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Der spatpalaolithisch mesolithische Fundplatz Russelsheim 122 beim sudhessischen Russelsheim am Main birgt Artefakte von Angehorigen der Federmesserkultur bei denen es sich um Jager und Sammler aus dem Gebiet nordlich einer Linie von Dusseldorf uber Soest bis nach Erfurt handelte Diese brachten womoglich ihre gewohnten Gerate mit deren Ausgangsmaterial Baltischer Feuerstein nur nordlich dieser Linie zu finden war um sie nach und nach durch Werkzeuge aus lokalen Gesteinsarten aus dem Umkreis des untersten Mains zu ersetzen Das Mundungsgebiet dieses Flusses stellte einen gunstigen vielleicht nur wenige Wochen 1 genutzten Jagdstandort dar Es liessen sich zeltartige Strukturen und Feuerstellen sowie eine Arbeits Binnenorganisation anhand der Artefaktverteilung wahrscheinlich machen Inhaltsverzeichnis 1 Entdeckung und Ausgrabung 2 Datierung und Einordnung 3 Lithisches Inventar 4 Literatur 5 Weblinks 6 AnmerkungenEntdeckung und Ausgrabung BearbeitenEntdeckt wurden die beiden nur 25 m voneinander entfernten Fundkonzentrationen aus denen Russelsheim 122 besteht beim Bau der Autobahnzufahrt Russelsheim Mitte der Bundesautobahn 60 zwischen Russelsheim und Konigstadten durch den Ingenieur Jurgen Hubbert und durch Stefan Flettner 122 A wurde im November 1989 122 B im Mai 1990 unter einer Deckschicht aus Dunensanden entdeckt Unter Leitung von Lutz Fiedler fanden zwei Notgrabungen statt die vier bzw sechs Wochen andauerten Allerdings war nur Befund A vollstandig erhalten wohingegen 30 50 von Befund B durch den Baggerschnitt zerstort worden waren Von Befund B war nur noch die Sudhalfte erhalten Das Grabungsareal umfasste eine Gesamtflache von 27 m der ganz uberwiegende Teil der Funde konzentrierte sich dabei auf einer Flache von 8 m Datierung und Einordnung BearbeitenDer Siedlungsplatz liess sich uber das Vorkommen von Tephra des Vulkans Laacher See der etwa 10930 v Chr zuletzt ausbrach 2 in das Ende der Allerodzeit um 11 000 v Chr datieren 3 Einige Holzer und Holzkohlestucke wurden botanischen Untersuchungen unterzogen Die Stucke stammen jedoch aus einer im nordlichen Bereich des Befundes 122 A eingetieften Grube die wohl nicht dem Federmesser Horizont zuzuordnen waren Sie liessen sich auf 7 600 v Chr datieren Der Fundplatz liegt etwa 3 km sudlich des heutigen Flussbettes und etwa 10 km ostlich der Mundung Die Fundschicht von A ist 30 bis 50 cm stark und liegt in einer etwa 15 cm tiefen Mulde die Richtung Westen langsam auslauft Befund B befindet sich in einer immerhin 50 cm tiefen Mulde von etwa 55 Gefalle Die Funde lagen in und unterhalb einer Lehmschicht und bildeten einen 30 bis 50 cm starken Horizont 4 Der Fundplatz befindet sich auf einer Flugsanddune im Randbereich der Niederterrasse des Mains die sich etwa 10 m uber das umliegende Bodenniveau erhebt Die Dune gehort zu einem etwa 200 bis 300 km grossen Gebiet auf der sudlichen Mainseite von seiner Mundung bis in den Raum Kelsterbach in dem infolge der kaltzeitlichen Auswehungen der offenen Schotterflachen grossflachige Flugsanddunen entstanden sind Zwei latente quadratische Strukturen auf den beiden Fundkonzentrationen die die Bezeichnungen Russelsheim 122 A und B erhielten massen etwa 4 bis 6 m Sie bargen zahlreiche Steinartefakte die Strukturen werden als Zelte gedeutet moglicherweise mit an der Basis offenen Zeltwanden Dabei war der Barriereeffekt von entscheidender Bedeutung das heisst die Streuung der Artefakte endet mehr oder minder schlagartig an einer nicht mehr existierenden Barriere Ahnliches gilt fur den Zentrifugaleffekt bei dem man annimmt dass das blosse Wegwerfen von Steinartefakten durch am Feuer sitzende Menschen dazu fuhrt dass grossere Stucke weiter fliegen als kleinere also die Fundstucke gewissermassen konzentrisch um die nicht mehr existierende Feuerstelle anwachsen Diese Feuerstellen liessen sich zudem durch Steine nachweisen die offenkundig grosser Hitze ausgesetzt waren Sie lagen nahe dem Sudeingang der Zelte Zwecks naherer Untersuchung wurde der Fundplatz in Quadrate von 25 mal 25 cm eingeteilt um vergleichbare statistische Daten der Verteilung zu erhalten