www.wikidata.de-de.nina.az
Der englische Begriff Peto s paradox die deutsche Ubersetzung Petos Paradoxon hat noch keine Verbreitung in der deutschsprachigen Fachliteratur gefunden ist ein 1975 vom britischen Statistiker und Epidemiologen Richard Peto formulierter Widerspruch aus dem Gebiet der Onkologie Das Paradoxon entsteht aus der Uberlegung dass mit der Zunahme der Anzahl von Korperzellen die Wahrscheinlichkeit einer malignen Entartung zunimmt da jede Zellteilung ein gewisses Risiko einer krebserregenden Mutation mit sich bringt Grosse Saugetiere haben wesentlich mehr Zellen als kleine und mussten daher theoretisch erheblich haufiger Krebs entwickeln In der Praxis unterscheiden sich die Krebshaufigkeiten bei den meisten Saugetieren aber nur geringfugig 1 Inhaltsverzeichnis 1 Die Randbedingungen 2 Das Paradoxon 3 Hypothesen zu Erklarung des Paradoxons 4 Literatur 4 1 Fachliteratur 4 2 Popularwissenschaftliche Veroffentlichungen 5 Einzelnachweise 6 WeblinksDie Randbedingungen Bearbeiten nbsp Ein Blauwal hat etwa die 100 millionenfache Masse 200 Tonnen einer Schweinsnasenfledermaus und ist das grosste Saugetier der Erde Von Krebserkrankungen sind vermutlich alle Wirbeltierarten betroffen Am verbreitetsten sind diese malignen Gewebeveranderungen offensichtlich bei Saugetieren 2 3 Die grundlegenden Mechanismen die zu einer Krebserkrankung fuhren konnen sind bei allen Saugetierarten sehr ahnlich Auch viele Mechanismen zur Unterdruckung von Tumoren wie beispielsweise Tumorsuppressorgene sind bei allen Saugern vorhanden 4 Dies ermoglicht unter anderem die Nutzung von Saugetieren als Modellorganismen in der Krebsforschung bei Krebserkrankungen des Menschen 5 Im zellularen Aufbau im Stoffwechsel und in ihrer Vermehrung weist die Klasse der Saugetiere von der zwei Gramm leichten Schweinsnasenfledermaus Craseonycteris thonglongyai bis zum 100 Millionen Mal schwereren Blauwal 200 Tonnen sehr viele Gemeinsamkeiten auf Bei Saugetieren variiert die Krebsrate etwa um den Faktor 2 Bei allen bekannten Saugetieren treten Krebserkrankungen in signifikanter Anzahl auf und fuhren in vielen Fallen auch zum Tod der betroffenen Individuen Fur verschiedene Modellorganismen liegen verlassliche Zahlen zu Krebsraten vor Fur in der Wildnis lebende Sauger gibt es dagegen nur relativ wenige Daten 4 Bei im Labor aufgezogenen Hausmausen Mus musculus haben etwa 46 beim Tod Tumore entwickelt 6 Bei Hunden Canis lupus familiaris liegt dieser Wert bei ungefahr 20 7 und beim Menschen bei 22 in den USA durch Krebs verursachte Todesfalle 8 Auch bei Blauwalen Balaenoptera musculus sind Falle von Krebserkrankungen bekannt Es liegen zwar keine statistischen Zahlen vor jedoch wird davon ausgegangen dass die meisten Wale nicht an Krebserkrankungen sterben 9 Bei der Untersuchung von 2000 erlegten Bartenwalen Mysticeti im Jahr 1966 in Saldanha Bay fanden sich keine Hinweise auf Krebserkrankungen 10 Bei der Obduktion von 129 der insgesamt 263 zwischen 1983 und 1999 am Ufer des Sankt Lorenz Stroms gestrandeten toten Weisswale wurde bei 27 Krebs festgestellt bei 18 war er die primare Todesursache 11 Diese Rate ist fur Wale ausgesprochen hoch und konnte bei keiner anderen Walpopulation gefunden werden Als Ursache wird die Gewasserverschmutzung der Strommundung durch industrielle und landwirtschaftliche Produktion vermutet 12 13 14 15 5 Nach der von der evidenzbasierten Medizin anerkannten Theorie der Karzinogenese Krebsentstehung findet das erste Krankheitsereignis auf zellularer Ebene statt Dabei transformiert eine normale Korperzelle in eine maligne Tumorzelle Das Paradoxon BearbeitenGrossere Organismen haben eine hohere Anzahl von Korperzellen Mit zunehmender Zellanzahl steigt die Wahrscheinlichkeit dass eine davon zur malignen Tumorzelle entartet Entsprechend sollten solche Organismen eine hohere Anzahl an potenziellen Krebszellen haben und daher viel haufiger und schneller als kleine Organismen Krebs entwickeln Zudem leben grossere Organismen langer