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Das Delayed Choice Experiment engl dt etwa Verzogerte Quantenwahl 1 verdeutlicht den Welle Teilchen Dualismus der Quantenphysik demzufolge an einem Quantenobjekt die gegensatzlichen typischen Eigenschaften sowohl von Wellen als auch von Teilchen zu beobachten sind Beide Beschreibungsweisen schliessen einander in der Anschauung aus und sind in den Details eines physikalischen Prozesses auch nie gleichzeitig festzustellen Komplementaritatsprinzip Im Delayed Choice Experiment wird insbesondere gezeigt dass es am Ende eines physikalischen Prozesses von der Art der durchgefuhrten Beobachtung abhangt mit welcher der beiden Eigenschaften sich das Objekt zeigt selbst wenn die Beobachtungsmethode erst nach Abschluss des Prozesses ausgewahlt wird Damit wird der Welle Teilchen Dualismus dahingehend prazisiert dass nicht schon wahrend eines Wechselwirkungsprozesses die Auswahl zwischen beiden Moglichkeiten der Erscheinungsform getroffen wird sondern erst mit Abschluss einer irreversiblen quantenmechanischen Messung Im Rahmen der Kopenhagener Interpretation wird dieses Phanomen dadurch erklart dass die Wellenfunktion des Quantenobjekts je eine Komponente fur jedes der moglichen Beobachtungsergebnisse enthalt und erst beim Akt der Messung auf eine einzige wirklich realisierte Komponente kollabiert Zustandsreduktion Der Grundgedanke der verzogerten Quantenwahl wurde erstmals 1931 von C F von Weizsacker herausgearbeitet 2 In einem anderen Gedankenexperiment wurde er 1984 von J A Wheeler auf die Beobachtung einer Wechselwirkung angewandt die Milliarden Jahre zuruckliegt 3 In neuerer Zeit sind reale Experimente durchgefuhrt worden die die unanschaulichen theoretischen Voraussagen eindeutig belegen 4 Auch im Zusammenhang mit dem Quantenradierer wurde die verzogerte Quantenwahl erfolgreich demonstriert Inhaltsverzeichnis 1 Heisenberg Mikroskop von Weizsacker 2 Zwei Bilder derselben Galaxie Interferenz oder Uberlagerung Wheeler 3 Experimentelle Realisierung 4 Interpretation 5 EinzelnachweiseHeisenberg Mikroskop von Weizsacker BearbeitenHeisenberg gab fur die nach ihm benannte Unscharferelation eine erste physikalische Begrundung in Form eines Gedankenexperiments Es soll mit einem Mikroskop der Ort eines Elektrons bestimmt werden und zwar mittels eines einzigen vom Elektron ins Mikroskop gestreuten Photons Sein damals 18 jahriger Student C F von Weizsacker beschrieb den quantenmechanischen Vorgang genauer und bemerkte dass dieselbe Apparatur auch so benutzt werden kann dass man stattdessen den Impuls des Elektrons bestimmt 2 Man muss dazu nur die Photoplatte auf der das nachgewiesene Photon einen geschwarzten Punkt verursacht im Mikroskop nicht in der Bildebene sondern in der Fokalebene des Objektivs anbringen Zwischen beiden Moglichkeiten der Messung muss man wahlen denn sie schliessen sich gegenseitig aus weil ein niederenergetisches Photon nur einmal eine Schwarzung bewirken kann Allerdings braucht die Auswahl im Gedankenexperiment erst zu erfolgen wenn das Photon das Objektiv schon durchquert hat also zeitlich erst deutlich nach dem Akt der Wechselwirkung mit dem Elektron Diese Wahlmoglichkeit zwischen ausschliessenden Alternativen ist Ausdruck des Welle Teilchen Dualismus und damit des Komplementaritatsprinzips denn das Elektron kann einen bestimmten Ort nur aufgrund seines Teilchencharakters haben wahrend ein bestimmter Impuls in der Quantenmechanik eine Eigenschaft der zugehorigen Materiewelle ist also den Wellencharakter voraussetzt 5 Zwei Bilder derselben Galaxie Interferenz oder Uberlagerung Wheeler BearbeitenJ A Wheeler schlug 1983 ein anderes Gedankenexperiment vor um besonders drastisch die Freiheit zu illustrieren dass man am Quantenobjekt noch lange nach seiner Wechselwirkung erst mit der Wahl der Beobachtungsart festlegen kann die eine oder die andere seiner