Angewandt wurde die Korrespondenzanalyse in Verbindung mit Isolinienkartierungen und Kriging So liessen sich eine Offnung nach Suden eine zentrale Feuerstelle und bestimmte Aktivitatszonen nachweisen wobei Form Symmetrie Grosse Ausrichtung und Binnenorganisation der beiden Strukturen einander genau entsprachen Die fur die Nahrungszubereitung gebrauchten Werkzeuge stammen aus lokal und regional verfugbaren Rohmaterialien Sie konnten aus der gleichen Zeit stammen wobei die mitgebrachten aus ganz anderen Regionen stammenden Rohmaterialien und Gerate darauf hinweisen dass die Erstansiedlung in Russelsheim A stattfand dann erst in B und womoglich weiteren Lagern 5 Gegen Ende der Besiedlung nachdem die mitgebrachten Materialien aufgebraucht waren wurde anscheinend ein anderes nun ein lokales Material eingesetzt der Keuperhornstein Lithisches Inventar BearbeitenIn Russelsheim 122 A fanden sich 2426 Steinartefakte von mehr als einem Zentimeter Lange die hauptsachlich aus Abschlagen bestehen Klingen und Lamellen stellen die andere Halfte der bestimmbaren Grundformen Allerdings konnten etwa 27 keiner bestimmten Grundform zugeordnet werden meist weil sie zu fragmentiert waren 262 Artefakte waren modifiziert weder in A noch in B uberschritten sie eine Lange von 4 cm und weisen als typologische Leitformen kurze Kratzer 51 und Federmesser auf Ruckenstumpfungen bilden 16 Endretuschen 12 Stichel 8 und Bohrer 0 4 des Inventars Hinzu kommen Kombinationswerkzeuge 1 5 und Sonderformen 10 Schliesslich fanden sich 2892 Absplisse sowie 567 Gerolle uberwiegend aus Sandstein Quarzit Gangquarz Insgesamt fanden sich also 3256 Artefakte und Gerolle 6 In B fanden sich gleichfalls Projektile und Gerate insgesamt 1772 Steinartefakte von mehr als einem Zentimeter Ausdehnung Mehr als die Halfte war jedoch stark fragmentiert so dass sie sich nicht mehr bestimmten Gerateformen zuordnen liess Mit 43 dominierten auch hier Kratzer gefolgt von ruckengestumpften Formen 21 Sticheln 19 Endretuschen 10 und Bohrern 0 7 sowie Sonderformen 6 Insgesamt traten 144 modifizierte Formen zu Tage hinzu kamen 2694 Absplisse sowie 390 Gerolle Das lithische Inventar setzt sich also aus wenigen Sticheln und Bohrern vor allem aber aus Kratzern Klingen und den charakteristischen Pfeilspitzen den sogenannten Federmessern zusammen Die Bearbeitung kam meist ohne Kernpraparation aus indem stets Kerne von eher geringer Grosse verwendet wurden Dies erklart warum die Grundformen meist unregelmassig und der Ubergang von Abschlagen zu Klingen bzw Lamellen fliessend blieb Dabei liessen sich in 122 A siebzehn 7 verschiedene Ausgangsstoffe unterscheiden wahrend in B allein 76 des Materials im Umkreis von 20 km gewonnen worden waren also eher lokaler Natur waren Die Mehrzahl der Gerate aus 122 A wurde aus Kieselschiefer hergestellt der als Flussgeroll am Lagerplatz zur Verfugung stand Doch liess das zerkluftete fast broselige Sedimentgestein eher die Herstellung kleiner massiver Werkzeuge zu wie etwa Kratzer Chalcedon hingegen ist ein Material das auch die Herstellung von grazileren und scharferen Geraten gestattete Dieses Material das 26 der Steinartefakte darstellte war jedoch nur in der Gegend des 30 km entfernten Lammerspiel greifbar Chalcedon diente vor allem der Herstellung von Klingen und Pfeilspitzen ahnlich wie der Tertiarquarzit der durch die Verkieselung tertiarer Sande entstanden war Auch dieses Material wurde starker genutzt als der Kieselschiefer so dass die vier Kerne vollstandig genutzt erscheinen Es stellt 26 der modifizierten Formen und 18 der Gerate Diese drei Rohmaterialien bildeten fur zwei Drittel der Gerate den Ausgangsstoff allein ein Drittel bestand aus Kieselschiefer Mit 41 Kernen stellt es mehr als die Halfte der vorhandenen Kernsteine und 27 der modifizierten Formen Von den Gerollen sind lediglich elf bearbeitet die ubrigen weisen nur Versuchsschlage auf Weitere sechs Ausgangsmaterialien dominieren die ubrigen Artefakte Quarz in nur zwei verarbeiteten Knollen Hornstein und Diorit 124 Artefakte bilden das lokale Rohmaterial ortsfremde Materialien sind Feuerstein Keratophyr ein sehr feinkorniges und feingeschichtetes Rohmaterial