und benotigen fur die Ontogenese erheblich mehr Zellteilungen um sich von der befruchteten Eizelle zum adulten Tier zu entwickeln Auch dies sind Faktoren die die Wahrscheinlichkeit zur Bildung entarteter Zellen bei grosseren Organismen erheblich steigern sollte Aus diesen Uberlegungen heraus sollte eine Korrelation zwischen Krebsinzidenz und Korpermasse bei Saugetieren bestehen Tatsachlich gibt es aber keinerlei Anhaltspunkte fur eine solche Korrelation 5 Hypothesen zu Erklarung des Paradoxons BearbeitenMehrere Hypothesen zur Erklarung von Peto s paradox wurden aufgestellt und werden kontrovers diskutiert p53 ist das wichtigste Checkpointprotein im Zellzyklus jedoch nicht das einzige Wenn eine Zelle nach Erreichen der Hayflick Grenze weiter teilungsfahig sein mochte muss vorher der p53 Checkpoint zerstort worden sein D h Krebszellen weisen beim Menschen meistens einen zerstorten p53 Checkpoint auf oder entwicklen spater Defekte an diesem Checkpoint Checkpoint Proteine wie p53 spielen folglich eine grosse Rolle bei der Entstehung Verhinderung von Krebs Bspw gibt es einen Zusammenhang zwischen der Korpergrosse und der Allelzahl von p53 in Elefanten Elefanten erlangten im Laufe ihrer Evolution immer mehr Kopien von p53 16 In Saugern gibt es ausserdem betrachtliche Unterschiede bzgl des maximal erreichbaren Lebensalters Diese Unterschiede sind anscheinend p53 sequenzkorreliert Es ist denkbar dass Krebs das Maximalalter limitiert und einige SNPs in p53 die Wahrscheinlichkeit fur Krebs in diesen Arten reduzieren oder erhohen 17 Einige Wissenschaftler gehen davon aus dass die Mutationsrate bei Saugetieren von deren Grosse abhangig ist Grosse Sauger hatten demnach eine geringere Mutationsrate als kleine Sauger Die unterschiedlichen Mutationsraten hatten dabei evolutionare Ursachen 18 19 Andere Forscher gehen davon aus dass die Reparaturmechanismen und das Immunsystem von grossen Saugetieren besser ausgebildet sind als bei kleinen Saugern wodurch die grosseren eine hohere Resistenz hatten 20 4 Andere Arbeitsgruppen gehen davon aus dass Krebstumoren mit zunehmender Grosse des Lebewesens selbst an Wachstumsgrenzen stossen konnen die fur sie nachteilig sind So wurde die fur einen Wal letale Tumormasse bei uber 100 kg liegen Die Entwicklung eines grosseren Tumors beansprucht auch mehr Zeit Wahrend dieser Zeit findet eine Vielzahl von Zellteilungen und weiteren Mutationen im Tumor statt Durch die Selektion untereinander im Wettbewerb stehender Phanotypen wurden aggressive cheaters bevorzugt werden die einen Hypertumor im eigentlichen Tumor bilden Dieser Hypertumor wurde den eigentlichen Tumor zerstoren Je grosser der Organismus ware desto grosser ware die Wahrscheinlichkeit dass sich ein Hypertumor bilde In grossen Organismen wie beispielsweise Walen waren Tumoren dann eine haufigere Erscheinung aber weniger letal als in kleinen Organismen 21 5 Bisher ist keine Hypothese allgemein anerkannt um das Paradoxon zu klaren Literatur BearbeitenFachliteratur Bearbeiten V Callier Core Concept Solving Peto s Paradox to better understand cancer In Proceedings of the National Academy of Sciences Band 116 Nummer 6 2019 S 1825 1828 doi 10 1073 pnas 1821517116 PMID 30723181 PMC 6369797 freier Volltext J M Vazquez M Sulak u a A Zombie LIF Gene in Elephants Is Upregulated by TP53 to Induce Apoptosis in Response to DNA Damage In Cell reports Band 24 Nummer 7 August 2018 S 1765 1776 doi 10 1016 j celrep 2018 07 042 PMID 30110634 Open Access M Tollis A M Boddy C C Maley Peto s Paradox how has evolution solved the problem of cancer prevention In BMC biology Band 15 Nummer 1 2017 S 60 doi 10 1186 s12915 017 0401 7 PMID 28705195 PMC 5513346 freier Volltext R Noble O Kaltz M E Hochberg Peto s paradox and human cancers In Philosophical transactions of the Royal Society of London Series B Biological sciences Band 370 Nummer 1673 Juli 2015 S doi 10 1098 rstb 2015 0104 PMID 26056357 PMC 4581036 freier Volltext A F Caulin C C Maley Peto s