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Der maxwellsche Damon oder Maxwell Damon ist ein vom schottischen Physiker James Clerk Maxwell 1871 veroffentlichtes Gedankenexperiment mit dem er den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik in Frage stellt Das Dilemma das aus diesem Gedankenexperiment resultierte wurde von vielen namhaften Physikern z B Feynman bearbeitet und fuhrte mehrfach zu neuen Erkenntnissen Es zeigte sich ein Zusammenhang zwischen Information und Energie ahnlich der Beziehung zwischen Masse und Energie in Einsteins Formel E m c 2 displaystyle E mc 2 Die Mindestenergie E displaystyle E um n displaystyle n Bit Information zu verarbeiten betragt E n k T ln 2 displaystyle E nkT ln 2 k displaystyle k ist die Boltzmann Konstante und T displaystyle T die absolute Temperatur des Systems Auch heute noch inspiriert der maxwellsche Damon die theoretische Physik Ausserhalb der Physik fand der maxwellsche Damon aufgrund der Faszination die dieses Dilemma auslost auch Eingang in die Kunst 1 Inhaltsverzeichnis 1 Das Dilemma des maxwellschen Damons 2 Losungsversuche 2 1 James Clerk Maxwell 1871 2 2 Lord Kelvin 1874 2 3 Leo Szilard 1929 2 4 Leon Brillouin 1951 2 5 Rolf Landauer und Charles Bennett 1961 1982 2 6 Oliver Penrose 1970 3 Siehe auch 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseDas Dilemma des maxwellschen Damons Bearbeiten nbsp Der Damon offnet und schliesst die Klappe um Teilchen grosserer Geschwindigkeit rot von A nach B und solche kleinerer blau von B nach A durchzulassen Das ursprungliche Gedankenexperiment beschreibt einen Behalter der durch eine Trennwand geteilt wird in der es eine kleine verschliessbare Offnung gibt Beide Halften enthalten Luftmolekule zunachst haben beide Halften die gleiche Temperatur Demzufolge befindet sich in beiden Halften jeweils eine Mischung von schnellen und langsameren Molekulen die aber beide in ihrer Verteilung derselben Temperatur entsprechen Ein Wesen das diese Molekule sehen kann die Bezeichnung Damon erhielt es erst spater offnet und schliesst die Verbindungsoffnung so dass sich die langsamen Molekule in der einen Halfte des Behalters sammeln und die schnellen in der anderen Die eine Halfte wird damit immer kalter die andere immer warmer Unter idealen Bedingungen muss zum Offnen und Schliessen der Offnung in der Trennwand keine Energie aufgewendet werden Trotzdem konnte man mit der entstehenden Temperaturdifferenz solange sie existiert z B eine Warmekraftmaschine betreiben Man wurde damit Arbeit verrichten und hatte gleichzeitig gegenuber dem Ausgangszustand im Behalter letztlich keine weitere Veranderung ausser einer Abkuhlung Damit ware der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik verletzt Es ist unmoglich eine periodisch arbeitende Maschine zu konstruieren die weiter nichts bewirkt als Hebung einer Last und Abkuhlung eines Warmereservoirs und man hatte ein Perpetuum mobile zweiter Art gefunden Losungsversuche BearbeitenJames Clerk Maxwell 1871 Bearbeiten Maxwell selbst sah in dem von ihm geschaffenen Problem lediglich einen deutlichen Hinweis auf die Tatsache dass der zweite Hauptsatz statistischer Natur ist also nur im makroskopischen Bereich gilt Wahlt man die Gesamtzahl der Molekule klein genug wird es sogar wahrscheinlich dass auch bei standig geoffneter Verbindung zeitweilig deutliche Temperaturunterschiede zwischen den beiden Behalterhalften auftreten Lord Kelvin 1874 Bearbeiten William Thomson der spatere Lord Kelvin fuhrte die Bezeichnung Maxwell s demon ein und erkannte dass das Kritische an dessen Beschaftigung im Sortieren liegt was sich auch auf andere Arten vgl Sedimentation verwirklichen lasst Er postulierte zusatzlich zum ursprunglichen Temperaturdamon die Moglichkeit anderer Damonen die z B Warmeenergie durch Sortieren nach der Bewegungsrichtung direkt in Bewegungsenergie verwandeln Salzlosungen in konzentrierte Losung und reines Wasser oder Gasgemische nach einzelnen Gasen separieren Uberall sah er in diesem Sortieren die Umkehrung des naturlichen Vorganges der Dissipation Auch Max Planck und andere