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In Hohlen lebende Organismen insbesondere die Hohlentiere werden nach ihrer Bindung an den unterirdischen Lebensraum in okologische Gruppen eingeteilt 1 troglobiont synonym auch troglobit veraltet auch antrobiont 2 sind Populationen oder Arten die permanent und exklusiv in Hohlen leben von denen also keine oberirdischen dauerhaften Vorkommen bekannt sind troglophil sind Populationen oder Arten die regelmassig in Hohlen leben die aber auch regelmassig und dauerhaft in oberirdischen Lebensraumen vorkommen trogloxen sind Populationen oder Arten die in Hohlen angetroffen werden aber hier ihren Lebenszyklus nicht vollenden konnen Dies sind entweder solche die nur gelegentlich in Hohlen vordringen Irrgaste aber ihren eigentlichen Lebensraum uber der Erde haben Andere Autoren verwenden den Begriff auch fur solche die hier zwar regelmassig anzutreffen sind aber zumindest in einem Lebensstadium zwingend auf das Verlassen der Hohle angewiesen sind Diese Einteilung geht ursprunglich auf den osterreichischen Entomologen Ignaz Rudolph Schiner 1854 modifiziert durch den rumanischen Biologen Emil Racoviță meist transkribiert als Racovitza 1907 zuruck und wird daher als Schiner Racovitza System bezeichnet 3 4 Das System ist oft als unprazise kritisiert worden zahlreiche biologische Hohlenforscher Biospelaologen haben Modifikationen oder eine abweichende Terminologie vorgeschlagen Unglucklicherweise werden daher auch die oben definierten Begriffe teilweise in etwas unterschiedlicher Bedeutung verwendet ohne dass die Forscher immer offenlegen welcher Terminologie sie jeweils folgen Dies ist bei der Interpretation unbedingt zu beachten Inhaltsverzeichnis 1 System nach Barr Trogloxene neu definiert 2 System nach Christiansen Troglomorphe 3 Klassifizierung wasserlebender Organismen Stygobionte 4 System nach Pavan und Ruffo Subtroglophile 5 Troglodyt 6 Abgrenzung des Lebensraums Hohle 7 EinzelnachweiseSystem nach Barr Trogloxene neu definiert BearbeitenDer amerikanische Hohlenforscher Thomas Calhoun Barr jr 1968 schlug ein modifiziertes Schiner Racovitza System vor in dem er vor allem die Bedeutung des Ausdrucks trogloxen umdefinierte 5 Barr zufolge verdienen reine Irrgaste die eigentlich nicht in Hohlen leben konnen keinen besonderen Fachbegriff Stattdessen verwendete er den Begriff Trogloxene fur diejenigen regelmassig in Hohlen lebenden Organismen die diese obligatorisch irgendwann verlassen mussen etwa um ausserhalb Nahrung zu suchen Trogloxene im Sinne von Barr sind viele der klassischen Hohlentiere wie Hohlen Fledermause Fettschwalm oder die ausgestorbenen Hohlenbaren und anderen Arten der eiszeitlichen Megafauna Barrs Vorschlag wurde international vielfach aufgegriffen hat sich aber im deutschen Sprachraum nicht durchgesetzt Auch diese Begriffsverwendung wird allerdings nicht einheitlich angewandt So verwenden einige Autoren fur Arten die eigentlich unterirdisch leben aber in einer bestimmten Lebensphase zwingend die Hohle verlassen mussen auch den Begriff Troglophile 6 System nach Christiansen Troglomorphe BearbeitenDer amerikanische Entomologe Kenneth A Christiansen schlug 1962 ein neues System vor in dem Organismen nicht nach ihrem Lebensraum sondern nach morphologischen Anpassungen Adaptationen klassifiziert werden sollten 7 Danach werden troglomorph solche Organismen benannt die besondere Anpassungen an den unterirdischen Lebensraum zeigen Dass sind einerseits positive Anpassungen progressive Evolution wie zum Beispiel vergrosserte oder verlangerte Tastorgane oder Korperanhange wie auch Verlustmutationen regressive Evolution von nicht mehr benotigten Organen wie funktionsuntuchtige oder vollig ruckgebildete Augen Einige Forscher haben kritisiert dass der Ausdruck troglomorph ubersetzt hohlen formig sprachlich unpassend sei und verwenden stattdessen in demselben Sinn den Ausdruck troglobiomorph Christiansens Begriff troglomorph wird von vielen Autoren verwendet um Organismen zu charakterisieren die im klassischen System troglobiont troglobit genannt wurden Die parallel gepragten Begriffe ambimorph fur Organismen die nur einige Anpassungen an den unterirdischen Lebensraum zeigen und epigiomorph fur an das oberirdische Leben angepasste Organismen haben sich hingegen nicht durchgesetzt und werden nicht mehr verwendet Nicht alle in ihrem Vorkommen streng