Paradox evolution s prescription for cancer prevention In Trends in ecology amp evolution Band 26 Nummer 4 April 2011 S 175 182 doi 10 1016 j tree 2011 01 002 PMID 21296451 PMC 3060950 freier Volltext Review Popularwissenschaftliche Veroffentlichungen Bearbeiten Joachim Czichos Zombie Gen schutzt Elefanten vor Krebs In wissenschaft aktuell de 15 August 2018 abgerufen am 17 August 2018 Kathrin Zinkant Warum Elefanten kaum Krebs haben In sueddeutsche de 8 Oktober 2015 abgerufen am 28 Januar 2021 Einzelnachweise Bearbeiten R Peto u a Cancer and ageing in mice and men In Br J Cancer 32 1975 S 411 426 PMID 1212409 PMC 2024769 freier Volltext F Galis Why do almost all mammals have seven cervical vertebrae Developmental constraints Hox genes and cancer In J Exp Zool 285 1999 S 19 26 PMID 10327647 Review F Galis und J A J Metz Anti cancer selection as a source of developmental and evolutionary constraints In BioEssays 23 2003 S 1035 1039 PMID 14579244 a b c A M Leroi u a Cancer selection Memento vom 6 Januar 2009 im Internet Archive In Nat Rev Cancer 3 2003 S 226 231 Review PMID 1261265 a b c d J D Nagy u a Why don t all whales have cancer A novel hypothesis resolving Peto s paradox In Integrative and Comparative Biology 47 2007 S 317 328 doi 10 1093 icb icm062 H B Andervort und T B Dunn Occurrence of tumors in wild house mice In J Natl Cancer Inst 28 1962 S 1153 1163 PMID 13861336 J Morris un J Dobson Small Animal Oncology Blackwell Science Oxford 2001 ISBN 0 632 05282 1 R J B King Cancer Biology 2 Auflage Pearson Education 2000 ISBN 0 13 129454 7 R B Landy Pathology of Zoo Animals Editoren R J Montali und G Migaki Smithsonian Institution Press 1980 C J Uys und P B Best Pathology of lesions observed in whales flensed at Saldanha Bay South Africa In J Comp Pathol 76 1966 S 407 412 PMID 6008380 D Martineau u a Cancer in wildlife a case study Beluga from the St Lawrence Estuary Quebec Canada In Environ Health Persp 110 2000 S 285 292 PMID 11882480 S De Guise u a Tumors in St Lawrence beluga whales Delphinapterus leucas In Vet Pathol 31 1994 S 444 449 PMID 7941233 S De Guise u a Possible mechanisms of action of environmental contaminants on St Lawrence beluga whales Delphinapterus leucas In Environ Health Persp 103 1995 S 73 77 PMID 7556028 D Martineau u a Pathology and toxicology of beluga whales from the St Lawrence Estuary Quebec Canada Past present and future In Sci Total Environ 154 1994 S 201 215 PMID 7973607 Review D C G Muir u a Persistent organochlorines in beluga whales Delphinapterus leucas from the St Lawrence River estuary I Concentrations and patterns of specific PCBs chlorinated pesticides and polychlorinated dibenzo p dioxins and dibenzofurans In Environ Pollut 93 1996 S 219 234 PMID 15091361 M Sulak L Fong K Mika S Chigurupati L Yon N P Mongan R D Emes V J Lynch copy number expansion is associated with the evolution of increased body size and an enhanced DNA damage response in elephants In eLife Band 5 09 2016 S doi 10 7554 eLife 11994 PMID 27642012 PMC 5061548 freier Volltext Martin Bartas Adriana Volna Joanna Zawacka Pankau Jiri Cerven Petr Pecinka Vaclav Brazda The changes in the p53 protein across the animal kingdom pointing to its involvement in longevity doi 10 1101 2020 05 06 080200 A V Lichtenstein Cancer as a Programmed Death of an Organism In Biochemistry Moscow 70 2005 S 1055 1064 PMID 16266279 A V Lichtenstein On evolutionary origin of cancer In Cancer Cell Int 5 2005 S 5 PMID 15743536 PMC 555547 freier Volltext J Cairns Mutation selection and the natural history of cancer In Nature 255 1975 S 197 200 PMID 1143315 J D Nagy Competition and natural selection in a mathematical model of cancer In Bull Math Biol 66 2004 S 663 687 PMID 15210312Weblinks BearbeitenLetter to the Editorial Board of Biochemistry Moscow englisch Warum kriegen Blauwale keinen Krebs Petos Paradoxon auf YouTube vom 20 November 2019 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Petos Parodoxon amp oldid 228996634