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Palaopathologie von griechisch palaios palaios alt und griechisch deutsch Pathologie beschaftigt sich anhand von tierischen und menschlichen Objekten aus vorwissenschaftlichen Epochen mit Krankheiten und degenerativen Veranderungen in geschichtlichen und vorgeschichtlichen Epochen insbesondere mit der Bestimmung von Krankheiten aus fruhhistorischen Skelettresten und Mumienfunden Als junge Wissenschaft ist sie dynamisch es gibt noch keine direkte Ausbildung Palaopathologen qualifizieren sich durch ihre Beschaftigung mit geschichtlichen Leichenfunden im Rahmen einer medizinischen Pathologie Gerichtsmedizin bzw biologischen Prahistorische Anthropologie Ausbildung Inhaltsverzeichnis 1 Forschungsgeschichte 2 Untersuchungsmethoden 2 1 Untersuchung am Hartgewebe 2 2 Molekularbiologische Untersuchungen 3 Erkenntnisgewinn 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseForschungsgeschichte BearbeitenAls Begrunder der Palaopathologie gilt der englische Bakteriologe Marc Armand Ruffer der auch den Ausdruck Palaopathologie fur die pathologische Erforschung menschlicher und tierischer Uberreste aus fruhen Zeiten 1 pragte Ahnlich wie in der Agyptologie so waren es auch in der Palaopathologie vor allem Einzelpersonen die die Methoden und Techniken entwickelten und den Wissenschaftszweig formten Beispielsweise hatte auch schon Philippe Charles Schmerling 1833 34 in seinem Werk Recherches sur les ossements fossiles decouverts dans les cavernes de la Province de Liege pathologische Befunde an den von ihm entdeckten Tierfossilien beschrieben Untersuchungsmethoden BearbeitenBei Untersuchungen direkt am Individuum unterscheidet man invasive und nichtinvasive Methoden Nichtinvasive Methoden greifen nicht in den Korper ein so dass der Fund nicht beschadigt wird Nichtinvasive Methoden Morphognostik das heisst Beschau der Uberreste Rontgen Nachteil meist nur zweidimensional Computertomographie dreidimensional auch weiches Gewebe wird erfasst Invasive Methoden Dunnschliffe fur Mikroskopie molekularbiologische Untersuchung zum Beispiel alte DNA chemisch analytische Untersuchungen etwa zum Nachweis von Giften Daruber hinaus gibt es in seltenen Fallen auch Untersuchungen an uberlieferten Fakalien etwa in mittelalterlichen Latrinen oder Kloaken 2 oder an Koprolithen fossilisierter Dung die Aufschluss uber den Darm Parasitenbefall ihrer Verursacher liefern konnen Im Folgenden seien einige Bereiche naher beleuchtet Untersuchung am Hartgewebe Bearbeiten Knochen und Zahne sind meistens am besten bzw in den uberwiegenden Fallen als einzige Reste uberliefert dementsprechend haufig werden die Methoden auch an diesen Geweben angewendet Die Untersuchung konzentriert sich dabei auf degenerative Veranderungen das heisst Abnutzungserscheinungen am Knochen durch Uber bzw Fehlbelastung dazu zahlen zum Beispiel Wirbelsaulenerkrankungen 3 und arthrotische Erscheinungen an den Gelenken Diese Veranderungen fallen in den Bereich des Normalen solange keine Beschwerden auftreten Sind dagegen massive Veranderungen oder Entzundungen erkennbar spricht man von pathologischen also krankhaften Veranderungen Der Ubergang degenerativ pathologisch ist fliessend wird aber zum Beispiel durch die Trennung von Arthrose rein degenerativ und Arthritis entzundlich zum Ausdruck gebracht Infektionskrankheiten hinterlassen seltener beobachtbare Spuren jedoch gibt es Ausnahmen wie etwa Karies entzundliche Prozesse in Knochennahe zum Beispiel Parodontitis Gingivitis oder auch schlecht verheilte tiefe Wunden Noch seltener lassen sich die meisten Infektionskrankheiten mit Bestimmtheit diagnostizieren als Ausnahme seien hier