Internat ist der Oberbegriff fĂŒr Einrichtungen, in denen SchĂŒler aller Altersstufen und aller Schularten wohnen und betreut werden und die (zumeist) einer Schule angegliedert sind.
Zweck eines Internats Bearbeiten
Heute gibt es verschiedene Formen von Internaten. Sie sind ihrem Zweck nach gewidmet:
- Kindern, denen es wegen der Abgelegenheit ihres Wohnorts von den Eltern nicht zugemutet wird, jeden Tag einen weiten Schulweg zurĂŒckzulegen
- Kindern, deren Eltern etwa aus Zeitmangel die Betreuung und Erziehung in die HĂ€nde dieser Institution legen
- hochspezialisierte Schulen (Berufsschulen und Fachschulen seltener Berufe, Sportgymnasien, Hochbegabtenförderung), die einen groĂen Einzugsbereich haben und/oder individuelle Betreuung anbieten
- Kindern, deren Eltern die Bildung und Erziehung ihrer Kinder aus Ăberzeugung (pĂ€dagogisches Konzept, konfessionelle Ausrichtung etc.) einem Internat anvertrauen
- Kindern, die individuelle heilpĂ€dagogische Förderungen im psychischen, kognitiven, sozialen und körperlichen Bereich bedĂŒrfen.
Begriff und Geschichte Bearbeiten
Der Begriff Internat entstand im 19. Jahrhundert und leitet sich von lat. internus (deutsch: im Inneren befindlich, vertraulich) ab, der Gegenbegriff ist das Externat. Er wurde vermutlich analog zu dem deutlich Ă€lteren und etwa gleichbedeutenden Begriff Alumnat gebildet. Bewohner eines Internats werden auch heute z. T. noch Alumnen genannt. Der Begriff Alumnat wird heute jedoch nur noch selten verwendet. So wird z. B. In Regensburg das 1901 im Jugendstil entstandene NachfolgergebĂ€ude des ehemaligen protestantischen, reichstĂ€dtischen Alumnats in der StraĂe Am Ălberg Nr. 2, das noch bis in die Nachkriegszeit um 1945 als Internat genutzt wurde, als das Alumneum bezeichnet, obwohl das GebĂ€ude 1978 in den Besitz der protestantischen Kirche kam und seitdem anders genutzt wird.
Internate bzw. Alumnate wurden ursprĂŒnglich zumeist anderen bereits bestehenden Einrichtungen (FĂŒrstenhof, Dom, Kloster, UniversitĂ€t usw.) angegliedert. Der Begriff âInternatsschuleâ bzw. eine enge (auch personelle) Verbindung von Schule und Internat kommen erst spĂ€ter auf und bleiben eine Sonderform des Internats. Neben dem Begriff âInternatâ sind weitere verschiedene teils synonyme Bezeichnungen in Gebrauch, z. B. Konvikt (Wohnheim fĂŒr katholische SchĂŒler oder Theologiestudenten unter geistlicher Leitung; in Ăsterreich allgemein SchĂŒlerheim) oder Kolleg (kirchliche Ausbildungsanstalt).
Den Anlass einer Erziehung in besonderen ErziehungsstĂ€tten auĂerhalb des Familienverbands sehen Historiker bei allen Kulturvölkern ursprĂŒnglich in der Vorbereitung auf den priesterlichen Dienst an einem Heiligtum oder den Dienst an Königs- bzw. FĂŒrstenhöfen. Geistliche und weltliche Regenten bedurften einer speziellen Vorbereitung, deren Anforderungen und Methoden die Eltern allein nicht gewachsen waren. Tempelschulen und Palastschulen, in denen eine jugendliche Elite gemeinsam auf ihre FĂŒhrungsaufgaben vorbereitet wurde, dĂŒrfen daher im weitesten Sinne als VorlĂ€ufer auch der heutigen Internatsschulen und SchĂŒlerheime gelten.
