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Sectio canonis lateinisch im Original altgriechisch Katatomh kanonos Die Teilung des Kanons ist ein Werk der Musiktheorie im antiken Griechenland das der Mathematiker Euklid von Alexandria um 300 v Chr verfasst hat Inhaltsverzeichnis 1 Einordnung und Abgrenzung innerhalb der griechischen Musiktheorie 2 Gliederung und Inhalt 2 1 Kurze Einfuhrung in die allgemeine und die pythagoraische Musiktheorie 2 2 Neun mathematische Hilfssatze 2 3 9 musiktheoretische Satze 2 4 Tonsystemdarstellung 3 Uberlieferung und Weiterleben 4 Textausgaben und Ubersetzungen 5 Literatur 6 EinzelnachweiseEinordnung und Abgrenzung innerhalb der griechischen Musiktheorie BearbeitenDer in der Harmonielehre so wichtige Begriff der Konsonanzen altgriechisch symfwnos symphōnos deutsch zusammenklingend wurde bereits in der langen Geschichte der Musik der griechischen Antike entwickelt Die Konsonanzen sind besondere Intervalle die sich dadurch auszeichnen dass die Schwingungszahl der Primartone in einfachen Zahlenverhaltnissen stehen Oktave 1 2 Quinte 2 3 Quarte 3 4 und dass sie dem menschlichen Ohr besonders angenehm klingen 1 Zwar konnte die Schwingungszahl von einem antiken Musiker nicht gemessen werden aber bei der Realisierung der konsonanten Intervalle auf dem Monochord auch als Kanon bezeichnet waren die Saitenlangen den Tonhohen umgekehrt proportional 2 und standen damit in denselben einfachen Zahlenverhaltnissen Das hat schon im 6 Jahrhundert v Chr die Pythagoreer dazu angeregt eine mathematisch fundierte Harmonielehre zu entwickeln 3 Allerdings kamen sie damit in Widerspruch zu Musiktheoretikern die einem horpsychologischen Ansatz folgten und das akustisch mathematische Denken als disziplinfremd und spekulativ ablehnten 4 Aristoxenos stellt diese Grundhaltung in seinen Elementa harmonica dar die er Ende des 4 Jahrhunderts v Chr verfasste Etwa eine Generation spater schuf Euklid wohl im Widerspruch zu Aristoxenos mit der Sectio Canonis eine knappe exakt formulierte und mit mathematischen Beweisen gestutzte Darstellung der wichtigsten Thesen der Pythagoreer Gliederung und Inhalt BearbeitenIm Folgenden werden die Textstellen nach der Edition von Heinrich Menge lokalisiert Die Ubersetzung in die deutsche Sprache folgt weitgehend Wilfried Neumaier Was ist ein Tonsystem In einigen Fallen wird die Ubersetzung in die englische Sprache von Andre Barbera herangezogen Der Text gliedert sich in vier Teile Kurze Einfuhrung in die allgemeine und die pythagoreische Musiktheorie 9 mathematische Hilfssatze 9 musiktheoretische Satze 2 Kapitel mit der TonsystemdarstellungKurze Einfuhrung in die allgemeine und die pythagoraische Musiktheorie Bearbeiten Euklid fuhrt Klange auf die Bewegung zuruck hohe Klange auf schnelle tiefe Klange auf langsame Durch Erhohung bzw Erniedrigung gehen die Klange ineinander uber sie sind also aus Teilen zusammengesetzt Was aber aus Teilen zusammengesetzt ist kann nach Art der Zahlen beschrieben werden Also werden Klange durch Zahlen oder Zahlenverhaltnisse beschrieben Die Zahlenverhaltnisse sind aber das Vielfache das Uberteilige lat superparticularis das Mehrfachteilige lat superpartiens Konsonanten werden dadurch spezifiziert dass sie eine angenehm klingende Vermischung aus zwei Klangen sind und ihre Zahlen ein Vielfaches oder Uberteiliges Neun mathematische Hilfssatze Bearbeiten In den folgenden neun Kapiteln werden Satze uber Intervalle altgriechisch diastῃma diastema deutsch Zwischenraum Abstand aufgestellt und bewiesen Aber wenn auch jedes Kapitel mit diesem Begriff beginnt Wenn ein vielfaches Intervall Uberteilige Intervalle haben so wird er doch nicht definiert und war auch in der Einleitung nicht erwahnt worden Es ist ein undefinierter Begriff dessen Bedeutung aus dem Kontext ermittelt werden muss 5 Danach kann je 2 Tonen A B die durch naturliche Zahlen bestimmt sind ein Intervall zugeordnet werden und dieses ist durch das Verhaltnis vom hoheren zum tieferen Ton charakterisiert AB 6 Hinter dieser Quantifizierung der Tone steht die