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Agathe Saulmann geboren am 8 Februar 1898 in Berlin als Ida Agathe Breslauer gestorben am 18 Juni 1951 in Baden Baden und Ernst Saulmann geboren am 26 Mai 1881 gestorben im April 1946 in Paris waren ein deutsch judisches Sammlerpaar Sie wurden zur Zeit des Nationalsozialismus Opfer von Verfolgung und NS Raubkunst Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Bis zur nationalsozialistischen Machtergreifung 1 2 Flucht und Enteignung 2 Restitution 3 Dokumentarfilm 4 Weblinks 5 Literatur 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenBis zur nationalsozialistischen Machtergreifung Bearbeiten Ida Agathe Breslauer wurde als alteste Tochter des Architekten Alfred Breslauer in Berlin geboren Ihre Schwester war die Fotografin Marianne Breslauer Uber ihre Schul und Ausbildung ist nichts bekannt Als Siebzehnjahrige ehelichte sie den Amsterdamer Altphilologen Hendrik Jan de Marez Oyens in Berlin Dahlem Ihre Tochter Alma Carolina Frederica genannt Nina kam 1916 in Den Haag zur Welt Sie trennte sich bald von de Marez Oyen begann in Berlin zu arbeiten und zog allein ihre Tochter auf 1926 heiratete sie den Textilkaufmann und Fabrikanten Ernst Saulmann und ging mit ihm nach Baden Wurttemberg Die zehnjahrige Nina de Marez Oyens wuchs teilweise bei ihrem Vater in den Niederlanden auf Marianne Breslauer schrieb in ihrer Autobiografie Bilder meines Lebens uber Saulmann er sei ein ausserordentlich kultivierter erfolgreicher Mann gewesen der auch viel Sinn fur Witz und Komik besass Ihre Schwester charakterisierte sie als hochoriginelles und apartes Wesen 1 nbsp Agathe Saulmann mit ihrem Flugzeug am Erlenhof um 1930Ernst Saulmann leitete als geschaftsfuhrender Gesellschafter die Mechanische Baumwollweberei Eningen die sein Vater Franz Saulmann mit Richard Einstein und Otto Massenbach 1895 als GmbH gegrundet hatte und die bis in die Dreissiger Jahre die Existenzgrundlage fur einen Grossteil der Arbeiterfamilien in der Gemeinde Eningen unter Achalm war 2 1927 erwarben Agathe und Ernst Saulmann von Louis Laiblin das von dem Architekten Theodor Fischer 1904 entworfene und erbaute Landgut Erlenhof am Stadtrand von Pfullingen das zuvor als Kunstlerkolonie gedient hatte Sie statteten es nach und nach mit spatgotischen Skulpturen Renaissance Gemalden Mobeln des 18 Jahrhunderts historischen Majolika Gefassen und anderen kunsthandwerklichen Stucken aus 3 Agathe Saulmann war eine der wenigen Pilotinnen in der Weimarer Republik Sie besass ein Klemm Leichtflugzeug und machte 1931 ihren Sportflugschein Neben ihrem Wohnhaus liess sie einen privaten Start und Landeplatz anlegen Fliegen galt als extravagantes Hobby fur eine Frau und in der landlichen Umgebung fiel sie auch mit ihrer Erscheinung auf sie trug gern Hosen und rauchte Pfeife Fur 1932 plante sie einen Flug nach Konstantinopel ein Flugzeugschaden vereitelte ihr Vorhaben 4 Anfang der Dreissiger Jahre geriet Saulmanns Unternehmen aufgrund der Rezession infolge der Weltwirtschaftskrise in eine Schieflage Flucht und Enteignung Bearbeiten Nach dem Erlass der Nurnberger Rassengesetze vom September 1935 die alle Juden in Deutschland entrechteten und diskriminierten hielt der Kreisleiter der NSDAP von Reutlingen Otto Sponer eine Hetzrede zur Judenfrage und nutzte die wirtschaftliche