komplementaren Eigenschaften nachzuweisen Der Akt der Wechselwirkung liegt hier Milliarden Jahre zuruck und hat sich Milliarden Lichtjahre von uns entfernt ereignet Es handelt sich um die Krummung des Lichtweges durch Gravitation durch die man von manch einer weit entfernten Galaxie zwei nebeneinander liegende Bilder beobachtet weil dicht neben der direkten Sichtlinie auf etwa halber Strecke eine andere Galaxie liegt Dicht daneben bedeutet hier so etwas wie 50 000 Lichtjahre Abstand Die Photonen konnen uns dann auf zwei verschiedenen Wegen erreichen auf direktem Weg und auf dem gekrummten Weg um die andere Galaxie herum Da die Photonen nun aus leicht verschiedenen Richtungen ankommen erzeugen sie in einem Teleskop zwei eng benachbarte Bilder der Ursprungsgalaxie Die beiden Lichtbundel die in der Bildebene die beiden getrennten Bilder ergeben mussen sich hinter dem Objektiv zunachst uberlagert haben Falls die Laufzeit der Lichtwellen auf beiden Wegen innerhalb der Koharenzlange des naturlichen Lichts also in der Grossenordnung von 10 8 s ubereinstimmte was allerdings noch nicht beobachtet wurde ware ihre Uberlagerung koharent Dort musste man also wie bei einem Doppelspaltexperiment Interferenzstreifen erwarten aus denen hervorgehen wurde dass jedes Photon beide Wege gleichzeitig genommen haben muss sich also wie eine Welle ausgebreitet hat Weiter hinten in der Bildebene des Teleskops hatte man aber wieder die zwei getrennten Bilder derselben Quelle die den getrennten Wegen der Photonen entsprechen wenn sie sich wie Teilchen bewegten Mit der freien Entscheidung des Beobachters wo er die Photonen auffangt bestimmt er ob sie ihren Wellen oder ihren Teilchencharakter zeigen Diese Wahl kann aber ersichtlich keinen ruckwirkenden Einfluss auf ihr Verhalten wahrend des Vorbeiflugs an der ablenkenden Galaxie gehabt haben zu einem Zeitpunkt also als es vielleicht noch nicht einmal die Erde gab Experimentelle Realisierung BearbeitenAuf die Grosse eines physikalischen Labors verkleinert ist Wheelers Gedankenexperiment in einem Mach Zehnder Interferometer nahezu identisch wirklich durchgefuhrt worden 4 Das Licht aus einer Quelle die immer nur ein Photon zur Zeit aussendet wird durch einen Strahlteiler je zur Halfte auf zwei verschiedene Wege A und B verteilt die sich nach gleich langen Strecken rechtwinklig kreuzen und in diesem Kreuzungsbereich koharent uberlagern Nach dem Passieren des Uberlagerungsgebiets trennen sich die Lichtwege wieder und am Ende eines jeden Wegs entsteht ein Bild der Quelle Zwei dort aufgebaute Photonendetektoren registrieren gleich viele Photonen aber nie gleichzeitig denn ein Photon kann nicht zwei Klicks auslosen Einzelne Photonen mussen also entweder den einen oder den anderen Weg genommen haben Bringt man aber am Kreuzungspunkt unter 45 einen halbdurchlassigen Spiegel an dann werden beide Lichtwege wieder in je zwei Zweige aufgespalten so dass die Halfte des A Lichts mit der Halfte des B Lichts gemeinsam in derselben Richtung fliegt und rechtwinklig dazu ebenfalls gemeinsam die beiden anderen Halften In der einen Richtung sind die A und B Wellen um 180 phasenverschoben und loschen sich vollstandig aus Der dort positionierte Detektor klickt nie In der anderen Richtung sind die Wellen wegen der zusatzlichen Reflexion im ersten Strahlteiler in Phase und verstarken sich entsprechend Alle in den Apparat hineinfliegenden Photonen kommen hier an Durch leichtes Verschieben des letzten Spiegels kann man die Lange der beiden Wege A und B bis zum Kreuzungsgebiet leicht variieren und erhalt dann ein perfektes Interferenzmuster Das Resultat kurz gefasst Ohne den letzten halbdurchlassigen Spiegel im Lichtweg verhalten sich Photonen wie Teilchen die als solche nur auf einem der zwei Wege fliegen konnen aber mit dem Spiegel ist jedes Photon als Welle auf beiden Wegen gekommen Der Gedanke liegt nahe dass diese