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Kurt Werner Tutter 4 Dezember 1909 1 in Prag Smichov 9 Marz 1983 in Kotzting war ein deutscher Kriegsverbrecher im Zweiten Weltkrieg und wahrend des Kalten Krieges als Agent der Staatssicherheit der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik CSSR tatig Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Wirken 1 1 Erste Republik 1 2 Zeit des Nationalsozialismus und Kriegsverbrechen 1 3 Nachkriegszeit Verurteilung als Kollaborateur und Agententatigkeit fur den Staatssicherheitsdienst der CSSR 1 4 Deckung durch CSSR Behorden und spate Entlarvung als Kriegsverbrecher und Agent 2 Literaturverweise 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseLeben und Wirken BearbeitenErste Republik Bearbeiten Tutter wurde im Prager Stadtteil Smichov als Sohn der aus Wenkerschlag in Sudbohmen stammenden Konrad Tutter und Meta geborene Meissner geboren Er absolvierte ein Ingenieurstudium und beherrschte acht Sprachen Verheiratet war er mit Ilse geborene Lugner mit der er zwei Sohne und eine Tochter hatte Wahrend der Ersten Republik engagierte sich der als technischer Beamter tatige Tutter zunehmend politisch in deutschnationalistischen Kreisen Seit 1934 war er als Mitglied der Sudetendeutschen Heimatfront polizeibekannt 1935 entstand daraus die Sudetendeutsche Partei SdP Tutter fungierte als Vorsitzender des Kreisverbandes Prag und war zudem Werbeleiter und Pressewart der SdP Er hielt Vortrage auf Parteiveranstaltungen veranstaltete Redefernkurse und fungierte als Redakteur der Blatter Der Ruf und Nachrichtenblatt der Sudetendeutschen Heimatfront Bei der von Tutter geleiteten Monatsversammlung des Prager SdP Kreisverbands unter dem Motto Der Kampf um das Recht und die Ehre des deutschen Arbeiters sowie Mitteilungen der Organisation hielt am 25 November 1936 im Deutschen Haus in Prag der Abgeordnete Georg Wollner vor ca 800 Teilnehmern eine Hetzrede gegen den tschechoslowakischen Staat so dass die Versammlung durch die Polizei aufgelost wurde In der Kommunalwahl am 22 Mai 1938 wurde Tutter als SdP Kandidat zusammen mit Josef Pfitzner und Fritz Pawellek in den Prager Stadtrat gewahlt Zeit des Nationalsozialismus und Kriegsverbrechen Bearbeiten Nach dem Munchner Abkommen ubersiedelte Tutter mit seiner Familie im November 1938 nach Reichenberg wo er einen Posten als Referent am Reichsamt fur Propaganda erhielt Tatsachlich war er dort jedoch fur die Abwehr tatig Im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall musste Tutter 1939 das Sudetenland verlassen und kehrte nach Prag zuruck wo er als Dolmetscher und Organisator von Konferenzen wirkte Nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges war Tutter als Berichterstatter fur die Abwehr in Italien Jugoslawien Bulgarien Rumanien und der Turkei unterwegs Nach der Einberufung an die Front wurde er im Kaukasus verletzt Ab Januar 1943 wirkte Tutter in der zur II Abteilung der Abwehr gehorigen Division Brandenburg Im Zuge der Reorganisation der Abwehr durch Otto Skorzeny wurde Tutter 1944 Angehoriger der aus der Division Brandenburg gebildeten SS Einheit Sudost Zu dieser gehorte das in Baden bei Wien zur Partisanenbekampfung im Protektorat Bohmen und Mahren und der Slowakei unter dem Befehl von SS Obersturmfuhrer Walter Pawlofski aus Deutschbohmen Deutschslowaken Hlinka Gardisten und Angehorigen der Hlinka Jugend gebildete SS Einsatzkommando Josef Nach der Verlegung des SS Einsatzkommandos in die Slowakei und Errichtung einer Ausbildungsstatte in Sekule fur Nahkampf Notwehr Vernichtung von Gebauden und Brucken sowie Attentatsvorbereitung wurde SS Oberscharfuhrer Tutter zu dessen stellvertretenden Kommandeur ernannt Im praktischen Teil der Ausbildung sind dabei mindestens 44 Morde in der Slowakei erfolgt Die Ausbildungsstatte Sekule wurde im Fruhjahr 1945 aufgelost und Teilnehmer in Gruppen aufgeteilt Tutter erhielt das Kommando uber eine Gruppe mit dem Einsatzgebiet in Mahren die uber Trest Valasske Mezirici nach Vizovice zog um in der Walachei im Rahmen der Operation Auerhahn zusammen mit der Gestapo und regularen SS Divisionen gegen die zunehmenden Aktionen