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Als Troja Debatte oder Troja Diskussion wird eine Auseinandersetzung innerhalb der deutschen Altertumswissenschaft in Bezug auf die Erforschung des antiken Trojas bezeichnet die besonders 2001 02 fur Aufsehen sorgte Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Verlauf der Debatte 2 1 Ausloser 2 2 Reaktionen und Gegenreaktionen 2 3 Symposium Die Bedeutung Troias in der spaten Bronzezeit 3 Nachwirkung und weiterer Fortgang der Forschungen 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenSeit 1988 leitete der Tubinger Prahistoriker Manfred Korfmann die Ausgrabungen in Troja Schon seit den Grabungen Heinrich Schliemanns im 19 Jahrhundert waren die Forschungsergebnisse umstritten Zum einen gab und gibt es die Wissenschaftler die im gefundenen Troja auch das in Homers Ilias beschriebene Troja sehen und die dort beschriebenen Ereignisse als im Kern historisch betrachten Zum anderen gab und gibt es die Zweifler die eine uberregionale Bedeutung Trojas verneinen und die Ilias nicht als Beschreibung eines realen historischen Konfliktes sehen sondern als eine Dichtung die hochstens vereinzelt Ruckschlusse auf die bronzezeitliche Realitat zulasst das Troja der Epen habe es vermutlich nie gegeben Seit 1993 gehorte Korfmann anfangs Skeptiker zu den Verfechtern der ersten Theorie er glaubte nun an die grundsatzliche Historizitat der von Homer besungenen Ereignisse und daran dies auch anhand seiner Ausgrabungen belegen zu konnen 1994 entdeckte der Geophysiker und Archaologe Helmut Becker durch geomagnetische Messungen ein unerwartet grosses Areal das er und Korfmann als eine ausgedehnte Unterstadt unterhalb der Akropolis interpretierten was diese Theorie zu stutzen schien Andere Forscher lehnten und lehnen diese Deutung der Ergebnisse hingegen ab und sind der Ansicht fur die Existenz einer bedeutenden Unterstadt fehlten die Beweise Ein wichtiges Problem das hiermit zusammenhangt ist die Frage nach der Bedeutung der bronzezeitlichen Stadt In der wissenschaftlichen Diskussion sind weiterhin Fragen nach der Gleichsetzung der Siedlung mit Orten in altorientalischen Quellen und der Einbindung in die Welt Altvorderasiens speziell Altanatoliens sowie in die griechisch agaische Welt umstritten Es gibt Forscher die in Troja einen wichtigen Handelsplatz sehen der in der Bronzezeit nicht zuletzt die Dardanellen beherrschte Andere Forscher halten die Stadt nicht fur gross bedeutend und machtig genug dafur Korfmann selbst nannte Troja vor 1993 ein Piratennest In den Augen dieser Forscher kann Troja nicht mehr als ein allenfalls regional bedeutendes Handelszentrum gewesen sein fur eine uberregionale Bedeutung der Stadt um 1200 v Chr fehlten die Beweise Ein weiterer Streit entbrannte um die Gleichsetzung des homerischen Ilios bzw Ilion mit Wilusa War die in hethitischen Quellen Wilusa zuweilen auch Wilusija genannte Ortschaft die gleiche wie Homers Ilion und entspricht Troia dem ebenfalls in hethitischen Quellen belegten Taru w isa Tarwisa 1 Verlauf der Debatte BearbeitenAusloser Bearbeiten Am 17 Juli 2001 gab der ebenfalls in Tubingen lehrende Althistoriker Frank Kolb der Berliner Morgenpost ein Interview Kolb hatte selbst Ausgrabungen in Kleinasien durchgefuhrt und zuvor auch Troja wiederholt besucht In diesem Interview das unter dem Titel Traumgebilde veroffentlicht wurde griff Kolb seinen Kollegen Korfmann