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Verband bezeichnet in der Soziologie einen Zusammenschluss mehrerer Einheiten zum Zweck der gemeinsamen Interessenvertretung Ein Verband wirkt als ubergreifende Organisation Interessenverband zur Vertretung der Interessen aller ihrer angeschlossenen Mitglieder Organisationen Dies konnen Einzelpersonen oder soziale Gruppen sein naturliche Personen aber weitergehend auch Vereine oder Unterverbande juristischen Personen siehe rechtliche Definition eines Verbandes daruber hinaus auch gebietshoheitliche Gebietskorperschaften eines Staatswesens und andere Selbstverwaltungskorperschaften Verbande haben immer eine eigene Verfassung Satzung Statut und gemeinsame verbindliche und langerfristige Ziele Sie vertreten die Interessen ihrer Mitglieder gegenuber dem Staat und anderen Interessengruppen Als Interessenverbande sind sie meistens zwischen Staat und Markt im Nonprofit Bereich angesiedelt dritter Sektor Fur die eigenen Mitglieder spielt auch ihre Dienstleistungsfunktion eine wichtige Rolle Ein Verband im soziologischen Verstandnis unterscheidet sich von einem Verein Vereine konnen durch offiziellen Zusammenschluss einen Verband bilden aber es kann keinen Verein geben der nur Vereine als Mitglieder hat dagegen kann ein Verband auch aus Verbanden bestehen Vereine und Verbande gelten als nebeneinander stehend wahrend der deutsche Soziologe Max Weber 1919 den Verein nur als eine konkrete Form des Verbandes verstand und der deutsche Soziologe Ferdinand Tonnies 1931 im Verein sogar den typischsten Verband sah Inhaltsverzeichnis 1 Definitionen 2 Aufgaben 3 Asymmetrische Verbandslandschaft 4 Auflosungserscheinungen 5 Strategien der Verbande 6 Literatur 7 EinzelnachweiseDefinitionen BearbeitenMax Weber definierte den Verband im soziologischen Sinne Verband soll eine nach Aussen regulierend beschrankte oder geschlossene soziale Beziehung dann heissen wenn die Innehaltung ihrer Ordnung garantiert wird durch das eigens auf deren Durchfuhrung eingestellte Verhalten bestimmter Menschen eines Leiters und eventuell eines Verwaltungsstabes der gegebenenfalls normalerweise zugleich Vertretungsgewalt hat 1 Ferdinand Tonnies sah die sozialen Verbande als diejenige soziale Gestalt die diese am vollkommensten darstellen indem sie am klarsten fur das Bewusstsein ihrer eigenen Mitglieder eine willens und handlungsfahige Einheit also insoweit eine dem einzelnen Menschen gleichartige Person darstellen Diese Festlegung ist klarer als die beiden anderen tonniesschen sozialen Gestalten soziale Verhaltnisse und soziale Samtschaften 2 Damit wird analytisch das Problem des kollektiven Akteurs ergrundet nach James Samuel Coleman 1926 1995 das bei Tonnies und Coleman immer von einzelnen sozialen Akteuren ausgeht die sich ihre Verbande schaffen Komplexer wird aber eine Mehrebenenanalyse statistisches Verfahren Der deutsch judische Soziologe Norbert Elias 1897 1990 untersuchte insbesondere die doppelte Gruppenloyalitat des Fuhrungspersonals einerseits gegenuber der entsendenden Gruppe andererseits gegenuber dem selbst eine Gruppe konstituierenden Verband Ausbau des Konzeptes bei Max WeberEin Verband kann bei Weber autonom oder heteronom sein und zusatzlich autokephal oder heterokephal Auch unterscheidet er untergliedernd zwischen Verein einem vereinbarter Verband dessen gesatzte Ordnungen nur fur die Kraft personlichen Eintritts Beteiligten Geltung beanspruchen rechtlich Verband genannt Anstalt einem Verband dessen gesatzte Ordnungen innerhalb eines angebbaren Wirkungsbereiches jedem nach bestimmten Merkmalen angebbaren Handeln relativ erfolgreich oktroyiert werden rechtlich die SelbstverwaltungskorperschaftAufgaben BearbeitenVerbande erfullen vielfaltige Aufgaben innerhalb des politischen Systems Durch ihre Moglichkeiten gesellschaftliche Bedurfnisse an politische Entscheidungstrager heranzutragen starken sie die Legitimitat politischer Entscheidungen Sie werden daher oftmals auch als Intermediare als Mittler zwischen Gesellschaft und Politik bezeichnet Innerhalb der Verbande kommt es durch die Aggregation von Interessen zu einer Komplexitatsreduktion der Problemstellungen Die politische Meinungslandschaft wird somit fur die Burger uberschaubarer und einfacher verstandlich Auf der internen Ebene entwickeln