der 1 tschechoslowakischen Partisanenbrigade Jan Zizka vorzugehen Am Abend des 18 April 1945 verlas Tutter den Einsatzbefehl fur den nachsten Tag zur Gefangennahme von Partisanen und ihrer Helfer in Plostina In den Mittagsstunden des 19 April 1945 erreichte das Kommando Josef Plostina wo es acht der zehn Hauser niederbrannte und 24 Menschen ermordete Am 23 April 1945 war das Kommando Josef an einer weiteren Operation gegen Partisanen beteiligt bei der in Prlov 21 Personen ermordet wurden Nach Abschluss der Operation Auerhahn ging Tutter wieder zu seiner Familie nach Prag Dort wurde er im Mai 1945 als Deutscher verhaftet und wenig spater nach Bayern abgeschoben Nachkriegszeit Verurteilung als Kollaborateur und Agententatigkeit fur den Staatssicherheitsdienst der CSSR Bearbeiten In Bayern wurde Tutter mit seiner Familie in Weissenstadt ansassig erhielt eine Stelle beim bayerischen Landwirtschaftsministerium Im September 1946 verhaftete der US Nachrichtendienst Tutter auf Antrag des tschechoslowakischen Generals Ecer und lieferte ihn im November 1946 an die Tschechoslowakei aus wo ihm in Bratislava der Prozess gemacht wurde Gegenstand der Anklage waren jedoch nicht die Morde in Plostina und Prlov sondern lediglich seine Tatigkeit als Instrukteur und Leiter des Ausbildungslagers Sekule Ab 28 April 1948 verurteilte das Volksgericht Bratislava Tutter wegen Kollaboration zu sechs Jahren Haft die er als Gefangener Nr 6358 im Gefangnis Leopoldov verbusste Nach seiner Haftentlassung wurde Tutter 1952 in das Sammellager Ostrava Kuncicky verbracht Von dort wurde er mehrmals zu Verhoren nach Prag abgeholt wobei es wahrscheinlich um Anwerbungsgesprache durch den tschechoslowakischen Staatssicherheitsdienst gehandelt hat Anschliessend kehrte Tutter 1954 als Spatheimkehrer und zugleich als Agent Konrad II aus der CSSR zu seiner Familie nach Weissenstadt zuruck Spater zog er nach Frankfurt am Main und arbeitete als Geschaftsmann Nach der Errichtung der NATO Abhoranlage Fernmeldesektor F auf dem Hohenbogen wurde Tutter wegen seiner Sprachkenntnisse ab 1962 als Zivilangestellter der Bundeswehr Horchfunker im Luftwaffen Fernmelderegiment 72 der Bundeswehr und zog nach Kotzting Tutter leitete dem Staatssicherheitsdienst u a Nachrichten uber Tarnfirmen des deutschen Nachrichtendienstes weiter und ubergab im Dezember 1962 den Organisationsplan und eine Aufstellung des Personalbestands des zur Abhorung des Funkkontaktes der Piloten der CSSR und DDR geschaffenen Luftwaffen Fernmelderegiments 72 der Bundeswehr 1966 erhob die Staatsanwaltschaft Prag Anklage gegen Tutter wegen des Massakers von Plostina Im Zuge der Untersuchungen lobte der Staatssicherheitsdienst die wertvolle Zusammenarbeit mit Tutter und der stellvertretende Innenminister Jaroslav Klima veranlasste beim stellvertretenden Generalprokurator der Tschechoslowakei Jaroslav David die Einstellung des Falles Tutter Pawlowski wegen moglicher Bedrohung der Interessen der CSSR im Ausland Im Januar 1969 erhielt Tutter den neuen Decknamen Dietrich Als am 12 Januar 1972 in der Sicherheitsschleuse im Fernmeldesektor F ein verlorener Umschlag mit einer Skizze der Militaranlage Schichtplanen Telefonverzeichnis einer Beschreibung der Gerateausstattung eines Horchwagens vom Typ 5 t MAN sowie einem maschinenschriftlichen Brief mit offensichtlich verdachtigem Inhalt aufgefunden wurde geriet auch Tutter ins Visier der Ermittlungen des Landeskriminalamtes und des Militarischen Abschirmdienstes MAD da er zum Personenkreis gehorte der die Schleuse zuvor passiert hatte Aus dem Vernehmungsprotokoll geht hervor dass Tutter bereits in anderen Vorgangen der MADGrp VI als Quelle gedient hatte und wahrscheinlich auch dem MAD als Agent diente Tutter konnte den Verdacht auf einen Zivilangestellten der Anlagenwartung abwalzen auf dessen Schreibmaschine der Brief geschrieben worden war 1974 ging Tutter in den Ruhestand In seiner Heimatstadt Kotzting gehorte Tutter fur die CSU funf Jahre dem Stadtrat an war Mitglied des evangelischen Kirchenvorstandes Vorsitzender der Ortsgruppe der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Leiter der ortlichen