Aufkommen und Ausbreitung des Christentums im mittelalterlichen Europa fĂŒhrten zunĂ€chst zu einer deutlichen Vorrangstellung der klerikalen âInternateâ an Dom- und Klosterschulen. Mit der zunehmenden Differenzierung und Ausweitung von FĂŒhrungsaufgaben bei der Entstehung des modernen Staatswesens in der Renaissance erlangten dann auch profane Internate höhere Bedeutung (Aufgabe der Rekrutierung einer FĂŒhrungsschicht fĂŒr MilitĂ€r und Verwaltung), wĂ€hrend kirchliche Einrichtungen zunehmend âverweltlichtenâ und zeitweise ihren Einfluss verloren. In der Reformation/Gegenreformation blĂŒhte erneut die klerikale Internatserziehung auf. Es verbanden sich religiöse und politische Zielsetzungen. Bedeutende Dom- und Klosterschulen wurden hĂ€ufig zu UniversitĂ€ten ausgebaut, denen spezielle âInternateâ (Kollegien, Bursen) angegliedert waren. Es bildete sich zusĂ€tzlich eine Vielzahl von ErziehungsstĂ€tten mit speziellen Ausrichtungen heraus, z. B. die von Landesherren gestifteten FĂŒrstenschulen, Ritterakademien, Kadettenanstalten, Priester-, Lehrerseminare usw. Diese öffneten sich zunehmend auch den von Geburt weniger Privilegierten, weil anders der hohe Bedarf an FĂŒhrungskrĂ€ften nicht zu decken war.
Da der Ausbau des Bildungswesens in den StĂ€dten und erst recht auf dem Lande ĂŒber einen langen Zeitraum (praktisch bis Mitte des 20. Jahrhunderts) mit der wachsenden Bildungsnachfrage kaum Schritt hielt, wuchs den Internaten eine besondere Bedeutung gerade fĂŒr die Ausbreitung der höheren Bildung und den sozialen Aufstieg der Begabten âaus dem Volkeâ zu. Nicht zu unterschĂ€tzen ist auch die wichtige Funktion der Internate beim damaligen Ausbau der MĂ€dchenbildung.
Aufgrund der Tatsache, dass fĂŒr Jahrhunderte der Weg zur universitĂ€ren Ausbildung gröĂtenteils ĂŒber die (vorwiegend kirchlichen) Internate fĂŒhrte, wird Internatserziehung traditionell mit âElitenbildungâ gleichgesetzt, allerdings war Internatsausbildung in frĂŒherer Zeit auch stĂ€rker als heute eine rein praktische Notwendigkeit: Noch Anfang des 20. Jahrhunderts waren beispielsweise ein Viertel der Gymnasiasten in Bayern InternatsschĂŒler, nicht zuletzt wegen der vergleichsweise geringen Zahl der Gymnasien und der schlechten Verkehrsverbindungen, die fĂŒr SchĂŒler aus KleinstĂ€dten oder vom Land kaum eine andere Möglichkeit lieĂen. Eine groĂe Zahl bedeutender Wissenschaftler, Dichter, Politiker, Industrieller usw. ist aus Internaten hervorgegangen.
Immer wieder in der Geschichte griffen Reformbewegungen in schweren kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Krisen auf das Modell des Internats als âpĂ€dagogischer Inselâ zurĂŒck, in deren Abgeschiedenheit eine Erneuerung der Erziehung und damit die VerĂ€nderung gesellschaftlicher ZustĂ€nde durch neue Eliten stattfinden sollte; (Jesuitenkollegs, Philanthropine, Landerziehungsheime). Daneben entstanden Formen des Internats mit eher pragmatischer Zielsetzung (âNotenpressenâ fĂŒr Schulversager, private, kirchliche und staatliche SchĂŒlerwohnheime an Standorten öffentlicher Gymnasien fĂŒr âauswĂ€rtigeâ SchĂŒler, Pensionate zur Vorbereitung âhöherer Töchterâ auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter, âVorbereitungsanstaltenâ in lĂ€ndlichen PfarrhĂ€usern fĂŒr Kinder, die auĂerhalb der allgemeinen Volksschulen auf die AufnahmeprĂŒfung an einem Gymnasium vorbereitet werden sollen, und anderes mehr).
