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Sulchen ist eine Wustung im Nordosten der Stadt Rottenburg am Neckar im Landkreis Tubingen Baden Wurttemberg Von der Existenz der ehemaligen Siedlung zeugen noch heute eine Kirche in uberbauter Form und ein Friedhof Die Siedlung selbst ist vermutlich im 13 Jahrhundert abgegangen Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Der Name Sulchen 3 Sulchenkirche 4 Die Klause von Sulchen 5 Der Friedhof 6 Der Meinradweg 7 Literatur 8 Einzelnachweise 9 WeblinksGeschichte Bearbeiten nbsp Die SulchenkircheErstmals erwahnt wird der Ort Sulchen als Sulichi n in der von Monchen des Klosters St Gallen verfassten Lebensgeschichte des heiliggesprochenen Meinrad von Einsiedeln Anfang des 10 Jahrhunderts Dieser Legende nach soll St Meinrad aus dem von alters her Sulchgau genannten Landstrich stammen der nach dem Ort Sulchen benannt worden sei 1 Archaologische Untersuchungen weisen auf eine fruhere Entstehungszeit von Sulchen In fruhalamannischer Zeit im 4 und 5 Jahrhundert entstand in unmittelbarer Nahe der spateren Sulchenkirche eine Siedlung 2 Deutlich ist auch dass die Wustung Sulchen mehr war als eine der ublichen landlichen Siedlungen So ist die Siedlungsflache ungewohnlich gross und auch die Architektur mit karolingerzeitlichem Steinbau und hochmittelalterlichen Steinkellern fallt aus dem Rahmen Bei Ausgrabungen in der Kirche wurden Reste alterer Vorgangerbauten erfasst deren altester bis in die Zeit um 600 zuruckreicht und an der Stelle eines alteren merowingerzeitlichen Bestattungsplatzes angelegt wurde 3 Im hohen Mittelalter erscheint Sulchen in verschiedenen Urkunden erstmals in einer Schenkungsurkunde des Konigs Heinrich IV aus dem Jahr 1057 in der die bischofliche Kirche in Speyer das Gut Sulchen als Eigentum erhalt 4 Auch aufgrund dieser Urkunde lasst sich vermuten dass Sulchen zuvor frankisches Konigs bzw Herzogsgut gewesen sein konnte Das Bistum Speyer verlieh die neu erworbenen Guter teilweise an das im Sulchgau ansassige Grafengeschlecht der Hessonen Sulchen wurde im 11 Jahrhundert zu einem Herrschaftszentrum dieser Adelsfamilie Noch um das Jahr 1075 nennt sich ein Abkommling dieser Familie Dominus Ezzo de Sulichin dt Esso Herr von Sulchen Das Erdbeben von Verona 1117 scheint auch in Sulchen zu Zerstorungen gefuhrt zu haben 5 und konnte eine Rolle bei dem Niedergang des Ortes gespielt haben Mit der Grundung der Stadt Rottenburg um 1280 durch die Grafen von Hohenberg verlor Sulchen in weltlicher Hinsicht ganz an Bedeutung und wurde zur Wustung Die alte Gemarkung ging in der heutigen Stadt Rottenburg auf Die jungsten Belege der Existenz der Siedlung stammen aus dem 13 Jahrhundert so wird 1286 noch Berthold Schmied von Sulchen als Zeuge in einer Urkunde genannt Die altere Forschung hat hier haufig ubersehen dass sich eine Niederadelsfamilie von Sulchen nannte 6 Der Name Sulchen BearbeitenVermutlich weist die Bezeichnung Sulchen nach dem althochdeutschen Wort sul oder sol Suhle Lache auf die geographische Lage der ehemaligen Siedlung im Sumpfigen ahdt sulika hin Die lange Zeit vorherrschende Meinung dass sich der Name Sulchen auf die ehemalige romische Siedlung Sumelocenna in der Nahe von Rottenburg am Neckar beziehen konnte gilt mittlerweile mangels eindeutiger archaologischer Nachweise