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Eine Personenstandsfalschung ist die Herbeifuhrung eines Irrtums durch Tauschung uber die familienrechtlichen Verhaltnisse eines anderen Menschen Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Deutschland 2 1 Rechtsgut 2 2 Objektive Tathandlungen 2 2 1 Unterschieben eines Kindes 2 2 2 Falsche Angaben 2 2 2 1 Angaben 2 2 2 2 Falsch 2 2 2 3 Zustandige Behorde 2 2 3 Unterdruckung wahrer Tatsachen 2 3 Subjektiver Tatbestand 2 4 Rechtswidrigkeit 2 5 Praktische Bedeutung 2 5 1 Anonyme Geburt 2 5 2 Babyklappe 2 5 3 Falsches Anerkenntnis der Vaterschaft 2 6 Konkurrenzen zu anderen Strafvorschriften 3 Literatur 4 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenSchon das romische Recht kannte die Personenstandsfalschung in Gestalt des Unterschieben eines Kindes als suppositio partus Entscheidende Pragung hat das Delikt durch den etat civil des personnes des franzosischen Rechts erfahren Deutschland BearbeitenIn Deutschland ist die Personenstandsfalschung gem 169 Strafgesetzbuch StGB eine Straftat und zwar ein Vergehen bei dem bereits der Versuch strafbar ist Der Tatbestand wurde durch das am 28 November 1973 in Kraft getretene 4 Strafrechtsreformgesetz entscheidend dadurch eingeschrankt dass mit Ausnahme der Kindesunterschiebung vgl unten nur noch Handlungen in Bezug auf die Personenstandsbehorden strafbar sind Vorher machte sich auch strafbar wer langere Zeit gegenuber anderen Dritten einen falschen Personenstand vorspiegelte z B standig ein Pflegekind als eigenes Kind oder die Konkubine als Ehefrau bezeichnete Rechtsgut Bearbeiten Rechtsgut der Personenstandsfalschung ist die richtige Feststellung der familienrechtlichen Verhaltnisse einer Person Abgestellt wird dabei grundsatzlich auf das Allgemeininteresse Mit geschutzt ist aber auch das Interesse des Einzelnen seinen wahren Personenstand zutreffend zu kennen und registriert zu wissen Objektive Tathandlungen Bearbeiten Der Straftatbestand weist drei verschiedene mogliche Tathandlungen auf Dabei ist als Sonderfall der falschen Angaben die nicht gegenuber einer Personenstandsbehorde erfolgen das Unterschieben des Kindes ubrig geblieben Dies wird mit rechtsgeschichtlichen Bezugen s o und der besonderen Schutzbedurftigkeit des Sauglings und des Kleinkinds begrundet Unterschieben eines Kindes Bearbeiten Unterschieben eines Kindes liegt bei einer Handlung vor die dazu fuhrt dass das Kind der Umwelt als Kind einer anderen Frau als der tatsachlichen Mutter erscheint Nicht erforderlich ist dagegen dass die Mutter das Kind fur ihr eigenes halt Deshalb kann die Mutter sich das fremde Kind auch selbst unterschieben Klassisches Beispiel ist der Austausch des in der Geburt verstorbenen Erben von Thron und Titel durch ein gesundes Burgerkind Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist dabei die konkrete Gefahr eines falschen Eintrags im Personenstandsregister Nur ein Kind das selbst noch keine zutreffenden Vorstellungen uber seinen Personenstand hat kann untergeschoben werden Keine Kindesunterschiebung und damit keine strafbare Personenstandsfalschung ist das Verschweigen der Tatsache der Zeugung im Ehebruch durch die Mutter des Kindes gegenuber ihrem Ehemann Kuckuckskind Zum einen wird hierbei nicht die Abstammung von einer anderen Mutter vorgetauscht und zum anderen werden auch keine falschen Eintragungen in das Personenstandsregister vorgenommen weil der Ehemann der Mutter gemass 1592 Nr 1 BGB rechtlich der Vater ist Falsche Angaben Bearbeiten Angaben Bearbeiten Angaben uber den Personenstand macht wer sich zu zivilrechtlich relevanten familienrechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen also beispielsweise zu Geschlecht Abstammung Adoption Verwandtschaft oder Familienstand Eingehung der Ehe oder Lebenspartnerschaft Scheidung usw aussert Nicht hierzu zahlen zum Beispiel Name oder Staatsangehorigkeit weil diese Merkmale zwar auf eine bestimmte Person bezogen sind aber keine Beziehung dieser Person zu einer anderen Person beschreiben Die Ausserung des Taters muss sich auf den Familienstand einer anderen Person beziehen gleichgultig ob diese noch lebt oder schon verstorben ist Angaben uber den eigenen Personenstand werden von der Strafvorschrift nicht erfasst 1 Falsch Bearbeiten Falsch ist die Angabe wenn der angebliche Personenstand nicht mit dem wahren ubereinstimmt Massgebend ist dabei grundsatzlich der rechtliche Personenstand nicht der tatsachliche Strafbar handelt also wer bei der Geburt eines Kindes dessen Eltern nicht miteinander verheiratet sind einen Mann als Erzeuger bezeichnet der nicht der Vater ist Straflos handelt dagegen wer ein rechtlich als Kind der Eheleute geltendes aber im Ehebruch gezeugtes Kind als eheliches Kind anmeldet Zustandige Behorde Bearbeiten Die Angaben mussen gegenuber einer zur Fuhrung der Personenstandsregister zustandigen Behorde dem Standesamt oder einer zur Feststellung des Personenstands zustandigen Behorde erfolgen Dies sind insbesondere auch die Gerichte die uber die Vaterschaftsfeststellung entscheiden Stets muss es darum gehen dass der Personenstand mit Wirkung fur alle festgestellt wird Nicht zur Feststellung des Personenstands in diesem Sinne tatig sind etwa die Polizei bei Vernehmungen oder die Sozialamter bei der Prufung der Voraussetzungen von Sozialhilfe Unterdruckung wahrer Tatsachen Bearbeiten Eine Unterdruckung des Personenstands liegt vor wenn durch andere Handlungen als durch falsche Angaben oder durch Unterlassung die zustandige Behorde an der richtigen Beurteilung des Personenstands gehindert wird Dies ist beispielsweise der Fall wenn die Mutter im Vaterschaftsprozess der Wahrheit zuwider behauptet in der gesetzlichen Empfangniszeit auch mit anderen Mannern als dem Vater verkehrt zu haben Unterdrucken durch Unterlassen begeht zum Beispiel der welcher entgegen einer Anzeigepflicht nach dem Personenstandsgesetz PStG eine Geburt oder einen Sterbefall nicht dem Standesamt anzeigt Subjektiver Tatbestand Bearbeiten In subjektiver Hinsicht setzt die Tat Vorsatz voraus wobei Eventualvorsatz genugt Aus welchen Motiven der Tater handelt ob er etwa eine eigene Bereicherung anstrebt ist ohne Bedeutung Rechtswidrigkeit Bearbeiten Die Einwilligung der betroffenen Person ist strafrechtlich unerheblich weil die Personenstandsfalschung kein Dispositionsdelikt ist also nicht ein personliches Rechtsgut des Kindes uber das dieses verfugen disponieren konnte sondern allein das offentliche Interesse an der materiellen Richtigkeit der Personenstandsbucher geschutzt ist Praktische Bedeutung Bearbeiten In der deutschen Strafrechtspflege ist das Delikt von vollig untergeordneter Bedeutung Die Zahl der jahrlichen Verfahren lasst sich an einer Hand abzahlen Wie stets bei solchen statistischen Analysen fragt sich ob dies daran liegt dass die Strafvorschrift ihre Funktion erfullt oder ob sie schlicht uberflussig ist oder ob die begangenen Straftaten nur nicht aufgedeckt werden Im Gegensatz zur tatsachlichen Bedeutung hat die Strafvorschrift Anfang des 21 Jahrhunderts aufgrund neuer tatsachlicher Erscheinungen im Zusammenhang mit Abstammung und Geburt in der wissenschaftlichen Diskussion breiten Raum eingenommen Anonyme Geburt Bearbeiten Bei der so genannten