an Hohlen gebundene Arten Troglobionte weisen allerdings auch entsprechende morphologische Adaptationen auf Troglomorphe Die Begriffe sind also nicht deckungsgleich 8 Klassifizierung wasserlebender Organismen Stygobionte Bearbeiten Hauptartikel Stygobionta Das Schiner Racovitza System wird von vielen Biospelaologen sowohl fur luftlebende und luftatmende wie auch fur wasserlebende Organismen verwendet In der Limnologie hat sich aber ein zweites System etabliert das ursprunglich auf den Zoologen und Limnologen August Thienemann zuruckgeht in seiner internationalen Verwendung aber erst durch die Arbeiten von Janine Gibert popularisiert worden ist Demnach werden die wasserlebenden unter der Erdoberflache vorkommenden Arten oder Stygobionta eingeteilt in stygobionte synonym stygobite stygophile und stygoxene deren Definition im Wesentlichen derjenigen des klassischen Systems entspricht Diese Terminologie wird von einigen Limnologen fur aquatische Organismen anstelle des Schiner Racovitza Systems verwendet Andere reservieren sie fur den Lebensraum des Grundwassers und verwenden fur eigentliche Hohlentiere das klassische System weiter 9 System nach Pavan und Ruffo Subtroglophile BearbeitenDie italienischen Forscher Mario Pavan 1944 und Sandro Ruffo 1957 verwendeten das klassische Schiner Racovitza System storten sich aber an der Kategorie der Troglophilen die ihrer Ansicht nach schwammig und ungenau sei Sie fuhrten fur Organismen die regelmassig in Hohlen leben aber zumindest in einem Lebensstadium etwa zur Ernahrung oder zur Fortpflanzung den Hohlen Lebensraum zwingend verlassen mussen den neuen Begriff Subtroglophile ein Die eigentlichen Troglophilen also diejenigen die ihren ganzen Lebenszyklus innerhalb von Hohlen vollenden konnen von denen aber ausserdem auch rein oberirdisch lebende Populationen im selben Verbreitungsgebiet existieren werden nun Eutroglophile genannt Diese Nomenklatur wird etwa in einer einflussreichen Arbeit durch Boris Sket 3 empfohlen und ist weithin in Gebrauch 10 andere Forscher betrachten sie hingegen als uberflussigen tendenziell verunklarenden Zusatz 8 und empfehlen stattdessen den Begriff Trogloxene in der veranderten Definition nach Barr zu verwenden Troglodyt Bearbeiten Hauptartikel Troglodyten Der Begriff Troglodyt Hohlenmensch wird fur menschliche Bewohner von Hohlen speziell die sub fossilen Uberreste von diesen verwendet Der aus dem Altgriechischen abgeleitete Begriff altgriechisch trwglodyths trōglodytes deutsch der in Hohlen schlupft in Hohlen wohnt insbesondere Name eines Vogels ahnlich unserem Zaunkonig 11 ist bereits im Altertum etwa bei Herodot bezeugt Carl von Linne war irrtumlich von der Existenz eines hohlenbewohnenden Nachtmenschen Homo troglodytes uberzeugt spater wurde der Ausdruck fur die oft in Hohlen gefundenen Knochen etwa des Neanderthalers verwendet Obwohl der Ausdruck also viel alter ist wurde er nie fur hohlenbewohnende Tierarten gebraucht 12 Abgrenzung des Lebensraums Hohle BearbeitenFur die Klassifizierung von Hohlenbewohnern ist es von grosser Bedeutung in welcher Definition der grundlegende Begriff Hohle verwendet wird Fur Hohlenforscher Spelaologen gilt ein unterirdischer Hohlraum meist nur dann als Hohle wenn er gross genug ist auch Menschen den Zutritt zu erlauben Zahlreiche Biospelaologen haben immer wieder darauf hingewiesen dass diese Definition fur die meist viel kleineren Hohlentiere bedeutungslos ist Meist gelten auch Besiedler kleinerer unterirdischer Hohlraume als troglophil wenn sie die entsprechenden Kriterien ansonsten erfullen zumindest dann wenn der besiedelte Hohlraum im Verhaltnis zur Korpergrosse des Tiers gross ist Dadurch ergeben sich allerdings Abgrenzungsprobleme zur Bodenfauna und zur Grundwasserfauna Einige Biospelaologen weisen auf die besondere Bedeutung kleiner oberflachennaher Spaltensysteme vor allem in verkarstetem Kalkstein als Epikarst bezeichnet hin die eine eigenstandige Fauna aufweisen die sich klar von der eigentlichen Bodenfauna unterscheidet Die Besiedler dieser Superficial subterranean habitats SSH werden meist zur Hohlenfauna mit der sie viele Gemeinsamkeiten aufweisen gerechnet gelten also als troglophil 13 Diesem Sprachgebrauch folgen aber nicht alle Forscher Inzwischen liegen Hinweise darauf vor dass es sich bei den Superficial subterranean habitats um einen eigenstandigen Lebensraum mit