und aufgrund etymologischer Bedenken als strittig 7 Sulchenkirche Bearbeiten nbsp Friedhof bei der SulchenkircheDie heutige Friedhofskirche war die Mutterkirche der Stadt Rottenburg am Neckar Sie kann als eine der Urkirchen in der Region gelten Die derzeitigen archaologischen Untersuchungen im Umfeld der Kirche bestatigen die Vermutung dass die Ursprunge der Sulchenkirche bis ins 6 Jahrhundert zuruck reichen konnten Moglicherweise war sie ehemals Bestandteil eines frankischen Herrenhofs in dessen Umgebung sich die Siedlung Sulchen entwickelt hatte Die Kirche wurde im Jahr 1513 im spatgotischen Stil umgebaut und St Johann Baptist gewidmet Dabei wurden Teile einer alteren romanischen Dreiapsidenkirche uberbaut die noch 1293 in einer Urkunde des Bischofs von Konstanz als St Martinskirche bezeichnet wurde 8 Teile dieser alten Kirche sind bis heute erhalten geblieben wie die Nordseite des Langhauses aus dem Jahr 1181 das Treppenturmchen zwischen dem Turm und dem Chor der ganze Ostgiebel des Langhauses sowie ein grosser Teil der Westfassade Bei dem Umbau wurde die Sudwand um etwa 2 5 Meter nach aussen versetzt die Westfassade erneuert sowie die Fenster im Chor und im Langhaus vergrossert und mit spatgotischen Masswerkfullungen versehen Die Kirche blieb jedoch einschiffig mit einer flachen Holzdecke und eingezogenem Chor 1761 wurde die Kirche nochmals umfassend renoviert 1868 erhielt sie eine neue Bedeutung als Grablege der Rottenburger Bischofe Es wurde eine Gruft unter dem Chor angelegt und 1885 der Turm mit einem Glockengeschoss aus Tuffstein erhoht Weitere Renovierungen folgten 1935 und 1977 bei denen die neugotische Ausstattung des 19 Jahrhunderts wieder entfernt wurde Dafur wurde 1935 der Hochaltar im Renaissancestil nach einem Entwurf des Architekten August Koch gefertigt durch den Bildhauer Walz aufgestellt 9 Auch die Epitaphe der Bischofe fanden vor allem in Chorraum ihren Platz Die Grablege der Bischofe der Diozese Rottenburg Stuttgart befindet sich in der Gruft unter der Kirche Das Seligsprechungsverfahren fur Joannes Baptista Sproll wurde am 9 Mai 2011 in der Kirche eroffnet Wegen Wasserschaden musste die Bischofsgruft von 2011 bis 2017 umfassend saniert werden Neben zahlreichen Grabern wurde die Vorgangerkirche mit drei Apsiden aus dem 9 Jahrhundert gefunden Sie hat grosse Ahnlichkeit mit dem Plan der Klosterkirche St Johann in Mustair Wegen der Bedeutung dieses Funds wurden die Sanierungsplane umfassend geandert Die Grablege der Bischofe wurde nun in eine neue Unterkirche unter dem Kirchenschiff verlegt Dadurch konnten umfassend Fundamente freigelegt werden 10 Geborgene Funde belegen dass im Umfeld des heutigen Kirchenbaus seit 1 500 Jahren Bestattungen stattfanden Besonders eindrucksvoll ist die Kontinuitat von der merowingerzeitlichen Bestattungsweise auf einem Graberfeld und daruber aufbauender karolingerzeitlicher Bestattungsweise mit Bau eines moglicherweise als Kirche zu interpretierenden Steinbaus was die fruheren Graber teils nachtraglich in sakralen Bezug bringt Es handelt sich hierbei um eine fur Baden Wurttemberg besondere Tradition 11 Dem Grab eines etwa sechsjahrigen Madchens wurden um das Jahr 600 eine moglicherweise als christliche Beigabe zu deutende Zierscheiben in Kreuzform beigelegt Gleichzeitig verweisen die Beigaben