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Das SS Wirtschaftsunternehmen Ostindustrie GmbH OSTI wurde im Marz 1943 vom Leiter des SS Wirtschafts und Verwaltungshauptamtes WVHA Oswald Pohl gegrundet um im Generalgouvernement eigene SS Rustungsbetriebe zu errichten und bestehende Privatbetriebe zu ubernehmen in denen judische Haftlinge gewinnbringend produzieren sollten Obwohl die okonomische Ausbeutung der rund 10 000 Zwangsarbeiter in acht Werken 1 Gewinne erbrachte wurde die OSTI schon acht Monate spater aufgelost Ohne Rucksicht auf wirtschaftliche Belange wurde der Volkermord fortgesetzt und die eingesetzten judischen Zwangsarbeiter umgebracht Inhaltsverzeichnis 1 Situation 2 Planungen 3 Grundung der OSTI 4 Wirtschaftstatigkeit 5 Liquidation 6 Deutungen 7 Siehe auch 8 Literatur 9 EinzelnachweiseSituation BearbeitenZur Jahreswende 1941 42 war absehbar dass der Krieg langer andauern wurde Fur die Rustungsindustrie wurden dringend Arbeitskrafte gesucht Der Arbeitseinsatz von gefangenen russischen Soldaten konnte wegen des Massensterbens nicht ausreichen Fremdarbeiter wurden angeworben oder verschleppt um die Produktion aufrecht halten zu konnen Trotz der angespannten Lage begann die SS zur gleichen Zeit mit dem Bau von Vernichtungslagern und setzte judische Zwangsarbeiter unter derartig widrigen Lebensbedingungen ein dass sie binnen weniger Wochen ausgezehrt waren und ihr Einsatz einer Vernichtung durch Arbeit gleichkam Am 19 Juli 1942 befahl der Reichsfuhrer SS Heinrich Himmler dem Hoheren SS und Polizeifuhrer Friedrich Wilhelm Kruger die Umsiedlung d h Deportation in Vernichtungslager der gesamten judischen Bevolkerung des Generalgouvernement bis zum 31 Dezember 1942 2 lediglich einige Sammellager sollten bestehen bleiben Dieser Befehl fuhrte ausweislich des Hofle Telegramms zur Ermordung von 1 274 166 Juden Planungen BearbeitenIm Oktober 1942 ordnete Himmler an SS eigene Rustungsbetriebe als KL Grossbetriebe im Osten des Generalgouvernements einzurichten und fugte diesem Befehl die Erklarung bei Jedoch auch dort sollen eines Tages dem Wunsche des Fuhrers entsprechend die Juden verschwinden 3 Die Verlagerung von Privatbetrieben die im Warschauer Ghetto mit angemieteten judischen Zwangsarbeitern produzierten verlief nur schleppend Im Januar 1943 liess Himmler mit den Eigentumern der beiden grossten Ghetto Betriebe Vertrage abschliessen um die Firmen Walther C Tobbens und Schultz amp Co GmbH in die Lager Poniatowa und Trawniki im Distrikt Lublin zu verlagern Die Ghettobewohner sollten deportiert werden bis auf zehntausend Zwangsarbeiter eines geplanten KZ Warschau die anschliessend alle Gebaude im Wohnviertel und die geraumten Fabriken abreissen sollten 4 Diese Vorgaben wurden nicht in vollem Umfang umgesetzt weil sich judische Widerstandler im Januar 1943 gegen die anlaufenden Deportationen wehrten und im April der Aufstand im Warschauer Ghetto begann Grundung der OSTI BearbeitenAm 12 Marz 1943 schlossen Georg Lorner Geschaftsfuhrer des SS Wirtschaftskonzerns Deutsche Wirtschaftsbetriebe GmbH DWB und Oswald Pohl einen Gesellschaftsvertrag zur Grundung der Ostindustrie GmbH OSTI mit einem Stammkapital von 100 000 RM Am 30 April 1943 wurde die OSTI in Berlin ins Handelsregister eingetragen Als Geschaftsfuhrer wurden SS und Polizeifuhrer Odilo Globocnik und Max Horn vom WVHA eingesetzt Nach Horns Angaben sollte die OSTI mit judischen Zwangsarbeitern kriegs und rustungswichtige Fertigungsstatten aufbauen und betreiben sowie das bewegliche judische Vermogen verwerten das durch die Judenumsiedlung anfiel 5 Wirtschaftstatigkeit BearbeitenZuerst stellte die OSTI Geldforderungen an Privatunternehmen die Maschinen und Gerate aus judischem Besitz ubernommen hatten Teilweise sperrten sich SS Dienststellen das von ihnen vereinnahmte judische Vermogen zu ubergeben Ein geordneter Abzug der Ghetto Betriebe aus Warschau war wegen des Aufstandes unmoglich Die geplante Errichtung eigener Werke verzogerte sich Noch vor Abschluss eines formlichen Gesellschaftsvertrages hatte die OSTI aus judischem Besitz eine Glashutte in Wolomin an sich gebracht Die rentable Produktionsstatte Werk I beschaftigte bis zu 645 polnische Zivilarbeiter die auch spater nicht durch judische Zwangsarbeiter ausgetauscht wurden Als Werk II wurde das Lager Dorohucza gefuhrt in dem mehrere Hundert judische Zwangsarbeiter Torf stachen und eine Torfverkokungsanlage installierten