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Das Proslogion ist ein von Anselm von Canterbury in der Fruhscholastik 1077 78 verfasstes Werk Es gilt als das erste Werk der abendlandischen Philosophie bzw Philosophiegeschichte das einen ontologischen Gottesbeweis enthalt und erlangte deshalb grossere Bedeutung Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung des Titels des Werkes 2 Einteilungsmoglichkeiten des Werkes 2 1 Einteilung nach Michael Corbin 3 Der ontologische Gottesbeweis 3 1 Einleitung 3 2 Argumentation 3 3 Schluss 4 Kritik und Gegenkritik 5 Textausgaben und Ubersetzungen 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseEntstehung des Titels des Werkes BearbeitenAnselm von Canterbury gab an das Proslogion im Anschluss an das Monologion verfasst zu haben und dass es wie dieses ursprunglich erst keinen und dann einen anderen Titel hatte So lauteten die ursprunglichen Titel Exemplum meditandi de ratione fidei Beispiel wie man uber den Grund des Glaubens nachsinnt bzw Fides quaerens intellectum Glaube der nach Einsicht sucht welche die mittelalterlichen Grundpositionen credo ut intelligam sowie intellectus fidei widerspiegeln Erst durch Erzbischof Hugo von Lyon der ihm wie Anselm schreibt kraft seiner apostolischen Autoritat befahl den Namen des Verfassers vor die Werke zu stellen benannte Anselm seine Werke in Monologion Selbstgesprach bzw Proslogion Anrede um 1 Einteilungsmoglichkeiten des Werkes BearbeitenDas in der franzosischen Abtei Le Bec verfasste Proslogion ist ein in lateinischer Sprache verfasstes Werk welches aus einer Vorrede und insgesamt 26 Kapiteln besteht Wesentliches Anliegen des Proslogions ist es wie Anselm schreibt Gott durch ein einziges Argument unum argumentum 1 nachzuweisen was viele Interpreten und nicht zuletzt die verdienstvollen Herausgeber Karl Barth und Franciscus Salesius Schmitt dazu bewog das Werk in zwei Teile Kapitel II IV und Kapitel V XXVI zu unterteilen Diese Einteilung wurde spater dahingehend kritisiert dass sie dem Gesamtwerk nicht gerecht werde sodass neben anderen Michael Corbin als Mittelpunkt des Werkes das Kapitel XV ausmachte in welchem es heisst dass Gott etwas Grosseres sei als gedacht werden kann und das Werk deshalb in insgesamt 11 Abschnitte unterteilte von denen sich die ersten A E und letzten funf E A symmetrisch entsprechen 2 Einteilung nach Michael Corbin Bearbeiten Kapitel BezeichnungA I GebetB II IV Gott ist wie wir glauben dass er istC V XII Gott ist was wir glauben dass er istD XIII Ewigkeit und UnbegrenztheitE XIV Entdeckung des unerreichbaren LichtsF XV Gottes Uber UnbegreiflichkeitE XVI XVIII Anerkennung des unerreichbaren LichtsD XIX XXI Ewigkeit und UnendlichkeitC XXII Gott ist was er ist und der er istB XXIII Gott wird als Vater Sohn und Geist bekanntA XXIV XXVI Gebet um in die vollkommene Freude Gottes zu gelangen die Gott durch seinen Sohn versprochen hatDer ontologische Gottesbeweis BearbeitenDas von Anselm selbst als unum argumentum bezeichnete Argument in den Kapiteln II V erlangte nicht zuletzt aufgrund der Rezeption durch Descartes und Leibniz durch die Kritik von Thomas von Aquin und Kant sowie die Gegenkritik Hegels zu Kants Kritik grossere Bekanntheit Die Bezeichnung ontologisches Argument erhielt das unum argumentum erst durch Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft in welcher er die Unmoglichkeit eines ontologischen Gottesbeweises aufzuweisen versucht Einleitung Bearbeiten Seinen Gottesbeweis kleidet Anselm in ein Gebet Es beginnt mit der Bitte Gott moge ihm