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Pasteurisierung ˌpʰa sto ʁiˈziː ʁʊŋ oder Pasteurisation bezeichnet die kurzzeitige Erwarmung von flussigen oder pastosen Lebensmitteln auf Temperaturen von mindestens 72 C 1 klassisches Verfahren von Pasteur bis maximal 100 C Hochpasteurisieren zur Abtotung der vegetativen Phasen von Mikroorganismen Sie dient z B dazu Lebensmittel unter anderem Milch Frucht und Gemusesafte und Flussigei schonend haltbar keimarm zu machen 2 3 Pasteurisierungsanlage Tunnelpasteur WannenpasteurDurch die kurze 15 Sekunden bis wenige Minuten 4 umfassende Zeitdauer der Hitzeeinwirkung und die massige Temperatur werden der Nahrwert der Geschmack und die Konsistenz des Lebensmittels nur unbedeutend verandert und dennoch die meisten Lebensmittelverderber wie Milchsaurebakterien und Hefen sowie viele krankheitserregende Bakterien wie Salmonellen Brucellen und Enterobakterien zuverlassig abgetotet Hitzeresistente Bakteriensporen wie die von Clostridium botulinum die Erreger der Paratuberkulose sowie Sporen einiger Schimmelpilze uberleben diese Behandlung zumindest teilweise Aus diesem Grund sollte der Mikroorganismengehalt der Rohware moglichst gering gehalten werden Da sie nicht keimfrei sind mussen pasteurisierte Lebensmittel im Regelfall gekuhlt gelagert werden und sind dann einige Tage bis einige Wochen haltbar Davon abzugrenzen ist die Sterilisation bei Temperaturen von uber 100 C die auch hitzeresistente Bakteriensporen abtotet Sterilisierte Lebensmittel konnen erheblich langer und ungekuhlt gelagert werden als pasteurisierte Lebensmittel verlieren jedoch durch das Erhitzen starker an Nahrwert und Geschmack Das Verfahren der Pasteurisierung wurde nach dem franzosischen Chemiker Louis Pasteur benannt und 1864 entwickelt Pasteur hatte erkannt dass durch kurzzeitiges Erhitzen von Lebensmitteln und anderen Stoffen die meisten der darin enthaltenen Mikroorganismen abgetotet werden Sind so behandelte Stoffe in einem abgeschlossenen Bereich konnen auch keine neuen Mikroorganismen in diese eindringen Unter Zuhilfenahme eines speziell angefertigten Glaskolbens des Pasteurkolbens wurde diese Methode sehr eindrucksvoll demonstriert Bei Lebensmitteln kann dadurch die Haltbarkeitszeit deutlich gesteigert werden Zugleich war mit diesem Versuch auch die Urzeugungsthese widerlegt Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Pasteurisierung von Milch und Milchprodukten 3 Pasteurisierung von Eiern 4 Pasteurisierung von Getranken 5 Andere Anwendungen 6 Alternative Verfahren 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten nbsp Louis Pasteur 1822 1895 Bereits 1795 wendete der Koch Konditor und Erfinder Nicolas Appert die Warmekonservierung in Form des Einkochens an Als Vorversuch zur Entwicklung einer systematisierten Anwendung dieses Verfahrens in den 1860er Jahren gilt Pasteurs Nachweis dass Lebensmittelverderb eindeutig durch Lebewesen verursacht wird und kein abiotischer Prozess ist wie viele seiner Zeitgenossen annahmen Fur diesen Nachweis fullte er frisch gekochte Bouillon in zwei glaserne Kolben Einen davon liess er unverschlossen stehen auf den anderen setzte er ein S formig gekrummtes Glasrohr das zwar einen Ausgleich des Gasdrucks zwischen Garraum und Umgebung erlaubt das Eindringen von Partikeln jedoch verhindert Garrohrchen In beiden Glaskolben kochte er die Bouillon nochmals auf und beobachtete dann die Entwicklung des Inhalts beider Kolben uber einen langeren Zeitraum Der Inhalt des unverschlossenen Kolbens verdarb schneller wahrend die Bouillon im Kolben mit dem Garrohrchen langere Zeit geniessbar blieb Pasteurisierung von Milch