Wahl beim Passieren des ersten Strahlteilers getroffen worden sein musste Wegen der kleinen Abmessungen der Apparatur und der kurzen Zeitraume des Prozesses konnte man grundsatzlich fragen ob die An oder Abwesenheit des Spiegels die Photonen dahingehend beeinflusst haben konnte dass sie schon am ersten Strahlteiler entsprechend die Wellen oder die Teilchenoption wahlen In der Delayed Choice Version des Experiments wird diese Moglichkeit obwohl es dafur ohnehin keinerlei physikalische Erklarung gabe ausgeschlossen Den Spiegel konnte man naturlich nicht schnell genug ein und ausbauen Aber man kann ihn durch ein schnelles elektrooptisches Bauteil ersetzen das je nach angelegter Spannung wie der gewunschte Spiegel wirkt oder das Licht aus beiden Richtungen ungehindert passieren lasst Als Letztes wird dann noch dafur gesorgt das jedes Photon einzeln durch die Apparatur fliegt wobei die Wahl der Wirkweise des elektrooptischen Bauteils durch eine Zufallszahl entschieden wird die aus dem Schrotrauschen einer gewohnlichen Lichtquelle erst dann gewonnen wird wenn das Photon den ersten Strahlteiler schon passiert hat Genauer gesagt diese Vorgange sind raumartig voneinander getrennt d h nur durch Signale mit Uberlichtgeschwindigkeit hatte der eine uberhaupt den anderen beeinflussen konnen Das nach der Quantenmechanik erwartete den an Alltagsphanomenen geschulten Verstand aber uberraschende Ergebnis ist dass die Art der Beobachtung immer daruber entscheidet ob sich in der beschriebenen Weise der Wellen oder der Teilchencharakter zeigt ganz gleich wann die Beobachtung stattfindet und wann uber ihre Art entschieden wurde Interpretation BearbeitenDie Experimente zur verzogerten Quantenwahl zeigen nicht dass das Quantenobjekt je nach Art der Beobachtung dazwischen wahlt eine Welle oder ein Teilchen zu sein Sie zeigen dass das Objekt hinsichtlich der beobachteten physikalischen Grosse und nur dieser dieselben Messergebnisse hervorruft die in der klassischen Physik nur entweder von einer Welle oder von einem Teilchen verursacht sein konnten Im Rahmen der Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik wird einem einzelnen Quantenobjekt zu jedem Zeitpunkt ein normierter Zustandsvektor PS displaystyle Psi rangle nbsp zugeschrieben oft als Wellenfunktion bezeichnet Dieser enthalt zu jedem moglichen Messwert einer physikalischen Grosse eine Komponente mit einer gewissen Amplitude Aus den Amplituden lasst sich fur jede am System mogliche Messung dieser Grosse die Wahrscheinlichkeitsverteilung der moglichen Messergebnisse berechnen Wie aber an einem einzelnen Objekt aus dieser Wahrscheinlichkeitsverteilung von Moglichkeiten das konkrete Messergebnis hervorgeht das durch die Messung als einziges Wirklichkeit geworden ist ist nicht geklart Beschrieben wird dieser Vorgang durch die Zustandsreduktion auch als Kollaps der Wellenfunktion bezeichnet die instantan die Komponenten zu allen anderen moglich gewesenen Messergebnissen unwiederbringlich loscht ohne dass es uber die Angabe der Wahrscheinlichkeit hinaus irgendwie begrundet werden konnte welches die uberlebende Komponente ist Diese Probleme der Interpretation des quantenmechanischen Messprozesses sind gravierend aber daruber hinaus bietet die verzogerte Quantenwahl keine weiteren Schwierigkeiten Ein wellenartiges Verhalten des Quantenobjekts wird meist aus der Beobachtung eines ortsabhangigen Interferenzmusters abgelesen Dies entsteht in den Gebieten zu denen das Quantenobjekt auf zwei verschiedenen Wegen gekommen ist auf denen sich eine vom Ort abhangige Differenz der quantenmechanische Phase ergibt Im Zustandsvektor PS displaystyle Psi rangle nbsp sind beide Wege als Komponenten F 1 F 2 displaystyle Phi 1 rangle Phi 2 rangle nbsp enthalten allgemein in der Form PS a F 1 b F 2 displaystyle Psi rangle a Phi 1 rangle b Phi 2 rangle nbsp mit den komplexen Amplituden a