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Cumarine ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel Zum Pflanzenrohstoff siehe Cumarin 4 Hydroxycumarine Vitamin K Antagonisten verkurzt auch Cumarine oder Cumarinderivate werden in der Medizin vom 4 Hydroxycumarin abgeleitete Substanzen mit blutgerinnungshemmender Wirkung genannt 1 Ihre Wirkung beruht auf einer Hemmung des fur die Bildung von Blutgerinnungsfaktoren wichtigen Vitamin K Stoffwechsels In der Medizin werden Cumarine als blutgerinnungshemmende Arzneistoffe eingesetzt Antikoagulanzien Daruber hinaus werden Cumarine auch als Rodentizide insbesondere zur Rattenbekampfung genutzt Strukturformel von Phenprocoumon dem therapeutisch in Deutschland am haufigsten genutzten Cumarin Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Chemie 3 Wirkung 4 Therapieuberwachung 5 Indikation 6 Nebenwirkungen und Anwendungsbeschrankungen 7 Wechselwirkungen 8 Praparate 9 Antidot 10 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten nbsp Weisser SteinkleeDie wissenschaftliche Entwicklung der Cumarine begann mit der Entdeckung des Dicoumarol in Steinklee haltigem Heu durch Karl Paul Link und Mitarbeiter im Jahr 1940 2 Die Bildung von Dicoumarol in Heu und Silage aus den enthaltenen cumarinhaltigen Weidepflanzen kann bei einer fehlerhaften Herstellung oder Lagerung unter Pilzbefall erfolgen 3 Die Verfutterung dicoumarolhaltiger Futtermittel kann bei Weidevieh infolge der Blutgerinnungshemmung zu inneren Verblutungen fuhren Sweet Clover Disease Basierend auf dieser Erkenntnis wurde diese neue Substanz 1941 erstmals klinisch als Antikoagulans erprobt In den 1940er Jahren wurden Derivate des Dicoumarols insbesondere von der Arbeitsgruppe von Karl P Link entwickelt Wahrend Link diese Substanzen fur zu toxisch und daher nicht fur vermarktbar hielt glaubte sein Mitarbeiter Mark A Stahmann an eine Nutzung und meldete mit Hilfe der Wisconsin Alumni Research Foundation WARF die nach ihr benannte Substanz Warfarin zum Patent an 4 1948 erfolgte die Markteinfuhrung von Warfarin zunachst als Rodentizid Nachdem 1951 ein Mitglied der US Navy erfolglos versucht hatte sich mit Warfarin das Leben zu nehmen und dank der Gabe von Vitamin K als Antidot gerettet werden konnte wurde auch das therapeutische Potenzial des jetzt als sicher erachteten Warfarins untersucht 5 1954 wurde Warfarin zur medizinischen Verwendung zugelassen Kurz zuvor wurden bereits die Cumarine Tromexan und Phenprocoumon als Antikoagulantien eingefuhrt Bekanntheit erlangten die Antikoagulantien vom Dicoumarol Typ im Jahr 1955 als der damalige Prasident der Vereinigten Staaten Dwight D Eisenhower nach einem Herzinfarkt mit ihnen behandelt wurde 4 Chemie BearbeitenDie in der Medizin und in der Schadlingsbekampfung verwendeten Cumarine leiten sich strukturell vom 4 Position hydroxylierten Cumarin ab nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp Cumarin 4 Hydroxycumarin Dicoumarol Phenprocoumon Antikoagulanz Warfarin Antikoagulanz nbsp nbsp nbsp nbsp Acenocoumarol Antikoagulanz Coumatetralyl Rodentizid Brodifacoum Rodentizid Bromadiolon Rodentizid Wirkung BearbeitenBei der Anwendung als Medikament und als Rodentizid wird folgende Wirkung der Cumarine ausgenutzt Die Faktoren der plasmatischen Blutgerinnung mussen in der Leber modifiziert werden Dabei wird die Aminosaure Glutamat am g C Atom carboxyliert damit die Faktoren mittels Calcium Ionen an die Thrombozytenoberflache binden und somit ihre maximale Wirkung entfalten konnen Die Reaktion wird von der g Glutamylcarboxylase katalysiert und benotigt Vitamin K in seiner biologisch aktiven Form dem Vitamin K Hydrochinon als Kosubstrat Das Vitamin K Hydrochinon geht als Vitamin