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Ein verschollener Film ist ein Film von dem kein erhaltenes Filmmaterial bekannt ist weder in Archiven noch in privaten Sammlungen Ein Film der nicht mehr vollstandig vorliegt wird als nur fragmentarisch erhalten bezeichnet Die meisten verschollenen Filme stammen aus der Stummfilm und fruhen Tonfilmzeit zwischen 1895 und 1930 Man nimmt an dass etwa 80 Prozent aller Stummfilme verschollen oder endgultig verloren sind Inhaltsverzeichnis 1 Fast verlorene Filme 2 Begriffliche Probleme 3 Grunde fur den Verlust von Filmen 3 1 Zelluloid ein instabiles Material 3 2 Fruhe Tonfilmverfahren 3 3 Transportverluste 3 4 Absichtliche Zerstorung 4 Die heutige Situation 5 Siehe auch 6 Einzelnachweise 7 WeblinksFast verlorene Filme BearbeitenViele bedeutende Stumm und Tonfilme existieren nur in einer einzigen Kopie in Museen Archiven und Privatsammlungen als einzige Kopien die nicht weiterkopiert oder digitalisiert wurden Begriffliche Probleme BearbeitenDa von dem Originalnegativ eines Films fast immer Kopien fur spezielle Vertriebswege angefertigt werden ist der Begriff verschollener Film in mehreren Hinsichten problematisch Die Kopien unterscheiden sich zum Teil erheblich im Material dem Schnitt der Lange der Qualitat etc Ein Definitionsproblem stellen auch verschiedene Fassungen und Versionen von Filmen dar So ist beispielsweise Friedrich Wilhelm Murnaus Tartuff 1926 nur in der amerikanischen Verleihfassung erhaltlich die in Deutschland herausgegebene Version Herr Tartuff existiert nicht mehr Von daher ist es zweifelhaft ob man Herr Tartuff als verschollenen Film bezeichnen kann Auch die Digitalisierung von Filmmaterial wirft viele grundsatzliche Fragen auf da Eigenheiten des Filmmaterials und der Projektionsweise nicht ubertragbar sind Hinzu kommen digitale Artefakte Grunde fur den Verlust von Filmen BearbeitenZelluloid ein instabiles Material Bearbeiten Bis etwa 1951 wurde Filmmaterial auf Nitrozellulosebasis hergestellt Dieser damals ubliche Nitrofilm hatte hervorragende optische Eigenschaften und eine lange Lebensdauer unter optimalen Bedingungen kann das Filmmaterial mehr als 100 Jahre uberdauern war jedoch sehr leicht entflammbar und fallt heute unter das Gesetz uber explosionsgefahrliche Stoffe Viele fruhe Filme wurden Opfer dieser Instabilitat sie verbrannten Feuer zerstorte viele Kinos Lagerraume und ganze Filmarchive So brannte beispielsweise 1937 ein Lagerraum von Fox Pictures nieder und mit ihm alle vor 1935 produzierten Originalnegative der Firma Ahnlicherweise gingen mehrere Kapitel der Fruhgeschichte der finnischen Filmkunst beim Lagerbrand der finnischen Filmgesellschaft Adams Filmi im Jahre 1959 restlos verloren Zudem zersetzen sich Nitrofilme selbst wenn sie nicht bei der richtigen Temperatur und Feuchtigkeit gelagert werden und schadigen in der Nahe aufbewahrtes Material durch die dabei frei werdenden saurehaltigen Gase Die Selbstzerstorung des Filmmaterials kann durch ideale Lagerung verlangsamt aber niemals gestoppt werden Hilfe versprach man sich vom schwer entzundlichen sicheren Acetatfilm der in der ersten Halfte der 1940er Jahre von Eastman Kodak in den USA auf den Markt gebracht wurde Aber auch dieses ab 1952 in Europa eingesetzte Material zerstort sich durch chemische Veranderung nach und nach selbst insbesondere bei ungunstigen Lagerbedingungen Der Filmtrager zieht sich zusammen es bildet sich Essigsaure siehe Essigsaure Syndrom die Zerfallserscheinungen sind noch gravierender als beim Nitrofilm Nitrate won t wait ist daher die Pramisse von Filmarchiven die das empfindliche und gefahrliche Material aus den genannten Grunden digitalisieren oder auf neues Filmmaterial umkopieren ein zeitaufwendiges teures und umstrittenes Unterfangen das immer mit Qualitatsverlusten verbunden ist Die Frage der Langzeitarchivierung stellt