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Als Restwassermenge oder Restabfluss wird bei einem Fliessgewasser der Teil des Abflusses genannt das nach einer Wasserentnahme durch Ausleitung von Wasser flussabwarts im Gewasser verbleibt oder an einer Stauanlage kontinuierlich in den Unterlauf des Gewassers durchgeleitet wird Die Mindestrestwassermenge oder auch Mindestwasserfuhrung ist die Menge des Restwassers die im Bereich einer Ausleitung Stauanlage oder Entnahme mindestens im Gewasser verbleiben muss Sie wird in der wasserrechtlichen Zulassung wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung festgelegt und in l s oder m s angegeben Das Restwasser soll vor allem die okologischen Funktionen des Gewassers insbesondere als Lebensraum fur Fische und andere wasserlebende Lebewesen sicherstellen und das Landschaftsbild erhalten Landschaftlich notwendiger Mindestabfluss Inhaltsverzeichnis 1 Rechtliche Festlegung 1 1 Deutschland 1 2 Osterreich 1 3 Schweiz 2 Okologische Bedeutung 3 Dotierung 4 Rechnerische Abschatzung nach dem MEFI Modell 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseRechtliche Festlegung BearbeitenDie Mindestrestwassermenge ist in den meisten Staaten uber das Gewasserschutz oder Wasserrecht geregelt und wird ublicherweise in der wasserrechtlichen Zulassung der Stauanlage bzw der Wasserentnahme festgeschrieben Die Methoden zur Berechnung und Festlegung der Menge sind dabei aber sehr unterschiedlich wahrend in manchen Staaten mit einfachen Kennziffern oder Formeln gearbeitet wird wird in anderen die individuelle Situation mit allen Einflussfaktoren im Einzelfall gepruft und bewertet 1 2 Deutschland Bearbeiten Nach 33 WHG ist das Aufstauen eines oberirdischen Gewassers oder das Entnehmen oder Ableiten von Wasser aus einem oberirdischen Gewasser nur zulassig wenn die Abflussmenge erhalten bleibt die fur das Gewasser und andere hiermit verbundene Gewasser erforderlich ist um den Zielen des 6 Absatz 1 und der 27 bis 31 zu entsprechen Mindestwasserfuhrung Diese Ziele sind die in 6 Absatz 1 WHG benannten allgemeinen Grundsatze der Gewasserbewirtschaftung sowie speziell die in 27 bis 31 WHG benannten Bewirtschaftungsziele fur oberirdische Gewasser Osterreich Bearbeiten Nach 13 Absatz 4 WRG 1959 ist das Mass der Wasserbenutzung in der Bewilligung in der Weise zu beschranken dass ein Teil des jeweiligen Zuflusses zur Erhaltung des okologischen Zustandes des Gewassers sowie fur andere hoherwertige Zwecke insbesondere solche der Wasserversorgung erhalten bleibt Ausnahmen hievon konnen befristet zugelassen werden insoweit eine wesentliche Beeintrachtigung des offentlichen Interesses nicht zu besorgen ist Schweiz Bearbeiten In der Schweiz wird die erforderliche Restwassermenge durch das Gewasserschutzgesetz GSchG Bundesgesetz uber den Schutz der Gewasser 2 Titel 2 Kapitel geregelt 1 3 4 5 Dieses 2 Kapitel Sicherung angemessener Restwassermengen normiert in Art 29 wann eine Bewilligung benotigt wird in Art 30 die Voraussetzungen fur die Bewilligung in Art 31 die Mindestrestwassermenge in Art 32 die Ausnahmen also die Voraussetzungen unter denen die Kantone geringere Mindestrestwassermengen ansetzen konnen in Art 33 die Erhohung der Mindestrestwassermenge also die Interessen nach deren Abwagung die Behorde diese Erhohung