Osteomyelitis oder Syphilis genannt die ein typisches Symptombild am Knochen hinterlassen Neubildungen wie Nieren oder Blasensteine aber auch Gewebsneubildungen vor allem am Knochen zum Beispiel Tumoren konnen unter gunstigen Erhaltungsbedingungen und bei sachgemasser Bergung festgestellt werden Traumata das heisst physische Gewalteinwirkungen auf Gewebe Knochenbruche beispielsweise und der Verlauf ihrer Heilung Mangelerscheinungen sind in bestimmten Bereichen ebenfalls nachweisbar zum Beispiel bewirkt Blutarmut Anamie den Abbau der Deckknochenschicht im Dach der Augenhohle sog Cribra orbitalia Rachitis das heisst eine Knochenerweichung aufgrund Vitamin D Mangels hinterlasst ebenfalls klare Spuren Der Wachstumsverlauf bestimmter Bereiche etwa des Zahnschmelzes oder der Langknochen ist ebenfalls dokumentierbar so schlagen sich Verlangsamung bzw Stillstand des Wachstums in Schmelzhypoplasien Fehlbildungen in Form waagerechter Rillen und sog Harris Linien Linien im Querschnitt der Langknochen Enden nieder Erberkrankungen sind wenn sie das Knochenwachstum beeinflussen ebenfalls nachweisbar Aufgrund ihres seltenen Auftretens verbunden mit dem haufig fruhen Ableben der Betroffenen und dementsprechend schlechter Erhaltung der fragilen Kinderknochen gehoren sie jedoch zu den Randerscheinungen palaopathologischer Forschung Bsp Hydrocephalus Mikrocephalus Skaphocephalus Molekularbiologische Untersuchungen Bearbeiten In organischen Uberresten die sich auch auf wenige Zellen etwa innerhalb des kompakten Knochens beschranken konnen lassen sich bei gunstigen Erhaltungsbedingungen korpereigene Stoffe nachweisen Die derzeitige Forschung konzentriert sich in diesem Bereich auf die Untersuchung alter DNA die unter Umstanden Aufschluss uber Infektionskrankheiten liefern kann Auf diesem Wege ist zum Beispiel die Pest bereits in fruhmittelalterlichen Skeletten aus Bayern nachgewiesen 4 Andere Infektionen wie etwa Malaria sind ebenfalls nachgewiesen doch scheinen nicht alle Erreger grundsatzlich beobachtbare Spuren in altem Material zu hinterlassen der molekularbiologische Nachweis von Syphilis beispielsweise misslang bisher Zukunftig werden auf diesem Wege wohl ebenfalls Erbkrankheiten nachweisbar sein auf alle Falle solche die durch Genmutationen verursacht werden Erkenntnisgewinn BearbeitenDie beobachteten Symptome werden nach der Dokumentation fur jedes Individuum zur Rekonstruktion seiner Lebens speziell aber seiner Krankheitsgeschichte genutzt Wie gesehen sind eindeutige Krankheitsbilder selten die Ursachen der Mangelerscheinungen und Wachstumsverlangsamung sind aufgrund ihrer moglichen Vielfalt Krankheiten Mangel Fehlernahrung ebenfalls schwer zu bestimmen Dagegen lassen sich durch die Zusammenschau mit anderen anthropologischen Sterbealter Geschlecht und archaologischen Daten Ort der Bestattung Grabbau Beigaben oder ahnlichem Aussagen zu den Lebensumstanden allgemein sowie zu evtl Verteilungsmustern bestimmter Erscheinungen innerhalb einer Gesellschaft treffen Im Einzelnen kann so etwa bestimmt werden ob bestimmte Bevolkerungsteile im Vergleich mit anderen etwa Manner und Frauen oder armere und reichere starkeren korperlichen Belastungen ausgesetzt waren oder haufiger bestimmte Symptombilder aufzeigen Beispielsweise konnte Johannes Muller anhand der Bestattungen im hallstattzeitlichen Magdalenenberg nachweisen dass reichere Grabausstattungen mit Kariesbefall korrelierten das heisst materiell besser gestellte Personen auch qualitativ bessere Nahrung zu sich nahmen feiner gemahlenes Mehl begunstigt neben Sussspeisen und ahnlichem Karies 5 In einigen Fallen ist auch die Beschreibung von Therapien gegen Krankheiten und bei Traumata in