K Epoxid aus der Reaktion hervor Um fur weitere Carboxylierungen zur Verfugung zu stehen wird das Vitamin K Epoxid durch das Enzym Vitamin K Oxidoreduktase uber das Zwischenprodukt Vitamin K Chinon zum Vitamin K Hydrochinon reduziert Cumarine besitzen eine Strukturahnlichkeit zu Vitamin K und inhibieren beide Teilreaktionen kompetitiv Cumarinderivate vermindern die Bildung der Gerinnungsfaktoren also dadurch dass sie die Regeneration des Vitamin K in seine biologisch aktive Form hemmen Die Wirkung tritt erst ein nachdem die Gerinnungsfaktoren die zum Zeitpunkt der Gabe des Cumarinderivats im Blut zirkulierten teilweise verbraucht sind Dies ist erst nach etwa sechs Stunden der Fall Das Wirkmaximum wird nach 36 48 Stunden erreicht Therapieuberwachung BearbeitenDie Wirkung wird bisher noch haufig anhand des Quick Wertes kontrolliert Da die Quick Werte verschiedener Laboratorien Reagentien voneinander abweichen wird zur besseren Vergleichbarkeit vermehrt die INR englisch international normalized ratio angegeben Zur Vermeidung von schwerwiegenden Nebenwirkungen ist neben der zuverlassigen Einnahme der Medikamente die regelmassige Kontrolle dieses Wertes erforderlich Dies kann bei chronisch Kranken mit Hilfe von tragbaren Testgeraten auch zu Hause im Rahmen des Gerinnungsselbstmanagements geschehen was eine erhohte Lebensqualitat der Betroffenen bedeuten kann dichtere Kontrollen grossere Mobilitat Patienten denen Phenprocoumon verabreicht wird erhalten einen Pass zum Mitfuhren damit im Notfall die eingeschrankte Gerinnungssituation erkennbar ist selbst wenn der Patient nicht ansprechbar sein sollte In einem solchen Pass muss nach jeder Blutkontrolle der aktuelle Quick Wert oder INR Wert eingetragen werden auch die aktuelle verordnete Dosierung sollte stets auf dem aktuellen Stand sein Ebenso ist in diesem Pass ein Ziel Quick oder Ziel INR vermerkt auf den der Patient eingestellt ist Indikation BearbeitenDie Therapie mit Cumarinen ist bei Patienten notwendig bei denen ein hohes Risiko fur das Eintreten einer Thrombose besteht Dies kann beispielsweise der Fall sein nach Implantation kunstlicher Herzklappen nach einer bereits aufgetretenen Thrombose zur Rezidivprophylaxe bei Vorhofflimmern bei Herzerkrankungen mit erweiterter Herzkammer und schlechter Pumpfunktion nach Implantation kunstlicher Gefassprothesen nach einem Herzinfarkt Nebenwirkungen und Anwendungsbeschrankungen BearbeitenDie Nebenwirkungen der Cumarine ergeben sich aus ihrer Hauptwirkung Da unter Cumarin Therapie die Blutgerinnung vermindert wird treten vermehrt Blutungen auf Dies kann sich beispielsweise aussern in vermehrter Neigung zu blauen Flecken vermehrtem Zahnfleischbluten Blutungen im Magen Darm Trakt Blutungen durch die Haut Blut im Urin Schlaganfallen durch Hirnblutung Bei Bestehen einer Schwangerschaft ist die Anwendung von Cumarinen wegen der fruchtschadigenden Wirkung kontraindiziert Ruckenmarksnahe Regionalanasthesie Verfahren Spinalanasthesie bzw Periduralanasthesie sollten erst durchgefuhrt werden wenn der INR als Mass fur die Blutgerinnungszeit nach Absetzen der Cumaringabe unter 1 4 abgesunken ist 6 7 Wechselwirkungen BearbeitenCumarine zeigen eine starke Plasmaproteinbindung Werden nun Substanzen eingenommen die ihrerseits eine hohere Plasmaproteinbindungskapazitat als Cumarine haben so kommt es zu einer plotzlichen Freisetzung der gebundenen Cumarine mit deutlichem Wirkungsanstieg Dies konnte fruher insbesondere bei gleichzeitiger Gabe von Sulfonylharnstoffen der ersten Generation z B Tolbutamid und Warfarin oder Phenprocoumon beobachtet werden Neuere Sulfonylharnstoffe zeigen diese Interaktion nicht mehr Cumarine werden uberwiegend in der Leber uber Cytochrom