Im Zuge gesellschaftlicher VerĂ€nderungsprozesse erlebten und erleben die Internate immer wieder Boom- oder Krisenzeiten. Tiefe Einschnitte bewirkten in jĂŒngerer Zeit der Ausbau des weiterfĂŒhrenden Schulangebots auf dem Lande in den 1960er und 1970er Jahren bei gleichzeitiger Verbesserung der Verkehrsverbindungen zu den Schulen, der massive RĂŒckgang der SchĂŒlerzahlen in den 1980er Jahren (geburtenschwache JahrgĂ€nge) sowie die bis heute andauernde Akzeptanzkrise religiös orientierter ErziehungsstĂ€tten. Aufgrund der rĂŒcklĂ€ufigen Nachfrage und verĂ€nderter Nachfragemotive mussten elitĂ€re Zielsetzungen zunehmend aufgegeben werden. Es mehren sich in den Internaten bis heute die schulisch und erzieherisch schwierigen FĂ€lle. Der Bestand an Internaten bzw. an InternatsplĂ€tzen verringerte sich seit den 1960er Jahren fast um die HĂ€lfte. Anfang der 1990er Jahre sah die veröffentlichte Meinung Internate bereits als âAuslaufmodellâ, Internate galten mehr oder weniger als ein Ort an den schwierige Kinder âabgeschobenâ wĂŒrden oder wo reiche Eltern ihren eigentlich wenig begabten Kindern einen Abschluss âkaufenâ könnten.
Im Zuge der in den letzten Jahren aufgedeckten und in den Medien diskutierten Fallen von Kindesmissbrauch in pĂ€dagogischen Einrichtungen wurden auch Internate hĂ€ufig erwĂ€hnt, beispielsweise die Odenwaldschule, die auch durch mangelhafte Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in eine erhebliche Krise geriet, die letztlich zur SchlieĂung der einst renommierten Schule fĂŒhrte. Möglicherweise wird auch diese Diskussion in den nĂ€chsten Jahren eine Auswirkung auf die Akzeptanz von Internaten haben, auch wenn viele der in den Medien behandelten FĂ€lle in der Vergangenheit liegen.
KontrĂ€r zu dieser allgemeinen Entwicklungstendenz sind zurzeit Bestrebungen erkennbar, spezielle Bildungsaufgaben (Förderung von Hochbegabten und Hochleistenden) oder Probleme des Bildungswesens (Entlastung öffentlicher Schulen von Störern und GewalttĂ€tern) durch Einrichtung besonderer Internate zu lösen. Erstmals tritt hier wieder der Staat als GrĂŒnder, TrĂ€ger und Betreiber von Internaten verstĂ€rkt in Erscheinung.
Dies kann allerdings ĂŒber die insgesamt krisenhafte Situation der Internate und eine zunehmende Angleichung von Internatserziehung und Erziehungshilfe nicht hinwegtĂ€uschen. Die derzeitigen Versuche interessierter Kreise (InternatsverbĂ€nde, gewerbliche Internatsvermittler), an elitĂ€re Internatstraditionen anzuknĂŒpfen oder wahrheitswidrig einen âNachfrageboomâ bei den Internaten herbeizureden, entsprechen nicht der Wirklichkeit.
Neue Gefahren drohen den Internaten durch den Ausbau der Ganztagsbetreuung an öffentlichen und privaten Tagesschulen sowie durch den weiteren GeburtenrĂŒckgang. Auch ein wĂ€hrend der Covid-19-Pandemie 2020/21 spĂŒrbarer Anstieg der Nachfrage nach InternatsplĂ€tzen, ausgelöst durch die SchlieĂung normaler Schulen und als mangelhaft empfundenem Fernunterricht, dĂŒrfte dem nur vorĂŒbergehend entgegenstehen.