displaystyle a nbsp bzw b displaystyle b nbsp Das Betragsquadrat der zugehorigen Wellenfunktion PS r displaystyle Psi vec r nbsp gibt dann die Wahrscheinlichkeitsdichte oder Intensitat das Objekt am Ort r displaystyle vec r nbsp zu finden Es ist PS r 2 a 2 F 1 r 2 b 2 F 2 r 2 2 Re a b F 1 r F 2 r displaystyle Psi vec r 2 a 2 Phi 1 vec r 2 b 2 Phi 2 vec r 2 2 operatorname Re ab Phi 1 vec r Phi 2 vec r nbsp Die Teilsumme aus den beiden ersten Summanden ist die inkoharente Summe der beiden Intensitaten denn jeder Summand gibt die jeweilige Intensitat wenn fur jedes Quantenobjekt entweder nur der eine oder nur der andere Weg moglich ware so dass uberhaupt nur eine der beiden Komponenten F 1 F 2 displaystyle Phi 1 rangle Phi 2 rangle nbsp existiert Im Fall dass beide Wege moglich sind die Teilwellen F 1 F 2 displaystyle Phi 1 rangle Phi 2 rangle nbsp sich am Ort der Beobachtung aber nicht treffen gibt die inkoharente Summe das Messergebnis richtig wieder Mit diesem Wert wurde sich die Gesamtintensitat der Quantenobjekte beobachten lassen wenn sie Teilchen waren Der letzte Summand heisst Interferenzterm Er hangt von den quantenmechanischen Phasen ab kann positiv oder negativ sein und z B zur volligen Ausloschung der Intensitat fuhren Alle drei Summanden zusammen bilden die koharente Summe die den Wellencharakter des Objekts zeigt Teilchenartiges Verhalten zeigt sich demnach nicht nur bei echten Teilchen sondern tritt auch bei Wellen auf in solchen Gebieten wo der Interferenzterm verschwindet Das kann verschiedene Grunde haben Eine der Komponenten hat hier eine verschwindende Wellenfunktion Das ist z B bei gekreuzten Wellenbundeln wie in Wheelers Gedankenexperiment der Fall wenn sie sich hinter dem Gebiet wo sie sich uberlagern wieder trennen Die einzelnen Quantenobjekte die nacheinander beobachtet werden kommen in Zustanden PS displaystyle Psi rangle nbsp an in denen die Phasendifferenzen unkontrolliert schwanken Fur jedes einzelne Objekt gilt dann zwar die koharente Summe aber im Mittel uber viele haben die Interferenzterme den Wert Null Das tritt gewohnlich auch bei Licht auf wenn die Lichtquelle keine koharente Strahlung aussendet Es ist die Grundlage der seit vier Jahrhunderten bewahrten Strahlenoptik in der das Licht so betrachtet wird als ob es sich wie Teilchen entlang von Trajektorien ausbreitet Das Quantenobjekt hat einen inneren Freiheitsgrad der auf den beiden Wegen einen verschiedenen Wert bekommt Dann sind die beiden Komponenten F 1 F 2 displaystyle Phi 1 rangle Phi 2 rangle nbsp orthogonal und konnen nicht interferieren Das tritt z B ein wenn das Quantenobjekt ein Photon ist und auf den beiden Wegen nur orthogonale Polarisationsrichtungen durchgelassen werden Wird die Markierung mit der Welcher Weg Information ruckgangig oder unwirksam gemacht bevor die Messung die Zustandsreduktion verursacht tritt die Interferenz wieder in Erscheinung siehe Quantenradierer Einzelnachweise Bearbeiten Delayed Choice Experiment In Lexikon der Physik Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft 1998 abgerufen am 21 Februar 2019 a b Ortsbestimmung eines Elektrons durch ein Mikroskop In Zeitschrift fur Physik Band 70 1931 S 114 130 Siehe S 128 John A Wheeler Law without law In John A Wheeler Woijciech H Zurek Hrsg Quantum Theory and Measurement Univ Press Princeton N J USA 1983 S 193 a b Vincent Jacques E Wu Frederic Grosshans Francois Treussart Philippe Grangier Alain Aspect and Jean Francois Roch Experimental Realization of Wheeler s Delayed Choice Gedanken Experiment In Science Band 315 Nr 5814 2007 S 966 968 doi 10 1126 science 1136303 Herbert Walther B G Englert Marlan Scully Komplementaritat und Welle Teilchen Dualismus In Spektrum der Wissenschaft Band 2 Spektrum der Wissenschaft Akademischer Verlag 1995 S 50 ff Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Delayed Choice Experiment amp oldid 237654718