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Der Symbiosismus aus altgriechisch syn zusammen und bios Leben mit dem Derivationssuffix ismos gebildet Englisch symbiosism ist eine philosophische Denkrichtung darwinistischer Pragung welche sich mit Sprache Bewusstsein und der Position des Menschen in der Natur beschaftigt Nach symbiosistischem Verstandnis lasst sich die Sprache analog als ein biologischer Organismus genauer als mutualistischer Symbiont erklaren dessen Trager das menschliche Gehirn ist Sprache vermittelt Meme die kleinsten replizierbaren Elemente extra genetischer Information und ist daher von grosser Bedeutung in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit In der symbiosistischen Leidener Schule werden diese Meme als sprachliche Zeichen nach Saussure aufgefasst Inhaltsverzeichnis 1 Historische Entwicklung 2 Theoretische Positionen 2 1 Der memetische Organismus der Sprache 2 2 Meme und Bewusstsein 2 3 Religionskritik 2 4 Kritik an anderen linguistischen Stromungen 3 Literatur 4 EinzelnachweiseHistorische Entwicklung BearbeitenIn der fruhen Indogermanistik und Sprachwissenschaft im Allgemeinen existierten bereits Vorstellungen von der Sprache als Organismus dieses Gleichnis wurde beispielsweise von Wilhelm von Humboldt 1812 verwendet Erst August Schleicher bezeichnete die Sprache konkret als lebendiges Gewebe welches Prozessen der naturlichen Selektion unterworfen sei nachdem er Charles Darwins Buch Uber die Entstehung der Arten gelesen hatte Die modernere konkret symbiosistische Sprachphilosophie wurde von Frederik Kortlandt 1 in den fruhen 1980er Jahren in Leiden entwickelt Der Symbiosismus basiert auf Konzepten des Darwinismus der konstruktivistischen Mathematik und der Memetik nach Richard Dawkins und entwickelt diese weiter Auch die Arbeiten zur klassischen Logik welche der niederlandische Mathematiker L E J Brouwer verfasste konnen als Einfluss gezahlt werden Die prominentesten heutigen Vertreter des Symbiosismus aus der sogenannten Leidener Schule sind Frederik Kortlandt und George van Driem Theoretische Positionen BearbeitenDer memetische Organismus der Sprache Bearbeiten Sprache ist laut den Vertretern des Symbiosismus primar als ein Organismus zu verstehen welcher der naturlichen Selektion unterliegt und uber dessen Verhaltnis zu seinem menschlichen Trager verschiedene Ansichten existieren So argumentiert Kortlandt fur eine parasitische Natur der Sprache da die durch sie vermittelten Meme fatale Folgen fur den menschlichen Wirt haben konnen Laut van Driem handelt es sich bei Sprache eher um einen mutualistischen Symbiont da die Sprache selbst fur den menschlichen Wirt nicht schadlich sei und auch benigne memetische Konzepte oder memeplexes vermitteln kann sowie die fitness und damit die Uberlebenschancen einer Gruppe erhohe Er postuliert ferner die Geburt der Sprache war die Geburt des ersten Mems 2001 33 Die Definition des Mems im Oxford English Dictionary orientiert sich an der Position die Richard Dawkins in seinem Werk The Selfish Gene vertritt das Mem als kultureller Bestandteil welcher vor allem durch Nachahmung extragenetisch replizierbar sei Die Definition der Leidener Schule basierend auf van Driems Languages of the Himalayas definierte das Mem neu als eine neuroanatomische Verankerung der Bedeutung und der phonologischen Form einer linguistischen Einheit also als Zeichen nach Saussure Die units of imitation in der Oxforder Schule werden in der Leidener Schule als mimes bezeichnet welche vor wie nachsprachlich entstanden sein konnen wie etwa das Waschen von Reis durch Makaken oder Musik Linguistische Bedeutung wie sie auch das Zeichen nach Saussure darstellt basiert nach symbiosistischer Ansicht auf geschlossenen nicht konstruierbaren Mengen im logisch mathematischen Sinne Sprachliche Bedeutung unterliege aber nicht dem aristotelischen Prinzip des ausgeschlossenen Dritten tertium non datur Die Sprache aber lasst eine grossere Anzahl an Bedeutungsmoglichkeiten offen als es die Ja Nein Dichotomie der aristotelischen Logik erlauben wurde Diese Beobachtung wurde in der Mathematik bereits durch Brouwers intuitionistische Mengenlehre gemacht Meme und Bewusstsein Bearbeiten Die Beeinflussung des Menschen durch Meme wird im Symbiosismus als fundamentales Prinzip menschlichen Bewusstseins verstanden wir sind was wir glauben van Driem 2001 59 Wahrend die menschliche Physis auf genetischer Information basiert dient Sprache als Vehikel extra genetischer Information Der Mensch befinde sich so an der Schnittstelle zwischen memetischen und genetischen Informationen wobei die Menge der Meme oder der memetischen Information das menschliche Genom quantitativ ubersteige Religionskritik Bearbeiten In der symbiosistischen Philosophie tritt