Volkshochschule Wegen seines vielfaltigen gesellschaftlichen Engagements war Tutter ein geachteter Burger von Kotzting und wurde 1983 unter grosser offentlicher Anteilnahme beigesetzt Deckung durch CSSR Behorden und spate Entlarvung als Kriegsverbrecher und Agent Bearbeiten Die Identitat des Befehlshabers des SS Einsatzkommandos Josef war den CSSR Behorden offenbar lange bekannt Wahrscheinlich bildete dieses Wissen auch die Grundlage fur die Anwerbung Tutters als Agent des Staatssicherheitsdiensts der CSSR Den Uberlebenden aus den niedergebrannten Dorfern wurden die Namen derjenigen die fur Brandschatzung ihrer Hauser und fur den Tod ihrer Bekannten und Verwandten verantwortlich waren vorenthalten Der 1959 erschienene von kommunistischer Ideologie beeinflusste Roman Smrt sa vola Engelchen von Ladislav Mnacko der die Ereignisse von Plostina literarisch verarbeitet gibt dem Verantwortlichen fur das Massaker den Namen Engelchen und der SS Offizier wird in der Romanhandlung als Geigenbauer aus Klingenthal angegeben Offen bleibt ob die in literarischer Fiktion dem Kriegsverbrecher zugeschriebene ganz andere Herkunft dabei beabsichtigt erfolgt ist Auf Intervention des Staatssicherheitsdiensts wurde ein 1966 von der Staatsanwaltschaft Prag eroffnetes Verfahren gegen Tutter eingestellt In der Zeitung Hlas revoluce berichtete Roman Cilek am 28 Februar 1969 uber die Kriegsverbrechen der SS Einheit Josef in Plostina und Prlov dabei wurden auch die Namen Walter Pawlofski und Werner Tutter genannt 1985 nannte Roman Cilek im Buch Smrt na prahu zivota den Namen Tutter im Zusammenhang mit der Brandschatzung von Prlov Ebenso fuhrte Cilek 1990 im Buch Plostina als Instrukteur des Massakers den SS Oberscharfuhrer Tutter an Eine offentliche Wahrnehmung erfolgte nicht und eine Verfolgung durch die kommunistischen Organe war auch nicht gewollt Die tschechische Zeitung Mlada fronta Dnes berichtete im November 2000 dass der Kriegsverbrecher Kurt Werner Tutter von den Mitgliedern der staatlichen Kommission fur die Verfolgung von Kriegsverbrechern Jaroslav David und Jaroslav Klima uber Jahre gedeckt worden sei Das Amt fur Dokumentation und Untersuchung der Verbrechen des Kommunismus erhob daraufhin gegen David und Klima Anklage wegen Uberschreitung der Kompetenzen als offentliche Amtstrager und Strafvereitelung im Amt Der Redakteur der Mlada fronta Dnes Ludek Navara recherchierte im Fall Tutter weiter und veroffentlichte seine Erkenntnisse 2002 im Buch Smrt si rika Tutter Die Berichte in tschechischen Medien veranlassten den aus Kotzting stammenden Germanisten und Slawisten Winfried Baumann zu Recherchen uber den verstorbenen Kotztinger Burger Kurt Werner Tutter bei denen sich dessen Identitat mit dem Kriegsverbrecher ergab Das Straubinger Tagblatt veroffentlichte am 9 Marz 2001 unter dem Titel Nazi Verbrecher und Top Agent der CSSR lebte 20 Jahre lang unbehelligt in Kotzting einen ganzseitigen Beitrag Baumanns der in Kotzting fur Aufsehen sorgte Literaturverweise BearbeitenLudek Navara Der Tod heisst Tutter Ein Nazimorder in Diensten der Staatssicherheit der CSSR Attenkofer Straubing 2005 ISBN 3 936511 09 8 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Werner Tutter im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Lucie Barvova Der Umgang mit der Vergangenheit Der Fall Tutter Bakkalaureusarbeit Universitat Pardubice 2008 online PDF 7 1 MB Hans Ulrich Stoldt Deckname Fritz In Der Spiegel Nr 34 2001 S 151 152 online Einzelnachweise Bearbeiten Archiv hlavniho mesta Prahy 723591 156 Sbirka matrik 3054 nekatolicke 120 Ceskobratrska cirkev evangelicka CCE 72 Nemecka evangelicka Cirkev v Jircharich 29 EVJ N12 fol 103 Normdaten Person GND 124540368 lobid OGND LCCN n2004040663 VIAF 28007483 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Tutter WernerALTERNATIVNAMEN Tutter Kurt Werner vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG deutscher NS Kriegsverbrecher und Agent der Staatssicherheit der CSSRGEBURTSDATUM 4 Dezember 1909GEBURTSORT Prag SmichovSTERBEDATUM 9 Marz 1983STERBEORT Kotzting Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Werner Tutter amp oldid 223712112