die notige Erkenntnis fur sein Vorhaben schenken Wie diese Einkleidung zu werten ist ist kontrovers Hin und wieder wird Anselm auch deswegen eine glaubenswissenschaftliche Position siehe intellectus fidei zugeschrieben welche betont Verstehen einer Glaubenswahrheit ist nur aus dem Glauben moglich Anders akzentuiert betonen einige Interpreten die autonome Stellung der Vernunft in der Durchdringung samtlicher Glaubenswahrheiten Entsprechend wird nicht nur kontrovers diskutiert ob und unter welchen Voraussetzungen seine Ausfuhrungen schlussig sondern auch ob sie als streng logischer Beweis beabsichtigt sind Argumentation Bearbeiten Zentral fur die Argumentation ist Anselms Gottesbegriff Gott sei das woruber hinaus nichts Grosseres gedacht werden kann id quo nihil maius cogitari potest Anselm entfaltet seine Argumentation in drei Schritten Er mochte den Toren aus Ps 14 1 ELB widerlegen der in seinem Herzen spricht es gebe keinen Gott Zunachst fuhrt Anselm aus dass auch ein Tor der die Existenz Gottes leugne zugeben musse dass wenn er den vorgelegten Gottesbegriff verstehe dieser in seinem Verstand existiere esse in intellectu da alles was verstanden werde im Verstand sei Im zweiten Schritt argumentiert Anselm wie folgt Das woruber hinaus nichts Grosseres gedacht werden kann konne nicht nur im Verstand existieren da sonst gedacht werden konne dass es auch in Wirklichkeit existiere esse in re was grosser ware Das woruber hinaus nichts Grosseres gedacht werden kann ware dann nicht das woruber hinaus nichts Grosseres gedacht werden kann Daraus folgert Anselm dass das woruber hinaus nichts Grosseres gedacht werden kann auch in Wirklichkeit existieren muss Im dritten Argumentationsschritt stellt Anselm die These auf dass von dem woruber hinaus nichts Grosseres gedacht werden kann nicht einmal gedacht werden konne es existiere nicht Es konne namlich gedacht werden dass etwas existiert das als nicht existierend nicht gedacht werden kann Das aber ware grosser als etwas von dem gedacht werden kann dass es nicht existiert Schluss Bearbeiten Nachdem Anselm seine Argumente dafur dargelegt hat dass das woruber hinaus nichts Grosseres gedacht werden kann nicht nur existiert sondern notwendig existiert folgt ein Zwischengebet in dem er das woruber hinaus nichts Grosseres gedacht werden kann mit Gott identifiziert Seinen Gottesbeweis schliesst Anselm mit einem Dankgebet Kritik und Gegenkritik BearbeitenEine erste Kritik erfuhr der Gottesbeweis Anselms bereits kurz nach seinem Erscheinen durch den Monch Gaunilo von Marmoutiers 3 Zu den Implikationen eines Begriffs konne nicht die Existenz der damit bezeichneten Sache gehoren Sonst konnte jemand auch etwa den Begriff einer vollkommenen Insel bilden und in Analogie zu Anselms Beweis folgern dass deren Vortrefflichkeit ihre Existenz beweise was offensichtlich absurd ware Anselm begegnete diesem Einwand damit dass seine Argumentation einzig auf den Begriff dessen woruber hinaus Grosseres nicht gedacht werden kann anwendbar sei 4 Ein zweites Gegenargument bezieht sich darauf dass Anselm die Hoherwertigkeit von notwendigem gegenuber kontingentem bzw von wirklichem gegenuber nur gedachtem Sein unbegrundet voraussetze Ein drittes Gegenargument verneint dass es das woruber hinaus Grosseres nicht gedacht werden kann geben konne da zu jedem Grosseren immer noch etwas Grosseres gedacht werden konne Darauf lasst sich im Sinne Anselms antworten dass das woruber hinaus Grosseres nicht gedacht werden kann nicht als das denkbar Grosste oder grosste Denkbare missverstanden