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Der Begriff planetare Migration bezeichnet die Bahnanderung eines Planeten wahrend der Entstehung eines Planetensystems um einen Zentralstern Da es sich um ein theoretisches Modell handelt gibt es allerdings keine einheitliche Definition Zustande kommt die planetare Migration durch eine komplexe Wechselwirkung eines Planeten mit seiner Umgebung andere Planeten Planetesimale Gas einer protoplanetaren Scheibe Durch zufallige Ereignisse auftretende Bahnanderungen beispielsweise durch Kollisionen fallen allerdings nicht unter den Begriff Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 2 Theoretische Betrachtungen 2 1 Standardmodell der Planetenentstehung 2 2 Arten planetarer Migration 3 Simulationsergebnisse 3 1 Sonnensystem 3 2 Verlust eines funften Gasplaneten 3 3 Late Heavy Bombardment 3 4 Jupiters Trojaner 3 5 Kuiper Gurtel 4 Einzelnachweise 5 LiteraturEinleitung BearbeitenDie Entdeckung von Exoplanetensystemen in denen jupiterahnliche Himmelskorper sternnahe Bahnen von nur einigen Sternradien besitzen sog Hot Jupiters 51 Pegasi b besitzt eine grosse Halbachse von a 0 05 AE hat eine Diskussion uber das Entstehungsmodell von Planetensystemen ausgelost Viele Astronomen sind der Meinung dass Gasriesen ein paar Astronomische Einheiten AE von dem Zentralgestirn entfernt hinter der sogenannten Eislinie entstehen Das ist diejenige Entfernung vom Zentralstern ab der Wasserstoffverbindungen in fester Form existieren konnen Im Entstehungsprozess mussten sich diese Planeten in Richtung Zentralgestirn bewegt haben Ein Erklarungsversuch der ohne Migration auszukommen versucht ist beispielsweise die Jumping Jupiter Theorie Diese besagt dass es durch das gleichzeitige Entstehen einiger Gasriesen in einem Planetensystem zu gravitativen Wechselwirkungen untereinander kommt Simulationen zeigen dass diese Prozesse zu instabilen Bahnen fuhren wurden zu Kollisionen der Planeten untereinander Akkretion durch den Protostern oder auch zum Verlassen des Planetensystems weswegen die Entstehung der Hot Jupiters auf diese Weise als unwahrscheinlich gilt Ein anderer Ansatz ist die planetare Migration Diese beschreibt in der Entwicklung eines Planetensystems die Wechselwirkungen der protoplanetaren Scheibe mit dem Planeten selbst was zu Bahnanderungen fuhren kann Es gibt drei verschiedene Weisen wie die Planetenscheibe mit dem Planeten wechselwirken kann Diese sind in drei Typen der Migration unterteilt die im unteren Abschnitt noch weiter erlautert werden Zwar kann man mit der Migrationstheorie Bahnverkleinerungen z B beim Jupiter und Bahnvergrosserungen z B bei Uranus und Neptun wahrend der Entstehungsphase die heutige Position der Planeten erklaren 1 dennoch ist die Migration nur eine Theorie die in der Fachwelt zwar allgemein anerkannt ist aus Mangel an direkten Beobachtungsmoglichkeiten jedoch noch nicht direkt bewiesen werden konnte Ein solches Szenario bietet etwa das Grand Tack Modell Zusatzlich kann man die Migrationstheorie auch wie im Nizza Modell auf das spatere Late Heavy Bombardment LHB oder die Herkunft der Trojaner anwenden und aus Simulationen brauchbare Ergebnisse ziehen Theoretische Betrachtungen BearbeitenStandardmodell der Planetenentstehung Bearbeiten Da die Migration ein in der spaten Phase der Planetenentstehung stattfindender Effekt ist soll hier zunachst ein grober Uberblick uber das unter Astronomen weit verbreitete Standardszenario der Planetenentstehung gegeben werden Der Ursprung der Planeten liegt der Theorie nach in den sog grossen molekularen Wolken GMC giant molecular clouds die hauptsachlich aus