vornehmen kann in Art 34 dass fur Wasserentnahmen aus Seen und Grundwasservorkommen die die Wasserfuhrung eines Fliessgewassers wesentlich beeinflussen die vorhergenannten Artikel sinngemass gelten in Art 35 den Entscheid der Behorde insbesondere zur Dotierwassermenge und in Art 36 die Kontrolle der Dotierwassermenge Die Festlegung der Restwassermenge erfolgt nach der sogenannten Matthey Formel benannt nach ihrem Entwickler dem Hydrologen Francois Matthey vom Service des Eaux Sols et Assainissement SESA des Kantons Waadt Diese Formel orientiert sich an der Menge Q347 des Gewassers das ist diejenige Abflussmenge welche an 347 Tagen im Jahr erreicht oder uberschritten wird gemittelt uber 10 Jahre Von Anfang Oktober 2022 bis Ende Marz 2023 galten fur bestimmte Wasserkraftwerke tiefere Mindestrestwassermengen gemass einer Verordnung des Bundesrates siehe dazu auch Energiekrise Schweiz 6 Okologische Bedeutung Bearbeiten nbsp Stauwehr in Schottland Aufgrund der zu geringen Restwassermenge fallt das Flussbett fast trocken nbsp Infotafel des E Werks Unterberg in Weissenbach Sarntal mit Angabe der RestwassermengeAus okologischen Grunden ist es erforderlich dass immer eine gewisse Mindest Restwassermenge im Gewasser verbleibt Diese Wassermenge wird benotigt damit das Gewasser auch im Restwasserlauf unterhalb der Entnahmestelle seine vielfaltigen okologischen Aufgaben erfullen kann 4 7 8 Eine der Funktionen des Gewassers einschliesslich der Ufer und Aubereiche ist als Biotop fur Fauna im und am Wasser lebende Tiere und Flora im und am Wasser wachsende Pflanzen und Algen als Beitrag zur Erhaltung der biologischen Artenvielfalt Biotopschutz Artenschutz Bei den Tieren sind insbesondere die Fischpopulationen von Bedeutung denn fur die Fortpflanzung vieler wandernder Fischarten ist die Mindestwassermenge in Verbindung mit Aufstiegshilfen an Staustufen zwingend erforderlich Die Restwassermenge tragt unter anderem zur Erhaltung der Temperaturpufferkapazitat gegen ubermassige Erwarmung im Sommer und Zufrieren im Winter sowie zur Vermeidung ubermassiger Eutrophierung Algen und Bakterienwuchs bei Hieruber hat das Restwasser einen erheblichen Einfluss auf die Wasserqualitat Gewassergute die einerseits fur die oben genannte Funktion als Biotop und andererseits fur die Funktion der naturlichen Klarung Abbau von Schadstoffen wichtig ist Eine ausreichende Menge und Qualitat des Restwassers sind wiederum wichtig fur die Funktion der Speisung des Grundwassers Eine weitere Funktion nimmt das Gewasser im Landschaftsschutz zur Erhaltung der landschaftlichen Vielfalt als Landschaftselement ein Das Restwasser tragt hier zur Erhaltung der Morphologie des Gewassers und insbesondere zur Vermeidung einer Verlandung durch Ablagerung von Schwemmsedimenten vor allem Sand und Schlick im Flussbett bei Die aus okologischen Grunden notwendige Mindestrestwassermenge ist sehr vom Gewassertyp dem Abflussregime dem Charakter des Gewassers sowie der individuellen Situation an der Entnahmestelle und entlang der Restwasserstrecke abhangig Wichtigste Kenngrosse ist die Wassermenge je weniger Wasser der Fluss im Jahresmittel fuhrt umso grosser ist tendenziell die relative Mindestrestwassermenge Daneben sind aber auch das Gefalle die mittlere Fliessgeschwindigkeit Breite und Tiefe des