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Dieser Artikel beschreibt eine Schriftart Fur weitere Bedeutungen siehe Rotunda Begriffsklarung Rotunda lateinisch rotunda die runde Schrift auch Rundgotisch oder veraltet Halbgotisch ist die moderne Bezeichnung fur eine mittelalterliche nichtkursive Buchschrift die in Italien entstanden ist Sie ist kalligraphisch ausgeformt und zahlt zur Gruppe der gebrochenen Schriften Im Spatmittelalter und in der Renaissance wurde sie auch im Buchdruck verwendet Die Rotunda im Vergleich mit anderen gebrochenen Schriften Inhaltsverzeichnis 1 Schriftgeschichtlicher Kontext 2 Die Rotunda in Handschriften 3 Verwendung im Buchdruck 4 Literatur 5 Weblinks 6 AnmerkungenSchriftgeschichtlicher Kontext BearbeitenIm Hochmittelalter fand ein schon im 11 Jahrhundert einsetzender Prozess der Gotisierung der Schrift statt der mit der Einfuhrung neuer Stilmerkmale und einer neuen Asthetik das gesamte Schriftwesen umpragte Es entstanden die gotischen Schriften als Ausdruck eines gewandelten Stilempfindens das kulturhistorisch in den Gesamtzusammenhang des Aufkommens der Gotik eingeordnet wird 1 Im Lauf des 12 und fruhen 13 Jahrhunderts formte sich der neue Stil aus und setzte sich uberall mehr oder weniger deutlich durch allerdings regional unterschiedlich Ein Hauptmerkmal ist die Brechung der Schafte daher spricht man von gebrochener Schrift Es entstand die fruhe gotische Minuskel Sie ist durch die Streckung und gerade Aufrichtung aller Schafte sowie die gleichartige Behandlung aller senkrecht auf der Linie stehenden Schafte charakterisiert Die Buchstaben f und langes s stehen auf der Zeile Buchschriften die diese Kennzeichen aufweisen werden als Textura oder Textualis bezeichnet Ein erst spater am Anfang des 13 Jahrhunderts hinzutretendes Merkmal sind die Bogenverbindungen englisch biting Die einander zugekehrten Bogen zweier Buchstaben beispielsweise o und c werden so nahe zusammengeruckt dass die Bogenlinien sich teilweise uberdecken Wenn die Bogen in gerade Striche umgebrochen sind haben die beiden verbundenen Buchstaben die senkrechten Teile der umgewandelten Bogen gemeinsam So wurde ein moglichst geschlossenes Schriftbild erzeugt das dem Geschmack der Zeit entsprach und im Spatmittelalter die nichtkursiv geschriebenen Handschriften pragte Erst in der Renaissance wurde die Textura von der Antiqua der von den Humanisten favorisierten nichtkursiven Buch und Druckschrift verdrangt 2 Die Rotunda in Handschriften Bearbeiten nbsp Die italienische Buchschrift aus der die Rotunda hervorgegangen ist in einer Passionarhandschrift von 1180 Bologna Universitatsbibliothek 1473 fol 35vDie Entwicklung zur gotischen Minuskel setzte im heutigen Belgien und in Nordfrankreich ein Der neue Stil breitete sich nach Deutschland und England aus und erfasste im Lauf der Zeit in starkerer oder schwacherer Auspragung das ganze lateinische Abendland Eine Sonderentwicklung trat jedoch in Italien und Sudfrankreich ein Dort wurden die Elemente der Gotisierung nur teilweise aufgenommen Im spaten 12 Jahrhundert 3 begann in Italien die Herausbildung einer spater auch in Sudfrankreich verbreiteten Buchschrift der Rotunda Sie erreichte zu Beginn des 13 Jahrhunderts ihr von da an stabiles Schriftbild In Italien erlangte sie die Bedeutung die in Mittel und Westeuropa die dortigen Varianten der Textura hatten in der spatmittelalterlichen italienischen Produktion nichtkursiv geschriebener Handschriften spielte sie eine zentrale Rolle Die Rotunda zahlt zwar zu den gotischen Schriften ist aber Ausdruck eines asthetischen Gestaltungswillens der sich von dem in Nord und Osteuropa vorherrschenden deutlich unterscheidet 4 Manche Palaographen unter ihnen Bernhard