Internate heute Bearbeiten
Abgrenzung Bearbeiten
Wichtig ist eine Abgrenzung des Begriffs âInternatâ gegenĂŒber dem des reinen âWohnheimsâ (ausschlieĂlich Unterbringung und z. T. Verpflegung fĂŒr SchĂŒler, Studierende, Auszubildende usw.) und dem des âKinder- und Jugendheimsâ (Einrichtung der öffentlichen Erziehungshilfe). Internate zeichnen sich gegenĂŒber Wohnheimen durch eine im Wesentlichen pĂ€dagogische Aufgabenstellung und eine intensivere schulische und erzieherische Betreuung aus. Sie erreichen andererseits nicht die sozialpĂ€dagogische oder sogar therapeutische IntensitĂ€t von Einrichtungen der Erziehungshilfe (Kinder- und Jugendheime, sozialpĂ€dagogische Wohngruppen usw.). Internate betonen im Gegensatz zu letzteren die Erreichung schulischer Ziele stĂ€rker als die Aufarbeitung seelischer, körperlicher, entwicklungsbedingter oder erzieherischer Defizite. Sie betrachten sich zudem weniger als Ersatz, sondern eher als ErgĂ€nzung der Familie. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass sie nicht das ganze Jahr ĂŒber geöffnet haben, sondern ihre Bewohner generell in den Schulferien sowie an Heimreisewochenenden regelmĂ€Ăig zu ihren Familien entlassen. Die Belegung von Internaten erfolgt weit ĂŒberwiegend durch die Eltern der SchĂŒler selbst, d. h. ohne Beteiligung öffentlicher Stellen (z. B. JugendĂ€mter). Dementsprechend mĂŒssen auch die Kosten einer Internatsunterbringung von den Sorgeberechtigten privat aufgebracht werden.
Formen, Ausdifferenzierung Bearbeiten
Die Gruppe der Vollinternate kann man unterteilen in Internatsschulen, also Internate mit eigenen Unterrichtseinrichtungen, und SchĂŒlerheime, die keine eigenen Schulen unterhalten, sondern ihre SchĂŒler in Lehranstalten anderer TrĂ€ger am Ort oder in der nĂ€heren Umgebung schicken. Bei den Internatsschulen kann noch einmal unterschieden werden zwischen âHeimschulenâ, die fast ausschlieĂlich ihre eigenen InternatsschĂŒler unterrichten und nur einen geringen Anteil Externer (auĂerhalb des Internats wohnender SchĂŒler) aufweisen, und den âSchulen mit angeschlossenem Internatâ, an denen die externen SchĂŒler weit in der Ăberzahl bzw. umgekehrt die âInternenâ deutlich in der Minderheit sind.
Eine weitere Differenzierung ergibt sich aus dem Rechtsstatus der Unterrichtseinrichtungen von Internatsschulen. Diese können sich in öffentlicher (staatlicher) oder freier (privater) TrĂ€gerschaft befinden. Internatsschulen in freier TrĂ€gerschaft haben zumeist den Rechtsstatus der âstaatlich anerkannten Ersatzschuleâ. Sie sind damit öffentlichen Schulen rechtlich gleichgestellt, aber auch an die staatlichen Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen gebunden. Daneben gibt es private Internatsschulen, die sich lediglich als âstaatlich genehmigte Ersatzschulenâ oder âallgemeinbildende ErgĂ€nzungsschulenâ bezeichnen dĂŒrfen. Ihre Aufnahme- und Versetzungsentscheidungen haben keine rechtliche Wirkung, und sie vermitteln auch keine staatlich anerkannten SchulabschlĂŒsse. Um diese zu erreichen, mĂŒssen ihre SchĂŒler eine SchulfremdenprĂŒfung an einer staatlichen Schule ablegen.
