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Der psychisch kranke Bruno Ludke 3 April 1908 in Copenick 8 April 1944 in Wien galt aufgrund von Selbstbezichtigungen die nach langen Verhoren durch die Nationalsozialisten zustande kamen falschlich als einer der schlimmsten Serienmorder der deutschen Kriminalgeschichte Die ihm zur Last gelegten Morde hatte er nicht begangen Er wurde aus sozialrassistischen Motiven beschuldigt Ludke dem nie ein Prozess gemacht wurde starb im Gewahrsam des von den Nationalsozialisten betriebenen Kriminalmedizinischen Zentralinstituts der Sicherheitspolizei in Wien vermutlich an den Folgen von Menschenversuchen Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Der Fall Bruno Ludke 3 Stilisierung des angeblichen Serienmorders nach 1945 4 Filme 5 Audios 6 Literatur 6 1 Belletristik 6 2 Sekundarliteratur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenLudke war das vierte von sechs Kindern des Waschereibesitzers Otto Ludke Er wuchs in armlichen Verhaltnissen auf besuchte die Hilfsschule und arbeitete als Kutscher Aufgrund mehrerer Kleindiebstahle war er polizeibekannt wurde aber wegen anerkannter Unzurechnungsfahigkeit durch angeborenen Schwachsinn nicht verurteilt Im Rahmen des Gesetzes zur Verhutung erbkranken Nachwuchses wurde im August 1939 seine Zwangssterilisation angeordnet und am 22 Mai 1940 durchgefuhrt 1 Der Fall Bruno Ludke BearbeitenAm 29 Januar 1943 war die 51 jahrige Rentnerin Frieda Rosner im Kopenicker Stadtwald erdrosselt und vergewaltigt aufgefunden worden Wahrend der Ermittlungen stiess der ermittelnde Kriminalkommissar Heinrich Franz auf den als doofen Bruno bekannten Ludke der sich in den Waldern um den Tatort als Spanner herumgetrieben haben sollte Niemand der Ludke personlich kannte konnte ihn sich als Morder vorstellen Er galt als harmlos und angstlich als jemand der nicht einmal Huhner schlachten mochte Es gab auch keine Indizien die Ludke belasteten Als er im Marz 1943 festgenommen wurde gestand er trotzdem nicht nur den Mord an der Witwe Rosner sondern auch eine Reihe weiterer ungeklarter Morde in ganz Deutschland Womoglich vertraute Ludke seinem Status als Schuldunfahiger unter dem Schutz des Paragrafen 51 der bei einem Prozess zum Tragen gekommen ware 2 Der niederlandische Kriminalist Jan Blaauw der die Untersuchungsakten analysierte kam 1994 zu dem Schluss Ludke habe ein Abhangigkeitsverhaltnis zu Franz entwickelt der ihn auf kumpelhafte Weise fur sich einzunehmen verstand Dies habe er dazu genutzt Ludke durch Suggestivfragen immer mehr Gestandnisse zu entlocken Dabei habe Franz gezielt ungeklarte Mordfalle im gesamten Reichsgebiet heraussuchen lassen und Ludke dann gefragt ob er in der betreffenden Stadt zu der betreffenden Zeit gewesen sei Ludke bejahte praktisch jede dieser Fragen Franz behauptete Ludke habe in der Folge mit detailliertem Tatortwissen uber die jeweiligen Falle seine Taterschaft zweifelsfrei zu erkennen gegeben siehe auch Taterwissen Ob dies zutraf oder Franz ihm diese Informationen auf Basis der ihm vorliegenden Ermittlungsakten in den Mund legte lasst sich auch deshalb nicht rekonstruieren weil Franz darauf bestand dass seine Kollegen den Verhorraum nicht betraten wenn er Ludke neue Gestandnisse entlockte Abgesehen von zahlreichen Widerspruchen betreffs der einzelnen Falle wurde Ludke offenbar zugetraut sich an prazise geographische kalendarische zeitliche und beweismitteltechnische Details einzelner Taten aus einer Zeitspanne von fast 20 Jahren zu erinnern und diese sprachlich genau wiedergeben zu konnen Fragen wie der weitestgehend mittellose Ludke zahlreiche deutschlandweite Reisen hatte unternehmen konnen und wie es ihm daruber hinaus als Schwachsinniger der sich schon bei geringfugigen Diebstahlen mehrfach hatte erwischen lassen gelungen sein sollte mehrere Dutzend Mal unbemerkt