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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig Weitere Bedeutungen sind unter Anaximander Begriffsklarung aufgefuhrt Anaximander oder Anaximandros altgriechisch Ἀna3imandros ὁ Milhsios Anaximandros ho Milḗsios um 610 v Chr in Milet nach 547 v Chr ebenda war ein vorsokratischer griechischer Philosoph Er gehort neben Thales und Anaximenes zu den wichtigsten Vertretern jenes philosophischen Aufbruchs der mit Sammelbegriffen wie ionische Aufklarung 1 und ionische Naturphilosophie 2 bezeichnet wird Mutmassliche Darstellung Anaximanders aus der Schule von Athen des Raffael 1510 1511 Stanzen des Raffael im Vatikan Inhaltsverzeichnis 1 Einordnung von Person und Bedeutung 2 Ursprung und Ordnungsprinzip des Weltganzen 3 Kosmos und Erde 4 Theorie der Menschwerdung und der Seele 5 Interpretationen 6 Textausgaben 7 Literatur 8 Weblinks 9 FussnotenEinordnung von Person und Bedeutung BearbeitenApollodor von Athen zufolge lebte Anaximander um 610 546 v Chr in Milet Es ist wahrscheinlich dass er Thales von Milet gekannt und mit ihm in enger Gedankengemeinschaft gelebt hat Jedenfalls gilt er als Nachfolger und Schuler des Thales Ihn beschaftigte dasselbe Grundproblem wie Thales namlich die Frage nach dem Ursprung allen Seins nach der Arche ἀrxh Dafur hielt er jedoch nicht das Wasser sondern das stofflich unbestimmte Apeiron ἄpeiron das hinsichtlich seiner Grosse Unbegrenzte bzw Unermessliche 3 Von Anaximanders Philosophie ist im Original nur ein einziges Fragment uberliefert es stellt uberhaupt den ersten erhaltenen griechischen Text in Prosaform dar 4 Der Grossteil der philosophischen Anschauungen Anaximanders ist der zwei Jahrhunderte spateren Uberlieferung des Aristoteles zu entnehmen und mit einigen Unsicherheiten behaftet Als bedeutender Astronom und Astrophysiker entwarf er als erster eine rein physikalische Theorie der Weltentstehung Kosmogonie Er grundete seine Uberlegungen zur Entstehung des Weltganzen ausschliesslich auf Beobachtung und rationales Denken Auf Anaximander geht der moderne Begriff Kosmos kosmos und die Erfassung der Welt als ein planvoll erfassbares geordnetes Ganzes zuruck Er zeichnete ebenfalls als erster nicht nur eine geographische Karte mit der damals bekannten Verteilung von Land und Meer sondern konstruierte auch eine Sphare einen Himmelsglobus Die Karte ist heute verschollen wurde aber spater durch Hekataios von Milet ausgewertet aus dessen Werk eine halbwegs konkrete Darstellung der damaligen Weltsicht uberliefert ist Nach ihm ist der Mondkrater Anaximander benannt Ursprung und Ordnungsprinzip des Weltganzen Bearbeiten Antiker romische Mosaikkunst aus dem fruhen dritten Jahrhundert nach ChristusDie Grundsubstanz alles Gewordenen nach Anaximander das Apeiron das Grenzenlose wird unterschiedlich gedeutet als raumlich und zeitlich unbegrenzter Urstoff 5 als unendlich hinsichtlich Masse oder Teilbarkeit als unbestimmt oder grenzenlos u a m 6 Der Begriff des Unermesslichen spiegelt die Offenheit der Moglichkeiten das Apeiron zu deuten aber auch die Unvorhersehbarkeit dessen was aus dem Apeiron entsteht oder von ihm erzeugt wird Nach Aristoteles hat Anaximander das was der Begriff bezeichnet als ein den Gottern der Volksreligion vergleichbares unsterbliches und unzerstorbares Wesen betrachtet 7 Mit dem einzigen erhaltenen Anaximander Fragment liegt der erste schriftlich gefasste und uberlieferte Satz der griechischen Philosophie uberhaupt vor Allerdings ist die diesbezugliche Forschung uneins in welchem Umfang das Uberlieferungsgut tatsachlich authentisch auf Anaximander zuruckgeht Die Wiedergabe durch Simplikios von Kilikien im 6 nachchristlichen Jahrhundert beruht ihrerseits auf einem verlorengegangenen Werk des Aristoteles Schulers Theophrastos von Eresos Die sich auf das Apeiron beziehende unter dem Seienden die Vielheit der