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Albert Wilkens 8 Juli 1790 in Dorpen 1 Juni 1828 in Nottuln war Kaplan in Nottuln und westfalischer Heimatforscher der sich phantasiereicher Erfindungen und Falschungen bediente Die Pfarrkirche von Nottuln war Wilkens berufliche Wirkungsstatte Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Die Grundungsurkunde des Stiftes Nottuln 3 Die Urkunde der Kaisertochter Sophie 4 Hinweise aus der Lokalgeschichte 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenAlbert Wilkens studierte ab 1810 in Munster Theologie am 17 Januar 1815 wurde er zum Priester geweiht Sofort nach der Weihe erhielt er eine Stelle als Pfarrkooperator an der Stiftskirche zu Nottuln nach dem Tod des dortigen Kaplans wurde er 1817 dessen Nachfolger Auf dieser Stelle blieb er bis er 1828 an einer Schwindsucht starb Die Gemeinde in Nottuln war von uberschaubarer Grosse und wurde ausser von Wilkens von zwei weiteren Seelsorgern betreut so dass Wilkens viel Zeit hatte seinen schriftstellerischen Neigungen zu folgen Dabei plante Wilkens von Anfang an das Archiv des aufgehobenen Damenstifts Nottuln und das der Pfarrgemeinde zu nutzen denn 1816 begann er mit einer Schrift Anleitung zum Lesen aller lebenden und toten Sprachen nebst einer Anleitung die Schriften des Mittelalters zu lesen und zu verstehen die zu seinem Selbstgebrauch bestimmt sein sollte aber ein Torso blieb 1817 veroffentlichte er eine Lebensgeschichte des heiligen Bischofs Martin von Tours 1819 folgte mit Kurze Lebensgeschichte des heiligen Liudger die erste von zahlreichen heimatgeschichtlichen Arbeiten Bis zu seinem Tod folgte eine grosse Zahl weiterer Schriften die sich dadurch auszeichneten dass Wilkens bis dahin nicht oder kaum bekanntes Quellenmaterial in die Forschung einfuhrte 1 Besonders intensiv beschaftigte sich Wilkens mit der Geschichte des Stifts Nottuln Wilkens war bereits zu seiner Zeit nicht unumstritten Kritiker warfen ihm Schlampigkeit vor so hiess die erste nachgewiesene Abtissin Nottulns Heriburg in einer seiner Schriften plotzlich Gerburgis Besonders mit Joseph Niesert einem 24 Jahre alteren Pfarrer aus Velen und ebenfalls Geschichtsforscher geriet Wilkens fruh in Streit Niesert ignorierte Wilkens Arbeiten in der Literaturubersicht zur munsterschen Geschichte in der Einleitung seines Munsterlandischen Urkundenbuches Wilkens revanchierte sich dafur indem er Nieserts Werk in seiner Schrift uber die Geschichtsquellen Westfalens ohne Nennung des Verfassers benutzte Die zeitgenossische Kritik an Wilkens war mehr als berechtigt Die neuere Forschung hat Wilkens sowohl Falschungen als auch ausserst phantasievolle Interpretationen echter Urkunden nachgewiesen Die Grundungsurkunde des Stiftes Nottuln BearbeitenIn seinem Versuch einer allgemeinen Geschichte der Stadt Munster veroffentlichte Albert Wilkens 1823 erstmals die erste Urkunde des Stifts Nottuln die zuvor der Forschung vollig unbekannt gewesen war Inhalt der Urkunde war dass Gerfried der zweite Bischof von Munster 834 der Grundung Liudgers in Nottuln zwei als Buchuldi und Oildinhus bezeichnete Hofe schenkte gegen wertvolle Reliquien die er von Nottuln in die Kapelle der heiligen Maria prope amnem in Mimigardeforde uberfuhrt hatte Nach Angabe Wilkens hatte er die Urkunde in einem seit 1811 verschollenen Kopiar des Nottulner Stifts entdeckt Der Diplomatiker Joseph Prinz entlarvte die Urkunde 1962 als freche und plumpe Falschung bei der man sich fragen musse ob man sich mehr uber die Dreistigkeit des