Den zahlenmĂ€Ăig dominierenden Internatstyp stellt die âSchule mit angeschlossenem Internatâ dar, gefolgt von dem Internatstyp âSchĂŒlerheimâ. Reine Heimschulen bilden dagegen eher die Ausnahme. Internatserziehung war in der Vergangenheit vor allem eine kirchliche DomĂ€ne. Ăber die HĂ€lfte der Internatsschulen und SchĂŒlerheime wurde von katholischen TrĂ€gern betrieben. Es folgten staatliche und evangelische Institute. Internatsschulen nichtkirchlicher privater TrĂ€ger stellen dagegen das kleinste Kontingent. In den letzten Jahren hat die Anzahl der InternatsplĂ€tze kirchlicher TrĂ€ger allerdings deutlich abgenommen, welches u. a. durch Finanzierungs- und damit verbunden durch partielle QualitĂ€tsprobleme dieser Internatsgruppe bedingt ist.
Geschlechtertrennung Bearbeiten
Obschon die Geschlechtertrennung im modernen Unterrichtswesen keine bedeutende Rolle mehr nimmt, werden Internate bis heute durchweg als Knabeninternat / Jungeninternat und MĂ€dcheninternat gefĂŒhrt. Sieht man den Ausdruck MĂ€dcheninternat im Sinne âInternatsschuleâ, finden sich in Mitteleuropa noch diverse MĂ€dchenschulen mit angeschlossenem Internat, meist im Bereich der Privatschulen, religiös oder sĂ€kular. Sonst haben auch koedukative Schulen rĂ€umlich getrennte Internate fĂŒr Knaben und MĂ€dchen, als einzelne HĂ€user am Schulcampus, oder zumindest einzelne Trakte im InternatsgebĂ€ude. Eine gemeinsame gemischte Unterbringung MinderjĂ€hriger spielt im Regelschulsystem keine Rolle.
Beobachtbare Entwicklungstendenzen Bearbeiten
Viele Internatsschulen haben ihr Schul- und Betreuungsangebot differenziert, indem sie sich externen SchĂŒlern geöffnet, zusĂ€tzliche Schulzweige oder Tagesinternate angegliedert oder die Betreuung von SchĂŒlern ĂŒbernommen haben, die nicht die eigenen Unterrichtseinrichtungen, sondern Schulen anderer TrĂ€ger besuchen. Reine Jungen- oder MĂ€dcheninternate haben die Koedukation eingefĂŒhrt. Viele Institute nehmen heute âerziehungsschwierigeâ Kinder und Jugendliche auf, die eigentlich zur klassischen Klientel der Kinder- und Jugendheime gehören. Einige wenige Internate richten sich in ihrem Angebot ausschlieĂlich an begabte und leistungsorientierte SchĂŒler, um diese besser als in der normalen Regelschule intensiv zu fördern.
Die Entwicklung auf dem Internatssektor hat eine Bewegung zur GrĂŒndung von Internaten mit wieder stĂ€rker elitĂ€rer Ausrichtung hervorgerufen. Eine wesentliche Vorbildfunktion hatte hierbei das System der Eliteförderung in der ehemaligen DDR, das nach der Wiedervereinigung z. T. âdemokratisch gewendetâ fortgefĂŒhrt wurde. ZusĂ€tzlich fĂŒhrte der âPISA-Schockâ, d. h. das schlechte Abschneiden deutscher SchĂŒler im internationalen Leistungsvergleich, zu dem Ruf nach gezielterer und frĂŒherer Förderung besonders begabter junger Menschen. So entstanden â teilweise in Fortsetzung historischer Modelle (z. B. die ehemaligen FĂŒrstenschulen in Sachsen) â eine Reihe ĂŒberwiegend staatlicher Internate fĂŒr allgemein hoch befĂ€higte SchĂŒler oder Hochbegabte in den Bereichen Naturwissenschaften, Sprachen, Sport, Musik usw.