und Milchprodukten BearbeitenAm bekanntesten ist die Pasteurisierung von Milch bzw Rohmilch die hierzu 15 bis 30 Sekunden auf 72 bis 75 C erhitzt und danach sofort wieder abgekuhlt wird Pasteurisierte Milch bleibt ungeoffnet bei 6 bis 7 C gelagert etwa 6 bis 10 Tage fast unverandert Bei der Hochpasteurisierung wird Milch auf 85 bis 134 C erhitzt Die resultierende hoch pasteurisierte Milch ist nahezu keimfrei und bleibt wesentlich langer haltbar als die ubliche pasteurisierte Milch im Kuhlschrank bei 5 C etwa 2 Wochen Sie wird in Deutschland seit 1990 auch als ESL Milch angeboten 5 Eine Pasteurisierung bei Temperaturen von uber 135 C wird Ultrahocherhitzung genannt und fuhrt zu H Milch In der Europaischen Union ist nach Verordnung EG Nr 853 2004 die Warmebehandlung fur alle gehandelten Milchsorten ausser Roh und Vorzugsmilch gesetzlich vorgeschrieben 6 Milcherzeugnisse die abgepackt und zum Verkauf an Verbraucher bestimmt sind werden als ultrahocherhitzt bezeichnet wenn sie auf Temperaturen von 135 bis 150 C erhitzt wurden und warmebehandelt wenn sie auf Temperaturen von mindestens 50 C erhitzt wurden 7 Rohmilchkase mussen als solche gekennzeichnet werden und sollten von Schwangeren und Menschen mit geschwachtem Immunsystem vorbeugend gemieden werden In Australien und Neuseeland durfen seit 1994 mit wenigen Ausnahmen wie Roquefort nur pasteurisierte oder thermisierte Milchprodukte in den Handel gebracht werden Die Pasteurisierung von Milch und Milchprodukten geht nicht auf Louis Pasteur zuruck sondern wurde erst spater von Franz von Soxhlet verwirklicht Die Einfuhrung als Massnahme des offentlichen Gesundheitsschutzes erfolgte vor dem Hintergrund einer zunehmend industrialisierten Milchproduktion Die Massenproduktion und der Vertrieb roher Milch und Milcherzeugnisse fuhrten zu sich weit verbreitenden Krankheitsausbruchen Unter unhygienischen Bedingungen produzierte und transportierte Milch verursachte wiederholt Ausbruche von Typhus Scharlach Diphtherie Durchfallerkrankungen und Streptokokken induziertem toxischem Schocksyndrom Rohmilch war daneben auch eine wichtige Infektionsquelle fur die zoonotische Rindertuberkulose 8 Pasteurisierung von Eiern BearbeitenAufgeschlagene Eier sind ein leicht verderbliches Lebensmittel das durch Pasteurisierung haltbar gemacht werden kann Wie bei Milch kann die Erhitzung im Durchflussverfahren mit Platten oder Rohrenwarmetauschern fur kleinere Produktionsmengen aber auch chargenweise in Behaltern mit beispielsweise 60 oder 120 Litern Inhalt geschehen 9 Ein Problem ist dass flussiges Ei nicht sehr hitzebestandig ist sondern bereits bei niedrigen Temperaturen gerinnt Eiklar bei 62 C Eigelb bei 68 C Vollei bei 66 C Aus diesem Grund kommt nur Dauererhitzung bei niedrigeren Temperaturen in Frage Mogliche Verfahrensparameter fur die Pasteurisierung von Flussigei sind zum Beispiel 10 Eiklar 56 58 C 120 180 s Eigelb 61 68 C 30 120 s Vollei 62 66 C 90 180 s Andere Quellen geben andere Werte an so etwa fur Vollei 65 C 5 min 9 Pasteurisiertes Ei ist verschlossen bei Temperaturen bis 4 C einige Tage bis wenige Wochen haltbar Nach dem Offnen besteht die Gefahr dass das Ei erneut mit Mikroorganismen in Kontakt kommt und von ihnen besiedelt wird Rekontamination Daher muss pasteurisiertes Flussigei nach dem Offnen weiterhin kuhl gelagert und innerhalb eines Tages verbraucht werden Pasteurisierung von Getranken BearbeitenAuch andere Lebensmittel wie Wein Fruchtsaft oder Bier werden von der Lebensmittelindustrie haufig pasteurisiert oder aus pasteurisierten Bestandteilen erzeugt in den Handel gebracht In diesen Bereichen wird die Behandlung meist mit dem