Falschers oder uber die Leichtglaubigkeit mit der die Forschung der Falschung aufgesessen sei wundern musse 1 Prinz wies Wilkens zahlreiche formale und inhaltliche Fehler nach Schon der Umstand dass Wilkens das angeblich seit 1811 verschollene Kopiar in seiner Schrift uber Liudger 1819 nicht kannte aber dann 1823 daraus zitieren konnte hatte misstrauisch stimmen mussen 2 In Wilkens Nachlass fand sich eine auf 1819 datierte Abschrift die Wilkens von einer weiteren Abschrift abgeschrieben haben wollte verfasst vom Notar Ketteler der nach der Sakularisation eine Bestandsaufnahme uber den Besitz des Nottulner Stifts fur die neuen preussischen Herren erstellt hatte Auch diese angeblich alteste Abschrift existiert noch auf der Ruckseite dieser Abschrift befand sich eine Niederschrift uber den Brand Nottulns 1748 Ketteler hatte sich tatsachlich mehrfach mit der Ordnung von Archiven beschaftigt der Bericht an die preussische Kriegs und Domanenkammer uber Nottuln enthielt auch eine Ubersicht uber die Nottulner Stiftsgeschichte aus seiner Feder Was in diesem Bericht nicht erwahnt war war die Urkunde die Ketteler doch abgeschrieben haben sollte oder auch nur das Kopiar Bereits 1903 hatte zwar ein Archivar des Staatsarchives Munster festgestellt dass die Abschrift von Wilkens mit verstellter Handschrift geschrieben wurde Diesem Archivar fielen auch unstimmige Abkurzungen im Urkundentext auf die Bemerkungen die er auf dem Umschlag notierte in dem die Abschrift aufbewahrt wird wurden jedoch von der Forschung nicht beachtet 3 Auch textlich hielt die Urkunde keiner Prufung stand Prinz konnte vielmehr nachweisen wo sich Wilkens bei der Abfassung seiner Falschung bedient hatte Umfangreiche Teile des Urkundentextes hatte Wilkens von der Grundungsurkunde des Stifts Essen ubernommen die bereits veroffentlicht worden war und die auf 870 datiert ist Als Vorlage fur die Falschung einer Urkunde des 9 Jahrhunderts war sie allerdings nicht geeignet da diese Urkunde was Wilkens nicht wissen konnte selbst eine Falschung des 12 Jahrhunderts ist Eine weitere Quelle welche die Invokationsformel beisteuerte fand Wilkens in einer echten Munsteraner Urkunde fur das Kloster Werden Wo diese Ubernahmen angepasst werden mussten machte Wilkens Fehler Die von ihm gewahlte Schreibung des Ortsnamens Munsters Mimigafordiensis ist viel zu modern fur eine Urkunde des 9 Jahrhunderts 4 Da Wilkens Latein nicht das beste war kurzte er zudem beim Anpassen des Essener Urkundentextes fur seine Falschung Satze sinnentstellend ab wahrend dort wo Wilkens einen eigenen Text schreiben musste sein Latein laut Prinz erbarmlich ist 5 Weitere Fehler Wilkens waren die Namensformen die samtlich fehlerhaft sind nbsp Zu Wilkens Pech gab es die Uberwasserkirche zur Zeit Bischof Gerfrieds noch nichtGenauso stumperhaft wie die textliche Gestalt der Urkunde war ihr Inhalt der zusammengefasst lautet dass Gerfried aus Dank fur die Gaben Gottes die er empfangen hatte den Plan gefasst und umgesetzt hatte aus der von Liudger gegrundeten Kirche in der Grafschaft des Roibert in Nottuln genau bezeichnete Reliquien in die Kirche St Maria jenseits des Wassers zu ubertragen Dabei unterliefen Wilkens zahlreiche Fehler Die Ortsangabe in der Grafschaft xx kam erst spater auf dafur fehlt in der Datierung die nur das Inkarnationsjahr angibt die im 9 Jahrhundert ubliche Angabe des Regierungsjahrs des Herrschers Die Empfangerbezeichnung capella ecclesiae beatae Mariae virginis trans aquas ist gleich doppelt fehlerhaft capella war das