Gewassers und die Geologie des Flussbettes und viele andere Einflussfaktoren von Bedeutung 1 Dotierung BearbeitenReicht bei einer Stauanlage die Mindestwassermenge die funktions oder bauartbedingt uber das Wehr fliessen muss Uberwasser nicht aus um die erforderliche Mindestwassermenge des Gewassers aufrechtzuerhalten so muss die Wassermenge durch eine zusatzliche kunstliche Wasserzugabe Dotierung oder Dotation genannt gestutzt werden 8 Die Dotierung erfolgt durch das Offnen einer regulierbaren Absperrung Dient die Gebrauchswasserableitung der Energieerzeugung aus Wasserkraft so mindert die erforderliche Dotierung den Ertrag da weniger Triebwasser zum Wasserkraftwerk geleitet wird Um diese Verluste zu reduzieren werden verstarkt Dotierturbinen vorgesehen Eine Dotierturbine manchmal auch Restwasserturbine genannt ist eine in die Stauanlage integrierte Wasserturbine uber die die Dotierwassermenge abgeleitet und energetisch ausgenutzt wird Hierdurch lasst sich der energetische Ausnutzungsgrad der Wasserkraftwerknutzung auf bis zu 100 steigern Rechnerische Abschatzung nach dem MEFI Modell BearbeitenZur rechnerischen Abschatzung eines okologisch fundierten Abflussminimums in Flussen wurden im bayrischen Alpenvorland Untersuchungen der hydraulischen morphologischen biologischen physikalischen und chemischen Parameter im Bereich von Ausleitungsstrecken durchgefuhrt und hieraus das sogenannte MEFI Modell entwickelt 2 9 10 11 Als Hauptparameter und Unterparameter fur eine okologische Zustandsbeschreibung konnten identifiziert werden Gemessener Parameter Enthaltene Parametersohlnahe Fliessgeschwindigkeitunb AbflussGefalleMorphologie der FlussohleBodensubstratKornverteilung Bodenrauheit NahrstoffangebotTurbulenzBodenrauheithA50 GefalleIntensitat der sohlnahen Turbulenzsohlnahe FliessgeschwindigkeitHabitat AngebotMass fur die SonneneinstrahlungIF UfervegetationNahrstoffangebotWassertemperaturAlgenwachstumWasserchemie z B Sauerstoffgehalt pH Wert Zur Bestimmung des Mindestwasserabflusses wurden die Fliessbedingungen an Ausleitungsstrecken einer genauen Betrachtung unterzogen Insbesondere wurden an charakteristischen Querschnitten die Hohe des Algenwachstums hA50 und die mittlere sohlnahe Fliessgeschwindigkeit unb gemessen Als Ergebnis erhalt man eine Beziehung zwischen dem Abfluss Q und der sohlnahen Reynoldszahl Renb jeweils fur die betrachtete Ausleitungsstrecke Renb unb hA50v displaystyle Re nb dfrac u nb cdot h A50 v mathrm lbrack rbrack nbsp Renb wiederum steht im Zusammenhang mit dem biologischen Parameter Taxarheo Dieser steht stellvertretend fur die biologischen Lebensbedingungen im Fliessgewasser insbesondere Organismen betreffend die eine gute Wasserqualitat eine kiesige Sohle und eine gewisse Mindestfliessgeschwindigkeit benotigen Einen Indikator eines guten okologischen Zustandes stellen somit die rheotypischen Organismen z B Eintagsfliegen dar Aus Verknupfung der beiden Beziehungen lasst sich Taxarheo bestimmen und folglich ein Mindestwasserabfluss der den Anspruchen der okologischen Lebensgemeinschaft im Gewasser gerecht wird Einen weiteren negativen Effekt bedingt durch kleine Wassertiefen niedrige Fliessgeschwindigkeiten und hohe Sonneneinstrahlung stellt die Erwarmung des Wassers dar Als Folge stellt sich ein verstarktes schadliches