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Werner Kalisch 10 Oktober 1912 in Lyck Ostpreussen 22 Juli 1999 in Seeshaupt am Starnberger See war Wertejurist im Nationalsozialismus und Wegbereiter des kirchlichen Sonderarbeitsrechts Dienstgemeinschaft im Nachkriegsdeutschland 1 Inhaltsverzeichnis 1 Werdegang bis 1945 2 Nachkriegszeit 3 Veroffentlichungen 4 Kontinuitaten und Wandlungsfahigkeit 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseWerdegang bis 1945 BearbeitenKalischs Eltern waren der Rendant Franz Kalisch und Marie Kalisch geb Erbarth Nach der Volksschule besuchte Kalisch die Staatliche Bildungsanstalt in Naumburg Saale und legte dort 1932 die Reifeprufung ab Im gleichen Jahr begann er das Studium der Evangelischen Theologie an der Universitat Halle Wittenberg Sein erstes theologisches Examen bestand er im Dezember 1938 Mehrere Auslandsreisen fuhrten Kalisch nach Sudslawien Rumanien und Ungarn wo er sich insbesondere mit den dortigen kirchlichen und kirchenrechtlichen Verhaltnissen auseinandersetzte Bereits 1935 begann Kalisch parallel zu seinem Theologiestudium mit dem Jurastudium das er am 2 Marz 1940 mit dem ersten juristischen Staatsexamen abschloss Ausweislich seiner Promotionsakte wurde der Gerichtsreferendar Werner Kalisch am 17 Juli 1940 an der Rechts und Staatswissenschaftlichen Fakultat der Martin Luther Universitat Halle Wittenberg promoviert 2 Seine Arbeit tragt den Titel Die offentlich rechtliche Stellung des preussischen evangelischen Pfarrers vom allgemeinen Landrecht bis zur Gegenwart 3 Zu diesem Zeitpunkt hatten die Universitat und insbesondere die juristische Fakultat bereits weitgehend ihr Renommee eingebusst Das Niveau von Lehre und Forschung sank seit dem Verlust der judischen Lehrer ab 1933 rapide ab ganz abgesehen von dem ideologischen volkischen rassistischen totalitaren Druck der vor allem auch auf die Rechtswissenschaft ausgeubt wurde und ihr Niveau entscheidend minderte Insgesamt waren bis 1937 aus der Gesamtuniversitat 16 Ordinarien zwei personliche Ordinarien zwei Honorarprofessoren neun ausserordentliche Professoren zwei Privatdozenten und zwei Lektoren vertrieben worden Hierbei entstammte allein die Halfte der entlassenen Ordinarien der Rechts und Staatswissenschaftlichen Fakultat die damit die weitaus grossten Verluste aller Fakultaten der Universitat aufwies 4 Kalisch war Mitglied der SA 1933 1938 der NSV 1935 1945 des NS Rechtswahrerbundes 1940 1945 des NS Altherrenbundes 1940 1945 und der Deutschen Studentenschaft NSDStB Am 12 Januar 1940 hatte er die Aufnahme in die NSDAP beantragt und wurde zum 1 April desselben Jahres aufgenommen Mitgliedsnummer 7 987 191 5 In seiner Entnazifizierungsakte gibt Kalisch zu Protokoll dass die Mitgliedschaften in der SA und der Deutschen Studentenschaft nicht freiwillig erfolgten sondern zwangslaufig mit seinem Studium an der Universitat Halle Saale verbunden waren Weiter gibt er zu Protokoll dass er nach seinem ersten juristischen Examen die Befahigung zum Richteramt erwerben wollte und deshalb gezwungenermassen die Mitgliedschaft in der NSDAP beantragen musste Ein Parteibuch habe er aber bis 1945 nicht erhalten ebenso habe er keine Mitgliedsbeitrage gezahlt 6 Diese Aussagen scheinen auf den ersten Blick glaubwurdig zu sein Andererseits spiegeln sie das typische Strickmuster der Abwehr und Rationalisierung dass nahezu alle ehemaligen Nationalsozialisten in den Entnazifizierungs und Gerichtsverfahren vortrugen 7 Auffallig ist zudem dass