eigener Fauna handeln konnte 14 15 Echte Hohlen sind gekennzeichnet durch die Abwesenheit von Licht als aphotisch bezeichnet Es existiert aber eine breite Ubergangszone im Bereich des Hohleneingangs die sich je nach Bedingungen mehr oder weniger weit ins Hohleninnere ausdehnt 16 Troglobionte also speziell an das Hohlenleben angepasste Arten die keine oberirdischen Vorkommen aufweisen sind in der Praxis oft schwer nachweisbar da nicht alle Lebensraume gleichermassen gut untersucht sind und es definitionsgemass unmoglich ist die Abwesenheit in einem Lebensraum zu beweisen moglich ist nur bisher erfolglos nach Anwesenheit zu suchen Auch ist schwer erklarbar wie es moglich sein kann dass bestimmte Hohlenarten weit auseinanderliegende unterirdisch eindeutig nicht miteinander verbundene Hohlensysteme besiedeln Eleonora Trajano und Marcelo R de Carvalho schlagen daher vor alle Definitionen nach dem Schiner Racovitza System strikt populationsbezogen anzuwenden Das gelegentliche Vorkommen von Individuen im falschen Lebensraum sollte ihrer Ansicht nach ebenso wenig eine Rolle spielen wie morphologische Anpassungen zu fordern Solche kamen bei Troglophilen oft in gleicher Weise vor wie bei troglobionten Arten 8 Einzelnachweise Bearbeiten Claude Boutin Organisms Classification In John Gunn editor Encyclopedia of Caves and Karst Science Fitzroy Dearborn Taylor amp Francis New York 2004 ISBN 0 203 48385 5 S 1170 1175 Hubert Trimmel Red Spelaologisches Fachworterbuch Akten des Vierten Internationalen Kongresses fur Spelaologie Wien Obertraun Salzburg 1965 Band C herausgegeben vom Landesverein fur Hohlenkunde in Wien und Niederosterreich Wien 1965 a b Boris Sket 2008 Can we agree on an ecological classification of subterranean animals Journal of Natural History 42 21 22 1549 1563 Eleonora Trajano Ecological Classification of subterranean Organisms in David C Culver William B White editors Encyclopedia of Caves Elsevier Academic Press Amsterdam etc 2nd edition 2012 ISBN 978 0 12 383832 2 S 275 278 Thomas C Barr jr 1968 Cave Ecology and the Evolution of Troglobites in Theodosius Dobzhansky Max K Hecht William C Steere editors Evolutionary Biology Volume 2 Springer Verlag Boston 1968 ISBN 978 1 4684 8096 2 S 35 102 Stefano Mammola amp Marco Isaia 2017 Spiders in caves Proceedings of the Royal Society B 284 20170193 doi 10 1098 rspb 2017 0193 Kenneth Christiansen Morphological Adaptations in David C Culver William B White editors Encyclopedia of Caves Elsevier Academic Press Amsterdam etc 2005 ISBN 0 12 198651 9 S 386 397 a b c Eleonora Trajano amp Marcelo R de Carvalho 2017 Towards a biologically meaningful classification of subterranean organisms a critical analysis of the Schiner Racovitza system from a historical perspective difficulties of its application and implications for conservation Subterranean Biology 22 1 26 doi 10 3897 subtbiol 22 9759 Jurgen Pust 1990 Untersuchungen zur Systematik Morphologie und Okologie der in westfalischen Hohlen vorkommenden aquatischen Hohlentiere Abhandlungen aus dem Westfalischen Museum fur Naturkunde 52 4 1 188 Erhard Christian Hohlentiere In C Spotl L Plan E Christian Herausgeber Hohlen und Karst in Osterreich herausgegeben vom Oberosterreichischen Landesmuseum 2016 S 233 254 Wilhelm Pape Max Sengebusch Bearb Handworterbuch der griechischen Sprache 3 Auflage 6 Abdruck Vieweg amp Sohn Braunschweig 1914 zeno org abgerufen am 31 Oktober 2019 Ralph Crane Lisa Fletcher Cave Nature and Culture Reaktion Books London 2015 ISBN 978 1 78023 431 1 David C Culver and Tanja Pipan 2008 Superficial subterranean habitats gateway to the subterranean realm Cave and Karst Science 35 1 2 5 12 Tone Novak Matjaz Perc Saska Lipovsek Franc Janzekovic 2012 Duality of terrestrial subterranean fauna International Journal of Speleology 41 2 181 188 doi 10 5038 1827 806X 41 2 5 David C Culver and Tanja Pipan Insects in Caves Chapter 6 in Robert G Foottit and Peter H Adler editors Insect Biodiversity Science and Society Volume II Wiley Blackwell 2018 ISBN 978 1 118 94557 5 Luis M Mejia Ortiz Tanja Pipan David C Culver Peter Sprouse 2018 The blurred line between photic and aphotic environments a large Mexican cave with almost no dark zone International Journal of Speleology 47 1 69 80 doi 10 5038 1827 806X 47 1 2155 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Troglobiont amp oldid 239072150