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Sophisma ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel Zum Trugschluss siehe Fehlschluss Sophismus Plural Sophismen seltener und fruher auch Sophisma Plural Sophismata von griechisch sofisma sophisma kluger Gedanke listig Erfundenes logischer Kunstgriff geschickter Trugschluss ist in der mittelalterlichen Logik und Grammatik ab dem spaten 12 Jahrhundert die Bezeichnung fur in ihrem Wahrheitswert zweideutige Aussagen und fur deren systematische Untersuchung mit dem Ziel die Zweideutigkeit durch geeignete Unterscheidungen zu beseitigen In neuzeitlicher philosophischer Literatur werden manchmal Trugschlusse die der bewussten Irrefuhrung dienen als Sophismen bezeichnet um sie von irrtumlichen Fehlschlussen zu unterscheiden Diese Definition knupft an eine antike Wortbedeutung an In der Neuzeit wurde das Fremdwort ins Deutsche ubernommen wobei sich die Form Sophismus durchsetzte Es wird bildungssprachlich abwertend im Sinne von Spitzfindigkeit oder Scheingrund verwendet Inhaltsverzeichnis 1 Antike 2 Mittelalter 3 Neuzeitliche Rezeption 4 Siehe auch 5 Quelle 6 Literatur 7 Weblinks 8 AnmerkungenAntike BearbeitenIm allgemeinen Sprachgebrauch wurde in der Antike das griechische Wort sophisma zur Bezeichnung von klugen oder listigen Einfallen verwendet In dieser Bedeutung kommt es schon bei Pindar vor 1 Ab dem Auftreten der Sophisten die in der zweiten Halfte des 5 Jahrhunderts v Chr grossen Einfluss gewannen burgerte sich eine Nebenbedeutung ein Man verstand nun unter Sophismata in einem speziellen Sinn die bei den Sophisten beliebten paradoxen Behauptungen und Scheinargumente die dazu dienten Zuhorer zu verwirren zu tauschen und zu uberreden Diese Bedeutung wurde fur alle Philosophenschulen massgeblich Aristoteles untersuchte die Trugschlusse der Sophisten in seinen Sophistischen Widerlegungen Er verwendete den Ausdruck Sophismata auch in seiner Politik Dort geht es nicht um logische Fehlschlusse sondern um Tricks mit denen die Regierenden ihre Absichten verschleiern um den nicht an der Macht beteiligten Teil der Burgerschaft zu ubervorteilen 2 Aus dem Griechischen wurde sophisma als Fremdwort ins Lateinische ubernommen Cicero erwahnte in seinem Dialog Lucullus leichtgewichtige Manner von denen gewisse verdrehte und spitzfindige Sophismata stammten dabei handle es sich um unbedeutende Fangschlusse fallaces conclusiunculae 3 Gellius berichtete in seinen Noctes Atticae von einem Gastmahl in Athen an dem nach der Auflosung eines einfachen sophisma gefragt wurde das lautet Wenn ich luge und dabei sage dass ich luge luge ich dann oder sage ich die Wahrheit 4 Mittelalter BearbeitenIm Mittelalter waren Fehlschlusse fallaciae ein wichtiges Thema im wissenschaftlichen Diskurs In diesem Kontext verwendete man den Ausdruck sophisma der bis zum spaten 12 Jahrhundert ausschliesslich negativ konnotiert war Wie in der Antike verstand man darunter eine scheinbar zwingende aber fehlerhafte Argumentation zum Zweck der Uberlistung eine von der Absicht der Irrefuhrung bestimmte Sonderart von Verstossen gegen die logische Form Ab dem spaten 12 Jahrhundert wurde jedoch eine neue Wortbedeutung gelaufig Ein Sophisma in diesem neuen Sinn ist nicht ein Trugschluss sondern ein Satz der als Ratsel enigma oder Dunkelheit obscuritas erscheint Die Ratselhaftigkeit beruht darauf dass der Satz an sich oder in seinen Konsequenzen einen unklaren mehrdeutigen Sinn hat Ein solcher Satz kann absurd oder paradox scheinen Er hat einen unklaren Wahrheitswert das heisst er ist je nach Interpretation wahr oder falsch Dies fuhrt dazu dass man anscheinend sowohl seine Wahrheit als auch seine Falschheit beweisen kann Der verwirrende Befund zeigt eine logische oder grammatische Schwierigkeit an Wenn es sich um ein grammatisches Problem handelt kann dieses syntaktisch oder semantisch sein Ein in scholastischen Lehrbuchern haufig