werden darf sondern grosser ist als alles was gedacht werden kann So bekennt Anselm im Kapitel XV des Proslogion Herr Du bist also nicht nur woruber hinaus Grosseres nicht gedacht werden kann sondern etwas Grosseres als gedacht werden kann Zur Kritik Kants am ontologischen Argument siehe Gottesbeweis Die kantsche Ablehnung des ontologischen Gottesbeweises hat bereits Hegel 5 kritisiert und noch bis in die Gegenwart wird Kants Kritik von Philosophen und Theologen kontrovers diskutiert Hansjurgen Verweyen beispielsweise nimmt in seiner Analyse des Proslogion Anselm gegen Kants Kritik in Schutz und stimmt dem Kern seines Arguments zu Wenn sich die Vernunft selbst als unbezweifelbar wirklich und die Idee Gottes als ihre tiefste und eigentlich treibende Kraft erfasst dann muss sie sich selbst in dieser Bewegung auf die wirkliche Existenz Gottes als den sie allein erklarenden Grund zuruckfuhren Das ist dann kein ontologisches Argument mehr kein unzulassiger Schritt vom bloss gedachten zum wirklichen Sein sondern Schritt innerhalb einer Wirklichkeit die ihre eigene Struktur enthullt 6 Textausgaben und Ubersetzungen BearbeitenProslogion lateinisch deutsch Ubersetzung Anmerkungen und Nachwort von Robert Theis Reclam Stuttgart 2005 ISBN 3 15 018336 7 Darin S 76 89 auch Gaunilos kritische Schrift Quid ad haec ressoibdeat Quidam pro insipiente Was jemand anstelle des Toren hierauf erwidern konnte und S 90 116 Anselms Erwiderung Quid ad haec respondeat Editor ipsius libelli Was der Verfasser dieses Buchleins darauf entgegnet Proslogion Untersuchungen Lat dt Ausg hrsg von Franciscus Salesius Schmitt Frommann Holzboog Stuttgart Bad Cannstatt 1962 1995 ISBN 3 7728 0010 6 Proslogion lat Text und Ubersetzung der Kap 2 4 in Hansjurgen Verweyen Nach Gott fragen Anselms Gottesbegriff als Anleitung Ludgerus Essen 1978 S 90ff Online Text Kann Gottes Nicht Sein gedacht werden Die Kontroverse zwischen Anselm von Canterbury und Gaunilo von Marmoutiers Lateinisch Deutsch Ubersetzt erlautert und hrsg von Burkhard Mojsisch mit einer Einleitung von Kurt Flasch Mainz 1989 excerpta classica IV Opera omnia Hrsg v Franciscus Salesius Schmitt Seckau u a 1938 1961 erganzter Neudruck 1984 ISBN 3 7728 0011 4 Bd 1 S 89 139 Literatur BearbeitenChristoph Asmuth Proslogion lat Anrede In Michael Eckert u a Hrsg Lexikon der theologischen Werke Stuttgart Kroner 2003 ISBN 3 520 49301 2 S 600 Konrad Goehl Johannes Gottfried Mayer Deus in cogitatione existens Der Appendix zum Proslogion des Anselm von Canterbury oder Kann Gaunilos Nicht Sein gedacht werden Versuch einer Neu Ubersetzung des Proslogion Appendix S 355 375 System der Gedankenfuhrung Anhang In Konrad Goehl Johannes Gottfried Mayer Hrsg Editionen und Studien zur lateinischen und deutschen Fachprosa des Mittelalters Festgabe fur Gundolf Keil Konigshausen und Neumann Wurzburg 2000 ISBN 3 8260 1851 6 S 339 402 Miroslav Imbrisevic Gaunilo s Cogito Argument In The Saint Anselm Journal Band 5 Nr 1 2007 philpapers org PDF 101 kB Siegfried Karl Ratio und affectus Zum Verhaltnis von Vernunft und Affekt in den Orationes sive Meditationes und im Proslogion Anselms von Canterbury 1033 4 1109 Rom Eos 2014 Studia Anselmiana Bd 160 ISBN 978 3 8306 7594 5 Thomas Losoncy Anselm s response to Gaunilo s Dilemma An insight into the notion of Being operative in the Proslogion in The New Scholasticism Vol 56 No 207 1982 p 207 216 Thomas Losoncy The Anselm Gaunilo Dispute about Man s Knowledge of God s Existence An Examination in 25 Years of Anselm Studies 1969 1994 Review and