Kalisch noch 1940 Mitglied im NS Rechtswahrerbund und NS Altherrenbund wurde Ganz offensichtlich hatte Kalisch die Karriere im NS Staat weiter fest im Blick Von April 1940 bis Juni 1940 war Kalisch Assistent am OLG Naumburg Saale Er absolvierte danach eine einmonatige Rekrutenausbildung und war dann im Rang eines Unteroffiziers als Dolmetscher in verschiedenen Einheiten der Wehrmacht bis zur Kapitulation tatig Nachkriegszeit BearbeitenAb Juli 1945 setzte Kalisch zunachst seine Assistententatigkeit am OLG Naumburg und Halle Saale fort bis er durch die Entscheidung des Justizministers vom 4 Juli 1947 wegen seiner NS Vergangenheit aus dem Vorbereitungsdienst entlassen wurde Da Kalisch gleichzeitig noch Assistent an der juristischen Fakultat der Universitat Halle war kundigte er eigenstandig sein dortiges Dienstverhaltnis Kalisch zog nach Gottingen wo er zunachst als Assistent an der Rechts und Staatswissenschaftlichen Fakultat der Universitat arbeitete und auch seine Ausbildung im Justizdienst fortsetzte Im gleichen Jahr wechselte er zum OLG Celle zuletzt in der Position als Oberlandesgerichtsrat Ab 1953 war er Oberregierungsrat im Kultusministerium des Landes Niedersachsen in Hannover 8 Spater avancierte Kalisch zum Ministerialrat wie aus einem Brief von Rudolf Smend an Kalisch gerichteten Brief vom 8 Februar 1967 hervorgeht 9 Der weitere berufliche Werdegang konnte nicht aufgeklart werden 10 Bis 1996 lebte Kalisch sudlich von Hannover in der Gemeinde Wennigsen 84 jahrig zog er im selben Jahr an den Starnberger See in die Gemeinde Seeshaupt wo er am 22 Juli 1999 verstarb Veroffentlichungen BearbeitenZur Einschatzung der Kontinuitaten im Leben und in den Einstellungen von Werner Kalisch dienen seine beiden wichtigsten Veroffentlichungen Die Promotionsarbeit aus dem Jahr 1940 Die offentlich rechtliche Stellung des preussischen Pfarrers vom allgemeinen Landrecht bis zur Gegenwart Der Aufsatz mit dem Titel Grund und Einzelfragen des kirchlichen Dienstrechts 11 Diese Arbeit erschien 1952 in der Zeitschrift fur evangelisches Kirchenrecht herausgegeben vom Kirchenrechtlichen Institut der EKD Gottingen Die ZevKR ist mehr als eine Fachzeitschrift sie ist programmatische Zeitschrift und zugleich Sprachrohr von Institut und EKD In einer Veroffentlichung der EKD heisst es Neben der zeitbedingten Aufgabe die Vereinbarkeit des wahrend der nationalsozialistischen Zeit erlassenen Kirchenrechts mit Schrift und Bekenntnis zu uberprufen war das Institut insbesondere dazu errichtet worden die EKD gliedkirchliche Zusammenschlusse und die einzelnen Landeskirchen durch Erstattung von Rechtsgutachten in kirchen und staatsrechtlichen Fragen zu beraten In vielen Fallen wurden die erstatteten Gutachten als Abhandlungen veroffentlicht andere in Sammelbanden abgedruckt 12 Insofern ist es bemerkenswert dass schon wenige Jahre nach Kriegsende ein Jurist mit erklart volkisch nationaler und antijudischer Einstellung in diesem bedeutenden Organ der Evangelischen Kirche reputierlich veroffentlichen konnte Die zweite nunmehr kirchliche Entnazifizierung zeitigt langfristige Wirkungen Kalischs Beitrag erhalt in der Folgezeit den Rang eines Grundlagendokumentes fur den Sonderweg Dritter Weg der Kirchen in der Arbeitsrechtsetzung 13 14 15 Kontinuitaten und Wandlungsfahigkeit BearbeitenIn Kalischs Veroffentlichungen geht es um das kirchliche Dienstrecht die Stellung der Geistlichen und im weiteren Sinne der kirchlichen Mitarbeiter zum Staat Eine zentrale Rolle spielt