Gas 99 Wasserstoff Helium und Staub Silikate Kohlenstoff bestehen und durch ihre Eigengravitation eine Kompression erfahren bis sie schliesslich in kleinere Kerne fragmentieren Solche Kerne konnen Ausdehnungen von einigen tausend AE erreichen und kollabieren schliesslich nach dem Jeans Kriterium Es entsteht ein Protostern inmitten der Wolke der die gravitativen Eigenschaften des Systems dominiert Insbesondere handelt es sich fur die umgebende Materie um ein Zentralkraftfeld in dem Drehimpulserhaltung gilt Diese verhindert zum Beispiel dass die ganze Materie einfach in den Stern fallt weil sie von ihm angezogen wird Vielmehr entwickelt sich aus der Wolke nun eine stabile rotierende Scheibe protoplanetare Scheibe in der Drehimpuls durch die Viskositat von Turbulenzen und viskose Reibung von innen nach aussen transportiert werden kann In unserem Sonnensystem tragen Jupiter und Saturn zum Beispiel 99 des gesamten Drehimpulses wahrend die Sonne nahezu die ganze Masse hat So bewegen sich die inneren Teile der Scheibe weiter nach innen und werden schliesslich vom Stern akkretiert wahrend die ausseren Teile durchaus von diesem Schicksal verschont bleiben konnen Auf diese Weise entsteht ein komplexes hydrodynamisches System das eine Sedimentation und Drift der nun immer starker wachsenden Festkorper ermoglicht Bei einer Grosse von einigen Metern bis zu einigen Kilometern spricht man von Planetesimalen Ab dieser Grosse dominieren die Planetesimale durch ihre eigene Gravitation das Geschehen in ihrem Umfeld zum Beispiel fangen sie umgebende kleinere Planetesimale ein und zwar immer effizienter je grosser sie werden deswegen nennt man diese Phase Runaway Wachstum Irgendwann haben sich auf diese Weise einige wenige sog planetare Embryonen gebildet die ihre Umgebung gravitativ dominieren und die Materie sowie Gas aus der protoplanetaren Scheibe im Fall von Gasriesen akkretieren sogenanntes oligarchisches Wachstum und Isolation der Embryonen Jedoch mussen die Planeten nicht an dem Ort an dem wir sie heute beobachten entstanden sein So beobachtete man zum Beispiel mit 51 Pegasi b einen jupiterahnlichen Gasriesen nur wenige Sternradien vom Zentralgestirn entfernt Die Entstehung eines so massiven Objektes so nahe an einem Stern ware mit diesen sogenannten In situ Theorien nur sehr schwierig zu erklaren weshalb man annimmt dass die Planeten in der Endphase ihrer Entstehung unter bestimmten Bedingungen Veranderungen ihrer Umlaufbahn erfahren konnen Dieses Phanomen bezeichnet man als planetare Migration 2 3 Arten planetarer Migration Bearbeiten Die verschiedenen Arten der Migration werden von den meisten Astronomen in drei Typen eingeteilt 3 Typ 1Das Objekt Planetesimal oder Planetenembryo interagiert mit seinen selbst verursachten Dichtewellen die entstehen weil sich das umgebende Gas mit einer hoheren Geschwindigkeit bewegt als der Keplerschen Umlaufgeschwindigkeit Dies beschleunigt das Gas aufgrund der gravitativen Wirkung des Protoplaneten und es entstehen Druck und Dichtewellen die sich mit dem Protoplaneten bewegen Wegen der Asymmetrie auf der sternabgewandten bzw zugewandten Seite resultiert dies in einer Nettokraft auf den Planeten der seine Bahn verandert Typ 2Protoplaneten offnen durch Akkretion umliegender Materie eine Lucke in der Gasscheibe es entsteht eine Region geringerer Dichte in der feeding zone des Planeten Der Protoplanet wird in dieser Lucke eingeschlossen Da sich das Gas im Verlauf des Planetenentstehungsprozesses nach innen bewegt folgt die Lucke nach und der Protoplanet migriert nach innen Typ 3Instabilitaten in der Planetenscheibe Wechselwirkungen zwischen