Critique of Recent Scholarly Views ed Frederick van Fleteren and Joseph C Schnaubelt Lampeter The Edwin Mellen Press 1996 pp 161 181 Peter Millican The One Fatal Flaw in Anselm s Argument Mind 113 2004 pp 437 76 Burkhard Mojsisch Anselm von Canterbury Gottesbeweise In Theo Kobusch Hrsg Philosophen des Mittelalters Eine Einfuhrung Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S 42 53 Klaus Riesenhuber Die Selbsttranszendenz des Denkens zum Sein Intentionalitatsanalyse als Gottesbeweis in Proslogion Kap 2 in Beckmann Jan P u a Hrsg Philosophie im Mittelalter Entwicklungslinien und Paradigmen Hamburg 1987 39 59 Jurgen Ludwig Scherb Anselms philosophische Theologie Stuttgart Berlin Koln 2000 ISBN 3 17 016159 8 Gangolf Schrimpf Anselm von Canterbury Proslogion II IV Gottesbeweis oder Widerlegung des Toren Knecht Frankfurt am Main 1994 Harald Schondorf Ist der ontologische Gottesbeweis ein Fehlschluss in Dore Joseph Theobald Christoph Hrsg Penser la foi Recherches en theologie aujourd hui Melanges offerts a Joseph Moingt Paris 1993 991 1003 Hansjurgen Verweyen Nach Gott fragen Anselms Gottesbegriff als Anleitung Essen Ludgerus 1978 Christliche Strukturen in der modernen Welt Hrsg v Wilhelm Ploger 23 Online AusgabeWeblinks BearbeitenText Proslogion Teil I lateinisch deutsch in der Ubersetzung von Hans Zimmermann Text Proslogion Teil II lateinisch deutsch in der Ubersetzung von Hans Zimmermann Bibliotheca Augustana Proslogion Capitula I XXVI lateinisch Kenneth Einar Himma Anselm Ontological Argument for God s Existence In J Fieser B Dowden Hrsg Internet Encyclopedia of Philosophy Graham Oppy Ontological Arguments In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy 2020 Einzelnachweise Bearbeiten a b vgl Proslogion Prooemium Vorrede vgl Robert Theis im Nachwort zum Proslogion der Reclam Reihe 18336 S 141 142 Zu Gaunilo siehe Imbrisevic und Losoncy Vgl auch Gaunilo of Marmoutiers in der englischsprachigen Wikipedia Edition und Ubersetzung des Gaunilo Textes siehe die Edition Proslogion Stuttgart 2005 Hansjurgen Verweyen Nach Gott fragen Anselms Gottesbegriff als Anleitung In Wilhelm Ploger Hrsg Christliche Strukturen in der modernen Welt Band 23 Ludgerus Essen 1978 S 38 uni freiburg de Unuberwindlich aber wird allerdings die Schwierigkeit im Begriffe uberhaupt und ebenso im Begriffe Gottes das Sein zu finden wenn es ein solches sein soll das im Kontexte der aussern Erfahrung oder in der Form der sinnlichen Wahrnehmung wie die hundert Taler in meinem Vermogenszustande nur als ein mit der Hand nicht mit dem Geiste Begriffenes wesentlich dem aussern nicht dem innern Auge Sichtbares vorkommen soll wenn dasjenige Sein Realitat Wahrheit genannt wird was die Dinge als sinnliche zeitliche und vergangliche haben Wenn ein Philosophieren sich beim Sein nicht uber die Sinne erhebt so gesellt sich dazu dass es auch beim Begriffe nicht den bloss abstrakten Gedanken verlasst dieser steht dem Sein gegenuber Wissenschaft der Logik 1813 Zweiter Teil hrsg v G Lasson Hamburg Phil Bibl S 355 zit nach Hansjurgen Verweyen Nach Gott fragen Anselms Gottesbegriff als Anleitung Essen Ludgerus 1978 Christliche Strukturen in der modernen Welt Hg v Wilhelm Ploger 23 S 40 Hansjurgen Verweyen Nach Gott fragen Anselms Gottesbegriff als Anleitung In Wilhelm Ploger Hrsg Christliche Strukturen in der modernen Welt Band 23 Ludgerus Essen 1978 S 66 uni freiburg de Normdaten Werk GND 4264660 1 lobid OGND AKS LCCN n84227749 VIAF 174200287 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Proslogion amp oldid 232826849