Interessengruppen eine integrative Wirkung da sie politische Partizipation fur die Burger ermoglichen Politische Kompromisslosungen konnen durch die Beteiligung von Interessengruppen einen hoheren Akzeptanzgrad erreichen da die Verbande besser dazu in der Lage sind diese Kompromisse an ihre Mitglieder zu vermitteln 3 Verbande sind nicht zuletzt Statten der politischen Bildung und Integration innerhalb einer Gesellschaft 4 Asymmetrische Verbandslandschaft BearbeitenWenn man die Verteilung der beim Bundestag eingetragenen Verbande analysiert wird deutlich dass wirtschaftliche Interessen mit 64 5 der eingetragenen Gruppierungen eindeutig am starksten vertreten sind Auch der Organisationsgrad erreicht bei Verbanden der Wirtschaft die hochste Auspragung Der Organisationsgrad ist dabei definiert als Anteil der Mitglieder von Interessenorganisationen an denjenigen deren Interessen vertreten werden sollen 5 Wahrend dieser Wert bei Bauern Arzte und Handwerksorganisationen 90 und bei Unternehmensverbanden der Industrie 70 85 betragt erreicht der Organisationsgrad der Arbeitnehmerorganisationen keine 30 Ein moglicher Ansatz um diese Asymmetrie innerhalb der Verbandslandschaft zu erklaren ist die Problematik des Trittbrettfahrens Wenn man davon ausgeht dass eine durch Verbande durchgesetzte Verbesserung allen zugutekommt und der individuelle Nutzen eines Individuums zu gering ist um einen signifikanten Unterschied zwischen einer Beteiligung und einer Nichtbeteiligung herzustellen besteht fur ein rein nach dem Kosten Nutzen Kalkul handelndes Individuum kein Anreiz sich an der Verbandsarbeit zu beteiligen Das Individuum vermeidet so die entstehenden materiellen und immateriellen Kosten der Verbandsarbeit und profitiert dennoch von den durchgesetzten Verbesserungen 6 Weitere mogliche Grunde fur die asymmetrische Machtverteilung innerhalb der Verbandslandschaft konnen durch Kommunikations und Integrationsschwierigkeiten innerhalb sowie zwischen den einzelnen Verbanden entstehen Vor allem die Tatsache dass die Ergebnisse eines Engagements oft erst spat sichtbar werden und der einzelne das Gefuhl hat seine Einflussmoglichkeiten waren verschwindend gering schrecken oftmals von einer aktiven Verbandsarbeit ab Des Weiteren ist die Finanzierung der Verbandsarbeit oft problematisch wenn keine zahlungskraftigen Mitglieder rekrutiert werden konnen Auch die Art der vertretenen Interessen kann ausschlaggebend fur den Erfolg von Verbandsarbeit sein Insbesondere fur heterogene Interessen ist es schwierig sich zu organisieren wohingegen Spezialbedurfnisse geringere Schwierigkeiten haben einen gemeinsamen Nenner zu finden Der Grad der Konfliktfahigkeit einer Organisation kann als weiterer wichtiger Faktor fur den Erfolg einer Interessengruppe angesehen werden da die Fahigkeit kollektiv eine Leistung zu verweigern oder glaubhaft eine Leistungsverweigerung anzudrohen den Forderungen einer Gruppe die notige Durchsetzungsfahigkeit verleihen kann 7 Direkte Verbindungen zu politischen Entscheidungstragern das Eingebundensein in Entscheidungsnetzwerke und Think Tanks ist eine weitere Einflussmoglichkeit der Verbandsarbeit und oftmals entscheidend fur ihren Erfolg Starkung schwacher VerbandeUm traditionell schwache Interessengruppen zu fordern kann der Staat sich dazu entschliessen diese durch Steuermittel zu fordern oder auch in staatliche Beratungsgremien zu integrieren Verbraucherorganisationen werden oft massgeblich durch staatliche Beihilfen finanziert Um den Einfluss starker Interessengruppen abzuschwachen konnen gesetzliche Rahmenbedingungen im Bereich des Lobbying gestarkt werden um somit mehr Transparenz zu schaffen 8 Abseits staatlichen Eingriffs hat die Kommunikationstechnologie die Reichweite und Koordinationsfahigkeit schwacher Interessengruppen deutlich gestarkt Durch das Internet besteht die Moglichkeit Netzwerke auch ohne grosse materielle Kosten aufzubauen und ein Forum fur Offentlichkeit zu schaffen 9 Auflosungserscheinungen BearbeitenIn den letzten Jahren machten sich verstarkt Auflosungserscheinungen der traditionellen Verbandsstrukturen bemerkbar Viele Burger fuhlen sich von keinem Verband wirklich vertreten und nehmen eine gewisse Reprasentationslucke innerhalb der politischen Landschaft wahr Des Weiteren haben sich die Formen des Engagements