Auch einige der teuren Privatinstitute, denen aufgrund ihrer sozialen (d. h. preislichen) ExklusivitĂ€t in der veröffentlichten Meinung gern das PrĂ€dikat âEliteschuleâ angeheftet wird, suchen Anschluss an diese Entwicklung (z. B. durch Erhöhung der Zahl von Begabtenstipendien).
Es scheint aber auĂerordentlich schwierig zu sein, elitĂ€re Standards durchzusetzen und zu behaupten. Staatliche Eliteinternate haben in dieser Hinsicht von wenigen Ausnahmen abgesehen trotz sozialvertrĂ€glicher PensionssĂ€tze zwischen 50 und 300 Euro Ă€hnliche Probleme wie die wesentlich kostspieligere private Konkurrenz. Wie das Beispiel der Eliteschulen des Sports im Osten Deutschlands zeigt, ist es offensichtlich schwierig, genĂŒgend hoch befĂ€higte und charakterlich geeignete Aufnahmekandidaten fĂŒr das Internatsleben zu finden.
Kosten Bearbeiten
Die Kosten liegen zwischen etwa 3 000 und 57 000 Euro jÀhrlich.
Bearbeitungen des Themas in Literatur und Film Bearbeiten
In zahlreichen Romanen, ErzĂ€hlungen und anderen Genres der seriösen Literatur ist seit dem Mittelalter und in fast allen europĂ€isch geprĂ€gten Literaturen das soziale BeziehungsgefĂŒge und das des Ăfteren gefĂ€hrdete Innenleben von Internatszöglingen immer wieder unter verschiedenen Blickwinkeln bearbeitet worden. Die Spannbreite reicht dabei von verklĂ€renden Erinnerungen an die lustige Zeit im Internat bis hin zu sehr kritischen Darstellungen des VerhĂ€ltnisses der SchĂŒler untereinander bzw. zu ihren Lehrern. Die entsprechenden Texte werden unter dem literaturwissenschaftlichen Begriff Internatsliteratur zusammengefasst.
Aus dem frĂŒhen 20. Jahrhundert stechen etwa hervor Robert Musils Die Verwirrungen des Zöglings TörleĂ, Hermann Hesses Unterm Rad und Robert Walsers Jakob von Gunten. Der Sadismus in einer Kadettenanstalt des k.u.k. Ăsterreichs mag zeithintergrundsbedingt und mentalitĂ€tsgeschichtlich nicht sehr viel mit heutigen Rahmenbedingungen gemeinsam haben, aber er ist doch ein bedeutendes literaturhistorisches Warnzeichen, was ohne Weiteres hinter den offiziellen Regularien möglich war und wohl auch weiter sein wird.
Die Liste der Bearbeitungen des Themas reiĂt auch in der Gegenwartsliteratur nicht ab, obwohl die Zahl der InternatsschĂŒler und -schĂŒlerinnen heute wesentlich geringer ist als in frĂŒheren Zeiten und daher das Leben in einem Internat nur noch einer kleineren Anzahl von Personen aus eigener Erfahrung bekannt ist, nicht zuletzt deshalb behandeln auch viele der zuletzt veröffentlichten Texte das Internatsleben in der Vergangenheit. 1990 rĂŒckte der Film Der Club der toten Dichter und der gleichnamige Roman von Nancy H. Kleinbaum das Thema Internatsschule in den Fokus einer breiten Ăffentlichkeit. 1995 erschien der DebĂŒtroman Faserland des Ex-Salemers Christian Kracht, der einen kritischen Einblick in die Welt der hedonismus- und konsumorientierten Internatszöglinge gibt. Ein 2006 neu erschienenes Buch, der DebĂŒtroman Warum du mich verlassen hast des FAZ-Kulturkorrespondenten in Madrid, Paul Ingendaay, wurde aufgrund vorwiegend positiver Rezensionen fĂŒr den Preis der Leipziger BĂŒchermesse nominiert, und Ingendaay erhielt in demselben Jahr fĂŒr seinen Erstling den Niederrheinischen Literaturpreis der Stadt Krefeld. Er verarbeitet darin seine genauen Kenntnisse und Erfahrungen im Collegium Augustinianum Gaesdonck in den 1970er Jahren am Niederrhein. Den Hintergrund des autobiografisch angelegten Romans Unterm Staub der Zeit (2023) von Christoph Hein bildet das Leben eines SchĂŒlers aus der DDR in einem Westberliner Internat vor dem Mauerbau.
