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Der Mordfall Friedrich Ferdinand Mattonet wurde vom 3 bis 10 Juli 1909 sowie vom 10 Oktober bis 12 November 1910 vor dem Landgericht Trier verhandelt Der 29 jahrige Josef Breuer wurde beschuldigt am 14 Oktober 1908 seinen homosexuellen Liebhaber Friedrich Ferdinand Mattonet erschossen zu haben Mattonet war vor seinem Tod jahrelang durch Breuer wegen seiner Homosexualitat erpresst worden Der Fall erregte in der Zeit des Deutschen Kaiserreichs Aufsehen wegen der besonderen Umstande der Tat Friedrich Ferdinand Mattonet Inhaltsverzeichnis 1 Die Beteiligten 2 Die Tat 3 Der Prozess 4 Die Hintergrunde 5 Literatur 6 EinzelnachweiseDie Beteiligten Bearbeiten nbsp Josef BreuerFriedrich Ferdinand Mattonet 1 November 1851 in Luttich 1 war ein deutscher Geschaftsmann und Muhlenbesitzer 2 Er war vermogend lebte in St Vith das damals zu Deutschland gehorte war zum zweiten Mal verheiratet und hatte drei Sohne aus erster Ehe Seine Homosexualitat soll allgemein bekannt gewesen sein seine Familie gab allerdings spater an nichts davon gewusst zu haben Mattonet unterhielt geschaftliche und private Kontakte nach Aachen wo man ihn den Krosus aus der Eifel nannte und nach Koln Der Arzt und Sexualforscher Magnus Hirschfeld der im spateren Prozess als Sachverstandiger auftrat sagte Mattonet erfreute sich wegen seines lauteren Charakters denkbar grosster Liebe und Verehrung 3 Josef Breuer arbeitete um die Jahrhundertwende im Huttenwerk Rothe Erde in Aachen und leistete von 1900 bis 1902 seinen Militardienst ab 1907 zog er nach Berlin wo er gemeinsam mit einer Freundin einen luxuriosen Lebensstil pflegte ohne dass erkennbar war woher seine Einnahmen stammten Er soll auch eine Ehefrau gehabt haben die mit zwei Kindern in armlichen Verhaltnissen in Luttich lebte 3 Breuer selbst bezeichnete sich als Radrennfahrer und behauptete ein Freund von Weltmeister Thaddaus Robl zu sein bestritt aber als Steher nur unbedeutende Rennen 1898 1899 lernte Mattonet Josef Breuer kennen und freundete sich mit ihm an Breuer war damals 19 Mattonet 47 Jahre alt Mattonet soll eine Vorliebe fur Manner von einer gewissen Frechheit gehabt haben Nach den spateren Ermittlungen der Polizei war Breuer in Berlin als ausserst brutaler flegelhafter zu Gewalttaten neigender Mensch bekannt der durch seine protzige Art durch sein anmassendes freches Auftreten durch sinnlose Geldvergaudung sic sich die Antipathie der Menschen zugezogen hat 4 Wie weit die korperlichen Kontakte zwischen den beiden gingen ist nicht bekannt Breuer beteuerte spater die Freundschaft zu Mattonet sei platonisch gewesen und Mattonet habe lediglich seine Hand gehalten oder den Arm um seine Schultern gelegt Doch war offenbar Erpressung im Spiel Mattonet soll eine Summe zwischen 100 000 und 500 000 Mark an Breuer gezahlt haben damit dieser Mattonets homosexuelle Neigungen nicht offentlich mache homosexuelle Handlungen waren zudem nach 175 strafbar 4 Nach Aussagen von Zeugen war bekannt dass Breuer regelmassig zu einem Freund ins Rheinland fuhr und mit grosseren Summen zuruckkehrte 4 In Briefen redete Breuer Mattonet mit lieber Ferdi an und beendete diese mit dein dich liebender oder dein dich treu liebender Stets forderte Breuer Geld und begrundete dies mit Notlagen zuletzt damit dass er selbst erpresst werde 4 Diese Form der verkappten Drohung kompromittierende Enthullungen zu machen nannte Hirschfeld Chantage die Erpresser selbst Chanteure 5 Die Tat BearbeitenAm 14 Oktober 1908 trafen