Morde zu begehen teilweise in vielbewohnten Gegenden und sogar in Wohnhausern wurden von Franz geflissentlich ignoriert oder aber mit der nichtssagenden Floskel beantwortet einem Schwerverbrecher wie Ludke sei alles zuzutrauen Die immer neuen Gestandnisse die teilweise im Stundentakt erfolgten schurten schon damals Misstrauen und Skepsis unter Franz Polizeikollegen in Berlin Vor allem aber widersprachen damals ermittelnde Behorden anderer Stadte etwa aus Hamburg wo die zustandigen Kommissare eine Reihe von Fallen untersucht hatten die Ludke auf sich nahm Eine Taterschaft Ludkes erschien ihnen aus verschiedenen Grunden vollkommen abwegig was auch detailliert dargelegt wurde Der damalige Reichskriminaldirektor Arthur Nebe intervenierte im polizeiinternen Streit jedoch stets zugunsten von Franz Der deutsche Polizeibeamte und SS Fuhrer Hans Lobbes der zu den Skeptikern von Ludkes Gestandnissen zahlte warnte Nebe davor eine ausstehende Gerichtsverhandlung konne zu einer Blamage werden Dies war vermutlich auch der Grund warum es nie zu einer Verhandlung kam Insgesamt gestand Ludke zwischen 1924 und 1943 insgesamt 84 Morde begangen zu haben Die Berliner Polizei betrachtete durch seine Gestandnisse 53 Morde und drei Mordversuche als aufgeklart Die 53 Falle unterschieden sich wie spatere Aufarbeitungen ergaben was den Tathergang die Tater und Opferprofile und vieles andere betraf stark voneinander auch gab es keinerlei Indizien wie Fingerabdrucke die Ludke belastet hatten Nach Abschluss der Ermittlungen wurde Ludke auf Veranlassung Heinrich Himmlers dem neu errichteten Kriminalmedizinischen Zentralinstitut der Sicherheitspolizei in Wien uberstellt Hier wurde er als vermeintliches Paradebeispiel eines geborenen Verbrechers einer Reihe von erbbiologischen und anthropologischen Untersuchungen unterzogen Unter anderem wurden von Robert Ritter Film und Schallplattenaufnahmen angefertigt Ludke musste reinen Alkohol zu sich nehmen anschliessend wurde sein Ruckenmark punktiert Am 15 Januar 1944 wurde ein Abguss seines Kopfes angefertigt der sich noch immer im Department fur Gerichtliche Medizin in Wien befindet Am 8 April 1944 starb Ludke unter ungeklarten Umstanden Am wahrscheinlichsten gilt dass er wahrend eines medizinischen Versuchs in einer Unterdruckkammer getotet wurde Sein Skelett wurde in die gerichtsmedizinische Sammlung des Instituts aufgenommen und ging wahrscheinlich in der Nachkriegszeit verloren 3 Stilisierung des angeblichen Serienmorders nach 1945 Bearbeiten nbsp Stolperstein am Haus Grune Trift 32A in Berlin KopenickDer Fall Ludke war nach dem Zweiten Weltkrieg Thema mehrerer Veroffentlichungen und eines Spielfilms Bernd Wehner wahrend der NS Zeit Leiter der Zentrale zur Bekampfung von Kapitalverbrechen im Reichskriminalpolizeiamt berichtete im Rahmen seiner Reihe Das Spiel ist aus Arthur Nebe Glanz und Elend der deutschen Kriminalpolizei im Marz 1950 im Spiegel daruber Ohne die Taterschaft Ludkes grundsatzlich infrage zu stellen und trotz der Nennung diverser Ungereimtheiten immer wieder der Argumentation Franz folgend beschrieb er Ludke im Artikel pejorativ als Tiermenschen grossen starken Menschenaffen und zuruckgebliebenen Neandertaler 4 Der Journalist Stefan Amberg alias Will Berthold nahm den Fall 1956 fur die Munchner Illustrierte in 15 Teilen als grossten Massenmord der deutschen Kriminalgeschichte wieder auf Sein angeblicher Tatsachenbericht unter dem Titel Nachts wenn der Teufel kam fur den er neue Dokumente und Argumente erfand lieferte 1957 die Vorlage fur den gleichnamigen Spielfilm von Robert Siodmak nach einem Drehbuch von Werner Jorg Luddecke mit Mario Adorf als Ludke in der Hauptrolle Der Film erhielt 1958 den Bundesfilmpreis und wurde fur einen Oscar als bester auslandischer Film nominiert In dem Film wird Ludke nicht nur als geisteskranker Massenmorder