Auf dem Gelande eines ehemaligen Flugplatzes beim KZ Majdanek wurden als Werk III eine Burstenfabrikation und Korbflechterei eingerichtet dort waren bis zu 1800 judische Zwangsarbeiter tatig Das Werk IV bestand aus Betrieben in Radom und Blizyn mit bis zu 5600 Zwangsarbeitern Ein Grossteil war mit der Produktion und Reparatur von Uniformen und Schuhwerk beschaftigt Es gab daneben eine Tischlerei Burstenfabrikation Kartonagenherstellung einen Steinbruch und Torfabbau In Lublin sollte mit Werk V ein Eisenwerk entstehen das mit metallverarbeitenden und elektrotechnischen Werkstatten eine eigene Rustungsproduktion fur den Bedarf der Luftwaffe aufbauen sollte Im August 1943 wurden der OSTI zwei weitere Betriebsstatten in Lublin ubertragen eine Ziegelei samt Zementwerk und Kachelfabrik Werk VII sowie eine Orthopadiewerkstatt Werk VIII Die nach Trawniki verlagerten Werkstatten der Firma Schultz amp Co wurden erst im September ubernommen Werk VI Auch im Herbst 1943 war die Ostindustrie GmbH nur ein Torso aus untereinander nicht verzahnten Betrieben die ihre geplante Produktivitat noch nicht erreicht hatten Liquidation BearbeitenMit dem Massaker am 3 4 November 1943 der Aktion Erntefest wurde der OSTI die Arbeitsgrundlage entzogen Nach dem Aufstand im Warschauer Ghetto hatten im August 1943 auch die Juden des Ghettos Bialystok Widerstand geleistet im selben Monat gab es eine Rebellion im Vernichtungslager Treblinka und im Oktober unternahmen Haftlinge im Vernichtungslager Sobibor einen Ausbruchsversuch Diese Entwicklung scheint Himmler veranlasst zu haben erhofften okonomischen und machtpolitischen Gewinn durch SS eigene Rustungsbetriebe aufzugeben und die zu diesem Zweck aufgeschobene Ermordung der judischen Zwangsarbeiter sofort durchzufuhren 6 Im Zuge der Aktion Erntefest wurden auch die Arbeiter der OSTI Werke II III V VI und VII ermordet Oswald Pohl ordnete am 23 November 1943 die Liquidation der Ostindustrie GmbH an die sich bis zum Fruhjahr 1944 hinzog Einige Werkstatten wurden als Aussenlager des KZ Majdanek weitergefuhrt andere wurden den Deutschen Ausrustungswerken oder der Zivilverwaltung ubertragen Deutungen BearbeitenDie Geschichte der OSTI zeigt ein uneinheitliches Vorgehen und Interessenkonflikte von Zivilverwaltung SS Polizeifuhrung Wehrmachtamtern und Rustungsbetrieben auf Ein Zusammenbruch des Unternehmens war schon Ende 1942 festgeschrieben durch Himmlers Zielvorgabe alle Juden im Generalgouvernement zu beseitigen 7 Es zeigte sich ein unuberbruckbarer Konflikt zwischen Reichssicherheitshauptamt RSHA und WVHA Wahrend Vertreter des WVHA die Arbeitskraft der judischen Opfer ausnutzen wollten sahen die Endlosungsfanatiker des Reichssicherheitshauptamtes ihr Vernichtungswerk durch die Plane des WVHA gefahrdet 8 Im Fall der Ostindustrie GmbH erhielt die Vernichtung der Juden den Vorrang vor der rucksichtslosen Ausbeutung der Arbeitskraft der Haftlinge Siehe auch BearbeitenPaul Binder Gutachter der Ostindustrie zwecks Arisierung von BetriebenLiteratur BearbeitenJan Erik Schulte Zwangsarbeit und Vernichtung Das Wirtschaftsimperium der SS Oswald Pohl und das SS Wirtschafts Verwaltungshauptamt 1933 1945 Paderborn 2001 ISBN 3 506 78245 2 Jan Erik Schulte Zwangsarbeit fur die SS Juden in der Ostindustrie GmbH In Norbert Frei u a Hrsg Ausbeutung Vernichtung Offentlichkeit Neue Studien zur nationalsozialistischen Lagerpolitik Saur Munchen 2000 ISBN 3 598 24033 3 Darstellungen und Quellen zur Geschichte von Auschwitz 4 S 43 74 Einzelnachweise Bearbeiten Jan Erik Schulte Zwangsarbeit fur die SS In Norbert Frei u a Hrsg Ausbeutung Vernichtung Offentlichkeit Munchen 2000 S 72 Zitiert nach Jan Erik Schulte Zwangsarbeit fur die SS S 45 mit Anm 10 Zitiert nach Jan Erik Schulte Zwangsarbeit fur die SS S 48 mit Anm 34 Andreas Mix Warschau Stammlager In Wolfgang Benz Barbara Distel Hrsg Der Ort des Terrors Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager Band 8 Riga Warschau Vaivara Kaunas Plaszow Kulmhof Chelmno Belzec Sobibor Treblinka C H Beck Munchen 2008 ISBN 978 3 406 57237 1 S 94 Jan Erik Schulte Zwangsarbeit fur die SS S 57 Jan Erik Schulte Zwangsarbeit fur die SS S 69 70 Jan Erik Schulte Zwangsarbeit fur die SS S 74 Heinz Hohne Der Orden unter dem Totenkopf Die Geschichte der SS Augsburg 1998 ISBN 3 89350 549 0 S 357fNormdaten Korperschaft GND 4615093 6 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ostindustrie amp oldid 210806400