von Speisen und einer Munze auf noch heidnische Brauche Auch eine Frau die in der ersten Halfte des 7 Jahrhunderts beerdigt wurde erhielt als Grabbeigabe ein heidnisches Amulett aber auch eine bronzene Zierscheibe mit einem ausgesparten Kreuz Unter der Kirche wurde eine Aussenstelle des Diozesanmuseums eingerichtet sie ist nur mit Fuhrung zuganglich Dort konnen Besucher neben den Relikten der drei Vorgangerbauten auch Funde der reichen Grabausstattungen sehen wie Kleidungsreste kunstvolle Halsketten einen Beschlag mit Pferdedarstellungen einen Kamm oder exquisite Ohrringe mit byzantinischen Vorbildern Die Klause von Sulchen Bearbeiten1323 wurde der leerstehende Pfarrhof von einer Beginen Niederlassung besiedelt Der Konvent schloss sich 1384 dem Dritten Orden des hl Franziskus an und wurde spater in die Strassburger Provinz aufgenommen Trotz zahlreicher Schenkungen im 15 und 16 Jahrhundert blieb die Klause in Sulchen klein In der Zeit der Reformation um 1525 40 verliessen mehrere Schwestern das Kloster heirateten und liessen sich in Rottenburg nieder Im Laufe des 16 Jahrhunderts verschlechterte sich die finanzielle Situation immer mehr weshalb die Stadt dem Kloster 1627 und 1630 Almosen und Brennholz bewilligte Durch kriegerische Uberfalle 1631 und 1643 wurde die Klause vollig zerstort aufgehoben und mit dem Konvent der Oberen Klause in Rottenburg vereinigt Die alte Kirche diente allerdings weiter als Friedhofskirche und noch bis Ende des 18 Jahrhunderts als Pfarrkirche fur Seebronn Wendelsheim und Kiebingen Sie wurde von Geistlichen der St Martinsgemeinde in Rottenburg betreut Der Friedhof BearbeitenAuf dem Friedhof bei der Sulchen wurden folgende bekannte Personlichkeiten bestattet Kurt Frank 1926 in Tubingen 1995 ebenda deutscher Maler Josef Eberle 1901 in Rottenburg am Neckar 1986 in Samedan schwabischer Schriftsteller Verleger und PhilanthropDer Meinradweg BearbeitenDer Meinradweg ist ein Radweg benannt nach dem Heiligen Meinrad und verbindet mit einer Gesamtstrecke von 275 km den Geburtsort Sulchen eine Wustung im Nordosten der Stadt Rottenburg am Neckar mit dem Kloster Einsiedeln der grossten Wallfahrtsort in der Schweiz Auf der Gesamtstrecke sind ca 3 300 Hohenmeter zu bewaltigen extreme Anstiege gibt es bei der letzten Etappe zwischen Fischingen und Einsiedelei Die Gesamtstrecke ist bei moderater Reisegeschwindigkeit in vier bis funf Tagesetappen zu schaffen Er geht von der Sulchenkirche uber Erzabtei Beuron Etappe 1 mit 80 km uber die Insel Reichenau Etappe 2 mit ebenfalls 80 km zum Benediktinerkloster Fischingen mit 60 km als Etappe 3 Die vierte Etappe zwischen Fischingen und Einsiedeln mit noch mal 60 km ist aufgrund der Passhohen Hufftegg 934 m und Etzelpass 950 m die anspruchsvollste Etappe des Weges 12 Literatur BearbeitenHerbert Aderbauer Harald Kiebler Hrsg Die Sulchenkirche bei Rottenburg Fruhmittelalterliche Kirche alte Pfarrkirche Friedhofskirche bischofliche Grablege Lindenberg i Allgau 2018 ISBN 978 3 95976 102 4 Uwe Gross Erhard Schmidt Archaologische Untersuchungen im Randbereich des abgegangenen Dorfes Sulchen bei Rottenburg PDF 5 MB In Der Sulchgau 47 48 Band Rottenburg am Neckar 2003 2004 Dieter Manz Aus den Veranstaltungskalendern 1999 2003 Stadt Rottenburg Rottenburg am Neckar 2004 ISBN 3 89570 922 0 Rottenburger