den Planeten fuhren zu einer Bahnabweichung innerhalb weniger Umlaufe des Planeten Wenn ein Planet oder Planetesimal seine Bahn zu sehr andert und dem System verlorengeht also das Sonnensystem verlasst oder infolge der Verlangsamung der Umlaufgeschwindigkeit einwarts migriert und dem Stern Protostern zum Opfer fallt nennt man dies violent migration Simulationsergebnisse BearbeitenSonnensystem Bearbeiten Die Theorie der Planetenformung legt fur Riesenplaneten eine Entstehung in runden und komplanaren Umlaufbahnen nahe Zurzeit liegen die Exzentrizitaten Jupiters bei 6 Saturns bei 9 sowie Uranus bei 8 und die gegenseitige Bahnneigung Winkel zwischen den Normalenvektoren der Bahnebenen bei maximal 2 gegen die Jupiterbahn Bestehende Modelle sind bisher noch nicht komplett erfolgreich auf das Sonnensystem angewandt worden Sie zeigen aber dass bei komplanaren Quasi Kreisbahnen beginnende Rechnungen die zur Zeit gultigen Bedingungen liefern insbesondere im Hinblick auf die 1 2 Bahnresonanz zwischen Jupiter und Saturn Diese hat sich wahrend der Migration der Riesenplaneten infolge der Wechselwirkungen mit der Planetesimalenscheibe eingestellt Die Berechnungen reproduzieren alle relevanten Parameter wie grosse Halbachsen Exzentrizitaten und gegenseitige Bahnneigung Die heute beobachtbare orbitale Verteilung der Objekte jenseits der Neptunbahn lasst darauf schliessen dass diese ein Resultat der planetaren Migration Neptuns von 20 AE auf 30 35 AE wahrend der Expansion der protoplanetaren Scheibe ist Im Laufe der Migration verkleinerten sich sowohl Exzentrizitaten als auch die Bahnverkippungen der Planeten durch die Wechselwirkungen mit den Teilchen der Scheibe aufgrund der sogenannten dynamischen Reibung Sind die Umlaufbahnen der Planeten sehr nah beieinander so konnen bei der Bahnveranderung Resonanzen mean motion resonance MMR auftreten wenn die Verhaltnisse der Umlaufzeiten kleine Zahlverhaltnisse bilden Diese verursachen feste Exzentrizitatsverhaltnisse zwischen den resonanten Planeten Bekanntestes Beispiel hierfur ist die 1 2 Resonanz zwischen Jupiter und Saturn Nach der langsamen Migrationsperiode als beide die 1 2 MMR passierten anderten sich ihre Exzentrizitaten rasch auf die heute beobachteten Werte Diese Sprunge sind dadurch zu erklaren dass beide Planeten uber die Resonanzstufe gesprungen sind ohne eingefangen zu werden Diese Storung wurde auf die Gasriesen Uranus und Neptun ubertragen und bewirkten auch dort eine Bahnvergrosserung die abhangig von den jeweiligen Massen ist Dies fuhrte zu chaotischen und uberschneidenden Bahnverhaltnissen wahrend einer kurzen Zeitdauer nach dem Ubertreten der Bahnresonanz Die Gasriesen trieben nach aussen von der Sonne radial weg und beforderten kleine Gesteinsbrocken nach innen die sich Richtung Jupiter und Saturn bewegten Der Gesteinsbrocken Beschuss hatte zur Folge dass sich Jupiter und Saturnbahnen durch Abbremsung wieder verkleinerten Drehimpulserhaltung Diese schnelle Migrationsphase endete sobald Jupiter und Saturn wieder die Resonanzschwelle erreichten und sich dort ihre Bahnen stabilisierten Ergebnis dieser Entwicklungen sind die heute beobachteten Werte fur Exzentrizitat Bahnneigung und Halbachsen dieser Planeten Diese Ergebnisse zeigen dass man niemals die Migration oder Resonanz getrennt betrachten sollte sondern immer das komplette System einbeziehen muss um diese Vorgange zu erklaren 1 4 Verlust eines funften Gasplaneten Bearbeiten Jupiter hatte bei einer langsamen Wanderung ins innere Sonnensystem die Umlaufbahnen der inneren Planeten gestort Er hatte jedoch eine neue Umlaufbahn einnehmen konnen wenn er einen