scharf an Er bezweifelte die methodische Korrektheit mehrerer von Korfmanns Aussagen Besonders kritisiert wurde hier ein Modell der Stadt Troja von dem Kolb behauptete dass es zumindest bisher keine Beweise fur die Existenz einer derartigen Siedlung gebe Das Modell ist eine Fiktion Traum nicht Rekonstruktion Zum Bild der Stadt wie es Korfmann vorschwebte sagte Kolb Schliemann hat eben nicht das Troja Homers gefunden sondern hochstens den Ort an den sich der Mythos anlehnte Das von Homer geschilderte Stadtbild ist Fiktion Jede weitergehende Deutung findet keine Grundlage in den Befunden Die Ausgrabungen in Troja und ihre Darstellung bezeichnet er als medialen Heissluftballon Im Schwabischen Tagblatt vom 24 Juli erganzte Kolb seine Ausfuhrungen Viele Archaologen wissen dass das Troia Bild Korfmanns eine Fiktion ist Er meinte das Trojabild Korfmanns sei vollig absurd Er ging sogar so weit zu behaupten Was Herr Korfmann macht ist eine Irrefuhrung der Offentlichkeit Kolb beklagte Korfmann habe im Vorfeld der Auseinandersetzung seine guten Kontakte zu uberregionalen Medien genutzt um fachliche Kritik an seiner Arbeit zu unterdrucken So habe es die Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ abgelehnt eine unerwartet negative Rezension die Kolb verfasst hatte abzudrucken erst nach dieser Erfahrung habe er Kolb sich entschlossen auf anderem Wege die Offentlichkeit zu suchen Da Kolb der Ansicht war Korfmann wolle seine Kritiker mundtot machen schlug er von Anfang an einen aggressiven Ton an Die wohl schwerwiegendste Anschuldigung war dabei die Aussage Korfmann ist ein Daniken der Archaologie mit der Kolb bewusst eine Formulierung aufgriff die Korfmann selbst einige Jahre zuvor in Hinblick auf Eberhard Zangger gebraucht hatte In den folgenden Tagen wurden diese Anschuldigungen von mehreren anderen regionalen Zeitungen weitertransportiert so von den Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung Korfmann halt die Leute zum Narren Korfmanns Grabungen sind in Ordnung technisch Auch was er zur Chronologie herausfindet Die Interpretation aber ist eine Fiktion Reaktionen und Gegenreaktionen Bearbeiten Am 27 Juli 2001 reagierte Korfmann in einer Stellungnahme auf Kolbs Anschuldigungen Korfmann versuchte sachlich auf Kolbs Einwurfe zu reagieren und zu erklaren wie man seines Erachtens in der Prahistorischen Archaologie zu Schlussen und Analogien komme Er schloss seine Ausfuhrungen mit dem Angebot innerhalb der Universitat Tubingen auch mit Frank Kolb sachlich in dieser Angelegenheit zu diskutieren Unterstutzung bekam Korfmann von dem Klassischen Archaologen Charles Brian Rose von der University of Cincinnati der in einer Erklarung am 30 Juli 2001 Korfmanns Arbeitsweisen bestatigte Kolb hingegen beklagte hinter den Kulissen fuhre Korfmann die Debatte alles andere als sachlich zudem verzerre er bewusst die Sachlage und gebe sich nur vordergrundig diskussionsbereit gehe aber in Wahrheit gegen Kritiker vor Kolb erhielt Unterstutzung von einigen angesehenen Althistorikern darunter Hans Joachim Gehrke und Peter Funke Die Diskussion erreichte rasch einen Punkt an dem beide Seiten unsachlich zu argumentieren begannen Nachdem diese Auseinandersetzung an die Offentlichkeit gelangt war wurden auch neuere Bucher aktuell die sonst kaum von einer breiten Offentlichkeit wahrgenommen worden waren Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schuf aus Aussagen