vulkanischen Ursprungs und hellbraun beiger Farbung das in B fehlt und grauer Tuff von poroser fein geschichteter Struktur der nur fur die Herstellung von Kratzern geeignet war In B tritt im Gegensatz zu A wo das Material fehlt ganz massiv Keuperhornstein auf 19 der aus dem Main stammte In B das ja unvollstandig ist liess sich Kieselschiefer mit 47 Abbaukernen nachweisen von denen nur 10 vollstandig bearbeitet wurden Auch den grossten Teil an Zusammenpassungen 14 Zusammenpassungskomplexe mit 39 Stucken bot dieses Material Chalcedon und Tertiarquarzit kamen mit Anteilen von 11 1 und 4 am Gesamtvolumen vor Chalcedon stellt hier allerdings nur 5 6 der modifizierten Formen Tertiarquarzit ist noch seltener doch zeigt sein hoher Anteil an Modifikationen der bei 16 7 lag dass dieses Rohmaterial auf dieselbe Art und Weise genutzt wurde wie in Konzentration A Ein Teil der Steine stammte aus dem Gebiet von Vogelsberg oder Eifel also aus etwa 60 km Entfernung Indikator fur die Herkunft der Jager ist ein Feuerstein der zu einem regionalen Werkzeug Set gehort das die Jager Sammlergruppe wahrend ihrer Wanderbewegung mit sich fuhrte und nicht erst vor Ort gewann Diese Gerate bestehen aus baltischem Feuerstein einem Rohstoff der aus den Gebieten der sudlichen Gletscherauslaufer stammte die um ca 20 000 v Chr von der Ostsee aus bis in den Raum Dusseldorf vorgedrungen waren Auch die kurzen Kratzer sind typisch fur die Federmessergruppen Der Feuerstein weist neun Varietaten auf Varietat 1 ahnelt aufgrund von Farbe Opazitat und Rindengestaltung dem westeuropaischen Maasschotterfeuerstein Varietat 2 entspricht in diesen Hinsichten sowie der Art von Fossilien Bryozoen und Einschlussen dem Baltischen Feuerstein Ein womoglich heute nicht mehr bekanntes primares Feuersteinvorkommen im Rhein Main Gebiet ist als Herkunftsort aufgrund der an allen Feuersteinen anzutreffenden Gerollrinde auszuschliessen nach der die Knollen aus Flussschottern stammen mussen Feuerstein kommt jedoch in den Schottern des Mains nicht vor ebenso wenig wie im Oberrhein 8 Maasschotter Feuerstein findet seine sudlichste Verbreitung am Nordrand der Eifel wahrend der Baltische Feuerstein bis zur Sudgrenze des Eisvorstosses der Saale Kaltzeit also ungefahr entlang der Linie Dusseldorf Soest Erfurt vorkommt Die beiden Zelte standen in einem vor 13 000 Jahren jagdstrategisch gunstigen Gebiet denn das Mundungsgebiet des Mains bestand aus zahlreichen Seitenarmen die eine bis zu 5 km breite Flussterrasse schufen Dieses verbreiterte sich von 400 m auf der Hohe von Kelsterbach bis auf 5 km an der Flussmundung Fur Tierherden bot sich damit ein System von relativ wasserarmen Furten die die Uberquerung des Gewassersystems gestatteten Literatur BearbeitenStefan Loew Russelsheim 122 und die Federmessergruppen am Unteren Main Diss Koln 2006 online Weblinks BearbeitenJurgen Hubbert Stefan Loew Die beiden endpalaolitischen Lagerplatze Russelsheim 122A und 122B 8 August 2002Anmerkungen Bearbeiten Der Federmesser Fundplatz Russelsheim 122 am Unteren Main Hessen Website des Romisch Germanischen Zentralmuseums Thomas Litt Karl Ernst Behre Klaus Dieter Meyer Hans Jurgen Stephan Stefan Wansa Eiszeitalter und Gegenwart Stratigraphische Begriffe fur das Quartar des norddeutschen Vereisungsgebietes Memento des Originals vom 5 Februar 2015 imInternet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot quaternary science publiss net in Quaternary Science Journal 56 2007 7 65 Stefan Loew Russelsheim 122 und die Federmessergruppen am Unteren Main Diss Koln 2006 S 9 Stefan Loew Russelsheim 122 und die Federmessergruppen am Unteren Main Diss Koln 2006 S 5 Stefan Loew Russelsheim 122 und die Federmessergruppen am Unteren Main Diss Koln 2006 S 77 Stefan Loew Russelsheim 122 und die Federmessergruppen am Unteren Main Diss Koln 2006 S 11 f Stefan Loew Russelsheim 122 und die Federmessergruppen am Unteren Main Diss Koln 2006 S 13 Stefan Loew Russelsheim 122 und die Federmessergruppen am Unteren Main Diss Koln 2006 S 56 f 49 975526 8 437517 Koordinaten 49 58 31 9 N 8 26 15 1 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Russelsheim 122 amp oldid 237726228