dargestellt sondern in der Figur des ermittelnden Kommissars auch die vermeintlich unpolitische und im Dritten Reich anstandig gebliebene Kriminalpolizei Berthold verarbeitete die Geschichte wenig spater auch zu einem Roman nach Tatsachen Die in Ost Berlin wohnenden Schwestern Ludkes strebten im Februar 1958 eine Einstweilige Verfugung gegen den Film Siodmaks an Im Oktober 1957 hatten sie an den Hamburger Kriminalisten Gottfried Faulhaber geschrieben Unser Bruder hat mir erklart Herta wenn ick nich sage det ich die Rosler sic ermordet hab schiessen se mir dot Das Hamburger Oberlandesgericht entschied jedoch Ludke habe sich durch seine Gestandnisse als Person der Zeitgeschichte etabliert die keines Schutzes bedurfe 5 In der 1965 veroffentlichten Buchreihe Kriminalfalle ohne Beispiel von Gunter Prodohl 6 die kurz nach dem Film in der DDR erschien und die auf den entsprechenden Akten beruhte kam Prodohl ebenfalls zu dem Schluss dass Ludke bewusst als Serienmorder aufgebaut wurde und der Film nicht den Tatsachen entsprach Mario Adorf distanzierte sich spater von dem Film 2021 ausserte er in einem Interview mit der Berliner Zeitung es meldete sich das Verantwortungsgefuhl des Schauspielers weil der ja nicht einer erfundenen Filmfigur sondern einem lebendigen Menschen der zum Opfer wurde durch seine Darstellung einen jahrzehntelangen Ruf des Verbrechers aufgedruckt hatte unter welchem auch seine Familie heute noch leiden muss Adorf wandte sich an Bundesprasident Frank Walter Steinmeier der initiierte dass zum Gedenken Ludke ein Stolperstein verlegt wurde 7 Am 28 August 2021 setzte Gunter Demnig den Stolperstein am Standort von Ludkes Elternhaus in Berlin Kopenick Grune Trift 32 Mario Adorf und Frank Walter Steinmeier wohnten der Verlegung bei 8 Abgesehen von einer einzigen Ausnahme einem Fall aus Hamburg in dem jemand ein Gestandnis abgelegt hat konnte laut dem Historiker Jens Dobler bislang Stand 2020 keiner der Mordfalle aufgeklart werden in denen Bruno Ludke die Taterschaft unterstellt worden war 9 Filme BearbeitenFilme Nachts wenn der Teufel kam Deutscher Kriminalfilm von Robert Siodmak aus dem Jahr 1957 Er beruht auf der gleichnamigen Artikelserie in der Munchner Illustrierten von Will Berthold Tatort Berlin Der Massenmorder Bruno Ludke Memento vom 5 November 2013 im Internet Archive Film von Gabi Schlag und Benno Wenz RBB 2013 Die Erfindung eines Morders Der Fall Bruno Ludke Film von Dominik Wessely und Jens Becker Deutschland RBB 2020 Audios BearbeitenRadio Feature B L Wiedervorlage einer Mordsache und Lehrmittelsammlung Memento vom 21 Dezember 2013 im Internet Archive Feature von Axel Dossmann und Davide Tosco SWR 2011 gesendet am 29 Januar 2012 14 05 Uhr in SWR2 und im Deutschlandfunk am 4 August 2012 um 00 05 UhrHorspiel Will Berthold Nachts wenn der Teufel kam Horspiel von Europa Horspiele 1983 Literatur BearbeitenBelletristik Bearbeiten Will Berthold Nachts wenn der Teufel kam Roman nach Tatsachen Aktueller Buchverlag Bad Worishofen 1959 zuletzt als Bastei Lubbe Taschenbuch Bergisch Gladbach 1989 ISBN 3 404 11357 8 Horst Bosetzky Der Teufel von Kopenick Dokumentarischer Kriminalroman Jaron Verlag Berlin 2009 ISBN 978 3 89773 599 6 Franz von Schmidt Mord im Zwielicht Erlebte Kriminalgeschichte Verlag Deutsche Volksbucher Stuttgart 1961 DNB 454391110 Sekundarliteratur Bearbeiten Ingrid Arias Die Wiener Gerichtsmedizin im Dienst nationalsozialistischer Biopolitik Projektbericht Memento vom 26 Juni 2011 im Internet Archive PDF 850 kB Projekt Die Wiener Gerichtsmedizin 1938 1960 2009 S 10 16 Johannes Albertus Jan Blaauw Bruno Ludke Seriemoordenaar Uitgeverij De Fontein Baarn 1994 ISBN 90 261 0732 3 Johannes Albertus Jan Blaauw Kriminalistische Scharlatanerien Bruno Ludke Deutschlands grosster Massenmorder In Kriminalistik 48 1994 S 705 712 Axel Dossmann Susanne Regener