutschland 1 1 Allgemeines 1 2 Interessenkollisionen 1 3 Reformierte Rechtslage 1 4 Depotstimmrecht und Prasenz 1 5 Kritik 1 5 1 Aktionarsvereinigungen 1 5 2 Spektakulare Falle des Depotstimmrechts 1 6 Sonstiges 2 Schweiz 3 Literatur 3 1 Deutschland 4 EinzelnachweiseDeutschland BearbeitenAllgemeines Bearbeiten Das Depotstimmrecht entwickelte sich in Deutschland zwischen 1922 und 1931 und wurde erstmals in 1937 gesetzlich verankert Die Banken sorgten fur Regelungen der Stimmrechtsvertretung ihrer Depotkunden in ihren Allgemeinen Geschaftsbedingungen Danach waren die Banken zur Stimmrechtsausubung der von ihnen verwahrten Depotaktien ermachtigt soweit keine gegenteilige Weisung des Aktionars vorlag Das Depotstimmrecht der Kreditinstitute ergab sich aus dem Umstand dass Kreditinstitute ganz uberwiegend die Aktien ihrer Kunden in Wertpapierdepots verwalten Damit gehort das Depotstimmrecht zu den Dienstleistungen eines Kreditinstituts im Rahmen des Depotgeschafts Kreditinstitute ubernehmen hierbei die Aufgabe das Informationsmaterial des Unternehmens uber die bevorstehende Hauptversammlung an den Aktionar weiterzuleiten weil die Aktiengesellschaft nur bei Namensaktien durch das Aktienbuch einen Uberblick uber ihre Aktionare besitzt Bei den Inhaberaktien sind nur Kreditinstitute in der Lage betroffene Aktionare anhand der Depotbestande zu identifizieren Mit dem Informationsmaterial wird auch die Bitte an die Aktionare herangetragen dem Kreditinstitut eine Stimmrechtsvollmacht zu erteilen und Weisungen zu den einzelnen Tagesordnungspunkten abzugeben oder den Vorschlagen des Kreditinstituts zu folgen Interessenkollisionen Bearbeiten Unterbreiten Kreditinstitute dem Aktionar eigene Vorschlage wie auf der Hauptversammlung abgestimmt werden soll so konnen damit Interessenkollisionen verbunden sein Einerseits sind Kreditinstitute auch selbst teilweise massgeblich an Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien beteiligt und oder als Kreditgeber involviert andererseits konnen Vertreter des Kreditinstituts ein Aufsichtsratsmandat im Unternehmen wahrnehmen Die hieraus entstehende Gefahr der Interessenkollision kann sich dadurch verwirklichen dass Kreditinstitute im Rahmen des Depotstimmrechts ihren Depotkunden Vorschlage zur Abstimmung unterbreiten im Sinne der Verwaltung fur die Aktionare abzustimmen wie von der Aktiengesellschaft vorgeschlagen Damit kann der Versuch verbunden sein den Depotkunden so abstimmen zu lassen wie es dem eigenen Interesse des Kreditinstituts entspricht Aus diesem Grunde wurde durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich KonTraGesetz das Depotstimmrecht der Banken im Mai 1998 eingeschrankt Das Gesetz stellte Informationspflichten und Transparenz gegenuber dem Aktionar in den Vordergrund Die Banken mussten uber Personalverpflichtungen von Vorstandsmitgliedern und sonstigen Mitarbeitern sowie uber eigene Beteiligungen am Unternehmen aufklaren Ferner musste der Aktionar uber alternative Vertretungsmoglichkeiten wie bankunabhangige Bevollmachtigte informiert werden Sollte die Bank mehr als 5 der Aktien eines Unternehmens verwalten konnte sie das Stimmrecht nicht mehr uneingeschrankt ausuben sondern bedurfte einer konkreten Weisung zu den einzelnen Tagesordnungspunkten es sei denn sie ubte keine eigenen Stimmrechte aus Reformierte Rechtslage Bearbeiten Das Depotstimmrecht ist durch das Gesetz zur Umsetzung der Aktionarsrechterichtlinie ARUG seit September 2009 umfassend reformiert und aufgewertet worden Die Banken haben erweiterte Moglichkeiten sich eine jederzeit widerrufliche schriftliche Vollmacht fur die Stimmabgabe erteilen zu lassen 135 AktG Durch eine schriftliche Weisung nach 128 AktG bevollmachtigt der Aktionar das Kreditinstitut das