Algenwachstum ein Um diesen Umstand zu berucksichtigen wurde der Irradiation Factor IF eingefuhrt Dieser fuhrt bei steigender Sonneneinstrahlung zu einer Erhohung des Basisabflusses QB und somit zum eigentlichen Mindestabfluss Qres Qres QB QB IF10 m3s displaystyle Q res Q B dfrac Q B cdot IF 10 mathrm lbrack dfrac m 3 s rbrack nbsp Trotz der Berucksichtigung von nur sohlnahen Stromungsbedingungen stellt das MEFI Modell eine Ermittlung des Mindestwasserabflusses auf okologisch fundierter Basis speziell bei Flussen mit kiesiger Sohle dar Ebenso sei auf die allgemeine einfache und kostengunstige Anwendbarkeit hingewiesen 9 Literatur BearbeitenViviane Uhlmann Bernhard Wehrli Wasserkraftnutzung und Restwasser Standortbestimmung zum Vollzug der Restwasservorschriften Eawag Kastanienbaum Juni 2006 Online PDF 1 3 MB abgerufen am 13 Mai 2017 Bundesamt fur Umwelt Wald und Landschaft Hrsg Restwassermengen in Fliessgewassern Mitteilungen zum Gewasserschutz Nr 24 Bern 1997 Michael Hutte Okologie und Wasserbau Okologische Grundlagen von Gewasserverbauung und Wasserkraftnutzung Vieweg Teubner 2003 ISBN 3 528 02583 2 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Weblinks BearbeitenBundesamt fur Umwelt der Schweiz Restwasser und Restwasser Gewasser brauchen WasserEinzelnachweise Bearbeiten a b c Uhlmann Wehrli Wasserkraftnutzung und Restwasser Standortbestimmung zum Vollzug der Restwasservorschriften 2006 a b Uta Murle Morphologie und Habitatstruktur in der Ausleitungsstrecke einer alpinen Stauhaltung Spol Schweizerischer Nationalpark Engadin Diplomarbeit im Fach Geookologie Institut fur Geographie und Geookologie Universitat Karlsruhe TH Oschelbronn April 2000 Online PDF 5 2 MB abgerufen am 13 Mai 2017 Aspekte der Bestimmung von Restwassermengen in alpinen Fliessgewassern heute und zukunftig H amp W Forschungspreis 2009 Hintermann amp Weber AG abgerufen am 6 Oktober 2011 a b Restwasser Bundesamt fur Umwelt der Schweiz BAFU abgerufen am 16 September 2018 Oberflachengewasser Wasserkraftnutzung und Restwasser Eawag abgerufen am 7 Oktober 2011 Energie Bundesrat setzt befristete Reduktion der Restwassermengen vorzeitig ausser Kraft In admin ch 17 Marz 2023 abgerufen am 18 Marz 2023 Alfred Wuest Wasserkraftwerke in der CH Uberblick und Effekte der WK Nutzung PDF 1 3 MB Eawag 2010 abgerufen am 6 Oktober 2011 a b Ursachen fur Restwasser und dessen raumliche Wirksamkeit PDF Universitat fur Bodenkultur Wien abgerufen am 6 Oktober 2011 a b Theodor Strobl Franz Zunic Handbuch Wasserbau Springer 2006 ISBN 3 540 22300 2 Willi Maile Thomas Heilmair Theodor Strobl Bewertung von Fliessgewasser Biozonosen im Bereich von Ausleitungskraftwerken Schwerpunkt Makrozoobenthos Das MEFI Modell ein Verfahren zur Ermittlung okologisch begrundeter Mindestabflusse in Ausleitungsstrecken von Wasserkraftwerken In Wasserbau und Wasserwirtschaft Berichte der Versuchsanstalt Obernach und des Lehrstuhls fur Wasserbau und Wassermengenwirtschaft der Technischen Universitat Munchen Nr 80 Technische Universitat Munchen 1997 ISSN 0947 7187 S 247 267 R Estoppey et al Angemessene Restwassermengen Wie konnen sie bestimmt werden Wegleitung Vollzug Umwelt Hrsg Bundesamt fur Umwelt Wald und Landschaft Bern 2000 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Restwassermenge amp oldid 237179889