Fabrikation eines Verbrechers Der Kriminalfall Bruno Ludke als Mediengeschichte Spector Books Leipzig 2018 ISBN 978 3 95905 034 0 Klaus Hermann Massenmorder Bruno Ludke In Neukollner Pitaval Wahre Kriminalgeschichten aus Berlin Zusammengestellt und eingerichtet von Klaus Herrmann Hrsg Mit einer Nachbemerkung von Stefan Konig Rotbuch Hamburg 1994 ISBN 3 88022 805 1 S 113 ff Kathrin Kompisch und Frank Otto Nachts wenn der Teufel kam Bruno Ludke In Dies Bestien des Boulevards Die Deutschen und ihre Serienmorder Militzke Verlag Leipzig 2003 S 175 ff Gunter Prodohl Kriminalfalle ohne Beispiel 6 Auflage 1 Folge Verlag Das neue Berlin Berlin 1965 DNB 457853891 Susanne Regener Mediale Transformationen eines vermeintlichen Serienmorders Der Fall Bruno Ludke In Kriminologisches Journal 33 2001 S 7 27 Susanne Regener mit Axel Dossmann Fabrikation eines Verbrechers Der Kriminalfall Bruno Ludke als Mediengeschichte Spector Books Leipzig 2018 ISBN 978 3 95905 034 0 Angelica Schwab Serienkiller in Wirklichkeit und Film Storenfried oder Stabilisator Eine sozioasthetische Untersuchung Nordamerikastudien Munchener Beitrage zur Kultur und Gesellschaft der USA Kanadas und der Karibik Band 1 Lit Munster 2001 ISBN 3 8258 4542 7 Anna Maria Siegmund Bruno Ludke In Dies Das Geschlechtsleben bestimmen wir Sexualitat im Dritten Reich Zwischen Moral und Rassenwahn Heyne Munchen 2008 ISBN 978 3 453 13728 8 S 237 ff Patrick Wagner Der Tod des doofen Bruno In Hitlers Kriminalisten Die deutsche Polizei und der Nationalsozialismus Beck Munchen 2002 ISBN 3 406 49402 1 Einleitung S 7 13 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Bruno Ludke Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Bruno Ludke im Katalog der Deutschen NationalbibliothekEinzelnachweise Bearbeiten Hans Werner Kilz Stephan Lebert Bruno und Mario Deutschlands schlimmster Serienmorder heisst Bruno Ludke Wahrend des Zweiten Weltkriegs brachte er Dutzende Frauen um So stand es in Zeitungen und Buchern so erzahlte es ein Film in dem Maria Adorf den Morder spielte Heute weiss man Alles war gelogen In ZEIT ONLINE Nr 36 27 August 2020 S 11 13 hier S 12 Artikelanfang frei abrufbar Hans Werner Kilz Stephan Lebert Bruno und Mario Deutschlands schlimmster Serienmorder heisst Bruno Ludke Wahrend des Zweiten Weltkriegs brachte er Dutzende Frauen um So stand es in Zeitungen und Buchern so erzahlte es ein Film in dem Maria Adorf den Morder spielte Heute weiss man Alles war gelogen In ZEIT ONLINE Nr 36 27 August 2020 S 11 13 Artikelanfang frei abrufbar Ingrid Arias Die Wiener Gerichtsmedizin im Dienst nationalsozialistischer Biopolitik Projektbericht Memento vom 26 Juni 2011 im Internet Archive PDF 850 kB Projekt Die Wiener Gerichtsmedizin 1938 1960 2009 S 10 16 zuletzt abgerufen 6 September 2010 Das Spiel ist aus Arthur Nebe In Der Spiegel Nr 9 1950 online 2 Marz 1950 Axel Dossmann Susanne Regener Schauen Sie mal bose PDF 1 4 MB In taz 8 9 September 2007 zuletzt abgerufen 6 September 2010 Gunter Prodohl Kriminalfalle ohne Beispiel 6 Auflage 1 Folge Verlag Das neue Berlin Berlin 1965 DNB 457853891 Ich habe Bruno Ludke jahrzehntelang den Ruf eines Verbrechers aufgedruckt In Berliner Zeitung 21 August 2021 online Mario Adorf ehrt in Kopenick den Massenmorder der keiner war In Berliner Zeitung 30 August 2021 online Jens Dobler in der Fernsehdokumentation Die Erfindung eines Morders Der Fall Bruno Ludke Buch und Regie Dominik Wessely und Jens Becker Deutschland RBB in Zusammenarbeit mit Arte 2020Normdaten Person GND 119293986 lobid OGND AKS LCCN n95067519 VIAF 30343637 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Ludke BrunoKURZBESCHREIBUNG vermeintlicher deutscher SerienmorderGEBURTSDATUM 3 April 1908GEBURTSORT KopenickSTERBEDATUM 8 April 1944STERBEORT Wien Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bruno Ludke amp oldid 236713839