P450 3A4 und Cytochrom P450 2C9 abgebaut Hemmstoffe dieser Enzymsysteme fuhren zu einem verlangsamten Abbau von Cumarinen und zu einer Anreicherung nach wiederholter Einnahme verbunden mit einer erhohten Blutungsgefahr Dieses Risiko besteht nicht nur bei der gleichzeitigen Einnahme von Cumarinen mit CYP 3A4 oder CYP 2C9 hemmenden Arzneistoffen sondern auch mit einigen Lebensmitteln So warnte das Bundesinstitut fur Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM Patienten die Cumarine einnehmen vor moglichen Blutungskomplikationen wegen erhohter Cumarinplasmaspiegeln aufgrund einer CYP C29 Hemmung nach dem Konsum von Chinesischen Wolfsbeeren Gemeiner Bocksdorn 8 Auch die Kombination mit Thrombozytenaggregationshemmern wie Acetylsalicylsaure verstarken die Blutungsgefahr Des Weiteren steigt das Blutungsrisiko auch bei gleichzeitiger Anwendung von Cephalosporine aber auch SNRI und SSRI Beide zuletzt genannten auch uber die Hemmwirkung auf die Thrombozytenaggregation durch Verarmung der Blutplattchen an Serotonin 9 Praparate BearbeitenBekannte Cumarine sind Phenprocoumon Produktnamen Marcumar Falithrom Warfarin Produktnamen Coumadin Marevan Acenocumarol Produktnamen Sintrom Antidot BearbeitenBei Vergiftungen mit Cumarinen muss unverzuglich hoch dosiertes Vitamin K als Antidot gegeben werden um die fehlende Vitamin K Regeneration zu kompensieren Auch hier besteht eine Verzogerung in der Wirkung da die fehlenden Gerinnungsfaktoren erst nach und nach durch die Leber ersetzt werden konnen Insbesondere bei Vergiftungen durch Brodifacoum Difenacoum Bromadiolon Difethialon oder Flocoumafen Rodentizide ist eine Langzeittherapie mit Vitamin K erforderlich Im Notfall konnen die fehlenden Gerinnungsfaktoren direkt ersetzt werden Einzelnachweise Bearbeiten Pschyrembel Klinisches Worterbuch Band 258 de Gruyter 1998 ISBN 3 11 014824 2 S 312 MA Stahmann CF Hubner KP Link Studies on the hemorrhagic sweet clover disease identification and synthesis of the hemorrhagic agent In J Biol Chem Band 138 Nr 2 1941 S 513 527 Online PDF A Bye H K King The biosynthesis of 4 hydroxycoumarin and dicoumarol by Aspergillus fumigatus Fresenius In Biochemical Journal Band 117 1970 S 237 245 a b Nicole Kresge Robert D Simoni Robert L Hill Hemorrhagic Sweet Clover Disease Dicumarol and Warfarin the Work of Karl Paul Link In J Biol Chem Band 280 2005 S e5 Online PDF KP Link The Discovery of Dicumarol and Its Sequels In Circulation Band 19 1959 S 97 107 doi 10 1161 01 CIR 19 1 97 Wiebke Gogarten Hugo Van Aken Perioperative Thromboseprophylaxe Thrombozytenaggregationshemmer Bedeutung fur die Anasthesie In AINS Anasthesiologie Intensivmedizin Notfallmedizin Schmerztherapie 47 2012 S 242 252 doi 10 1055 s 0032 1310414 S A Kozek Langenecker D Fries M Gutl N Hofmann P Innerhofer W Kneifl L Neuner P Perger T Pernerstorfer G Pfanner et al Lokoregionalanasthesien unter gerinnungshemmender Medikation Empfehlungen der Arbeitsgruppe Perioperative Gerinnung AGPG der Osterreichischen Gesellschaft fur Anasthesiologie und Intensivmedizin OGARI In Der Anasthesist Volume 54 Number 5 2005 S 476 484 doi 10 1007 s00101 005 0827 0 I Flugge Mogliche Interaktion zwischen Vitamin K Antagonisten und der Goji Beere Risiko von INR Erhohung und schweren Blutungsereignissen PDF In Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 2013 archiviert vom Original am 5 Dezember 2013 abgerufen am 16 November 2022 P Schweikert Wehner DOAK Update Interaktionen In Pharmazeutische Zeitung Band 162 Nr 38 20 September 2017 S 92 Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt Bitte hierzu den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten Abgerufen 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