Stimmrecht an seiner Stelle und in seinem Namen wahrend der Hauptversammlung wahrzunehmen Die Kreditinstitute durfen nunmehr eigene Vorschlage fur die Ausubung des Stimmrechts zu den einzelnen Tagesordnungspunkten unterbreiten mussen sich dabei jedoch von den Interessen der Aktionare leiten lassen und organisatorische Vorkehrungen dafur treffen dass Eigeninteressen aus anderen Geschaftsbereichen nicht einfliessen 135 Abs 2 AktG Das Kreditinstitut darf das Stimmrecht nach eigenen Vorschlagen nur ausuben wenn es keine anderen Weisungen des Aktionars erhalt Das gilt auch dann wenn das Kreditinstitut selbst an der Aktiengesellschaft im Umfange des 21 WpHG beteiligt ist mindestens 3 am Grundkapital halt oder einem Emissionskonsortium angehorte das innerhalb der letzten funf Jahre die zeitlich letzte Emission der Aktiengesellschaft ubernommen hat Die fur die Internet Prasenz der Hauptversammlung 124a AktG geltenden Motive treffen auch auf das Depotstimmrecht zu Die Liberalisierung des Depotstimmrechts verhindert Zufallsmehrheiten in einer Hauptversammlung insbesondere dann wenn die Aktionare weltweit verstreut sind und ihnen eine personliche Teilnahme zu umstandlich oder zu teuer ist 1 Depotstimmrecht und Prasenz Bearbeiten Prasenz ist die am Tag der Hauptversammlung dem Unternehmen gemeldete und vorhandene Anzahl der stimmberechtigten Aktien ausgedruckt in Prozent des insgesamt stimmberechtigten Aktienkapitals Empirische Untersuchungen belegen 2 dass durch das Depotstimmrecht der Banken eine Erhohung der Prasenz auf Hauptversammlungen erfolgt Grund ist dass viele Aktionare vorhandene Vollmachts und Internetalternativen nicht nutzen und damit zur Verschlechterung der Prasenz beitragen Je hoher die Prasenz umso geringer ist die Gefahr von Zufallsmehrheiten die zu unerwarteten oder unzweckmassigen Abstimmungsergebnissen fuhren konnen Die Prasenzen sind nach 1998 in der Folge des KonTraGesetzes deutlich gesunken Lag bei DAX30 Gesellschaften im Jahr 1998 die durchschnittliche Prasenz noch bei 60 95 so ging sie auf 45 87 im Jahr 2005 zuruck seit 2007 ist sie wieder angestiegen 56 42 Der Anstieg der Prasenzen nach 2005 durfte insbesondere auf das Inkrafttreten des UMAG im November 2005 zuruckzufuhren sein 3 das unter anderem die Hinterlegungserfordernisse als Teilnahmevoraussetzung abgeschafft hatte Kritik Bearbeiten Es wurde kritisiert dass das Depotstimmrecht das entscheidende Instrument bei der faktischen Kontrolle deutscher Aktiengesellschaften durch die Kreditinstitute war Die Entkoppelung von Kapitalrisiko und Einflusspotential berge zudem die Gefahr dass die Depotstimmrechte im Zweifelsfall nicht im Sinne der Aktionare ausgeubt wurden Dies sei umso wahrscheinlicher wenn die Depotbank bei einem Unternehmen auch eigene Interessen verfolge die aus eigenem Anteilsbesitz oder Krediten resultieren konnten Diese geschaftliche Nahe werde noch dadurch verstarkt dass Bankvorstande oder Bankmitarbeiter Aufsichtsratsmandate bei den Unternehmen wahrnehmen wurden Hiergegen ist einzuwenden dass das Depotstimmrecht hohe Hauptversammlungsprasenzen gewahrleistet weil viele Aktionare eine geringe Bereitschaft zeigen personlich die Hauptversammlungen der Aktiengesellschaften aufzusuchen Hohe Hauptversammlungsprasenzen sind notwendig um Zufallsmehrheiten und damit die Dominanz von Minderheiten auszuschliessen und zugleich sicherzustellen dass auch der in der Hand von Kleinaktionaren befindliche Streubesitz in der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft Gewicht erlangt Aktionarsvereinigungen Bearbeiten Anderungen am Depotstimmrecht hatten die Kritik nicht zum Verstummen gebracht Viele Aktiengesellschaften versuchen die Aktionare zu beeinflussen indem diese aufgefordert werden einen Vertreter