sich Breuer und Mattonet wie schon mehrere Male zuvor in Gerolstein Dass Mattonet weiteren Geldforderungen nicht nachkommen wollte kann man aus dem Zusatz seines Telegramms an Breuer ersehen Reise zwecklos Die beiden Manner gingen miteinander spazieren und passierten dabei einen Brieftrager Dieser horte plotzlich einen Schuss und Breuer rief Ferdinand du stirbst doch nicht 4 In seinem Buch Die Homosexualitat des Mannes und des Weibes beschreibt Hirschfeld den Tathergang so Fur fahrlassige Totung wurde die Behauptung Breuers sprechen dass er mit der Handhabung der Browning Pistole nicht Bescheid gewusst haben will sowie die Aussage eines Zeugen dass der Angeklagte sich uber den Leichnam gebeugt und weinend gerufen habe Fredi sic du bist doch nicht tot 5 Anschliessend wurde Josef Breuer wegen Mordes verhaftet Der Prozess BearbeitenAm 5 Juli 1909 fand vor dem Landgericht Trier ein erster Prozess gegen Josef Breuer statt Es waren 120 Zeugen sowie Sachverstandige geladen die Offentlichkeit war ausgeschlossen Wahrend der Polizeiverhore hatte Breuer die Erpressung von Mattonet eingestanden im Prozess wurden zwei Manner erwahnt die wahrscheinlich auch Erpressungsopfer von Breuer gewesen waren 6 Zum Tathergang selbst ausserte sich Breuer nicht es konnte niemals geklart werden ob es sich um Mord oder Selbstmord handelte Der Sachverstandige Hirschfeld hielt sowohl Selbsttotung wie auch Mord Affekthandlung oder fahrlassige Totung fur moglich Ebenfalls konnte nicht geklart werden wem die Waffe gehort hatte die erwiesenermassen bei Kettner in Koln gekauft worden war 6 Die Welt am Sonntag schrieb Dass es Menschen von einer ungewohnlichen Gemeinheit der Gesinnung gibt war schon vor dem Prozess gegen den Rennfahrer Breuer bekannt Roheit und Niedertracht Erpressertum und gleichgeschlechtliche Prostitution sinnlose Verschwendungssucht und leichtfertige Skrupellosigkeit die auch vor einem gelegentlichen Mord nicht zuruckschreckt alles ist schon dagewesen moge dem oden Kultus ein Ende gemacht werden den die breite Oeffentlichkeit mit Rennfahrern Jockeis Athleten und ahnlichen Helden treibt Die Tatsache dass ein Mensch dem andern um drei Nasenlangen auf dem Rade voraus ist durfte nun und nimmer zum Massstabe irgend einer Wertschatzung werden 7 Josef Breuer wurde wegen Mordes zum Tode verurteilt sowie zum dauernden Verlust seiner Burgerrechte Das Urteil wurde ein Jahr spater in einem zweiten Verfahren bestatigt Als jedoch der Vollzug der Todesstrafe drohte verwandten sich zahlreiche prominente Burger fur Breuer und strebten eine Begnadigung an da angesichts der Todesstrafe Breuers Schuld nicht zweifellos genug festgestellt sei darunter befanden sich Justizrat Erich Sello der Arzt Magnus Hirschfeld der Kriminalbeamte Hans von Tresckow und der Schriftsteller Hanns Heinz Ewers Im Juni 1911 wandelte Kaiser Wilhelm II die Todes in eine lebenslange Zuchthausstrafe um 1918 fiel Breuer auf Betreiben seines Anwaltes Johannes Werthauer unter eine allgemeine Amnestie der Weimarer Republik und wurde im Jahr darauf aus der Haft entlassen 8 1930 bemuhte er sich erfolglos um eine Wiederaufnahme des Verfahrens 6 Uber seinen weiteren Lebensweg ist nichts bekannt Die Familie von Franz Ferdinand Mattonet verkaufte ihren Besitz in St Vith und zog nach Aachen In der Inflationszeit verlor sie ihr Vermogen 9 Wegen seiner Verdienste um die Stadt erklarte sich St Vith 1926 bereit Mattonets Grab auf dem dortigen Friedhof zu pflegen Die Hintergrunde BearbeitenDer Arzt und Sexualforscher Magnus