Krise um die Beschaftigten der Baumwollweberei gegen den Fabrikanten aufzuwiegeln Als Saulmann Schutzhaft angedroht wurde flohen Agathe und Ernst Saulmann am 28 Dezember 1935 nach Florenz wo sie einen Zweitwohnsitz besassen Wenige Tage vor ihrer Flucht schrieb Agathe Saulmann an den Munchner Kunsthandler Julius Harry Bohler von dem das Paar viele Objekte erworben hatte Wir sind zur Zeit dabei unsere Fabrik zu verkaufen und unseren Haushalt aufzulosen Wurden Sie sich eventuell fur den Verkauf unserer Sammlung interessieren 1 Bohler schlug 1936 fur die Versteigerung das Munchner Auktionshaus Adolf Weinmuller vor Er verschwieg dabei dass er selbst ab 1 Februar 1936 zu 50 Prozent stiller Gesellschafter bei Weinmuller war 1 Der Auktionserlos der Sammlung erbrachte 40 000 Reichsmark was unter dem eigentlichen Wert lag Da das Reutlinger Finanzamt eine Reichsfluchtsteuer in Hohe von 139 365 Reichsmark festgelegt hatte mussten die Saulmanns den Erlos vollstandig abtreten 1 Saulmanns Unternehmen wurde am 11 Marz 1937 zwangsversteigert und arisiert ebenso das Anwesen und der private Landbesitz des Paares 5 Kaufer der Baumwollweberei war Josef Leger zuvor technischer Betriebsleiter bei Saulmann Agathe Saulmanns Flugzeug war bereits 1933 konfisziert worden Es folgte die Ausburgerung 6 Im italienischen Faschismus schurten verschiedene Presseorgane wie das antisemitische Journal La difesa della razza ab 1936 eine antijudische Stimmung Ab September 1938 entliess die Regierung unter Mussolini eine Reihe von Rassengesetzen Agathe und Ernst Saulmann flohen 1937 oder 1938 nach Nizza in Sudfrankreich Wahrend des Zweiten Weltkriegs wurden sie vom Vichy Regime im Camp de Gurs in den Pyrenaen interniert Vor der drohenden Deportation in ein Vernichtungslager gelang es ihnen aus dem Lager zu entkommen Die Umstande sind nicht bekannt ebenso nicht wo sie sich verstecken konnten Nach der Befreiung kamen sie nach Paris wo Ernst Saulmann im April 1946 an Entkraftung in Folge der Lagerhaft starb Agathe Saulmann erhielt die franzosische Staatsburgerschaft Nach dem Bericht von Felix de Marez Oyens uberlebte ihre Tochter Nina in der Schweiz wohin ihr Vater sie gebracht hatte als die Wehrmacht 1940 die Niederlande besetzte 7 Restitution BearbeitenAgathe Saulmann reichte am 15 Mai 1948 Klage bei der Restitutionskammer des Landgerichts Tubingen ein und forderte die Ruckerstattung ihres Besitzes Sie erreichte die Ruckgabe des Landguts Erlenhof und kehrte im Sommer 1949 dorthin zuruck Das gesamte Inventar war jedoch verschwunden Die Tubinger Restitutionskammer erklarte am 9 Marz 1950 die 1937 geschlossenen Verkaufsvertrage zwischen dem Liquidator von Saulmanns Baumwollweberei und dem Kaufer fur nichtig und forderte die Herausgabe des Unternehmens samt Immobilien Der Prozess sorgte weit uber Wurttemberg hinaus fur Aufsehen 8 In einem Revisionsverfahren verzichtete Agathe Saulmann gegen eine Abfindung von 100 000 D Mark auf ihre Firmenanteile und zog nach Baden Baden 1 Am 18 Juni 1951 nahm sie sich das Leben 9 nbsp Drei Engel mit dem Christuskind Holzrelief 25 5 30 cm aus der Sammlung SaulmannAgathe Saulmanns Tochter Nina de Marez Oyens nahm die Restitutionsklagen ihrer Mutter auf und forschte bis in die Sechzigerjahre nach der Kunstsammlung Auf ihre Anfrage von 1962 im Auktionshaus von Rudolf