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Die Textura von lateinisch textura Gewebe oder Textualis Textschrift nach ihrem gitterformigen Aussehen fruher auch Gitterschrift genannt ist eine im Hochmittelalter entstandene nichtkursive Buchschrift Sie ist kalligraphisch ausgeformt und zahlt zur Gruppe der gebrochenen Schriften Unter den gotischen Schriften die sich im 12 Jahrhundert durchsetzten und dann das spatmittelalterliche Schriftwesen pragten ist die Textura eine der bekanntesten Spater spielte sie auch im Buchdruck eine wichtige Rolle Textura in einer Handschrift des Sachsenspiegels fruhes 14 Jahrhundert Heidelberg Universitatsbibliothek Cod Pal Germ 167 fol 2r Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung Merkmale und Nomenklatur 2 Einzelne Auspragungen 3 Die letzte Phase der Textura Verwendung 4 Literatur 5 Weblinks 6 AnmerkungenEntstehung Merkmale und Nomenklatur Bearbeiten nbsp Die Textura im Vergleich mit anderen gebrochenen SchriftenIm 11 Jahrhundert setzte in der Handschriftenproduktion der Prozess der Gotisierung ein der sich in den folgenden Jahrhunderten fortsetzte und mit der Einfuhrung neuer Stilmerkmale und einer neuen Asthetik das Erscheinungsbild der Codices umpragte Der neue gotische Stil formte sich im Lauf des 12 und fruhen 13 Jahrhunderts aus und setzte sich im Abendland uberall durch Ein Hauptmerkmal der gotischen Schriften ist die Brechung der Schafte daher spricht man von gebrochener Schrift Das Ausmass der Brechung ist allerdings sehr unterschiedlich Carolino Gotica bzw als Romano Gotica bezeichnet Misch bzw Ubergangsschriften zwischen der zuvor gebrauchlichen karolingischen Minuskel und der Textura die im 12 Jahrhundert verwendet wurden Aus ihnen entstanden die hoher entwickelten gotischen Schriften 1 Die fruhe gotische Minuskel unterscheidet sich von der karolingischen Minuskel durch die Streckung und gerade Aufrichtung aller Schafte sowie die gleichartige Behandlung aller senkrecht auf der Linie stehenden Schafte Die Buchstaben f und langes s stehen auf der Zeile Diese Merkmale sind fur alle nichtkursiven gotischen Buchschriften charakteristisch 2 In einer Nomenklatur die von vielen Palaographen bevorzugt wird werden alle Buchschriften die diese Kennzeichen aufweisen als Textura oder Textualis bezeichnet Beide Namen wurden ursprunglich fur die Schrift von besonders kunstvoll geschriebenen Codices verwendet Die Bezeichnung Textura wortlich Gewebe ist schon im 12 Jahrhundert belegt Sie bezieht sich auf das gewebeartige Aussehen einer kalligraphischen gotischen Buchschrift Textualis ist ein von textus Text abgeleitetes substantiviertes Adjektiv Gemeint ist der Bibeltext fur den die sorgfaltigste Buchschrift verwendet wurde Textualis bedeutet also eigentlich die Schrift der Bibelhandschriften 3 In der modernen Palaographie sind die beiden Ausdrucke jedoch auf eine andere fur wissenschaftliche Zwecke geeignetere Weise definiert worden Allerdings hat man sich nicht auf eine einheitliche Nomenklatur geeinigt Nach einer von manchen Palaographen favorisierten Terminologie kommt es nur auf die Streckung und gleichartige Organisation aller auf der Linie stehenden Schafte an so Bernhard Bischoff als zusatzliches Definitionsmerkmal wird das doppelstockige a genannt Gerard Isaac Lieftinck Albert Derolez Wenn das doppelstockige a fehlt spricht Derolez von Semitextualis Das Ausmass der gotischen Brechung und die Schmalheit der Schrift sind fur diese Definition der Textura Textualis nicht massgeblich 4 Somit wird auch die in Italien und Sudfrankreich vorherrschende Form der nichtkursiven gotischen Buchschrift die Rotunda als eine Textura betrachtet obwohl sie die gotische Brechung nur gemassigt durchfuhrt und ein breiteres und runderes Schriftbild bietet als die nichtkursiven Buchschriften der nordlicheren Regionen Von diesen wird die Rotunda als italienische Textura