sich auch im digitalen Zeitalter Als eine DVD Version von Toy Story USA 1995 dem ersten vollstandig computeranimierten abendfullenden Kinofilm produziert werden sollte stellte man fest dass zwolf Prozent der digitalen Originale verschwunden waren In einer dreimonatigen Suche konnten zwar einige vermisste Teile aufgespurt werden etwa ein Prozent des Films blieb aber verloren und musste neu zusammengesetzt werden 1 Aber auch die Tragermaterialien selbst stellen ein Problem dar In immer kurzeren Abstanden wird eine Technologie durch eine neue abgelost die digitalen Daten mussen umkopiert Daten Migration werden Fruhe Tonfilmverfahren Bearbeiten Viele fruhe Tonfilme die im Nadeltonverfahren wie z B dem Vitaphone System hergestellt wurden werden heute als verloren angenommen da die vom Bild separaten Schallplatten beschadigt oder zerstort wurden wahrend das Bild uberlebte Umgekehrt existiert von einigen Vitaphone Filmen nur die Tonspur wahrend die Bilder verloren sind Die Entwicklung des Tri Ergon Lichttonverfahrens bei dem die Tonrandspur mit dem laufenden Filmstreifen verbunden war loste dieses Problem Viele dieser Filme sind heute jedoch nur mit monofonem optischen Ton verfugbar Beim Magnettonverfahren fuhrten chemische Reaktionen zwischen den magnetischen Partikeln die auf die Triacetatfilmbasis geklebt wurden vielfach zur Selbstzersetzung der Filme Es ist umstritten ob Filme von denen entweder nur Bild oder nur Ton existiert als verschollene Filme zu klassifizieren sind Transportverluste Bearbeiten Das Versenden von Filmkopien d h der Transport von Filmrollen vom Filmlager zum Kino und zuruck impliziert eine aufwendige und in der Praxis fehleranfallige Logistik Filme konnen an die falsche Adresse geschickt werden sie konnen wahrend des Transportes und sogar im Filmlager bzw im Kino verloren gehen Auch Filme von denen etwa nur eine Rolle von mehreren verloren geht werden auf diese Weise unbrauchbar Absichtliche Zerstorung Bearbeiten Der weitaus grosste Teil der heute verlorenen Filme wurde jedoch absichtlich zerstort meist aus finanziellen Grunden Zerschlissene Kopien und Filme von denen man sich keinen kommerziellen Gewinn mehr versprach wurden von den Studios eingeschmolzen um den im Material enthaltenen Silberanteil zu gewinnen Zweimal wurde dies wahrend der Stummfilmara in grossem Massstab durchgefuhrt Um 1915 als Langfilme die Norm wurden zerstorte man viele kommerziell nicht mehr auswertbare Kurzfilme und Ende der 1920er Jahre fuhrte die Umstellung vom Stumm zum Tonfilm zu einer massiven Zerstorung der stummen Werke da man sie nun als wertlos erachtete Viele Filme wurden schlichtweg zerstort um in den Lagerraumen der Studios Platz fur neue zu schaffen Andere Kopien wurden entweder intakt oder in kurze Szenen zerstuckelt an Privatpersonen verkauft die fruhe Heimkino Projektoren besassen und Szenen aus ihren Lieblingsfilmen abspielen wollten Hinzu kam dass lange Zeit noch keine offiziellen Filmarchive existierten die historisches Filmmaterial sammelten und fachgerecht lagern konnten Bei der Schliessung eines Filmstudios oder einer Verleihfirma wussten die Verantwortlichen daher oftmals nicht wem sie das ubriggebliebene Filmmaterial ubergeben konnten so dass es haufig unter Zeitdruck in Privathande kam oder entsorgt wurde Die heutige Situation Bearbeiten nbsp Filmposter zu The Oregon Trail 1936 von Scott Pembroke mit John Wayne Der Film gilt als verschollen Obwohl der polnische Kameramann Boleslaw Matuszewski bereits 1898 in seinem gleichnamigen Manifest das Medium Film als a new source of history eine neue Quelle der Geschichte 2 herausstellte und forderte die Produkte dieser authentischen exakten und unfehlbaren Technik aufzubewahren gelingt dies bis heute nicht Zwar wurden ab den 1930er Jahren in Europa und den USA die ersten Filmarchive gegrundet und seit 1938 existiert die