vergangenen Zeiten mithilfe palaopathologischer Beobachtungen moglich s Medizingeschichte Die seit dem Mesolithikum auftretenden Schadeloffnungen Trepanationen sind wohl das bekannteste Beispiel dafur obwohl neben der medizinischen Indikation auch andere Ursachen etwa religioser Natur als Erklarung angefuhrt werden konnen Die Nutzung von Degenerativa zur Sterbealtersschatzung ist uberdies in der prahistorischen Anthropologie hier vor allem im angloamerikanischen Raum weit verbreitet obwohl die starke Umweltabhangigkeit dieser Merkmale bekannt ist Literatur BearbeitenGeorge J Armelagos James O Mills paleopathology In Kathryn A Bard Hrsg Encyclopedia of the Archaeology of Ancient Egypt Routledge London 1999 ISBN 0 415 18589 0 S 604 07 Don R Brothwell Andrew Tawse Sandison Hrsg Diseases in Antiquity a survey of the diseases injuries and surgery of early populations Charles C Thomas Springfield Ill 1967 Heinrich Buess Huldrych M Koelbing Kurze Geschichte der ankylosierenden Spondylitis und Spondylose J R Geigy Basel 1964 Acta rheumatologica Nr 22 S 11 27 Alfred Czarnetzki Hrsg Stumme Zeugen ihrer Leiden Krankheit und Behandlung vor der medizinischen Revolution Attempto Tubingen 1996 ISBN 3 89308 258 1 Empfehlenswerte Einstiegsliteratur anschaulich anhand vieler Fallbeispiele palaopathologischer Befunde erklart und reich bebildert R L Moodie Paleopathology an Introduction to the study of ancient evidencees of disease University Press of Illinois Urbana 1923 L Pales Paleopathologie et pathologie comparative Masson Paris 1930 A Palla Hrsg Palaopathologie Ubersetzung aus dem Ungarischen Fischer Jena 1962 C Roberts K Manchester The Archaeology of Disease 2 Auflage Ithaca 1995 ISBN 0 8014 3220 0 Tiefer gehende Ubersicht uber Anwendung und Methoden Handbuch Charlotte Roberts Hrsg The Global History of Paleopathology Pioneers and Prospects Oxford University Press 2012 Marc Armand Ruffer Studies in the Palaeopathology of Egypt Hrsg von R L Moodie University of Chicago Press Chicago 1921 Doris Schwarzmann Schafhauser Kamal Sabri Kolta Palaopathologie In Werner E Gerabek Bernhard D Haage Gundolf Keil Wolfgang Wegner Hrsg Enzyklopadie Medizingeschichte De Gruyter Berlin New York 2005 ISBN 3 11 015714 4 S 1089 1093 C Wells Diagnose 5000 Jahre spater Krankheit und Heilkunst in der Fruhzeit des Menschen Deutsche Ubersetzung Lubbe Ulm 1967 Weblinks BearbeitenArbeitsgruppe Palaopathologie GottingenEinzelnachweise Bearbeiten Heinrich Buess Huldrych M Koelbing Kurze Geschichte der ankylosierenden Spondylitis und Spondylose J R Geigy Basel 1964 Acta rheumatologica Nr 22 S 13 27 Palaopathologie der ankylosierenden Spondylitis und Spondylose hier S 17 Vgl Bernd Herrmann Parasitologisch epidemiologische Auswertung mittelalterlicher Kloaken In Zeitschrift fur Archaologie des Mittelalters Band 13 1985 S 131 161 Und Bernd Herrmann Parasitologische Untersuchung mittelalterlicher Kloaken In Bernd Herrmann Hrsg Mensch und Umwelt im Mittelalter Stuttgart 1986 3 anastatische Auflage ebenda 1987 S 160 169 Vgl Heinrich Buess Huldrych M Koelbing Kurze Geschichte der ankylosierenden Spondylitis und Spondylose J R Geigy Basel 1964 Acta rheumatologica Nr 22 S 13 27 Palaopathologie der ankylosierenden Spondylitis und Spondylose I Wiechmann G Grupe Detection of Yersinia pestis DNA in two early medieval skeletal finds from Aschheim Upper Bavaria 6th century AD Am J Phys Anthropol 2005 126 S 48 55 J Muller Zur sozialen Gliederung der Nachbestattungsgemeinschaft vom Magdalenenberg bei Villingen In Prahistorische Zeitschrift 69 1994 S 176ff Normdaten Sachbegriff GND 4173117 7 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Palaopathologie amp oldid 225504617