Bischoff oder Southern Textualis Derolez unterschieden 5 Andere Palaographen verwenden den Ausdruck Textura in einem engeren Sinn Sie bezeichnen damit nur die Gruppe der relativ schmalen nichtkursiven Buchschriften west und mitteleuropaischen Ursprungs und sehen die Rotunda wegen des Unterschieds im Schriftbild geradezu in Opposition zur Textura 6 Ein weiteres Merkmal das zu Beginn des 13 Jahrhunderts hinzukam sind die Bogenverbindungen englisch biting Dabei werden die einander zugekehrten Bogen zweier Buchstaben beispielsweise o und c so nahe zusammengeruckt dass die Bogenlinien sich teilweise uberdecken Wenn die Bogen in gerade Striche umgebrochen sind haben die beiden verbundenen Buchstaben die senkrechten Teile der umgewandelten Bogen gemeinsam Die nach festen Regeln gebildeten Bogenverbindungen trugen dazu bei ein moglichst geschlossenes Schriftbild zu erzeugen das dem Geschmack der Zeit entsprach und im Spatmittelalter die nichtkursiv geschriebenen Handschriften pragte 7 nbsp Quadrangel in einer TexturaBei der Schaftbrechung werden die umgebrochenen Teile der Schafte oft als auf die Spitze gestelltes Quadrat oder Rechteck geformt Diese Formen werden Quadrangel Vierecke genannt Meist wird das auf die Spitze gestellte Viereck mit dem Grundstrich so verbunden dass von den vier Ecken nur drei sichtbar sind siehe Abbildung 8 Einzelne Auspragungen BearbeitenEine Unterscheidung von Varianten der Textura ergibt sich aus der unterschiedlichen Gestaltung der Schafte Wenn die Schafte oben und unten also doppelt gebrochen sind spricht man einer schon im 15 Jahrhundert verwendeten Nomenklatur folgend von Textus quadratus oder Quadrattextura Bei einfacher Brechung nur oben lautet die Bezeichnung Textus semiquadratus Eine Textura ohne solche Brechungen mit gerundeten Fusspartien der Schafte heisst Textus rotundus runder Text nicht zu verwechseln mit der Schriftart Rotunda 9 nbsp Kunstlerisch handschraffierte mit Perlen geschnurte Schrift um 1596 Stadtbuch Arnau Mertten Gernertt Fur die kalligraphisch ausgestalteten Buchschriften in hochwertigen Codices wird die Bezeichnung Textura Textualis formata verwendet Dabei handelt es sich um sehr gleichmassige aus normierten Elementen aufgebaute Schriften Das Schreiben entspricht nicht dem naturlichen Federzug es ist muhsam und zeitaufwendig denn die Buchstaben werden kunstlich konstruiert Die Blutezeit dieser Kalligraphie umfasste das 14 und das 15 Jahrhundert Bei der Gestaltung hatte die kunstlerisch graphische Wirkung Vorrang vor der bequemen Lesbarkeit Die klare Unterscheidbarkeit der Buchstaben wurde der asthetischen Gleichformigkeit untergeordnet Dies betraf vor allem die Buchstaben n m u und i die in Textura formata schwer zu unterscheiden sind wenn sie hintereinander stehen aber auch e und c 10 Die letzte Phase der Textura Verwendung BearbeitenIm 15 Jahrhundert wurde die Textura in der Handschriftenproduktion von den kursiven Buchschriften den Bastarden und von der humanistischen Minuskel Antiqua der von den Humanisten eingefuhrten nichtkursiven Buch und Druckschrift zuruckgedrangt Dazu trug wohl auch die zunehmende Verwendung des Papiers bei denn Papier ist zum Schreiben der Textura weniger geeignet als Pergament 11 nbsp Textura in der Gutenberg Bibel ca 1455Da die feierliche Textura die traditionelle Schrift der Bibelcodices und der liturgischen Handschriften war kam nur sie in Betracht als Johann Gutenberg 1452 1454 die Gutenberg Bibel die erste Inkunabel schuf Damals hatte die Textura allerdings den Hohepunkt ihrer Entwicklung bereits uberschritten und lag in einer erstarrten Form vor Gutenbergs Type zeigt auf markante Weise Merkmale einer spaten Textura formata Betonung der Senkrechten Brechung aller Rundungen Textus quadratus gitterartiger Eindruck sehr geschlossenes Schriftbild streng geometrischer Charakter Damit erzielt sie eine monumentale Wirkung 12 In der