Dinge und Phanomene verstehende Kernaussage lautet Woraus aber fur das Seiende das Entstehen sei dahinein erfolge auch sein Vergehen gemass der Notwendigkeit denn diese schaffen einander Ausgleich und zahlen Busse fur ihre Ungerechtigkeit nach der Ordnung der Zeit 8 Damit hat Anaximander als Erster etwas nicht Wahrnehmbares und Unbestimmtes als existierend festgelegt um so wahrnehmbare Phanomene zu erklaren 9 Die gleichsam gesetzmassige wechselseitige Ablosung gegenstrebiger Wirkkrafte oder Substanzen in einem kontinuierlichen und ausgeglichenen Prozess durfte fur die bestandige Ordnung des Kosmos stehen ein dem Wechsel und der Veranderung ausgesetztes und doch in sich stabiles System Uneinig ist die Forschung daruber ob auch das Apeiron an diesem Geschehen beteiligt ist oder ob es sich um einen rein innerweltlichen Ausgleichsprozess handelt sodass die Wirkung des Apeiron sich allein auf die Phase der Weltentstehung beschrankte Im anderen Fall kamen auch Vorstellungen von einer Mehrzahl neben oder nacheinander existierender Welten in Betracht 10 Robinson erwagt dass Anaximander sich das Universum als einen ewigen Prozess gedacht haben konnte in dem eine unendliche Anzahl galaktischer Systeme aus dem Apeiron geboren und wieder in es aufgenommen wird Damit hatte er auf brillante Weise die Weltsicht der Atomisten Demokrit und Leukipp vorweggenommen die fur gewohnlich als deren eigene Leistung betrachtet wird 11 Kosmos und Erde Bearbeiten KosmologieAnaximander meinte bei der Entstehung des heutigen geordneten Universums habe sich aus dem Ewigen ein Warme und Kaltezeugendes abgesondert und daraus sei eine Feuerkugel um die die Erde umgebende Luft gewachsen wie um einen Baum die Rinde Die Gestirne entstehen laut Anaximander durch die geplatzte Feuerkugel indem das abgespaltene Feuer von Luft eingeschlossen wird An ihnen befanden sich gewisse rohrenartige Durchgange als Ausblasestellen sie seien dort als Gestirne sichtbar In gleicher Weise entstunden auch die Finsternisse namlich durch Verriegelung der Ausblasestellen Das Meer sei ein Uberrest des ursprunglich Feuchten Ursprunglich war die ganze Oberflache der Erde feucht gewesen Wie sie aber dann von der Sonne ausgetrocknet wurde verdunstete allmahlich der eine Teil Es entstanden dadurch die Winde und die Wenden von Sonne und Mond aus dem ubrigen Teil hingegen das Meer Daher wurde es durch Austrocknung immer weniger Wasser haben und schliesslich wurde es allmahlich ganz trocken werden Aristoteles uber Anaximander Aus einem Teil dieses Feuchten das durch die Sonne verdampfe entstunden die Winde indem die feinsten Ausdunstungen der Luft sich ausschieden und wenn sie sich sammelten in Bewegung gerieten Auch die Sonnen und Mondwenden geschahen weil diese eben jener Dampfe und Ausdunstungen wegen ihre Wenden vollfuhrten indem sie sich solchen Orten zuwendeten wo ihnen die Zufuhr dieser Ausdunstung gewahrleistet sei Anaximanders WeltbildDie Erde sei das was vom ursprunglich Feuchten an den hohlen Stellen der Erde ubrig geblieben sei Anaximander meinte die Erde sei schwebend von nichts uberwaltigt und in Beharrung ruhend infolge ihres gleichen Abstandes von allen Himmelskreisen Ihre Gestalt sei rund gewolbt und ahnele in der Art eines steinernen Saulensegments einem Zylinder Wir stunden auf der einen ihrer Grundflachen die andere sei dieser entgegengesetzt Regengusse bildeten sich aus der Ausdunstung welche infolge der Sonnenstrahlung aus der Erde hervorgerufen werde Blitze entstunden indem der Wind sich in die Wolken hineinsturze und sie auseinanderschlage Theorie der Menschwerdung und der Seele BearbeitenDie Entstehung der Menschheit fuhrte Anaximander auf andere Lebewesen zuruck Ihm war aufgefallen dass der Mensch im Vergleich zu anderen Arten im Fruhstadium seiner Entwicklung sehr lange Zeit benotigt bis er fur die Selbstversorgung und das Uberleben aus eigenen