von Verbandsmitgliedern stark gewandelt Diese ziehen immer haufiger unverbindliche und zeitlich begrenzte Beteiligung einer langfristigen Mitgliedschaft vor 10 Oftmals kann der Mangel an innerverbandlicher Demokratie zu Frustration unter den Mitgliedern fuhren Die zunehmende Komplexitat und Interdependenz von politischen Handlungsfeldern sowie politischen Entscheidungsprozessen erschwert die Verbandsarbeit vor allem fur kleine Organisationen mit wenigen Ressourcen 11 Hinzu kommt die Konkurrenzsituation zwischen den Verbanden die verstarkt um das knappe Gut der Mitglieder werben Strategien der Verbande BearbeitenUm den Auflosungserscheinung begegnen zu konnen haben Verbande verschiedene Strategien entwickelt Durch ein Appell an das Gemeinschaftsgefuhl kann die Bereitschaft des einzelnen sich zu engagieren gestarkt werden Auch die verstarkte Nutzung von Massenmedien zum Zweck der Offentlichkeitsmobilisierung hat sich vor allem bei kurzfristigen Aktionen bewahrt 12 Einige Verbande versuchen durch die Durchsetzung einer gesetzlichen Beitrittsverpflichtung dem Mitgliederschwund zu begegnen Jedoch kann auch durch das Angebot von selektiven Anreizen in Form von beispielsweise Dienstleistungsangeboten die generelle Attraktivitat von Verbanden gestarkt werden 13 Die Benachteiligung von Nichtorganisierten in Form von Closed Shop Vereinbarungen ist zwar gesetzlich nicht erwunscht faktisch aber oft eine Strategie um Anreize fur eine Verbandsmitgliedschaft zu schaffen 14 Des Weiteren ist die Netzwerkbildung zwischen Verbanden mit ahnlichen Interessen zu einer bewahrten Methode geworden um trotz gesunkener Mitgliederzahlen weiterhin handlungsfahig bleiben zu konnen Literatur BearbeitenHelmut Voelzkow Die Institutionalisierung der Politikbeteiligung von Interessenverbanden in Deutschland In Thomas von Winter Ulrich Willems Hrsg Interessenverbande in Deutschland Wiesbaden 2007 S 139 169 Wolfgang Rudzio Das politische System der Bundesrepublik Deutschland Wiesbaden 2006 Ulrich von Alemann Bernhard Wessels Verbande in vergleichender Perspektive Berlin 1997 siehe auch von Alemann Was sind Verbande In Informationen zur politischen Bildung Heft 253 Ulrich von Alemann Rolf Gero Verbande und Staat Vom Pluralismus zum Korporatismus Opladen 1979 Dieter Claessens Gruppe und Gruppenverbande Systematische Einfuhrung in die Folgen der Vergesellschaftung Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1977 ISBN 3 534 07337 1 Ferdinand Tonnies Einfuhrung in die Soziologie 1931 neuveroffentlicht bei Enke Stuttgart 1981 Max Weber Wirtschaft und Gesellschaft 1922 postum veroffentlicht Max Weber Soziologische Grundbegriffe 1922 entspricht dem 1 Kapitel von Weber 1922 Einzelnachweise Bearbeiten Max Weber Wirtschaft und Gesellschaft Kapitel 1 12 1919 Ferdinand Tonnies Einfuhrung in die Soziologie 2 Buch 5 12 1931 Rudzio 2006 Das politische System der Bundesrepublik Deutschland S 56f Fraenkel 1991 Deutschland und die westlichen Demokratien S 276 Wolfgang Rudzio Das politische System der Bundesrepublik Deutschland 2006 S 61 f Wolfgang Rudzio Das politische System der Bundesrepublik Deutschland 2006 S 65 Voelzkow 2007 Die Institutionalisierung der Politikbeteiligung von Interessenverbanden in Deutschland S 142 Voelzkow 2007 Die Institutionalisierung der Politikbeteiligung von Interessenverbanden in Deutschland S 143f Willems von Winter 2007 Interessenverbande als intermediare Organisationen Zum Wandel ihrer Strukturen Funktionen Strategien und Effekte in einer veranderten Umwelt S 33 Willems von Winter 2007 Interessenverbande als intermediare Organisationen Zum Wandel ihrer Strukturen Funktionen Strategien und Effekte in einer veranderten Umwelt S 28f Willems von Winter 2007 Interessenverbande als intermediare Organisationen Zum Wandel ihrer Strukturen Funktionen Strategien und Effekte in einer veranderten Umwelt S 32 Willems von Winter 2007 Interessenverbande als intermediare Organisationen Zum Wandel ihrer Strukturen Funktionen Strategien und Effekte in einer veranderten Umwelt S 23 Voelzkow 2007 Die Institutionalisierung der Politikbeteiligung von Interessenverbanden in Deutschland S 147 Rudzio 2006 Das politische System der Bundesrepublik Deutschland S 66f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Verband Soziologie amp oldid 227771417