angefuhrtes Beispiel ist der Satz Jeder Mensch ist notwendigerweise ein Lebewesen Hier wird gefragt ob die Aussage auch dann wahr ist wenn sie sich auf einen Zeitpunkt bezieht zu dem kein Mensch existiert In anderen Beispielen geht es um den Status von Aussagen uber Produkte der Phantasie die nicht existieren konnen Typus Die Chimare ist p oder uber nicht mehr Lebende Typus Caesar ist p 5 An den Artistenfakultaten der mittelalterlichen Universitaten diente die Diskussion solcher Sophismata zur Erwerbung der grammatischen und logischen Fahigkeiten die man benotigte um ein beliebiges Problem der scholastischen Wissenschaft bearbeiten zu konnen Die Auseinandersetzung mit den Paradoxien und Aporien der Sophismen zwang dazu Selbstverstandliches zu reflektieren Argumente zu analysieren Zweideutigkeiten und versteckte Schwierigkeiten im sprachlichen Ausdruck zu erkennen und verdeckte Grundannahmen ans Licht zu bringen Auf diese Art wurden die logischen und grammatischen Regeln eingeubt Damit sollten die Studenten befahigt werden eine philosophische Haltung einzunehmen sich prazise auszudrucken und stets auf die formale Korrektheit der Argumentation zu achten Zugleich schulte man sich in der Textauslegung 6 Im Unterricht wurden solche Aufgaben fur Ubungszwecke in Sammlungen zusammengestellt Besonders verbreitet war die mehr als 300 Beispiele umfassende Sammlung eines Magisters namens Richard der als Richard der Sophist oder Magister der Abstraktionen bekannt war Sie entstand im 13 Jahrhundert und wurde um die folgende Jahrhundertwende in Oxford zum Standard Textbuch Im 14 Jahrhundert schufen Johannes Buridan und Richard Kilvington bedeutende Sammlungen An den Universitaten von Paris und Oxford waren im Spatmittelalter Debatten uber Sophismata obligatorische Ubungen Das Ziel war dabei die Beseitigung der Zweideutigkeit durch geeignete Unterscheidungen Dies wurde mit grosser Ernsthaftigkeit und analytischer Scharfe betrieben Die schriftlich festgehaltenen Disputationen wurden zu einer besonderen Literaturgattung der Sophismataliteratur Dabei bezeichnete man als sophisma nicht nur den Satz der den jeweiligen Anlass der Erorterung bildete sondern auch die gesamte Disputation 7 Auch naturphilosophische Probleme boten Anlass zur Formulierung von Sophismata Dabei ging es nicht um die Frage ob die erorterten Annahmen physikalisch moglich sind sondern nur um die logische Stimmigkeit Ein ergiebiges Themenfeld waren Aussagen uber Kontinuitat Endlichkeit und Unendlichkeit 8 Neuzeitliche Rezeption BearbeitenNoch im spaten 15 und beginnenden 16 Jahrhundert war die Auseinandersetzung mit Sophismata ein Teil des Logikunterrichts im Universitatsbetrieb doch die humanistische Reformbewegung setzte der Behandlung solcher Themen im 16 Jahrhundert ein Ende Fur die Humanisten waren die spatmittelalterlichen Sophismata Zielscheibe des Spottes und der scharfen Kritik die sie gegen die scholastische Logik richteten Sie sahen darin sinnlose Spitzfindigkeiten 9 Im spaten 16 Jahrhundert wurde Sophisma aus dem Lateinischen ins Deutsche ubernommen Das Fremdwort wird seither bildungssprachlich verwendet vermehrt seit dem fruhen 18 Jahrhundert wobei sich seit dem Ende des 18 Jahrhunderts zunehmend die Form Sophismus durchgesetzt hat Die Bedeutung ist gewohnlich abwertend im Sinne von Klugelei Spitzfindigkeit Scheingrund Scheinbeweis 10 Im philosophischen Diskurs war die Terminologie in der Fruhen Neuzeit uneinheitlich Verbreitet war der synonyme Gebrauch der Ausdrucke Paralogismus formal falscher Schluss und Sophisma Allerdings unterschied Christian Wolff 1728 zwischen Sophisma als Fehlschluss dessen fehlerhafte Form versteckt auftritt und Paralogismus als Fehlschluss dessen Fehlerhaftigkeit nicht verdeckt wird 11 In diesem Sinne nahm spater Kant eine Unterscheidung vor Ein Trugschluss sei ein Paralogismus in so fern man sich selbst dadurch hintergeht ein Sophisma sofern man Andre dadurch