anonymen Geburt wird der Mutter durch das Krankenhaus oder das Entbindungsheim ermoglicht ihre Personalien nicht angeben zu mussen Die Strafbarkeit der Mutter die als sorgeberechtigter Elternteil grundsatzlich gemass 19 S 1 Nr 1 PStG verpflichtet ist die Geburt dem Standesamt personlich anzuzeigen durch Unterdrucken des Personenstands stand dabei ausser Diskussion Uneinheitlich wurde die Frage beantwortet ob sich die anderen Beteiligten strafbar machen Anknupfungspunkt ist die fur den Fall der Verhinderung der Eltern bestehende Verpflichtung der Arzte und Hebammen als einer bei der Geburt zugegen gewesenen Person nach 19 S 1 Nr 2 PStG und des Tragers der Einrichtung nach 20 PStG zur Anzeige der Geburt beim Standesamt Die einen argumentierten es fehle am Vorsatz weil diese Beteiligten hofften die Mutter werde sich noch anders besinnen sich zur Mutterschaft bekennen und das Kind in eigene Obhut nehmen Die anderen zeigten sich uberzeugt dass die Beteiligten die Nichtfeststellung der Mutterschaft durch das Standesamt regelmassig in ihren Vorsatz aufnehmen Durch das Gesetz zum Ausbau der Hilfen fur Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt vom 28 August 2013 hat der Gesetzgeber wegen dieser strafrechtlichen Probleme eine spezielle Regelung fur die anonyme Geburt eingefuhrt Wenn die Mutter gegenuber einer Beratungsstelle einen entsprechenden Wunsch aussert muss dem Standesamt nur das Pseudonym der Mutter mitgeteilt werden Die Daten der Mutter werden dann nur hinterlegt Das Kind darf mit Vollendung seines 16 Lebensjahr Einsicht nehmen 2 Babyklappe Bearbeiten In der strafrechtlichen Literatur besteht weitgehende Ubereinstimmung dass auch die Mutter die ihr Kind in einer Babyklappe ablegt eine Unterdruckung des Personenstands des Kindes begeht da sie anzeigepflichtig ist und das Ablegen in der Babyklappe mit dem anschliessenden Entfernen die Feststellung des Personenstands des Kindes jedenfalls gefahrdet Freilich bleibt stets zu prufen ob die Notlage solcher Mutter die Tat rechtfertigt oder jedenfalls entschuldigt Ausserst kontrovers ist im Schrifttum dagegen die Einschatzung des Verhaltens desjenigen der eine Babyklappe zu Verfugung stellt Zwar kann er selbst den Personenstand nicht falsch angeben oder unterdrucken weil er ihn schlicht nicht kennt Fraglich ist aber ob er zur Tat der Mutter durch die Aufstellung der Babyklappe Beihilfe leistet Teilweise wird vertreten die Vorrichtung diene nur dem Schutz des Kindes die unerkannte Flucht der Mutter werde nicht unterstutzt Andere zweifeln daran ob der Betreiber mit dieser Flucht nicht doch rechnet und sie im Sinne eines Eventualvorsatzes billigend in Kauf nimmt Falsches Anerkenntnis der Vaterschaft Bearbeiten Vom Wortlaut des Gesetzes her liegt in dem Anerkenntnis der Vaterschaft durch einen Mann der weiss dass er das Kind biologisch nicht gezeugt hat eine falsche Angabe uber den Personenstand des Kindes gegenuber dem Standesamt Da es aber nach dem deutschen Familienrecht bei der Vaterschaftsanerkennung eines Kindes dessen Eltern nicht miteinander verheiratet sind nicht darauf ankommt ob der die Vaterschaft anerkennende Mann wirklich biologisch der Vater des Kindes ist wird diese Vorschrift nach der wohl uberwiegenden Meinung in der strafrechtlichen Literatur durch teleologische Reduktion nicht auf unwahre Angaben bei der Vaterschaftsanerkennung angewandt 3 Diese Einschrankung soll auch dann gelten wenn der Mann von der Kindsmutter getauscht worden ist also diese an sich nach den Grundsatzen der mittelbaren Taterschaft an sich eine Personenstandsfalschung begehen wurde wenn sie den biologischen Nichtvater