Bischoff betrachten die Rotunda als Sonderform der Textura und bezeichnen sie als die italienische Textura 5 Andere verwenden den Ausdruck Textura nur fur die Gruppe der nichtkursiven Buchschriften west und mitteleuropaischen Ursprungs und sehen die Rotunda wegen des Unterschieds im Schriftbild geradezu in Opposition zur Textura 6 nbsp Rotunda in einer Handschrift von 1340 Vinzenz von Beauvais Speculum historiale Rom Biblioteca Apostolica Vaticana Vat Lat 1966 fol 339vIm Gegensatz zu den schmalen Texturaschriften der nordlicheren Regionen weist die Rotunda einen relativ niedrigen runden breiten Charakter auf Damit zeigt sie ein Schriftbild das im italienischen Buchwesen schon im 12 Jahrhundert vorherrschte Von der fruhgotischen italienischen Buchminuskel des 12 Jahrhunderts unterscheidet sie sich kaum nur die Bogenverbindungen treten als neues Element hinzu Sie sind in der Rotunda besonders haufig und verstarken den Eindruck der Rundheit Die gotische Brechung ist nur gemassigt durchgefuhrt beispielsweise entspricht dem sechseckigen o der nordlichen Textura ein spitzovales der Rotunda Daher ist der Name Rotunda die Gerundete treffend Die meisten Schafte setzen breit auf der Zeile auf nur der Schaft des i die Schafte des u und die letzten Schafte von m und n sind nach rechts umgebogen Nach o wird das r regelmassig rund geschrieben Auch die Unterlangen enden breit Zum Schmuck dienende Haarstriche sind selten Die Gestalt der Buchstaben war fixiert die herrschende konservative Haltung liess den Schreibern kaum Spielraum fur individuelle Abweichungen wie sie in der nordlichen Textura vorkommen 7 Die Rotunda formata ist innerhalb der Rotunda gewissermassen das sudliche Gegenstuck zur Textualis formata der formalisierten Textualis Sie weist einen extrem grossen Strichkontrast und einen Federwinkel von etwa 45 auf Die Bogen welche links unten und rechts oben liegen sind mehr oder weniger rund wahrend Bogen links oben und rechts unten scharf gebrochen werden 8 Im Unterschied zur nordlichen Textura verzweigte sich die Rotunda nicht in eine Reihe von Varianten mit ausgepragten Unterschieden In Bologna wo viele Berufsschreiber damit beschaftigt waren juristische Handschriften fur den Bedarf der dortigen Universitatsangehorigen anzufertigen entstand ein fruher Typus von Rotunda Handschriften dessen Schrift lateinisch als littera Bononiensis Bologneser Schrift bezeichnet wird Die in diesem Stil geschriebenen Texte fallen durch sehr engen Zeilenabstand und besonderen Reichtum an Abkurzungen auf Ober und Unterlangen sind sehr kurz doch handelt es sich wie auch sonst bei der Rotunda um eine klare Schrift Sie breitete sich in Norditalien an den Universitaten aus 9 Sudfranzosische Schreiber folgten weitgehend dem Vorbild der italienischen Auch in Spanien entstanden Codices deren Schrift der italienischen Rotunda ahnlich ist und man verwendete dort auch die Bezeichnung littera rotunda 10 Verwendung im Buchdruck Bearbeiten nbsp Druck Rotunda in einer Inkunabel die 1490 in Hagenau von Heinrich Gran gedruckt wurde Concordantiae minores Bibliae fol 19v und 20rIn den Buchdruck wurde die Rotunda in den sechziger Jahren des 15 Jahrhunderts eingefuhrt Ein Pionier war der in Rom tatige Drucker Ulrich Han Bei der Verbreitung der Druck Rotunda spielte der Drucker Verleger und Buchhandler Nicolas Jenson eine massgebliche Rolle Er schuf in Venedig formvollendete Rotunda Lettern die in der Folgezeit oft nachgeahmt wurden und den Namen litterae Venetae venezianische Schrift erhielten Der deutsche Drucker und Verleger Johann Koelhoff der Altere der zeitweilig in Venedig gearbeitet hatte brachte von dort die Rotunda nach Deutschland der erste Druck mit seiner Rotunda Type erschien 