Vorstellung von den Saitenlangen die sich bei ihrer Realisierung auf dem Monochord ergeben 7 Dies wird aber an keiner Stelle angesprochen Die Intervalle konnen in Bezug gesetzt werden zu Euklids Elementen Buch V Definitionen 8 Wahrend dort allgemein Grossen und das Verhaltnis von Grossen behandelt werden beschrankt sich die Sectio canonis auf Vielfache Verhaltnis n 1 und Uberteilige Verhaltnis n 1 n In den Elementen Buch V Def 6 wird auch die Proportion definiert die in der sectio canonis eine wichtige Rolle spielt ohne definiert zu sein In Proportion stehen Grossen die dasselbe Verhaltnis haben Zwei Intervalle mit gemeinsamen Mittelton werden durch Multiplikation ihrer Verhaltnisse addiert z B Quarte 4 3 Quinte 3 2 ergibt 4 3 3 2 2 1 Oktave 9 Besonders wichtig sind die Kapitel III und IX Diese ubernahm Anicius Manlius Severinus Boethius in sein Werk De institutione musica Kapitel III Bei einem ubertheiligen Intervall wird weder eine noch werden mehrere mittlere Zahlen proportionaliter dazwischen gesetzt werden konnen Oscar Paul Ubersetzung Zur Erlauterung 10 Fur die jeweils kleinsten naturlichen Zahlen A B in einem uberteiligen Verhaltnis n 1 n wie 3 2 4 3 gibt es keine naturliche Zahl C die zwischen A und B gesetzt werden konnte A C C B n 1 n ist also nicht moglich Fur ein grosseres Intervall im selben Verhaltnis wie 6 4 12 8 gibt es zwar naturliche Zahlen D zwischen A und B diese sind aber nicht proportional es gilt also nicht A D D B weil auch das kleinere Intervall keine solche proportionale Zahl hat Dieser Beweis wird allerdings den Elementen VIII 8 uberlassen Da aber die Gleichung A D D B leicht umgeformt werden kann in D A B displaystyle D sqrt AB nbsp bzw C n n 1 displaystyle C sqrt n n 1 nbsp ist zu sehen dass es durchaus solche Zahlen gibt sie gehoren aber nicht zu den naturlichen Zahlen Schon Boethius schreibt diese Vorstellungen die aus dem Raum der naturlichen Zahlen herausfuhren zu den irrationalen Zahlen dem Musiktheoretiker Archytas von Tarent zu Die Verbindung zwischen seinen erhaltenen Schiften und diesem Werk ist aber umstritten 11 Kapitel IX wird von Boethius wie folgt wiedergegeben Sechs Sesquioctav Proportionen sind grosser als ein doppeltes Intervall Erlauterung 6 Intervalle AB BC CD DE EF FG die jeweils in dem uberteiligen Verhaltnis 9 8 stehen sind grosser als das vielfache Intervall AF F zwischen F und G im Verhaltnis 2 1 denn die Gesamtgrosse der Intervalle berechnet sich durch Multiplikation zu 9 6 8 6 displaystyle 9 6 8 6 nbsp und das ist grosser als 2 Euklid rechnet das Schritt fur Schritt ausgehend von A 262144 8 6 displaystyle 8 6 nbsp und B 294912 A 9 8 durch 9 musiktheoretische Satze Bearbeiten Darauf folgen 9 Satze mit konkreten musikalischen Aussagen Es werden die Tonnamen verwendet mese nete proslambanomenos ebenso die musikalischen Intervallnamen Diapason Oktave Diapente Quinte Diatessaron Quarte Bei den Beweisen wird auf die vorangegangenen Hilfssatze verwiesen Im Kapitel XIII taucht zum ersten Mal in der Schrift das Intervall tonwn Ton Ganzton auf wahrend vorher nur Klang und Intervall verwendet wurde Im Kapitel VIII war das sesquioctav 9 8 als Differenz der Intervalle Quinte 3 2 und Quarte 4 3 eingefuhrt worden Dies wird jetzt im Kapitel XIII auf Musikintervalle ubertragen und der Ton als Differenz von Diapente und Diatessaron definiert In Kapitel XVI wird ausgefuhrt dass gemass Kapitel III dem Ton mit seinem uberteiligen Verhaltnis 9 8 keine mittlere Zahl proportionaliter dazwischen gesetzt werden kann der Ton also nicht in zwei gleiche Teile geteilt werden kann Hiermit wird die pythagoreische Aussage klar wiedergegeben eine musikalische Darstellung ist nicht moglich wenn sie mit den verfugbaren mathematischen Definitionen nicht zu fassen ist 12 So steht Euklid im Widerspruch zum agierenden Musiker der auf seinem Monochord beliebige Tone erzeugt und mit seinem geschulten Gehor beurteilt und insbesondere zur Musiktheorie des Aristoxenos die den Ton halbiert drittelt usw 13 Mit der gleichen Argumentation wird in Kapitel XVIII die Aufteilung des