vollig falsche Wort da capellae im 9 Jahrhundert nur auf koniglichem Fiskalgut existierten Zudem tauchte der Zusatz trans aquam fur die Uberwasserkirche die vermutlich im 9 Jahrhundert noch nicht bestand nachgewiesen ist sie ab ca 1040 erst im 12 Jahrhundert auf Fehlerhaft ist auch die Grundung Nottulns durch Liudger von der die zeitgenossischen Liudger Viten nichts wissen Demzufolge ist auch das Grundungsdatum des Klosters Nottuln in der Urkunde falsch und sogar Heriburg als Abtissin ist eine Erfindung Wilkens Nach den Liudgerus Viten war sie Sanctimoniale hatte also ihr Leben in den Dienst der Kirche gestellt eine Abtissinnenposition wird jedoch nicht erwahnt obwohl ein solches Amt von den Vitenverfassern mit Sicherheit erwahnt worden ware Die Forschung nimmt an sie habe das Leben einer frommen Einsiedlerin gefuhrt 6 Alles in allem war Wilkens Falschung tatsachlich plump und nur aus seinem Bestreben Anerkennung zu erlangen zu erklaren 7 Sie war nur ein Teil seines Versuchs dem Stift Nottuln eine langere Geschichte zu geben Die Urkunde der Kaisertochter Sophie BearbeitenWilkens war jedoch nicht nur ein unbegabter Falscher sondern auch ein phantasiereicher Interpret echter Urkunden Vermutlich im Archiv des Nottulner Hospitals fand Wilkens einen Akteneinband aus Pergamentbogen Diese Pergamentbogen entstammten einem zu Pergamentmakulatur zerlegten Boethius Codex der im Skriptorium des Stifts Essen geschrieben worden war 8 Einer dieser Aktendeckel war das Schlussblatt des Kodex auf dem 17 Zeilen frei geblieben waren die von Essener Schreibern fur Federproben oft mit dem Wort probatio und Abwandlungen wie proba genutzt worden waren Da noch Platz war auf dem Blatt hatte ein unbekannter Essener Schreiber dort eine Urkunde der Essener Abtissin Sophia einkopiert in der ein Freier namens Balderich sein Erbgut und sich selbst mit seiner Familie als Horige dem Stift ubereignete Die Urkunde wenn auch nur als Abschrift erhalten ist echt 9 vermutlich kam das Blatt mit der Abschrift bereits als Aktendeckel zu einer Zeit nach Nottuln in der die beiden Stifte in Personalunion verbunden waren 10 Wilkens bezog diese Urkunde neu auf seine erfundene Geschichte des Stifts Nottuln indem er Sophia ohne jeden Beleg auch zur Nottulner Abtissin erklarte Der ansonsten unbelegte Balderich wurde zu einem Nachfahren der Liudgeriden und Verwandten Bischof Gerfrieds der sich seine unbenannte Gattin und seine benannten Sohne in den Dienst des Stifts Nottuln gestellt habe Wilkens erweiterte die Schenkung Balderichs noch um zwei Tochter namens Probatia und Proba deren Namen er aus den Federproben auf dem Pergament erschloss Hinweise aus der Lokalgeschichte BearbeitenBesondere poetische Leistungen lieferte Albert Wilkens in Gedichten und kleinen Epen die sich um einen Lustgarten das Bagno rankten den der Nottulner Dechant Vehoff in einem Bruch Tal nahe dem Dorfe angelegt hatte Moglicherweise liegt in diesem wildromantischen Garten die wesentliche Quelle der Wilkens schen Innovationen Hier verortete er ganz nebenbei auch noch die Varusschlacht Nicht unwahrscheinlich ist dass Wilkens zum wesentlichen Teil seiner Erfindungen und poetischen Ergusse im Freundeskreis der Kleriker und Stiftdamen des ehemaligen Damen Stiftes Nottuln inspiriert wurde Ubrigens war Wilkens und diese Umstande waren Prinz bei der Veroffentlichung seines Aufsatzes 1962 nicht bewusst in der Szene der fruhen Geschichtsfreunde Westfalens nicht nur negativ diskutiert Er hatte Kontakt zu fruhen Historikern wie Bernhard