Religion am ehesten als Argument fur die parasitare Natur der Sprache auf und wird als pathologischer memeplex also als memetischer Komplex beschrieben Religiose Vorstellungen welche selbstlegitimierende Strukturen aufweisen benotigen Sprache als Vermittlungswerkzeug Die religiosen memeplexes vereinnahmen infolge von Indoktrination die menschlichen Gehirne und fuhren potentiell zu pathologischen bis zu fatalen Situationen religiosen Extremismus wie beispielsweise religios motivierte terroristische Anschlage oder Gruppenselbstmorde Generell hatten durch Sprache vermittelte Konzepte die zur Steigerung der Gruppenidentitat beitrugen eine wesentliche Rolle in der menschlichen Evolution und insbesondere bei der moglichen Ausrottung anderer Hominiden gespielt Dennoch hat gemass van Driem Religion nicht zwingend nur negative Auswirkungen auf den Menschen in dessen Gehirn sie sich festsetzt Kritik an anderen linguistischen Stromungen Bearbeiten Die symbiosistische Sprachphilosophie fasst Sprache weder als Organ noch als reines Werkzeug zur Informationsvermittlung auf Erstere Position ist eine in formalistisch generativistischen Theorien verbreitete Ansicht zweitere Vorstellung findet sich im europaischen linguistischen Strukturalismus Vor allem formalistische Theorien und deren Vertreter werden vom symbiosistischen Standpunkt abgelehnt und kritisiert da sie aufgrund ihrer grundlegenden Annahme semantische und syntaktische Phanomene der Sprache seien voneinander getrennte Einheiten die Erkenntnisse der Primatenforschung und Kritik in linguistischen Kontroversen wie sie beispielsweise durch die Debatte um die Piraha Sprache entstand fundamental missinterpretieren wurden und die in pseudowissenschaftlichen Jargon gekleideten Gelehrtenstreitigkeiten innerhalb des formalistischen Lagers bestenfalls einen geringen Beitrag zum Verstandnis der Sprache leisteten Jegliche linguistische Erklarung der Sprachevolution welche das Problem der linguistischen Bedeutung ignoriert sei daher nicht empirisch oder unvollstandig Im Zusammenhang mit der Sprachdokumentation uben Vertreter des Symbiosismus Kritik am platonischen Essentialismus da eine Sprache immer aus sich selbst und nicht mit vorgefertigten theoretischen Kategorien welche sich vielleicht beim Beschrieb anderer Sprachen als nutzlich erwiesen haben gedeutet werden sollte Literatur BearbeitenDawkins Richard 1976 The Selfish Gene Oxford University Press Oxford Kortlandt Frederik 1985 A parasitological view of non constructible sets In Gerhard Stickel Ursula Pieper Hrsg Studia linguistica diachronica et synchronica Berlin Mouton S 477 483 Kortlandt Frederik 2003 The Origin and Nature of the Linguistic Parasite In Brigitte L M Bauer Georges Jean Pinault Hrsg Language in Time and Space Berlin Mouton S 241 244 van Driem George 2001 Languages of the Himalayas An Ethnolinguistic Handbook of the Greater Himalayan Region containing an Introduction to the Symbiotic Theory of Language 2 Bande Leiden Brill van Driem George 2003 The Language Organism The Leiden theory of language evolution in Jiri Mirovsky Anna Kotesovcova und Eva Hajicova Hrsg Proceedings of the XVIIth International Congress of Linguists Prague July 24 29 2003 Prag Matfyzpress vydavatelstvi Matematicko fyzikalni fakulty Univerzity Karlovy van Driem George 2004 Language as organism A brief introduction to the Leiden theory of language evolution in Ying chin Lin Fang min Hsu Chun chih Lee Jackson T S Sun Hsiu fang Yang und Dah ah Ho Hrsg Studies on Sino Tibetan Languages Language and Linguistics Monograph Series W 4 Taipei Institute of Linguistics Academia Sinica S 1 9 van Driem George 2005 The language organism The Leiden theory of language evolution in James W Minett und William S Y Wang Hrsg Language Acquisition Change and Emergence Essays in Evolutionary Linguistics Hong Kong City University of Hong Kong Press S 331 340 van Driem George 2008 The language organism Parasite or mutualist in Rick Derksen Jos Schaeken Alexander Lubotsky Jeroen Wiedenhof und Sjoerd Siebinga Hrsg Evidence and Counter Evidence Studies in Slavic and General Linguistics vol 33 Amsterdam und New York Rodopi S 101 112 van Driem George 2015 Symbiosism Symbiomism and the perils of memetic management In Mark Post Stephen Morey und Scott Delancey Hrsg Language and Culture in Northeast India and Beyond Canberra Asia Pacific Linguistics S 327 347 Einzelnachweise Bearbeiten Frederik Kortlandt Herman Henri The origin and nature of the linguistic parasite S 241 244 in Brigitte Bauer Georges Jean Pinault Hrsg Language in Time and Space A Festschrift for Werner Winter on the Occasion of his 80th Birthday Mouton de Gruyter Berlin 2003 1 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Symbiosismus amp oldid 198241192