zu beauftrage im Sinne der Geschaftsleitung abzustimmen Diese Vertreter handelt meist im Auftrag von Vorstand bzw Aufsichtsrat Seit dem Jahre 2005 bietet das deutsche Aktienrecht mit 127a AktG eine Moglichkeit der Bundelung von Interessen uber das Aktionarsforum im Internet so dass auch die Mitwirkung von Aktionarsvereinigungen verbessert wurde Spektakulare Falle des Depotstimmrechts Bearbeiten Die Hauptversammlung der Daimler Benz AG musste im Dezember 1993 auf Antrag eines Aktionars daruber entscheiden die so genannten EK 56 Rucklagen 4 des Konzerns in Hohe von etwa 11 8 Milliarden DM rund 340 DM pro Aktie an die Aktionare auszuschutten Dann hatten die Aktionare im Jahre 1993 die Differenz zwischen dem damaligen Steuersatz und dem 1993 gultigen Satz fur ausgeschuttete Gewinne von lediglich 36 Prozent vom Finanzamt erstattet bekommen Damit die ungewohnlich hohe Ausschuttung die Daimler Benz AG finanziell nicht zu sehr belasten wurde hatten Aktionarsvertreter im Rahmen eines Schutt aus hol zuruck Verfahrens die gleichzeitige Erhohung des Daimler Benz Grundkapitals um denselben Betrag vorgeschlagen Wegen des aus Sicht des Daimler Benz Vorstands nicht sicheren vollstandigen Kapitalruckflusses hatte sich die Daimler Verwaltung gegen ein solches Verfahren ausgesprochen Die Depotbanken hatten sich durch ihr Depotstimmrecht auf die Seite von Daimler gestellt und gegen die Ausschuttung der Gewinnrucklagen votiert denn der Antrag wurde mit mehr als 99 7 Prozent der Stimmen abgelehnt 5 Auch Abstimmfehler sind beim Depotstimmrecht nicht auszuschliessen Dem SPIEGEL zufolge hatte ein Bankenvertreter im Mai 1958 bei der Hauptversammlung der BASF AG vergessen seine knapp 10 Prozent Stimmanteile am Grundkapital mit Ja registrieren zu lassen was als Enthaltung gewertet wurde 6 Sonstiges Bearbeiten Ein Depotstimmrecht in ahnlicher Form gibt es auch im Kontext des Gesamtbetriebsrats Schweiz BearbeitenDie Eidgenossische Volksinitiative gegen die Abzockerei vom 3 Marz 2013 hat das Depotstimmrecht untersagt Vorher waren dafur vier Voraussetzungen zu erfullen Zur Depotvertretung befugt sind nur unter Bankenaufsicht stehende Banken oder gewerbsmassige Vermogensverwalter Art 689d Abs 3 OR Die Weisungsbefolgung ist in Art 689b OR geregelt Bezuglich der Konsequenzen der Nichtbefolgung gilt dass die entsprechenden Stimmen gleichwohl gultig sind selbst wenn die Gesellschaft davon wusste Die Depotvertreter haben die Aktionare um Weisungen zu ersuchen Art 689d Abs 1 OR Erfolgt keine Weisung so ist allfalligen allgemeinen Weisungen zu folgen ansonsten den Antragen des Verwaltungsrats Es besteht keine ausdruckliche Verpflichtung zur Ausubung der Rechte jedoch ist implizit eine Verpflichtung anzunehmen Art 689b OR Literatur BearbeitenDeutschland Bearbeiten Daniel Matthias Brickwell Zu den Einflusspotenzialen der Grossbanken Diss 2002 Depotstimmrechte werden auf Seite 17 ff behandelt PDF Datei 7 32 MB Einzelnachweise Bearbeiten Pressemitteilung des Bundesjustizministeriums vom 29 Mai 2009 Bundestag verabschiedet ARUG Gute Zeiten fur Online Aktionare schlechte Zeiten fur Berufsklager einen vollstandigen Uberblick verschafft Daniel Matthias Brickwell Zu den Einflusspotenzialen der Grossbanken Diss 2002 Bundestags Drucksache 16 6136 S 4 das waren Gewinnrucklagen die zwischen 1977 und 1989 gebildet wurden und mit dem damaligen Korperschaftsteuersatz von 56 Prozent belastet waren Friedrich Ebert Stiftung Das Depotstimmrecht der Banken Januar 2001 S 38 ff DER SPIEGEL 42 1958 vom 15 Oktober 1958 Banken Depotstimmrecht Neue Nahrung S 28 ff Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Normdaten Sachbegriff GND 4144011 0 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Depotstimmrecht amp oldid 225942110