Sokeland und Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein kannte unter anderem August Heinrich Hoffmann von Fallersleben und zahlte zur kleinen Schar der Begrunder des noch heute bestehenden Vereins zur Geschichte und Altertumskunde Westfalens Die Wilkens sche Sammlung im Staatsarchiv Munster ist fur die Ortsgeschichte von Nottuln von erheblicher Bedeutung da der fleissige Kaplan eine Fulle von Unterlagen speziell des 18 Jahrhunderts sammelte ohne allerdings die Provenienzen anzugeben Ohne seine Sammelwut waren sie gewiss vernichtet worden Seine Exekutoren haben die Unterlagen eigene Schriften Abschriften und Originale bald nach seinem Tode dem Archiv in Munster anvertraut In den Sammelbanden stecken weitgehend ungeordnet und ungehoben zahlreiche Quellen zur Wirtschaftsgeschichte Wilkens eigene Werke Abhandlungen und Kollektaneen bringen immerhin zahlreiche Informationen die die lokale Geschichtsforschung gut verwenden kann da sie aus anderen Quellen bestatigt werden Allerdings ist Wilkens Handschrift ein Problem Maschinen Abschriften seiner wichtigsten Arbeiten liegen aber im Staatsarchiv wie auch im Bistumsarchiv Munster vor Seine gedruckte Schrift uber die St Antoni Bruderschaft Nottuln ist eine wertvolle volkskundliche Quelle Ein objektives Urteil uber Albert Wilkens fallt schwer denn man muss neben seinen uber fast 140 Jahre selbst von den besten Historikern Westfalens geglaubten und immer wieder vorgetragenen Falschungen seine sonstigen Arbeiten seine Lebensumstande und seinen Bildungshintergrund sehen Als er im Zeitalter der Romantik lebte und schrieb war die Geschichte als Wissenschaft noch nicht weit verbreitet Literatur BearbeitenKatrinette Bodarwe Sophia von Essen und die Urkunde von Nottuln In Das Munster am Hellweg Mitteilungsblatt des Vereins fur die Erhaltung des Essener Munsters 56 2003 ZDB ID 400327 5 S 29 39 Joseph Prinz Die Urkunde Bischof Gerfrieds von Munster von 834 eine Falschung des Albert Wilkens In Westfalische Zeitschrift 112 1962 ISSN 0083 9043 S 1 51 PDF Hans Peter Boer Dechant Johann Bernhard Vehoff Kaplan Albert Wilkens und das Bagno zu Nottuln Eine vergessene Gartenanlage des 18 19 Jahrhunderts und ihre Bedeutung fur die fruhe Landeskunde Westfalens In Geschichtsblatter des Kreises Coesfeld 10 1985 ISSN 0723 2098 S 113 152 Heinrich Donner Beitrage zur Geschichte des adeligen Damenstiftes zu Nottuln Phil Diss Masch Munster 1936 Weblinks BearbeitenAlbert Wilkens im Lexikon Westfalischer Autorinnen und AutorenEinzelnachweise Bearbeiten a b Joseph Prinz Die Urkunde Bischof Gerfrieds von Munster von 834 eine Falschung des Albert Wilkens In Westfalische Zeitschrift 112 1962 S 3 vgl Prinz 1962 S 12 vgl Prinz 1962 S 14 vgl Prinz 1962 S 27ff vgl Prinz 1962 S 31 vgl Prinz 1962 S 43 vgl Bodarwe 2003 S 38 vgl Prinz 1962 S 44 passim vgl Bodarwe 2003 S 34 Katrinette Bodarwe Sophia von Essen und die Urkunde von Nottuln In Munster am Hellweg Mitteilungsblatt des Vereins fur die Erhaltung des Essener Munsters Essen 2003 S 35f vgl Bodarwe 2003 S 31 passim vgl Bodarwe 2003 S 36 nbsp Dieser Artikel wurde am 28 Februar 2007 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Normdaten Person GND 117384658 lobid OGND AKS VIAF 69706384 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Wilkens AlbertKURZBESCHREIBUNG deutscher Heimatforscher und GeschichtsfalscherGEBURTSDATUM 8 Juli 1790GEBURTSORT DorpenSTERBEDATUM 1 Juni 1828STERBEORT Nottuln Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Albert Wilkens amp oldid 236148215