Hirschfeld zahlte im Jahre 1914 rund 20 Mordfalle in den vergangenen funf Jahren die im Zusammenhang mit der Erpressung wegen Homosexualitat standen Laut seinen Erkenntnissen waren allein in Berlin innerhalb weniger Jahre funf schwule Manner im Zusammenhang mit Erpressungsfallen getotet worden 3 Hirschfeld schatzte die Bedrohung Homosexueller durch Erpresser hoher ein als die durch 175 selbst Manche Opfer wurden von mehreren Personen erpresst andere wiederum ein Leben lang und mitunter zahlten die Kinder nach dem Tod des eigentlichen Erpressungsopfers weiter um den Ruf der Familie zu schutzen 9 Zwar erwarteten die Erpresser mehrjahrige Haftstrafen die tatsachlich auch verhangt wurden aber Gegen seine Erpresser gerichtlich vorzugehen war fur das Opfer mit der Konsequenz verbunden wegen 175 angezeigt zu werden Neben einer Verurteilung konnte dies das gesellschaftliche Aus bedeuten 9 Die Welt am Sonntag kommentierte 1909 den Hintergrund des Prozesses Wenige werden leugnen dass dem homosexuellen Treiben etwas Widerliches anhaftet Trotzdem muss gerade jetzt wieder betont werden dass die Aufhebung des Strafparagraphen 175 dringend notwendig ist denn die Verbrechen die sich an ihn heften sind weit schandlicher und infamer als irgend eine widernaturlich geschlechtliche Handlung es sein kann Solange die Aufhebung aber nicht erfolgt ist ist es Sache des Publikums den Opfern der Erpressung die Anzeige dadurch zu erleichtern dass sie ihnen mit Nachsicht entgegenkommt und uber diejenigen die einen Erpresser zur Anzeige bringen und auf diese Weise ihre eigene Veranlagung offenbar machen mussen nicht die geschlechtliche Aechtung verhangt Wer in die Hande solcher Individuen gefallen ist hat derartige Drangsale auszustehen gehabt dass man ihm viel verzeihen kann und soll Man mag ihn also getrost durch die Tatsache der Anzeige die zur Befreiung der Gesellschaft von minderwertigen Elementen beitragt fur rehabilitiert erklaren 7 Literatur BearbeitenFriedrich Ferdinand Mattonet In Erwin In het Panhuis Anders als die Andern Schwule und Lesben in Koln und Umgebung 1895 1918 Hrsg v Centrum Schwule Geschichte Hermann Josef Emons Verlag Koln 2006 ISBN 978 3 89705 481 3 S 151 164 PDF S 88 93 Der Fall Breuer In Erich Sello Die Irrtumer der Strafjustiz und ihre Ursachen Leicht bearb Nachdr der Ausg Berlin 1911 Hoffmann Schifferstadt 2011 ISBN 3 929349 40 X S 454 468 Andere Seitenzahlung in der Originalausgabe 1911 Einzelnachweise Bearbeiten aubreby pagesperso orange fr Memento des Originals vom 5 Marz 2016 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot aubreby pagesperso orange fr Ulrich Hergemoller Hrsg Nicolai Clarus Mann fur Mann Biographisches Lexikon von Freundesliebe und mannmannlicher Sexualitat im deutschen Sprachraum Band 1 Berlin LIT 2010 ISBN 978 3 643 10693 3 S 1504 a b c E In het Panhuis Anders als die Andern S 151 f PDF S 88 a b c d e E In het Panhuis Anders als die Andern S 154 ff PDF S 88 89 a b Magnus Hirschfeld Die Homosexualitat des Mannes und des Weibes Handbuch der gesamten Sexualwissenschaft in Einzeldarstellungen 3 Berlin Marcus 1914 DNB 580944662 S 889 a b c E In het Panhuis Anders als die Andern S 159 ff PDF S 90 92 a b Welt am Sonntag Wochenschrift fur Politik Gesellschaft Kunst und Sport 19 Juli 1909 Verlag Hildebrandt Berlin Innsbrucker Nachrichten 13 August 1919 S 4 a b c E In het Panhuis Anders als die Andern S 163 f PDF S 93 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mordfall Friedrich Ferdinand Mattonet amp oldid 221580329