mit Absicht zu hintergehen sucht 12 Diese Definitionen wurden in deutschen Lehrbuchern der Logik des ausgehenden 19 und beginnenden 20 Jahrhunderts ubernommen 13 In der Mediavistik ist die Erforschung der Sophismata nur langsam in Gang gekommen wobei Martin Grabmann eine Pionierrolle spielte Ein grosser Teil der umfangreichen Quellentexte ist noch nicht ediert und untersucht Besonderes Interesse finden die Ahnlichkeiten zwischen der mittelalterlichen Sophismataliteratur und Konzeptionen der modernen Logik und Semantik 14 Siehe auch BearbeitenTypen von ScheinargumentenQuelle BearbeitenAlain de Libera Hrsg Cesar et le phenix Distinctiones et sophismata parisiens du XIIIe siecle Scuola Normale Superiore Pisa 1991 ISBN 88 1642 027 4 kritische Edition Literatur BearbeitenUbersichtsdarstellungen Sten Ebbesen Sophisma Sophismen In Historisches Worterbuch der Philosophie Band 9 Schwabe Basel 1995 Sp 1069 1075 Peter Schulthess Sophismen Abstractiones In Alexander Brungs u a Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie des Mittelalters Band 4 2 Schwabe Basel 2017 ISBN 978 3 7965 2626 8 S 1247 1250 Joke Spruyt Sophismen In Lexikon des Mittelalters Band 7 LexMA Munchen 1995 ISBN 3 7608 8907 7 Sp 2052 2054 Gereon Wolters Sophisma In Jurgen Mittelstrass Hrsg Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie 2 neu bearbeitete Auflage Band 7 Metzler Stuttgart 2018 ISBN 978 3 476 02106 9 S 423 425 Mikko Yrjonsuuri Sophisms In Henrik Lagerlund Hrsg Encyclopedia of Medieval Philosophy Band 2 Springer Dordrecht u a 2011 ISBN 978 1 4020 9728 7 S 1207 f Aufsatzsammlung Stephen Read Hrsg Sophisms in Medieval Logic and Grammar Kluwer Dordrecht u a 1993 ISBN 0 7923 2196 0Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Sophismus Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen nbsp Wiktionary Sophisma Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Eintrag in Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Vorlage SEP Wartung Parameter 1 und weder Parameter 2 noch Parameter 3Anmerkungen Bearbeiten Belege bei Henry George Liddell Robert Scott A Greek English Lexicon 9 Auflage Oxford 1996 S 1622 Rolf Geiger sophistike Sophistik In Otfried Hoffe Hrsg Aristoteles Lexikon Kroners Taschenausgabe Band 459 Stuttgart 2005 S 530 f Cicero Lucullus 75 Gellius Noctes Atticae 18 2 10 Sten Ebbesen Sophisma Sophismata In Historisches Worterbuch der Philosophie Bd 9 Basel 1995 Sp 1069 1075 hier 1071 Peter Schulthess Sophismata Abstractiones In Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie des Mittelalters Bd 4 2 Basel 2017 S 1247 1250 hier 1247 Peter Schulthess Sophismata Abstractiones In Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie des Mittelalters Bd 4 2 Basel 2017 S 1247 1250 hier 1247 f Peter Schulthess Sophismata Abstractiones In Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie des Mittelalters Bd 4 2 Basel 2017 S 1247 1250 Stephen Read Introduction In Stephen Read Hrsg Sophisms in Medieval Logic and Grammar Dordrecht 1993 S XI XVII hier XV Sten Ebbesen Sophisma Sophismata In Historisches Worterbuch der Philosophie Bd 9 Basel 1995 Sp 1069 1075 hier 1074 Otto Basler Hrsg Deutsches Fremdworterbuch Bd 4 Berlin 1978 S 270 Klaus Konhardt Paralogismus In Historisches Worterbuch der Philosophie Bd 7 Basel 1989 Sp 107 115 hier 111 Immanuel Kant Logik Ein Handbuch zu Vorlesungen In Kant s Werke Akademie Ausgabe Bd 9 Berlin Leipzig 1923 S 1 150 hier 134 f Klaus Konhardt Paralogismus In Historisches Worterbuch der Philosophie Bd 7 Basel 1989 Sp 107 115 hier 114 Sten Ebbesen Sophisma Sophismata In Historisches Worterbuch der Philosophie Bd 9 Basel 1995 Sp 1069 1075 hier 1069 1074 Gereon Wolters Sophisma In Jurgen Mittelstrass Hrsg Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie 2 neu bearbeitete Auflage Bd 7 Stuttgart 2018 S 423 425 hier 424 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sophismus amp oldid 233265951