Bekannt wurde auch der Roman von Hugo Claus, Der Kummer von Belgien. Dort geht es um ein von katholischen Klosterschwestern geleitetes Internat, in dem SchĂŒler einen âGeheimbundâ grĂŒnden und als âApostelâ verbotene BĂŒcher zusammentragen. Clausâ Roman wurde von Claude Goretta verfilmt. Ebenfalls in Belgien, jedoch im deutschsprachigen Osten, ging Hannes Anderer ins Internat und schildert diese 1940er Jahre, zeitweise unter deutscher Herrschaft, sehr genau im Roman Unterwegs zu Melusine, insbesondere die Verteufelung der jugendlichen SexualitĂ€t durch die Katholiken, durch Priester wie Laien.
Neben den literarischen Darstellungen gibt es auch Internatsfilme wie etwa MĂ€dchen in Uniform aus dem Jahre 1931 nach einem TheaterstĂŒck von Christa Winsloe, dessen Remake von 1958 mit Romy Schneider und Lilli Palmer heute noch bekannt ist. Auch der Film Das fliegende Klassenzimmer (1973), lose basierend auf dem gleichnamigen Roman von Erich KĂ€stner, thematisiert das soziale Leben einer Gruppe SchĂŒler, die ihren Tagesablauf nach dem Internatsstundenplan ausrichten und im Handlungsverlauf der verfilmten Geschichte mit den RealschĂŒlern einer im gleichen Ort befindlichen Schule in mehreren Situation aneinandergeraten.
AuĂer der hier dargestellten gehobenen Literatur gibt es nach wie vor recht erfolgreiche Titel aus dem Gebiet der Unterhaltungsliteratur, insbesondere Kinder- und JugendbĂŒcher, die in einem Internat spielen. Teilweise handelt es sich dabei um noch immer fortlaufend neu erscheinende Reihen, wie etwa die Jugendkrimis der TKKG-Reihe, die sich nach wie vor groĂer Beliebtheit erfreuen, obwohl (siehe oben) das Leben in einem Internat heute nur noch wenigen Jugendlichen aus eigener Anschauung bekannt ist. Die weltweit mit groĂem Abstand bekanntesten und erfolgreichsten BĂŒcher und Filme zum Internatsleben sind die Romanserie und die auf ihr beruhenden Filme der Harry-Potter-Serie der britischen Schriftstellerin Joanne K. Rowling, die durchaus ernsthaft und kritisch typische Erscheinungen des Internatswesens behandelt.
Seit 1998 gibt es die Seifenoper Schloss Einstein fĂŒr Kinder und Jugendliche, welche in einem fiktiven Internat spielt.
Siehe auch Bearbeiten
Literatur Bearbeiten
- Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen (Hrsg.): Handbuch Freie Schulen. Reinbek, Rowohlt 1993. ISBN 3-499-16347-0.
- Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen (Hrsg.): Handbuch deutscher Internate. Neuwied, Luchterhand 2002. ISBN 3-472-03906-X.