Folgezeit entstanden zahlreiche weitere Drucke mit Textura Typen fur den kirchlichen Bedarf Bis ins 16 Jahrhundert war die Textura in Deutschland fur liturgische Bucher eine gangige Schriftart Auch als Auszeichnungsschrift fur Titel und Kapiteluberschriften blieb sie lange im Gebrauch Ausserhalb dieser begrenzten Verwendungsbereiche konnte sie sich jedoch in Deutschland nicht durchsetzen In Frankreich beschrankte sich die Verbreitung der Druck Textura weitgehend auf die nordlichen Regionen Beliebt war sie in den Niederlanden sowie in England wo man sie black letter nannte 13 Literatur BearbeitenBernhard Bischoff Palaographie des romischen Altertums und des abendlandischen Mittelalters 4 Auflage Erich Schmidt Berlin 2009 ISBN 978 3 503 09884 2 S 171 183 Michelle P Brown Patricia Lovett The Historical Source Book for Scribes University of Toronto Press Toronto 1999 ISBN 0 8020 4720 3 S 87 94 Albert Derolez The Palaeography of Gothic Manuscript Books From the Twelfth to the Early Sixteenth Century Cambridge University Press Cambridge 2003 ISBN 0 521 80315 2 S 72 101 Joachim Kirchner Scriptura Gothica libraria a saeculo XII usque ad finem medii aevi LXXXVII imaginibus illustrata Oldenbourg Munchen 1966 Tafelwerk enthalt zahlreiche Abbildungen Otto Mazal Palaographie und Palaotypie Zur Geschichte der Schrift im Zeitalter der Inkunabeln Hiersemann Stuttgart 1984 ISBN 3 7772 8420 3 S 9 13 37 64 Wolfgang Oeser Beobachtungen zur Strukturierung und Variantenbildung der Textura In Archiv fur Diplomatik 40 1994 S 359 439Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Textura Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Dianne Tillotson Medieval writing Beispiele Anmerkungen Bearbeiten Wolfgang Beinert Karolingische Minuskel Carolina Palaografie In typolexikon de 2019 abgerufen am 4 Juni 2020 deutsch Bernhard Bischoff Palaographie des romischen Altertums und des abendlandischen Mittelalters 4 Auflage Berlin 2009 S 173 Albert Derolez The Palaeography of Gothic Manuscript Books Cambridge 2003 S 73 Otto Mazal Palaographie und Palaotypie Stuttgart 1984 S 9 Siehe dazu und zur Problematik der Definition Martin Steinmann Aus der Forschung zur gotischen Schrift in den letzten funfzig Jahren In Archiv fur Diplomatik 50 2004 S 399 415 hier 401 f Bernhard Bischoff Palaographie des romischen Altertums und des abendlandischen Mittelalters 4 Auflage Berlin 2009 S 173 177 Albert Derolez The Palaeography of Gothic Manuscript Books Cambridge 2003 S 72 f 102 118 Elke von Boeselager Schriftkunde Hannover 2004 S 39 so verwendet die Begriffe auch Otto Mazal Lehrbuch der Handschriftenkunde Wiesbaden 1986 S 115 Bernhard Bischoff Palaographie des romischen Altertums und des abendlandischen Mittelalters 4 Auflage Berlin 2009 S 176 Siehe zu den Quadrangeln Bernhard Bischoff Palaographie des romischen Altertums und des abendlandischen Mittelalters 4 Auflage Berlin 2009 S 174 179 f Bernhard Bischoff Palaographie des romischen Altertums und des abendlandischen Mittelalters 4 Auflage Berlin 2009 S 174 Wolfgang Oeser Beobachtungen zur Strukturierung und Variantenbildung der Textura In Archiv fur Diplomatik 40 1994 S 359 439 hier 361 f 409 411 Otto Mazal Palaographie und Palaotypie Stuttgart 1984 S 10 f Martin Steinmann Aus der Forschung zur gotischen Schrift in den letzten funfzig Jahren In Archiv fur Diplomatik 50 2004 S 399 415 hier 402 f Elke von Boeselager Schriftkunde Hannover 2004 S 37 Bernhard Bischoff Palaographie des romischen Altertums und des abendlandischen Mittelalters 4 Auflage Berlin 2009 S 180 198 Albert Derolez The Palaeography of Gothic Manuscript Books Cambridge 2003 S 101 Otto Mazal Palaographie und Palaotypie Stuttgart 1984 S 37 40 f Otto Mazal Palaographie und Palaotypie Stuttgart 1984 S 43 f 55 59 63 Normdaten Sachbegriff GND 4383699 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Textura amp oldid 225514264