dabei der nationalsozialistische Begriff der Dienstgemeinschaft In der ersten Arbeit aus dem Jahr 1940 prasentiert sich Kalisch als treuer Gefolgsmann des Nationalsozialismus und als Deutscher Christ Die Weimarer Republik wird als Zwischenreich bezeichnet in dem es zu einem folgenschweren Dammbruch im Verhaltnis von Staat und Kirche komme In der Trennung festgeschrieben in Artikel 137 Absatz 1 der Weimarer Verfassung sieht Kalisch das bose Werk judisch bolschewistischer Krafte Der NS Staat bewahre die Kirche vor der sektenhaften Zersplitterung Die Deutsche Evangelische Kirche sei Teil der Volksgemeinschaft Der evangelische Pfarrer diene immer zugleich seinem Herrn Jesus Christus und seinem Volk Dem Fuhrer verpflichte er sich zu Treue und Gehorsam Der Treueeid auf den Fuhrer sei unverzichtbar Kalisch bezeichnet ihn als die bindendste Form des Verpflichtetseins 16 Der Treueid wird somit zu einem Akt der religiosen Weihe Wer sich verweigert kann nicht mehr Pfarrer und Beamter der Kirche sein Er wird mit Gefangnis bis zu zwei Jahren bestraft In der zweiten Arbeit aus dem Jahr 1952 argumentiert Kalisch nicht mehr in den Schemata der Deutschen Christen volkisch national und antijudisch sondern staatsrechtlich und theologisch Er nimmt Bezug auf Artikel 137 Absatz 1 und 3 WRV in Verbindung mit Artikel 140 des Grundgesetzes und leitet jetzt aus der Neutralitat des Staates gegenuber den Religionsgemeinschaften auch deren Recht auf ein eigenstandiges Dienstrecht ab In Anlehnung an den Staatsrechtler Heckel sieht Kalisch im sogenannten Schrankenvorbehalt kein Hindernis Dass die Kirchen in der Zeit der Weimarer Republik Tarifvertrage abgeschlossen haben leugnet er zwar nicht sieht darin aber keine Angriffsflache Indem er nunmehr theologisch argumentiert versucht er die Kirche gegen Angriffe von aussen zu immunisieren Eklektisch fuhrt er die dialektische Theologie den Kirchenkampf das neue Selbstverstandnis der Diakonie an um die in der Vergangenheit verdunkelte Erkenntnis wieder an Licht zu holen Das in allen noch so verschiedenen Funktionen des einen Dienstes in der Kirche und ihren Werken lebendige Bezeugen der frohen Botschaft verbindet alle die darin Stehenden zu einer grossen Gemeinschaft des Dienstes 17 Explizit fuhrt er das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg Mt 20 1 16 EU und Christus als Haupt der Kirche Eph 4 15 16 EU an Sein Credo Das kirchliche Dienstrecht ist weder Arbeitsrecht noch offentliches Recht sondern Kirchenrecht 18 Aus der so gefassten Dienstgemeinschaft ergebe sich nunmehr die Verpflichtung der Kirche ein eigenstandiges kirchliches Dienstrecht zu gestalten Folgen wir der Gestaltungsperspektive Kalischs dann heisst Dienstgemeinschaft Abwesenheit von Gewerkschaften keine Betriebsrate keine Tarifautonomie keine Tarifvertrage kein Streikrecht sondern religios uberhohtes Gefolgschaftsprinzip und Steuerung allein durch die Kirche in Verbindung mit je nach Berufsgruppen enger oder weiter gefassten Loyalitatsrichtlinien 19 Wir stellen fest die nationalsozialistische Dienstgemeinschaft von 1934 weist in der Fassung von 1952 abgesehen von der volkischen Einbindung exakt dieselben Eckpunkte auf Sie ist antidemokratisch antigewerkschaftlich und basiert auf einem durch Misstrauen gekennzeichneten Menschenbild Weblinks BearbeitenVerhangnisvolle Dienstgemeinschaft Hans Udo Schneider Volksgemeinschaft Treueeid DienstgemeinschaftEinzelnachweise Bearbeiten Vgl Volksgemeinschaft Treueeid Dienstgemeinschaft unter