pyknon wie sie von Aristoxenos vorgenommen wird verworfen In Kapitel XIV wird der Hilfssatz IX auf Musikintervalle ubertragen und postuliert dass die Oktave kleiner ist als 6 Tone im Verhaltnis 9 8 Darauf und auf die vorangehenden Satze uber Quarten und Quinten aufbauend wird in Kapitel XV bewiesen dass die Quarte weniger als 2 und die Quinte weniger als 3 Tone gross ist auch das im Gegensatz zu Aristoxenos Euklids Aussage ist vom Standpunkt einer naturlichen auf der Akustik basierten Stimmung der Klange vollstandig richtig wahrend Aristoxenos eine gleichschwebende temperierte Stimmung zu Grunde legt 14 Tonsystemdarstellung Bearbeiten Kapitel XIX und XX enthalten die Darstellung eines Tonsystems einer Teilung des Kanons In knappen Worten wird die Saite des Kanons halbiert drei oder vierfach unterteilt und so der konsonante Klang der Oktave Quinte oder Quarte erzeugt Uber die zugrunde liegende Struktur Tetrachorde Tongeschlechter erfahren wir nichts sie werden als bekannt vorausgesetzt 15 Folgt man den etwas schwerfalligen Ausfuhrungen Kapitel XIX teilt man CB im Punkt Z in zwei gleiche Teile dann ist CB doppelt so gross wie ZB und CB und ZB stehen im Verhaltnis der Oktave und ordnet die erwahnten Tone und Intervalle nach Grosse so ergibt dies ein Tonsystem mit dem Aufbau Quarte Quarte Diazeuxis trennender Zwischenton Quarte Quarte Bombyx tiefster Ton Die Quarte hat dabei die Struktur Ton Ton Restintervall Limma In Kapitel XV war gezeigt worden dass das Restintervall kleiner als ein Halbton ist auf seine Berechnung geht Euklid aber nicht ein Uberlieferung und Weiterleben BearbeitenIm Kommentar des Porphyrios zur Harmonielehre des Ptolemaus finden sich zahlreiche Parallelen zum Werk des Euklid 16 Anicius Manlius Severinus Boethius nahm in sein Werk De institutione musica Buch IV 1 2 eine Ubersetzung des Einfuhrungstextes und der ersten IX Kapitel in die lateinische Sprache auf 17 Allerdings nennt er seine Quelle nicht 1895 editierte Carl von Jan den Text Er zog dazu mehrere Handschriften aber auch den Kommentar des Porphyrios heran 18 Unter Zugrundelegung dieser Edition erstellte Heinrich Menge 1916 eine Ubersetzung in die lateinische Sprache und Andrew Barker 1989 eine Ubersetzung ins Englische Textausgaben und Ubersetzungen BearbeitenAndrew Barker The Euclidean Sectio Canonis In Greek Musical Writings Volume II Cambridge 1989 Carl von Jan Musici scriptores graeci Leipzig 1895 Heinrich Menge Sectio canonis In EUCLIDIS Phaenomena et Scripta Musica Leipzig 1916 Literatur BearbeitenAndre Barbera The Euclidean Division of the Canon Greek and Latin Sources Lincoln London 1991 Annemarie Jeanette Neubecker Altgriechische Musik Darmstadt 1977 Daniel Heller Roazen Der funfte Hammer Frankfurt am Main 2014 Wilfried Neumaier Was ist ein Tonsystem Frankfurt am Main 1986 Einzelnachweise Bearbeiten Heinrich Husmann Vom Wesen der Konsonanz Heidelberg 1953 Heinrich Husmann Grundlagen der antiken und orientalischen Musikkultur Berlin 1961 S 9 Annemarie Jeanette Neubecker Altgriechische Musik S 16f bis Ende des Kapitels Wilfried Neumaier Was ist ein Tonsystem S 171f Wilfried Neumaier Was ist ein Tonsystem S 119 Wilfried Neumaier Was ist ein Tonsystem S 120 Annemarie Jeanette Neubecker Altgriechische Musik S 115 Wilfried Neumaier Was ist ein Tonsystem S 121 Wilfried Neumaier Was ist ein Tonsystem S 121 Andrew Barker The Euclidean Sectio Canonis S 195 Anm 12 13 W R Knorr The evolution of the Euclidean Elements VII I The Theorem of Archytas and the epimoric ratios Daniel Heller Roazen Der funfte Hammer Drittes Kapitel Andrew Barker The Euclidean Sectio Canonis S 202 Anm 51 Rudolf Westphal Die Musik des Griechischen Altertums Euklid S 244f bis Ende des Kapitels Wilfried Neumaier Was ist ein Tonsystem S 133 137 Andre Barbera The Euclidean Division of the Canon Greek and Latin Sources S 46ff S 80 94 Andre Barbera The Euclidean Division of the Canon Greek and Latin Sources S 38 Heinrich Menge Sectio canonis Praefatio VII IX Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sectio canonis amp oldid 233853566