Kraften sorgen kann Deshalb nahm er an dass die ersten Menschen aus Tieren hervorgegangen sind und zwar aus Fischen oder fischahnlichen Lebewesen Denn den Ursprung des Lebendigen suchte er im Wasser das Leben war fur ihn eine Spontanentstehung aus dem feuchten Milieu Anaximander sagt die ersten Lebewesen seien im Feuchten entstanden und von stachligen Rinden umgeben gewesen Im weiteren Verlauf ihrer Lebenszeit seien sie auf das trockene Land gegangen und hatten nachdem die sie umgebende Rinde aufgeplatzt sei ihr Leben noch fur kurze Zeit auf andere Weise verbracht 12 Die Seele hielt Anaximander fur luftartig Der Vorstellung von der Seele als Aer mag die Verbindung mit dem Leben bzw dem Ein und Ausatmen zugrunde gelegen haben Unklar ist ob er zwischen der Atemseele des Menschen und der anderer Lebewesen unterschied Wie sich Anaximanders Auffassung von Apeiron und Kosmos zu seiner Vorstellung von der Seele verhielt ob es zwischen ihnen uberhaupt eine Beziehung gab ist ungewiss Da Anaximander die Seele fur luftartig hielt vermuten manche dass er der Seele Unsterblichkeit zusprach Ob er an eine Beseelung des Kosmos ferner an eine Allbeseelung ahnlich wie sie sich Thales vermutlich vorgestellt hatte und daruber hinaus an die Unsterblichkeit individueller Seelen dachte bleibt dahingestellt Interpretationen BearbeitenBertrand Russell interpretiert Anaximanders Theorien in der Geschichte der abendlandischen Philosophie als Behauptung der Notwendigkeit eines angemessenen Gleichgewichts zwischen Erde Feuer und Wasser die alle unabhangig voneinander danach streben konnen ihre Anteile im Verhaltnis zu den anderen zu vergrossern Anaximander scheint seine Uberzeugung auszudrucken dass eine naturliche Ordnung das Gleichgewicht zwischen diesen Elementen sicherstellt dass dort wo Feuer war nun Asche Erde ist 13 Friedrich Nietzsche behauptete in Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen Anaximander sei ein Pessimist gewesen der behauptete das ursprungliche Wesen der Welt sei ein Zustand der Unbestimmtheit Demnach muss alles Bestimmte schliesslich wieder in die Unbestimmtheit ubergehen Mit anderen Worten Anaximander betrachtete alles Werden als eine unrechtmassige Emanzipation vom ewigen Sein ein Unrecht fur das die Zerstorung die einzige Busse ist Die Welt der einzelnen Objekte hat in dieser Denkweise keinen Wert und sollte untergehen Nietzsche bezeichnet Anaxagoras und die anderen Vorsokratiker als Vorplatoniker 14 Textausgaben BearbeitenHermann Diels Hrsg Die Fragmente der Vorsokratiker Band 1 Herausgegeben von Walther Kranz 4 Auflage Abdruck der 3 Auflage mit Nachtragen Weidmann Berlin 1922 griechisch und deutsch Laura Gemelli Marciano Hrsg Die Vorsokratiker Band 1 Artemis amp Winkler Dusseldorf 2007 ISBN 978 3 7608 1735 4 S 32 69 griechische Quellentexte mit deutscher Ubersetzung Erlauterungen sowie Einfuhrung zu Leben und Werk Jaap Mansfield Hrsg Die Vorsokratiker Stuttgart 1987 Fragmente griech dtsch Ubersetzung und Erlauterungen Georg Wohrle Die Milesier Anaximander und Anaximenes Berlin 2012 Kommentare und griech dtsch Fragmente Bertrand Russel Philosophie des Abendlandes Ihr Zusammenhang mit der politischen und der sozialen Entwicklung Europa Verlag Zurich 1950 ISBN 3 88059 965 3Literatur BearbeitenUbersichtsdarstellungen in Handbuchern Thomas Schirren Georg Rechenauer Zum Leben der einzelnen Philosophen 2 Anaximander und Niels Christian Duhrsen Anaximander In Hellmut Flashar u a Hrsg Fruhgriechische Philosophie Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 1 Halbband 1 Schwabe Basel 2013 ISBN 978 3 7965 2598 8 S 184 185 Biographie und 263 320 Werk Lehre Rezeption Einfuhrungen und Untersuchungen Walter Burkert Iranisches bei Anaximandros In Rheinisches Museum fur Philologie Neue Folge Band 106 1963 S 97 134 Dirk L Couprie Robert Hahn Gerard Naddaf Anaximander in Context New Studies in the