http verhaengnisvolle dienstgemeinschaft de Doktorvater war der Staats und Kirchenrechter Gottfried Langer Langer war von 1937 bis 1945 ordentlicher Professor fur Staatsrecht Kirchenrecht Deutsche Rechtsgeschichte und Volkerrecht an der Universitat Halle Langer war Mitglied des NSV des Stahlhelms der NSDAP seit 1933 im RDB NS Reichskriegerbund nach dem Krieg wurde Langer Mitglied der SED und des FDGB Er verstarb 1979 in Halle an der Saale Werner Kalisch Die offentlich rechtliche Stellung des preussischen evangelischen Pfarrers vom allgemeinen Landrecht bis zur Gegenwart Halle 1941 Michael Kilian Die hallischen Staatsrechtslehrer in der Zeit des Nationalsozialismus In Heiner Luck Armin Holand Hrsg Die Rechts und Staatswissenschaftliche Fakultat der Martin Luther Universitat Halle Wittenberg im Nationalsozialismus Halle an der Saale 2011 S 59 Bundesarchiv R 9361 IX KARTEI 19060748 Vgl Niedersachsisches Landesarchiv Hannover Entnazifizierungsakte NDS 171 Nr 63824 und 71538 ausgestellt am 10 November 1947 Vgl Niedersachsisches Landesarchiv Hannover Entnazifizierungsakte Erlauterung zu den Fragebogen Page 20 49 Die Angaben stutzen sich auf eine Mitteilung des Niedersachsischen Landesarchivs Hannover vom 25 Mai 2021 Georg August Universitat Gottingen Staats und Universitatsbibliothek Nachlass R Smend Cod MS R Smend Q22 Bl 15 Eine Anfrage beim Kirchenrechtlichen Institut der EKD beantwortet deren Leiter mit den Worten Da konnen wir leider nicht weiterhelfen Dies verwundert insofern als Kalisch nach einer Information des landeskirchlichen Archivs Hannover seit Anfang der 1950er Jahre fur das Institut gearbeitet haben soll Ebenso erfolglos blieb eine Anfrage beim Evangelischen Zentralarchiv in Berlin Weder gibt es dort eine Personalakte Kalisch noch gibt es Hinweise auf Kalisch in den Referatsverteilungsplanen und auch in den allgemeinen kirchlichen Nachschlagwerken ist der Name nicht vermerkt Werner Kalisch Grund und Einzelfragen des kirchlichen Dienstrechts In Zeitschrift fur evangelisches Kirchenrecht Band 2 1952 S 24 63 Kopie durch EZA Berlin In einer Fussnote zum Titel steht die Anmerkung Aus einer ungedruckten Festgabe von Schulern und jungen Freunden zum 70 Geburtstag von Rudolf Smend Vgl Das Institut auf kirchenrechtliches institut de Vgl Johannes Hempel Die Dienstgemeinschaft und das Individualarbeitsrecht der evangelischen Kirche In Zeitschrift fur evangelisches Kirchenrecht Band 66 2021 S 117 148 Vgl Wolfgang Maaser Dienstgemeinschaft als Begriff des kirchlichen Arbeitsrechts In Johannes Eurich Wolfgang Maaser Hg Diakonie in der Sozialokonomie Leipzig 2013 S 366 370 Vgl Traugott Jahnichen Dienstgemeinschaft als normatives Leitbild fur die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen in Kirche und Diakonie In D Bell W Maaser G K Schafer Hg Diakonie im Ubergang Bochum 2007 Vgl Werner Kalisch 1941 S 71 Vgl Werner Kalisch 1941 S 31 Vgl Werner Kalisch 1941 S 32 Vgl Wolfgang Belitz Jurgen Klute Hans Udo Schneider Walter Wendt Kleinberg Verhangnisvolle Dienstgemeinschaft Abrechnung mit einem nationalsozialistischen Begriff in den Kirchen in Deutschland 2020Normdaten Person GND 1081943033 lobid OGND AKS VIAF 49695357 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Kalisch WernerKURZBESCHREIBUNG deutscher KirchenrechtlerGEBURTSDATUM 10 Oktober 1912GEBURTSORT Lyck OstpreussenSTERBEDATUM 22 Juli 1999STERBEORT Seeshaupt Starnberger See Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Werner Kalisch amp oldid 239509319