Neumeister der Weinmullers Auktionshaus Ende der Funfziger erworben hatte wurde ihr mitgeteilt dass samtliche Unterlagen im Krieg verbrannt seien Im Marz 2013 fand Katrin Stoll Tochter und Nachfolgerin Neumeisters im Keller die Auktionskataloge von Weinmuller aus der NS Zeit mit allen Eintragen des Versteigerers Sie ubergab sie zur Aufarbeitung an das Zentralinstitut fur Kunstgeschichte in Munchen Nun konnten durch die Abbildungen einiger Objekte im Weinmuller Katalog von 1936 Kunstwerke identifiziert und gefunden werden die eindeutig aus dem Erlenhof stammten die frankische Alabasterskulptur einer Mutter Gottes in der Liebieghaus Skulpturensammlung 10 das Relief aus Lindenholz Drei Engel mit dem Christuskind um 1430 40 im Umkreis des Ulmer Maler Bildhauers Hans Multscher entstanden im Bode Museum 11 und eine Renaissancetruhe im Landesmuseum Munster 12 Nach der Restitution an die Erbengemeinschaft kauften die Museen die Werke dauerhaft zuruck 1 Der Verbleib des grossten Teils der Sammlung von Agathe und Ernst Saulmann darunter auch Kunst aus ihrer Villa in Florenz ist jedoch unbekannt Laut Tagesspiegel wurden nicht einmal ein Dutzend der 200 Kunstwerke der Sammlung Saulmann restituiert 13 Dokumentarfilm BearbeitenGeraubte Kunst Judische Sammlungen im Nationalsozialismus Von Felix von Boehm und Constantin Lieb 3sat ZDF 14 Dezember 2019 Video bis 13 Dezember 2024 verfugbar Weblinks BearbeitenSaulmann Agathe und Ernst Datenbank Provenzientforschung Proveana deLiteratur BearbeitenFelix von Boehm NS Raubkunst Letzter Flug aus Pfullingen Die Zeit 9 November 2019 Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e f Felix von Boehm NS Raubkunst Letzter Flug aus Pfullingen Zeit Online 9 November 2019 Joachim Hahn Erinnerungen und Zeugnisse judischer Geschichte in Baden Wurttemberg Theiss Verlag Stuttgart 1988 ISBN 978 3 8062 0566 4 S 453 Sebastian Preuss Die Beraubung eines judischen Sammlerpaares In Weltkunst 11 Dezember 2019 Evelyn Zegenhagen Schneidige deutsche Madel Fliegerinnen zwischen 1918 und 1945 Wallstein Verlag Gottingen 2007 ISBN 978 3 8353 0179 5 S 209 Ursula Krause Schmitt Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Statten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 1945 Teil II Band 5 Baden Wurttemberg VAS Verlag Frankfurt am Main 1997 ISBN 978 3 88864 223 4 S 244 Evelyn Zegenhagen Schneidige deutsche Madel Fliegerinnen zwischen 1918 und 1945 Wallstein Verlag Gottingen 2007 ISBN 978 3 8353 0179 5 S 309 Fn57 Gesine Bahr Vertrieben enteignet interniert Der Saulmann Erbe im Interview Stiftung Preussischer Kulturbesitz 25 Juni 2018 Magdalena Kablaoui Mit Flugzeug notgelandet Das Schicksal des judischen Fabrikatenehepaars Ernst und Agathe Saulmann In Reutlinger General Anzeiger 20 Januar 2011 Ralf Hanselle Das Schweigen der Engel Im Dossier Zuruckgeben der Stiftung Preussischer Kulturbesitz 21 November 2018 Ira Mazzoni Der gestohlene Christus Suddeutsche Zeitung 7 Juni 2017 Julien Chapuis Himmlische Heerscharen Stiftung Preussischer Kulturbesitz Renaissance Truhe aus der Sammlung Saulmann LWL Museum fur Kunst und Kultur Munster Thomas Gehringer TV Doku Geraubte Kunst Vom Versuch Ungerechtigkeit wiedergutzumachen Tagesspiegel 13 Dezember 2019 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Agathe und Ernst Saulmann amp oldid 238124135