zweier Bucher von Dieter Hertel und Joachim Latacz schon am 23 Juli ein fiktives Streitgesprach der beiden wobei der Archaologe Hertel die Seite Kolbs und der Altphilologe und Homer Fachmann Latacz die Seite Korfmanns vertrat Im Zuge dieser Belebung des Interesses an Homer und Troja Literatur erschien im Oktober 2001 ein Gesprach zwischen Korfmann und der Literaturkritikerin Sigrid Loffler in der Zeitschrift Literaturen Hier erneuerte Korfmann das Gesprachsangebot an Kolb und andere Kritiker verlangte aber zuvor eine Entschuldigung Kolbs ohne die er keine Grundlage fur einen fachlich wissenschaftlichen Disput sah Die FAZ raumte am 12 September und am 9 Oktober je einem Gegner und einem Befurworter von Korfmanns Theorien Raum ein ihre Sicht der Dinge darzustellen Den Anfang machte der Kritiker Wolfgang Schuller der wie die meisten Althistoriker ebenso wie Frank Kolb Korfmanns Theorien ablehnt Es schien sich herauszukristallisieren dass bei dieser Auseinandersetzung die Althistoriker gegen die Prahistoriker Altorientalisten und Archaologen standen Die Antwort steuerte erneut Joachim Latacz bei der zu einem der bedeutendsten Unterstutzer Korfmanns wurde Latacz blieb allerdings der einzige renommierte deutsche Altphilologe der sich auf Korfmanns Seite stellte Erkennbar ist in dieser Phase der Auseinandersetzungen dass alle Beteiligten versuchten wieder ein sachliches Niveau zu erreichen Dennoch hatten Kolbs Ausserungen zu einem breiten Medienecho vor allem in Deutschland aber auch im Ausland gefuhrt Christian Meier ging auf die Debatte in seinem Editorial der Novemberausgabe der Zeitschrift Damals ein und bezeichnete die Situation sarkastisch als Sommerlochfuller Selbst in der britischen Zeitung The Times gab es einen grossen Artikel zum Thema der zwei Leserbriefe des Grazisten Martin L West und des Hethitologen J D Hawkins nach sich zog die sich eindeutig an die Seite Korfmanns stellten Es war anhand der Leserbriefe festzustellen dass vieles nur noch aus zweiter oder dritter Hand bei den auslandischen Fachkollegen ankam und die Debatte somit zu einer Schadigung des Ansehens der deutschen Altertumswissenschaften fuhrte Symposium Die Bedeutung Troias in der spaten Bronzezeit Bearbeiten Am 15 und 16 Februar 2002 kam es an der Universitat Tubingen zu einem offentlichen Symposium wo Befurworter und Kritiker sachlich miteinander diskutieren sollten und jeder Wissenschaftszweig seine Sicht auf das Problem darstellen konnte Als erstes stellten die Prahistoriker ihre Arbeit vor Dabei ging Manfred Korfmann noch einmal auf die Anschuldigungen und Angriffe ein Weitere Referenten waren Peter Jablonka Harald Hauptmann Hans Peter Uerpmann und Bernhard Hansel Danach folgten die klassischen Archaologen vertreten durch Dieter Hertel und Wolf Dietrich Niemeier Im dritten Abschnitt sprachen fur die Altorientalisten Frank Starke und Susanne Heinhold Krahmer Darauf folgten die Althistoriker die durch Gustav Adolf Lehmann und Frank Kolb vertreten wurden Den Schluss bildeten als funfte Gruppe die Homer Forscher vertreten durch Joachim Latacz und Wolfgang Kullmann Als Moderatoren fungierten Richard Kannicht und Wolfgang Rollig Als Abschluss gab es eine Podiumsdiskussion die von SWR ubertragen wurde Nachwirkung und weiterer Fortgang der Forschungen Bearbeiten nbsp Dieser Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen beispielsweise Einzelnachweisen ausgestattet Angaben