Origins of Greek Philosophy State University of New York Press Albany New York 2003 ISBN 0 7914 5537 8 Maria Marcinkowska Rosoɫ Die Prinzipienlehre der Milesier Berlin Boston 2014 Thomas M Robinson Die Ionische Aufklarung In Friedo Ricken Hrsg Philosophen der Antike Band 1 Kohlhammer Stuttgart u a 1996 ISBN 3 17 012719 5 S 38 51 hier S 45 ff Christof Rapp Die Vorsokratiker Beck Munchen 1997 ISBN 3 406 38938 4 Wolfgang Schadewaldt Die Anfange der Philosophie bei den Griechen Tubinger Vorlesungen Band I Frankfurt M 1978 Rezeption Carmela Baffioni Anaximandre dans l Islam In Richard Goulet Hrsg Dictionnaire des philosophes antiques Band Supplement CNRS Editions Paris 2003 ISBN 2 271 06175 X S 759 761 Carlo Rovelli Die Geburt der Wissenschaft Anaximander und sein Erbe Rowohlt Reinbek bei Hamburg 2019 ISBN 3 498 05398 1 Weblinks Bearbeiten Commons Anaximander Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Anaximander im Katalog der Deutschen NationalbibliothekTextausgaben Verschiedene Textauszuge Fragmente Memento vom 5 Dezember 2004 im Internet Archive griech engl franz PDF Datei 136 kB Fragments and Commentary engl Ubers von Arthur Fairbanks The First Philosophers of Greece London K Paul Trench Trubner 1898 8 16 Literatur Karl Bormann Anaximander von Milet In UTB Online Worterbuch Philosophie Dirk L Couprie Eintrag in J Fieser B Dowden Hrsg Internet Encyclopedia of Philosophy Dirk Couprie Materialien zu Anaximander englisch Egon Gottwein Anaximander Patricia Curd Presocratic Philosophy in The Stanford Encyclopedia of Philosophy Summer 2016 Edition Edward N Zalta ed 1 Fussnoten Bearbeiten Thomas M Robinson Die Ionische Aufklarung In Friedo Ricken Hrsg Philosophen der Antike Band 1 Kohlhammer Stuttgart u a 1996 S 38 ff Christof Rapp Die Vorsokratiker Beck Munchen 1997 S 27 ff Thomas M Robinson Die Ionische Aufklarung In Friedo Ricken Hrsg Philosophen der Antike Band 1 Kohlhammer Stuttgart u a 1996 ISBN 3 17 012719 5 S 38 51 hier S 40 Themistios Or 36 317 C DK 12 A 7 dazu Walter Burkert Weisheit und Wissenschaft Nurnberg 1962 S 223 Mit ihm dem Prosabuch tritt etwas Neues auf in der griechischen Geistesgeschichte das erste Prosabuch schrieb Anaximandros und ebenda Anm 6 zur Prioritat gegenuber Pherekydes mit Berufung auf von Fritz RE 19 Sp 2030f Christof Rapp Die Vorsokratiker Beck Munchen 1997 S 38 ff Christof Rapp Die Vorsokratiker Beck Munchen 1997 S 40 Physik III 203b 14 zitiert nach Thomas M Robinson Die Ionische Aufklarung In Friedo Ricken Hrsg Philosophen der Antike Band 1 Kohlhammer Stuttgart u a 1996 ISBN 3 17 012719 5 S 38 51 hier S 41 Zitiert nach Christof Rapp Die Vorsokratiker Beck Munchen 1997 S 45 in Parenthese ein in der Forschung strittiger Passus den Rapp eher Aristoteles zurechnet Dumont s Handbuch Philosophie Mathias Vogt Dumont monte Koln 2003 Christof Rapp Die Vorsokratiker Beck Munchen 1997 S 46 Thomas M Robinson Die Ionische Aufklarung In Friedo Ricken Hrsg Philosophen der Antike Band 1 Kohlhammer Stuttgart u a 1996 ISBN 3 17 012719 5 S 38 51 hier S 43 Fragment DK 12 A 30 zitiert nach Christof Rapp Die Vorsokratiker Beck Munchen 1997 S 51 Bertrand Russell Philosophie des Abendlandes Ihr Zusammenhang mit der politischen und der sozialen Entwicklung Europa Verlag Zurich 1950 ISBN 3 88059 965 3 S 48 49 Friedrich Nietzsche Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen Reclam Taschenbuch 1994 ISBN 978 3 15 007133 5 Normdaten Person GND 118645102 lobid OGND AKS LCCN n85142191 VIAF 280059448 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME AnaximanderALTERNATIVNAMEN Anaximandros der Mileter Anaximandros von Milet Ἀna3imandros ὁ Milhsios altgriechisch KURZBESCHREIBUNG vorsokratischer griechischer PhilosophGEBURTSDATUM um 610 v Chr GEBURTSORT MiletSTERBEDATUM nach 547 v Chr STERBEORT Milet Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Anaximander amp oldid 234086965