Gasriesen von der Masse des Uranus oder Neptun aus dem Sonnensystem katapultiert hatte 5 6 Late Heavy Bombardment Bearbeiten Rund 700 Millionen Jahre nach der Entstehung der Planeten kam es zu einer sehr hohen Einschlagrate auf den Planeten und Monden dem sog Late Heavy Bombardment LHB Vermutlicher Ausloser des LHB ist die schnelle Migration der Riesenplaneten Jupiter Saturn Dies verursachte eine Destabilisierung der Bahnen kleinerer Objekte Planetesimale wodurch diese in das Innere des Sonnensystems gelangten und Einschlage verursachten 7 Jupiters Trojaner Bearbeiten nbsp Bahnen der Planetesimale und PlanetenDie Herkunft der Trojaner ist recht umstritten Eine Theorie besagt dass diese Himmelskorper in grosserer Entfernung zu Jupiter entstanden dann wahrend der Jupitermigration eingesammelt wurden und sich nun auf jupiternahen Bahnen bewegen Auch Planeten in der Scheibe konnen in Resonanzen eingefangen werden wenn sich ihre grossen Halbachsen unterschiedlich schnell verandern Damit wurden auch von M Melita und M Woolfson zum ersten Mal die Zusammenhange zwischen den Umlaufzeiten der Hauptplaneten im Sonnensystem erklart Sie beschaftigten sich mit der Veranderung der grossen Halbachsen der Planeten die durch Gasaggregation und dynamische Reibung beeinflusst werden 8 Kuiper Gurtel Bearbeiten Beobachtungen am Very Large Telescope VLT der Europaischen Sudsternwarte ESO in Chile zeigen dass die eiskalten Kuiper Belt Objekte KBOs am Rande des Planetensystems naher an der Sonne entstanden sind Dabei fallen zwei dynamische Untergruppen von KBOs die hot and cold Cubewanos auf die sich in ihren Oberflachenfarben unterscheiden unterschiedliche chemische Zusammensetzung der Objekte aber ahnliche Bahnen besitzen sodass verschiedene Entstehungsregionen angenommen werden Durch diese Beobachtung wird die Theorie gestutzt dass die beiden ausseren Planeten Uranus und Neptun naher an der Sonne entstanden sind und erst danach zu ihren heutigen grosseren Distanzen migriert sind Bei dieser Migration haben sie die Hot Cubewano Population sozusagen mit in den Kuiper Gurtel geschleppt Einzelnachweise Bearbeiten a b K Tsiganis R Gomes A Morbidelli H F Levison Origin of the orbital architecture of the giant planets of the solar system In Nature 2005 435 459 461 doi 10 1038 nature03539 W Kley On the migration of a system of protoplanets In Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 2000 Bd 313 Nr 4 S L47 L51 doi 10 1046 j 1365 8711 2000 03495 x a b G Wuchterl From Clouds to Planet Systems Formation and Evolutions of Stars and Planets 2004 PDF C Terquem J C B Papaloizou Migration and the Formation of Systems of Hot Super Earths and Neptunes In The Astrophysical Journal 2007 Bd 654 Nr 2 S 1110 1120 arxiv astro ph 0609779 Stefan Deiters Sonnensystem Gab es einst funf Gasriesen In Astronews com 16 November 2011 abgerufen am 20 November 2011 Laura Hennemann Sonnensystem Der verstossene Planet In astronomie heute de 15 November 2011 abgerufen am 20 November 2011 Quelle dort arxiv 1109 2949v1 R Gomes H F Levison K Tsiganis A Morbidelli Origin of the cataclysmic Late Heavy Bombardment period of the terrestrial planets In Nature 2005 435 466 469 doi 10 1038 nature03676 A Morbidelli H F Levison K Tsiganis R Gomes The chaotic capture of Jovian Trojan asteroids during the early dynamical evolution of the Solar System In Nature 2005 435 462 Literatur BearbeitenBarbara Ercolano Extrasolar planets from dust to new worlds in Europhysics News Volume 51 2020 online Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Migration Astronomie amp oldid 222686902 Standardmodell der Planetenentstehung