Federation Internationale des Archives du Film FIAF die mittlerweile mehr als 120 Mitglieder aus uber 65 Landern zahlt aber selbst heute sind Filme unauffindbar deren Premiere nur wenige Jahre zuruckliegt Das Bundesarchiv Filmarchiv das zentrale deutsche Filmarchiv beklagt dass die Uberlieferung deutscher Spielfilme in den sieben deutschen Filmarchiven im Gegenteil bis zum Jahr 1995 kontinuierlich abgenommen hat Nur aus der Zeit der beiden deutschen Diktaturen die archivierten weil sie kontrollierten ist die Uberlieferung nahezu vollstandig 3 Erst in den letzten Jahrzehnten setzte sich die Sichtweise durch dass Film neben seinem blossen okonomischen Nutzen auch einen kulturellen Wert hat Einschneidend war in dieser Hinsicht die Recommendation for the Safeguarding and Preservation of Moving Images der UNESCO in der 1980 festgestellt wurde moving images are an expression of the cultural identity of peoples and because of their educational cultural artistic scientific and historical value form an integral part of a nation s heritage bewegte Bilder sind ein Ausdruck der kulturellen Identitat der Volker und wegen ihres erzieherischen kulturellen kunstlerischen wissenschaftlichen und historischen Wertes ein wesentlicher Bestandteil des kulturellen Erbes einer Nation 4 Mit der Aufnahme von Filmen in das Weltdokumentenerbe der UNESCO wurde diese Deklaration 1995 bestatigt Seit 2001 ist das restaurierte und rekonstruierte Negativ von Fritz Langs Metropolis D 1925 1926 Teil des Weltregisters 2005 wurden alle bisher identifizierten und restaurierten Originalfilme Negative und Positive der Bruder Lumiere und The Battle of the Somme GB 1916 sowie 2007 The Story of the Kelly Gang AUS 1906 aufgenommen 5 Noch immer gibt es aber in Deutschland keine gesetzliche Pflichthinterlegung und systematische Erfassung erhaltenswerter Filme die bereits 1969 fur Bucher und Tontrager eingefuhrt wurde und wie sie 2005 von der EU von allen Mitgliedsstaaten gefordert wurde Ein erster wichtiger aber nicht ausreichender Schritt ist die 2004 vereinbarte verbindliche Selbstverpflichtung aller Bundeslander dass von jedem Film der vom Bund oder einem der Lander in Produktion oder Verleih gefordert wird ein Pflichtexemplar abzugeben ist Die Vereinbarung sagt nichts uber die Form der Archivierung aus und umfasst ohnehin nach Angaben der Filmforderungsanstalt im Jahr 2006 lediglich 50 Prozent der deutschen Gesamtproduktion Siehe auch BearbeitenIn der Dokumentationsreihe mit dem irrefuhrenden Namen Verschollene Filmschatze werden bekannte historische Aufnahmen aus dem kollektiven Gedachtnis genauer betrachtet und analysiert Einzelnachweise Bearbeiten vgl Paolo Cherchi Usai The Death of Cinema History Cultural Memory and the Digital Dark Age BFI London ISBN 0 85170 837 4 2001 S 100 Boleslaw Matuszewski A new source of history the creation of a depository for historical cinematography Memento vom 9 Dezember 2008 imInternet Archive Paris 1898 Stand 18 November 2008 Thomas Jansen Grauzonen im Bildergedachtnis In FAZ net 15 Mai 2008 Stand 18 November 2008 Recommendation for the Safeguarding and Preservation of Moving Images der UNESCO 27 Oktober 1980 Stand 18 November 2008 Memory of the World Register Memento vom 23 August 2011 aufWebCite der UNESCO Stand 18 November 2008 Weblinks BearbeitenLost Films Projekt der Deutschen Kinemathek englisch aufgerufen am 29 Mai 2011 Verlorene Schatze der Filmgeschichte Filmbegleitende Quellen des Bundesarchivs zu verschollenen Filmen aufgerufen am 29 Mai 2011 Spiegel Online Web Fundgrube voll verschollener Schatze aufgerufen am 29 Mai 2011 Eine Liste von verloren angenommenen Filmen auf Silent Era englisch aufgerufen am 29 Mai 2011 FLICKR Seite der Nitrate Film Interest Group englisch aufgerufen am 29 Mai Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Verschollener Film amp oldid 231466545