1471 in Koln 11 Im spaten 15 Jahrhundert breitete sich die Druck Rotunda in Europa weit aus sie wurde in Spanien Portugal Frankreich und Deutschland heimisch und gelangte auch nach Danemark Polen und Bohmen Relativ selten blieb sie in den Niederlanden und in England Um die Jahrhundertwende und im fruhen 16 Jahrhundert wurde sie von den Renaissance Schriften verdrangt In Spanien dominierte sie noch bis zur Mitte des 16 Jahrhunderts Am langsten behauptete sie sich in Italien im liturgischen Buchwesen wo traditionell eine konservative Gesinnung herrschte dort hielt sie sich noch bis ins 17 Jahrhundert 12 Literatur BearbeitenBernhard Bischoff Palaographie des romischen Altertums und des abendlandischen Mittelalters 4 Auflage Erich Schmidt Berlin 2009 ISBN 978 3 503 09884 2 S 174 178 Michelle P Brown Patricia Lovett The Historical Source Book for Scribes University of Toronto Press Toronto 1999 ISBN 0 8020 4720 3 S 103 110 Severin Corsten Rotunda In Lexikon des gesamten Buchwesens 2 neu bearbeitete Auflage Bd 6 Hiersemann Stuttgart 2003 ISBN 3 7772 0327 0 S 388 Albert Derolez The Palaeography of Gothic Manuscript Books From the Twelfth to the Early Sixteenth Century Cambridge University Press Cambridge 2003 ISBN 0 521 80315 2 S 102 122 Otto Mazal Palaographie und Palaotypie Zur Geschichte der Schrift im Zeitalter der Inkunabeln Hiersemann Stuttgart 1984 ISBN 3 7772 8420 3 S 13 15 64 138Weblinks BearbeitenDianne Tillotson Medieval writing Beispiele Anmerkungen Bearbeiten Otto Mazal Palaographie und Palaotypie Stuttgart 1984 S 9 Bernhard Bischoff Palaographie des romischen Altertums und des abendlandischen Mittelalters 4 Auflage Berlin 2009 S 171 174 176 178 Hans Foerster Thomas Frenz Abriss der lateinischen Palaographie 3 uberarbeitete Auflage Stuttgart 2004 S 237 Otto Mazal Lehrbuch der Handschriftenkunde Wiesbaden 1986 S 117 Albert Derolez The Palaeography of Gothic Manuscript Books Cambridge 2003 S 102 f Bernhard Bischoff Palaographie des romischen Altertums und des abendlandischen Mittelalters 4 Auflage Berlin 2009 S 174 177 Albert Derolez The Palaeography of Gothic Manuscript Books Cambridge 2003 S 102 Elke von Boeselager Schriftkunde Hannover 2004 S 39 so verwendet die Begriffe auch Otto Mazal Lehrbuch der Handschriftenkunde Wiesbaden 1986 S 115 Bernhard Bischoff Palaographie des romischen Altertums und des abendlandischen Mittelalters 4 Auflage Berlin 2009 S 175 177 Severin Corsten Rotunda In Lexikon des gesamten Buchwesens 2 neu bearbeitete Auflage Bd 6 Stuttgart 2003 S 388 Otto Mazal Palaographie und Palaotypie Stuttgart 1984 S 13 15 Vgl Hans Foerster Thomas Frenz Abriss der lateinischen Palaographie 3 uberarbeitete Auflage Stuttgart 2004 S 237 240 Albert Derolez The Palaeography of Gothic Manuscript Books Cambridge 2003 S 102 109 codices ch In codices ch Abgerufen am 4 Juni 2020 Bernhard Bischoff Palaographie des romischen Altertums und des abendlandischen Mittelalters 4 Auflage Berlin 2009 S 177 Albert Derolez The Palaeography of Gothic Manuscript Books Cambridge 2003 S 111 Otto Mazal Palaographie und Palaotypie Stuttgart 1984 S 15 Albert Derolez The Palaeography of Gothic Manuscript Books Cambridge 2003 S 111 117 Severin Corsten Koelhoff d A Johann In Lexikon des gesamten Buchwesens 2 neu bearbeitete Auflage Bd 4 Stuttgart 1995 S 263 Severin Corsten Rotunda In Lexikon des gesamten Buchwesens 2 neu bearbeitete Auflage Bd 6 Stuttgart 2003 S 388 ausfuhrlich Otto Mazal Palaographie und Palaotypie Stuttgart 1984 S 64 138 Ernst Crous Die gotischen Schriftarten im Buchdruck In Ernst Crous Joachim Kirchner Die gotischen Schriftarten 2 Auflage Braunschweig 1970 S 30 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rotunda amp oldid 217406012