- Helga Dannbeck: (PDF-Datei; 194 kB). In: FORUM Schulstiftung. Zeitschrift fĂŒr die katholischen freien Schulen der Erzdiözese Freiburg. 14. Jg. 2004. Nr. 41. S. 56â64.
- Jonathan Gathorne-Hardy: The Public School Phenomenon 597 â 1977. Hodder and Stoughton, London 1977. ISBN 0-14-004949-5.
- Gernot Gonschorek: Erziehung und Sozialisation im Internat. Minerva, MĂŒnchen 1979, ISBN 3-597-10163-1.
- Christopher Haep (Hrsg.): Grundfragen der InternatspĂ€dagogik. Theorie und Praxis. Königshausen & Neumann, WĂŒrzburg 2015. ISBN 978-3-8260-5627-7. Inhaltsverzeichnis.
- Klaus Johann: Grenze und Halt. Der Einzelne im âHaus der Regelnâ. Zur deutschsprachigen Internatsliteratur. Winter, Heidelberg 2003. ISBN 3-8253-1599-1. (= BeitrĂ€ge zur neueren Literaturgeschichte. 201.) Inhaltsverzeichnis (PDF-Datei; 112 kB), Rezension.
- Herbert Kalthoff: Wohlerzogenheit. Eine Ethnographie deutscher Internatsschulen. Campus, Frankfurt 1997. ISBN 3-593-35716-X.
- Manfred Klemann u. Silke MĂ€der: Der groĂe Internate-FĂŒhrer. Das Internate-Handbuch fĂŒr Eltern und SchĂŒler. Unterwegs, Singen 2006. ISBN 3-86112-149-2.
- Volker Ladenthin, Herbert Fitzek, Michael Ley, VKIT (Hrsg.): Das Internat. Ein Handbuch. Ergon, WĂŒrzburg 2009. ISBN 978-3-89913-666-1.
- Michael Ley u. Herbert Fitzek: Alltag im Wunschformat. Ăber Internatserziehung im Blick der Eltern. In: Michael Ley u. Herbert Fitzek (Hrsg.): Alltag im Aufbruch. Ein psychologisches Profil der Gegenwartskultur. Giessen, Psychosozial 2003. ISBN 3-89806-287-2. (= Zwischenschritte. 21. Jg. 2003.) S. 131â147. .
- Hans-Joachim Winkens: Hilfe fĂŒr Problemkinder. Chance und Herausforderung fĂŒr kirchliche Internate. 2. Aufl., Herder, Freiburg 1992. ISBN 3-451-22049-0.
- Hans-Joachim Winkens: Aspekte der Ganztagsbetreuung im katholischen Internat oder Tagesinternat. In Ordenskorrespondenz. 33. Jg. 1992. Heft 3. S. 312â316.
- Hans-Joachim Winkens: Erziehung unterstĂŒtzen. Katholische Internate. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 26. Mai 1999. Nr. 119. S. B5.
Weblinks Bearbeiten
- Literatur von und ĂŒber Internat im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Deutsche Internate mit Spitzen-Renommee (Memento vom 6. November 2014 im Webarchiv archive.today), Die Welt Worldâs Luxury Guide, 7. Oktober 2012
- Internat-Verzeichnis (Bildungsweb)
- âZwischen Idylle und Grauenâ, Artikel von Klaus Johann zur Internatsliteratur auf Zeit Online
Einzelnachweise Bearbeiten
- Karl Bauer: Regensburg Kunst-, Kultur- und Alltagsgeschichte. 6. Auflage. MZ-Buchverlag in H. Gietl Verlag & Publikationsservice GmbH, Regenstauf 2014, ISBN 978-3-86646-300-4, S. 321.
- Internate boomen in der Corona-Krise. BR, 27. April 2021, abgerufen am 6. MÀrz 2022.
- Preistabelle (am Ende des Dokuments)
- Unterm Staub der Zeit. Buch von Christoph Hein (Suhrkamp Verlag). Abgerufen am 12. Oktober 2023.