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Anzundhutchen oft auch einfach Zundhutchen Zundkapsel oder Zundelement engl Percussion cap oder Primer genannt dienen dem Zunden des Schiesspulvers also der Treibladung von Patronenmunition und Kartuschenmunition oder sonstiger Pulverladungen Weiters werden Anzundhutchen zum Zunden von nichtelektrischen Sprengzundern verwendet Das Anzundhutchen wurde um 1818 erfunden In den folgenden 60 Jahren wurde es zum Mittel der Wahl um eine Pulverladung in einem Vorderlader zu zunden Dafur wurde das Steinschloss zum Perkussionsschloss weiterentwickelt Die Erfindung des Zundhutchens war ein Meilenstein auf dem Weg zur Entwicklung der modernen Zentralfeuerpatronen Zwei AnzundhutchenLinks fur Faustfeuerwaffen abgefeuert und eingepresst in eine 357 Magnum rechts fur FlintenmunitionPatrone mit RandfeuerzundungAnzundhutchen fur Faust feuer waffenObere Reihe grosseUntere Reihe kleine Links und rechts abgefeuertMitte neu rechts die Innenseite Zundhutchen fur Perkussionswaffen Durchmesser 6 mm und 4 5 mmEin abgefeuertes links und intaktes rechts Anzundhutchen im Patronenboden einer Patronenhulse Kaliber 5 56 45 mm NATOAchtschussiger Plastikring fur SpielzeugrevolverAlle modernen Waffen verwenden die Zentralfeuerzundung bei der im Boden der Patronenhulse ein Zundhutchen eingepresst ist Ausnahme sind Waffen fur Kleinkaliberpatronen wie zum Beispiel 22 lfB bei denen Randfeuerzundung verwendet wird Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Arten 3 Funktionsweise 4 Knallerbsen 5 Gesundheitsgefahr 6 Literatur 7 Siehe auch 8 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDer schottische Geistliche Alexander John Forsyth kam zu Beginn des 19 Jahrhunderts auf die Idee schlagempfindliche Substanzen wie Knallquecksilber oder Kaliumchlorat zum Anzunden des Treibsatzes zu verwenden Verschiedene Erfinder versuchten diesen neuen Ansatz praktikabel zu nutzen um das bisherige unzuverlassige Steinschloss abzulosen Auch die Idee fur das Anzundhutchen wurde von einigen Personen in verschiedenen Landern beansprucht Da es zu dieser Zeit noch kein internationales Patentrecht gab lasst sich nicht mit Sicherheit sagen wer der Erste war Auch kann die gleiche Idee in etwa zeitgleich entstanden sein Da ist zum einen der in die USA ausgewanderte Englander Joshua Shaw der dieses fur 1814 beansprucht 1 Shaw meldete demnach in diesem Jahr ein wiederverwendbares Rohrchen aus Stahl das sich mit der schlagempfindlichen Substanz fullen liess zum Patent an Da Shaw aber zu kurz in den Vereinigten Staaten lebte sei ihm das Patent nicht gewahrt worden 2 Da das Patentburo Jahre spater abbrannte existieren keine Dokumente die Shaws Anspruch belegen 1815 soll er mit einem Einweg Zundhutchen aus Hartzinn experimentiert haben und ein Jahr spater schliesslich aus Kupfer 3 Ein offizielles Patent erhielt Shaw erst 1822 4 Besser dokumentiert ist die Erfindung des Zundhutchens aus Kupfer bei dem Londoner Buchsenmacher Joseph Egg die auf 1818 datiert wird 3 5 1 Einen grossen Anteil an der Verbesserung und Verbreitung des Anzundhutchen hatte das 1825 in Prag gegrundete Unternehmen Sellier amp Bellot 6 Bei zivilen Waffen setzten sich die Anzundhutchen recht schnell durch ab Mitte der 1820er waren sie weitverbreitet 7 Das Militar hatte zunachst noch Vorbehalte sich von den bewahrten Steinschlosswaffen zu trennen In den 1830ern begann das Militar das neue System zu testen und bis Mitte der 1840er hatte es sich auch militarisch in Europa und in den Vereinigten Staaten etabliert Vielfach wurden Steinschlosswaffen auf Perkussionszundung umgestellt 4 Auch wenn es ab den 1840er Jahren bereits erste wegweisende Hinterladerwaffen mit Einheitspatronen z B Dreyse Zundnadelgewehr gab waren die Zundhutchen fur Vorderladerwaffen die nachsten Jahrzehnte vorherrschend 1 Der Hohepunkt der Produktion von Anzundhutchen