Miniaturen 4 Dieter Manz Kloster in Rottenburg am Neckar Stadt Rottenburg am Neckar Kulturamt Rottenburg am Neckar 1990 Erhard Schmidt Archaologische Untersuchungen im Siedlungsgebiet des abgegangenen Dorfes Sulchen auf Gemarkung Rottenburg In Der Sulchgau Jg 33 1989 ISSN 0940 4325 S 13 21 Joachim Wenz Ein aussergewohnlicher Ort Geschichte und Ausstattung der neuen Bischofsgrablege in der Sulchenkirche bei Rottenburg am Neckar 1869 2017 In Das Munster 4 2018 S 352 357 Einzelnachweise Bearbeiten O Holder Egger Hrsg Vita Meginrati In Monumenta Germaniae Historica MGH Scriptorum Tomi XV Pars I 1887 S 444f praedictus vir Meginratus in Alemannia pago natus est quem ex villa Sulichi Sulichkewe vocavit antiquitas Mogliche Ubersetzung Vorgenannter Mann Meinrat ist in einem alemannischen Landstrich geboren worden der in alten Zeiten nach dem Ort Sulchen Sulchgau genannt wurde Uwe Gross Erhardt Schmidt Archaologische Untersuchungen im Randbereich des abgegangenen Dorfes Sulchen bei Rottenburg In Der Sulchgau Bd 47 48 2003 2004 Rottenburg Neckar 2004 S 1 14 Herbert Aderbauer Harald Kubler Hg Die Sulchenkirche bei Rottenburg Fruhmittelalterliche Kirche alte Pfarrkirche Friedhofskirche bischofliche Grablege Lindenberg i Allgau Kunstverlag Josef Fink 2018 Wirtembergisches Urkundenbuch Band I Nr 230 Stuttgart 1849 S 273 f Digitalisat Onlineausgabe predium Svlicha nominatum in pago Svlichgovve in comitatu Hessonis comitis situm mogliche Ubersetzung Das Gut mit dem Namen Sulchen im Landstrich Sulchgau gelegen in der Grafschaft des Hesso Thomas Glade Malcolm Anderson Michael J Crozier Landslide Hazard and Risk John Wiley and Sons 2005 ISBN 0 471 48663 9 S 261 Seite 261 in der Google Buchsuche Herbert Aderbauer Harald Kubler Hg Die Sulchenkirche bei Rottenburg Fruhmittelalterliche Kirche alte Pfarrkirche Friedhofskirche bischofliche Grablege Lindenberg i Allgau Kunstverlag Josef Fink 2018 Franz Quarthal Der heilige Meinrad und der Sulchgau In Ulrich Sieber Hrsg Ortsnamenforschung in Sudwestdeutschland Eine Bilanz Stuttgart 2000 ISBN 3 926269 31 6 S 76 Siehe auch Lutz Reichhardt Ortsnamenbuch des Ostalbkreises Tl 2 Stuttgart 1999 S 331 Wirtembergisches Urkundenbuch Band X Nr 4386 Stuttgart 1909 S 143 Digitalisat Onlineausgabe Herbert Hoffmann Werke der Kunst in und um Rottenburg in Rottenburg am Neckar Bilder einer Stadt 1974 ISBN 3 87437 109 3 Missionszentrum Herrschaft Bischofssitz Nicht mehr online verfugbar In Diozese Rottenburg Stuttgart 28 September 2012 ehemals im Original abgerufen am 31 Dezember 2012 1 2 Vorlage Toter Link www drs de Seite nicht mehr abrufbar Suche in Webarchiven nbsp Info Der Link wurde automatisch als defekt markiert Bitte prufe den Link gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis Beate Schmid Die archaologische Ausgrabung in der Sulchenkirche Neue Erkenntnisse neue Fragen In Herbert Aderbauer Harald Kiebler Hrsg Die Sulchenkirche bei Rottenburg Kunstverlag Josef Fink Lindenberg i Allgau 2018 S 14 53 Willkommen auf dem Meinradweg Abgerufen am 16 Oktober 2019 deutsch Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Sulchen Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien 48 485555555556 8 9488888888889 Koordinaten 48 29 8 N 8 56 56 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sulchen amp oldid 229917649