durch Tauschung zur Vaterschaftsanerkennung bestimmt Die wohl in der Minderheit befindliche Gegenmeinung weist darauf hin dass das falsche Anerkenntnis der Vaterschaft recht haufig als Adoption auf kaltem Wege eingesetzt wird wenn der Ehemann das aus dem Ausland in das Inland verbrachte Kind einer nichtehelichen Mutter aus einem Entwicklungsland der Wahrheit zuwider als eigenes gegenuber dem Standesamt anerkennt und die folgende Adoption durch die Ehefrau nur noch Formsache ist Die Umgehung der Schutzvorschriften fur die Adoption stehe der Einschrankung des Tatbestands entgegen und erfordere sogar eine Strafbarkeit Konkurrenzen zu anderen Strafvorschriften Bearbeiten Personenstandsfalschung konkurriert haufig mit mittelbarer Falschbeurkundung 271 StGB weil durch tatbestandsmassige Handlungen der Standesbeamte veranlasst wird eine falsche Tatsache offentlich zu beurkunden In diesem Fall besteht zu den Tathandlungen der unrichtigen Angabe und des Unterdruckens Spezialitat so dass die in 169 StGB vorgesehene mildere Strafe anzuwenden ist Privilegierung Im Statusprozess besteht bei den Tathandlungen der falsche Angaben und Unterdrucken in der Regel Tateinheit Literatur BearbeitenJurgen Spindler Beurkundung von anonymen Geburten Kindern aus Babyklappen und Personen mit ungewissem Personenstand Das Standesamt 2012 97 Winfried Hassemer Lutz Eidam Babyklappen und Grundgesetz Am Beispiel des Projekts Findelbaby in Hamburg Nomos Baden Baden 2011 ISBN 978 3 8329 6945 5 Alexander Teubel Geboren und Weggegeben Rechtliche Analyse der Babyklappen und anonymen Geburt Duncker amp Humblot Berlin 2009 ISBN 978 3 428 53068 7 Thorsten Kingreen Das Kind X Verfassungsrechtliche Fragen der anonymen Kindesabgabe Kritische Viertelsjahreszeitschrift fur Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 2009 88 Stephan Neuheuser Straftaten an der sogenannten Babyklappe Zeitschrift fur Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 2006 458 Cornelia Mielitz Anonyme Kindesabgabe Babyklappe anonyme Ubergabe und anonyme Geburt zwischen Abwehr und Schutzgewahrrecht Nomos Baden Baden 2005 ISBN 3 8329 1850 7 Stephan Neuheusser Strafrechtliche Bewertung sogenannter Babyklappen in der Praxis Kriminalistik 2005 738 Jurgen Moysich Babyklappe und anonyme Geburt Zeitschrift fur Rechtspolitik 2003 217 Kyrill A Schwarz Rechtliche Aspekte von Babyklappe und anonymer Geburt Das Standesamt 2003 33 Stephan Neuheusser Babyklappe und anonyme Geburt Zeitschrift fur Rechtspolitik 2003 216 Ingo Mittenzwei Susanne Benohr Iris A Muth Pro amp Contra Babyklappe und anonyme Geburt Zeitschrift fur Rechtspolitik 2002 452 Stephan Neuheusser Begrundet die Weggabe eines Neugeborenen in einer Babyklappe den Anfangsverdacht einer Straftat Neue Zeitschrift fur Strafrecht 2001 175 Michael Barlein Stephan Rixen Babywiegen Ein Hilfskonzept eigener Art Strafrechtliche Risiken der Einrichtung von Babywiegen Kriminalistik 2001 54 M Susanne Benohr Iris A Muth Babyklappe und Anonyme Geburt im Widerstreit zwischen Hilfeleistung und Gesetzesverstoss Kritische Justiz 2001 405 Einzelnachweise Bearbeiten OLG Hamm Urteil vom 26 August 1988 5 Ss 778 87 Neue Entscheidungssammlung fur Strafrecht NStE Nr 1 zu 169 StGB Friedrich Christian Schroeder Familienrecht und Strafrecht In FamRZ 2014 S 1745 1748 Aus der Rechtsprechung vgl einerseits OLG Koln Beschluss vom 7 Dezember 1973 16 Wx 109 73 Neue Juristische Wochenschrift NJW 1974 953 andererseits OLG Hamm Urteil vom 20 November 2007 1 Ss 58 07 Neue Juristische Wochenschrift NJW 2008 1240 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Personenstandsfalschung amp oldid 239091148