fur Perkussionswaffen war Mitte der 1860er Jahre danach wurden diese zunehmend durch in Zentralfeuerpatronen integrierte Anzundhutchen fur moderne Hinterladerwaffen abgelost 8 Arten BearbeitenBei den Zundhutchen unterscheidet man historische aussenliegende und moderne in die Patrone integrierte Arten Bei den integrierten Zundhutchen unterscheidet man zwischen Berdanzundhutchen Berdanzundung und Boxerzundhutchen Boxerzundung Beide Zundhutchenarten werden fur Metallpatronen Buchsen und Kurzwaffenpatronen verwendet Diese Zundhutchen bestehen aus einer meist vernickelten Messingkapsel in der sich der Zundsatz befindet Dieser ist durch eine mit Lack uberzogene Papierscheibe gegen Feuchtigkeit geschutzt Bei dem Boxerzundhutchen ist ausserdem der dreibeinige Amboss als Widerlager eingesetzt Funktionsweise Bearbeiten nbsp Aufbau und Zundung einer Patrone mit Boxerzundung nbsp Aufbau und Zundung einer Patrone mit BerdanzundungAussen liegende Zundhutchen die ausschliesslich zum Abfeuern von Vorderladerwaffen mit Perkussionszundung verwendet werden steckt man vor der Schussabgabe auf das Piston auf Das Piston wirkt als Amboss und ist durchgangig gebohrt Sobald der Hahn der Waffe auf das Piston mit dem aufgesteckten Zundhutchen aufschlagt setzt dessen Zundladung um Durch die Bohrung im Piston wird die Zundflamme dann auf die Treibladung im Lauf ubertragen Anzundhutchen fur Zentralfeuerpatronen sind in eine Vertiefung im Patronenboden die als Zundglocke bezeichnet wird eingelassen Sie sind dort durch eine leichte Quetschung des Patronenbodens mechanisch gegen das Herausfallen gesichert In der Regel wird der Spalt zwischen Zundglocke und Anzundhutchen mit einer hauchdunnen Dichtung aus Lack versehen um so das Eindringen von Feuchtigkeit zu verhindern was zu Zundversagern fuhren kann Wahrend bei der Boxerzundung der Zundstrahl durch ein zentrales Zundloch in der Hulse in den Pulverraum geleitet wird ist bei der Berdanhulse an dieser Stelle der Amboss angebracht Neben dem Amboss sind dann die Zundkanale Die Berdanzundung wird hauptsachlich noch im militarischen Bereich benutzt wahrend gerade im sportlichen Bereich die Boxerzundung dominiert da hier das abgeschossene Zundhutchen leicht ausgestossen werden kann um die Patrone wiederzuladen Zundhutchen fur Schrotpatronen sind langer als die oben beschriebenen flachen Messingkapseln in ihrer Umhullung sind Zundsatz Amboss und Zundloch integriert Alle Zundsatze werden durch Reibung gezundet wenn der Schlagbolzen einer Waffe auf das Zundhutchen trifft und sich das Material gegen den Amboss und an ihm vorbei quetscht Je nach Substanz reichen schon sehr geringe Erschutterung oder Warmeeinwirkung aus um eine Zundung zu bewirken weshalb das Manipulieren an Zundhutchen oder Patronen lebensgefahrlich ist Seit etwa 1930 verwendet man als Initialsprengstoff in Anzundhutchen ein Gemisch aus Tetrazen und Bleitrinitroresorcinat Sinoxid Satze 9 Diese und verwandte Mischungen haben das fruher ubliche sehr giftige und korrosive Knallquecksilber Quecksilberfulminat vollig verdrangt Das sofort detonierende Bleiazid kann nur als Initialzunder fur andere Sprengstoffe verwendet werden und nicht in Zundhutchen Das ebenfalls sehr giftige Knallsilber Silberfulminat ist fur diese Verwendung zu empfindlich und auch zu teuer Boxerzundhutchen gibt es in den Grossen 4 45 mm klein und 5 33 mm gross Bei gleichen Abmessungen unterscheidet man dann noch Pistolen und Buchsenversion sowie jeweils eine Magnum Ausfuhrung mit verstarktem Zundsatz Berdanzundhutchen gibt es fur Pistolen in den Durchmessern 4 5 mm und 5 mm sowie fur Buchsen in den Durchmessern 4 5 mm 5 5 mm und 6 45 mm Zundhutchen haben in der Regel keine Kennzeichnung ihrer Grosse und Ladung Neuere Entwicklungen experimentieren mit einer Abkehr von der mechanischen Zundung Eine Initialladung vergleichbar einem Zundhutchen ist voraussichtlich