ohne ausreichenden Beleg konnten demnachst entfernt werden Bitte hilf Wikipedia indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfugst Nach der Tagung erlahmte das Interesse der Offentlichkeit an der Debatte Ausserhalb der akademischen Kreise hat sich Korfmanns Position nicht zuletzt wegen der offensiven Medienprasenz Korfmanns und einiger popularer Unterstutzer weitgehend durchgesetzt unter Althistorikern dominiert hingegen Kolbs Ansicht und die Archaologen und Altorientalisten sind nach wie vor gespalten Der Streit zwischen Kolb und Korfmann setzte sich fort doch mit Korfmanns Tod 2005 erlahmte die fachliche Diskussion Wahrend der Grabungskampagne 2006 liess sich dann nach Ansicht der Ausgraber es handelte sich um Schuler und ehemalige Mitarbeiter Korfmanns die Fortsetzung dessen was Korfmann als bronzezeitlichen Befestigungsgraben der Unterstadt interpretiert hatte auch im Osten mit Richtungswechsel nach Norden nachweisen Eine Existenz der von Kolb angezweifelten grosseren Unterstadt ist daher zumindest moglich ein endgultiger Beweis steht jedoch noch aus da diese Interpretation der Befunde nach wie vor keineswegs von allen Experten geteilt wird 2010 erschien schliesslich Frank Kolbs Monographie Tatort Troia in der er sich mit den Interpretationen des Tubinger Troia Projektes auseinandersetzte 2 Literatur BearbeitenBeat Schweizer Tobias L Kienlin Das Troia Symposium in Tubingen Eine Diskussion um Geschichte und Archaologie Hephaistos 19 20 2001 2002 S 7 38 Christoph Ulf Hrsg Der neue Streit um Troia Eine Bilanz C H Beck Munchen 2003 ISBN 3 406 50998 3 Susanne Heinhold Krahmer Ist die Identitat von Ilios mit Wilusa endgultig bewiesen in Studi Micenei ed Egeo Anatolici 45 2004 S 29 57 online als PDF Gregor Weber Neue Kampfe um Troia Genese Entwicklung und Hintergrunde einer Kontroverse In Klio 88 2006 S 7 33 Um Neutralitat bemuhte Zusammenfassung der Debatte Stefanie Samida Archaologische Quellen Zwischen historischer Realitat und historischer Fiktion Anmerkungen zur Troia Debatte Archaologisches Korrespondenzblatt 36 2006 S 37 47 Martin Zimmermann Hrsg Der Traum von Troia Geschichte und Mythos einer ewigen Stadt C H Beck Munchen 2006 ISBN 978 3 406 54376 0 Frank Kolb Tatort Troia Geschichte Mythen Politik Ferdinand Schoningh Paderborn Munchen Wien Zurich 2010 ISBN 978 3 506 77009 7 Zuspitzende Zusammenfassung der Kritik Kolbs an Korfmann und seinen Schulern Peter Jablonka Rezension Frank Kolb Tatort Troia Geschichte Mythen Politik In Jahresschrift fur mitteldeutsche Vorgeschichte 92 2008 2011 S 527 555 online Heftige Kritik an Kolbs Positionen durch einen ehemaligen Mitarbeiter Korfmanns Weblinks BearbeitenDarstellung der Troja Kontroverse auf der Homepage des Institut fur Ur und Fruhgeschichte und Archaologie des Mittelalters an der Universitat Tubingen Perspektive von Manfred Korfmann 2001 Memento vom 17 November 2014 im Internet Archive Darstellung der Troja Kontroverse auf der Homepage des Instituts fur Alte Geschichte an der Universitat Tubingen Perspektive von Frank Kolb 2001 2011 Ruckblick Der Tubinger Kampf um Troia Memento vom 24 September 2015 im Internet Archive In Schwabisches Tagblatt 12 August 2005 Einzelnachweise Bearbeiten S dazu u a Heinhold Krahmer 2004 bes S 30f Stefanie Samida Heinrich Schliemann Tubingen Basel 2012 S 111 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tubinger Troja Debatte amp oldid 238588745