Kurzel KZE Kurzzeiterhitzung bezeichnet Saure Produkte mit einem pH Wert kleiner als 4 5 konnen in Kombination mit der Pasteurisierung so haltbar gemacht werden dass eine gekuhlte Lagerung nicht erforderlich ist Zu dieser Gruppe zahlen viele Obst und Gemusesafte oder konserven und u a Limonaden und Energydrinks Pasteurisierung von Getranken 11 Verfahren kontinuierliche Arbeitsweise genaue Temperatursteuerung leichte Reinigung Kaltfullung Einsatz fur Trubsafte Eignung fur CO2 haltige Getranke Leistung in Liter hSussmostglocke ja nein nein nein ja nein lt 600Plattenpasteur ja ja je nach Bauart nein je nach Bauart nein gt 500Rohrenwarmetauscher ja ja ja nein ja nein gt 500Tunnelpasteur ja je nach Bauart ja ja ja ja gt 1000Kammerpasteur nein je nach Bauart ja ja ja ja gt 250Andere Anwendungen BearbeitenNeben Lebensmitteln konnen auch andere Produkte pasteurisiert werden beispielsweise Klarschlamm oder Flussigmist Spezielle Techniken die auf Warme beruhen werden ebenfalls zur Virusinaktivierung genutzt 12 Alternative Verfahren BearbeitenAndere Verfahren zur Haltbarmachung von Lebensmitteln sind Sterilisierung Ultrahocherhitzung Einkochen Tyndallisation Thermisation Lebensmittelbestrahlung mit Gammastrahlen Diese Methode ist in Deutschland nicht zur Behandlung von Lebensmitteln zugelassen Denaturierung durch Druck auch Hochdruckpasteurisierung Anders als bei der klassischen Pasteurisierung wird das Lebensmittel dabei nicht erhitzt Literatur BearbeitenRainer Bromer Pasteurisation In Werner E Gerabek Bernhard D Haage Gundolf Keil Wolfgang Wegner Hrsg Enzyklopadie Medizingeschichte De Gruyter Berlin New York 2005 ISBN 3 11 015714 4 S 1112 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Pasteurisierung Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wiktionary pasteurisieren Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen DFG Senatskommission SKLM Sicherheitsbewertung des Hochdruckverfahrens PDF 188 kB Einzelnachweise Bearbeiten Verordnung uber die Berufsausbildung zum Milchtechnologen zur Milchtechnologin In Bundesgesetzblatt 9 April 2010 S 421 426 doi 10 7328 bgbl 2010 0000111 h16 Wilhelm Holzapfel Hrsg Lexikon Lebensmittel Mikrobiologie und Hygiene Behr Hamburg 2004 ISBN 978 3 89947 048 2 Stichwort Pasteurisierung Rainer Bromer Pasteurisation 2005 S 1112 Pasteurisieren So halten Lebensmittel langer Osterreich isst informiert abgerufen am 12 Oktober 2023 Hochpast Verordnung EG Nr 853 2004 des Europaischen Parlaments und des Rates vom 29 April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften fur Lebensmittel tierischen Ursprungs https www gesetze im internet de milchv 3 html M E Potter A F Kaufmann P A Blake R A Feldman Unpasteurized milk The hazards of a health fetish In JAMA Band 252 Nr 15 19 Oktober 1984 ISSN 0098 7484 S 2048 2052 doi 10 1001 jama 252 15 2048 PMID 6481912 a b Andreas Gloor Eier Pasteurisation auf dem eigenen Betrieb In Schweizerische Geflugelzeitung Ausgabe Oktober 2010 ISSN 1420 9217 S 11 13 PDF Datei 87 4 kB W Ternes Eiprodukte aktuelle Trends in der Verarbeitung und Verwendung In Landbauforschung Sonderheft 322 2008 S 210 ff PDF Datei 281 8 kB Karl Lind Biologischer Obstbau Leopold Stocker Verlag Graz 1998 ISBN 3 7020 0833 0 S 261 Albrecht Groner Connie Broumis Randel Fang Thomas Nowak Birgit Popp Effective inactivation of a wide range of viruses by pasteurization VIRUS INACTIVATION BY PASTEURIZATION In Transfusion Band 58 Nr 1 Januar 2018 S 41 51 doi 10 1111 trf 14390 PMID 29148053 PMC 7169671 freier Volltext Normdaten Sachbegriff GND 4236993 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pasteurisierung amp oldid 239216426