auch in vielen dieser Falle notig muss aber speziell an das Zundverfahren angepasst werden In der praktischen Verwendung ist bereits der elektrische Schlagbolzen mit entsprechenden Anzundhutchen Dabei durchsticht weiterhin ein Schlagbolzen mechanisch die Versiegelung des Anzundhutchens Die Zundung erfolgt aber erst durch einen elektrischen Impuls Der Strom fliesst dabei entweder durch den Schlagbolzen als einen und den Ladungsraum als anderen Pol oder der Schlagbolzen selbst ist zweipolig ausgelegt Ziel der Technik ist eine moglichst genaue Zeitsteuerung der Schussabgabe Dies ist bei schnell feuernden Waffen nach dem Gatling Prinzip insbesondere in Verbindung mit Mundungsblenden erwunscht sowie bei stabilisierten Waffenanlagen Zur Notabfeuerung bei Ausfall der Stromversorgung werden Stossgeneratoren genutzt Im Versuchsstadium sind kontaktlose Zundverfahren mit elektromagnetischer Induktion elektro thermisch chemischen Kanonen bei denen ein Lichtbogen die Treibladung zunden soll und die Zundung per Laser Angestrebte Vorteile dieser Verfahren sind geringere Fehlerquellen durch Verschmutzung und Korrosion oder versagende Mechanik und die Verwendung mit hulsenlosen Patronen bei denen dann die restlichen metallischen Anteile entfallen konnten 10 Knallerbsen BearbeitenNach demselben Prinzip wie Anzundhutchen funktionieren sogenannte Knallerbsen Das sind kleine Knallkorper die z B mit einer geringen Menge Silberfulminat gefullt sind Wenn man sie auf den Boden wirft zundet der Stoff durch den Aufprall und es gibt einen mehr oder weniger lauten Knall Alle genannten Stoffe sind hochexplosiv und fallen unter das Sprengstoffgesetz bzw die darauf beruhenden Verordnungen SprengV Gesundheitsgefahr BearbeitenBeim Schiessen werden die Reaktionsprodukte der Initialsprengstoffe freigesetzt Fruher wurde das gesundheitsschadliche Knallquecksilber verwendet das durch Bleitrinitroresorcinat Gemische abgelost wurde die aber auch gesundheitsschadlich sind Das heute verfugbare Diazodinitrophenol DDNP hingegen enthalt weder Blei noch Quecksilber 11 wird aber aus Kostengrunden nicht uberall verwendet Literatur BearbeitenJosef Motz Osterreichische Militarpatronen Band 1 Die Munition fur Hand und Faustfeuerwaffen der habsburgischen bzw osterreichischen Streitkrafte von 1866 bis 1954 Stohr 1996 ISBN 978 3 901208 17 1 Seiten 20 47 50 Siehe auch BearbeitenLefaucheux Zundung ZundplattchenEinzelnachweise Bearbeiten a b c Manfred R Rosenberger Katrin Hanne Vom Pulverhorn zum Raketengeschoss Die Geschichte der Handfeuerwaffen Munition Motorbuch Verlag 1993 ISBN 3613015412 S 69 74 75 Alexander Rose American Rifle A Biography Random House 2008 ISBN 978 0 440 33809 3 S 95 a b George D Moller American Military Shoulder Arms Volume III Flintlock Alterations and Muzzleloading Percussion Shoulder Arms 1840 1865 Verlag University of New Mexico Press 2011 ISBN 9780826350022 S 23 1 a b Jeff Kinard Pistols An Illustrated History of Their Impact Verlag ABC CLIO 2003 ISBN 9781851094707 S 53 54 2 Dennis Alder Colt Single Action From Patersons to Peacemakers Simon and Schuster 2015 ISBN 9781510709225 S 109 3 Jaroslav Lugs Handfeuerwaffen Band I 6 Auflage Militarverlag der DDR 1979 S 62 Steven T Ross From Flintlock to Rifle Infantry Tactics 1740 1866 Verlag F Cass 1996 ISBN 9780714641935 S 107 4 The rise and progress of the British explosives industry 1909 S 368 5 Josef Kohler Rudolf Meyer Axel Homburg Explosivstoffe 10 Auflage John Wiley amp Sons 2012 ISBN 978 3 527 66007 0 Google Books Thomas Enke Grundlagen der Waffen und Munitionstechnik 2 aktualisierte Auflage Walhalla Fachverlag Regensburg 2021 doi 10 5771 9783802947780 S 155 f Josef Kohler Rudolf Meyer Axel Homburg Explosivstoffe Ausgabe 10 Verlag John Wiley amp Sons 2012 ISBN 9783527660070 S 37 6 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Anzundhutchen amp oldid 232296264