beschaftigten sich zu dieser Zeit mit dem maxwellschen Damon Im Allgemeinen hielt man ihn einfach fur unnaturlich und betrachtete das Problem damit als erledigt oder wenigstens rein akademisch Immerhin hatte er in die gerade erst entstandene Thermodynamik noch einige Klarheit gebracht Aber Maxwell hatte ein tiefer greifendes Problem aufgeworfen als man bis dahin erkannte Mit der Dynamik der Molekule und mit Hilfe der Statistik liess sich zwar erklaren warum thermodynamische Prozesse spontan in ihrer naturlichen Richtung ablaufen Warum es aber nicht moglich sein sollte solch einen Prozess mit geschicktem Einsatz technischer Mittel auch in umgekehrter Richtung zu erzwingen war damit nicht zu erklaren Der zweite Hauptsatz der nur ein Erfahrungssatz ist verlangt aber genau diese Irreversibilitat Leo Szilard 1929 Bearbeiten Szilard legte 1929 eine Aufsehen erregende Habilitationsschrift Uber die Entropieverminderung in einem thermodynamischen System bei Eingriffen intelligenter Wesen vor Er vereinfachte das Modell zunachst radikal indem er es auf ein einzelnes Molekul reduzierte Das Wesen bringt in diesem Modell die Trennwand die nun eher ein Kolben ist ein wenn das Molekul sich in einer vorher festgelegten Halfte des Behalters befindet Das Molekul druckt nun die Kolbentrennwand nach aussen und verrichtet dabei Arbeit an einer Masse Dabei wird Warme aus der Umgebung aufgenommen so dass die Temperatur gleich bleibt Dann wiederholt sich der Zyklus Mit jedem Zyklus verringert sich die Warme der Umgebung wahrend die potenzielle Energie der Masse sich um denselben Betrag vergrossert Andererseits muss fur jeden Zyklus das Wesen zunachst eine Messung vornehmen indem es eine Halfte des Behalters beobachtet Ist das Molekul darin oder nicht Durch die Messung wird also eine binare Information gewonnen Diese Information muss zumindest kurzfristig in einem Gedachtnis festgehalten werden Die Angelegenheit war jetzt uberschaubar Die einzige Interaktion des Wesens mit dem Ein Molekul Gas ist die Messung Die thermodynamische Entropieverringerung kann damit der Zweite Hauptsatz nicht verletzt wird also nur durch eine Entropieerzeugung von gleichem Betrag durch die Messung ausgeglichen werden Den Betrag dieser Entropie S displaystyle S nbsp berechnete Szilard aus den thermodynamischen Vorgangen zu S k B ln 2 displaystyle S k mathrm B cdot ln 2 nbsp mit der Boltzmann Konstante k B displaystyle k mathrm B nbsp Das bedeutet dass die mit der Messung gespeicherte Information in irgendeiner Form diese Entropie S k B ln 2 displaystyle S k mathrm B cdot ln 2 nbsp beinhalten musste Damit war zum ersten Mal wenn auch noch recht unscharf von einer Entropie der Information die Rede Der maxwellsche Damon hatte zur Grundlage der Informationstheorie beigetragen Wo im System aus Messung Information und Speicher die Entropie genau zu suchen ist konnte Szilard noch nicht festlegen Leon Brillouin 1951 Bearbeiten Brillouin fragte 1951 genauer nach der Messung dem Sehen des Damons Sehen im wortlichen Sinn bedeutet letztlich eine Abtastung der Molekule mit Licht auch wenn ganz andere Wellenlangen denkbar sind Diese Abtastung bedeutet bei Berucksichtigung der Quantennatur des Lichts die Wechselwirkung zweier Teilchen eines Molekuls und eines Photons durch Stoss Brillouin konnte nun relativ einfach zeigen dass bei diesem Stoss immer genugend Entropie frei wird um den Zweiten Hauptsatz einzuhalten wenn vorausgesetzt wird dass die Energie der Photonen gross genug sein muss um dem Damon uberhaupt Information liefern zu konnen Der Damon schien erledigt die bei Szilard noch offene Frage nach dem genauen Ort der Entropieerzeugung auf unspektakulare Weise geklart Brillouin ging in seiner Interpretation aber weiter er sah die Photonen als Ubermittler von gebundener Information und postulierte erstmals einen direkten Zusammenhang zwischen der 1948 von Shannon eingefuhrten Entropie der Information und thermodynamischer Entropie wozu er Shannons Entropie mit einer Konstanten multiplizierte Er formulierte dann das Negentropie Prinzip der Information das umstritten blieb Die Information selbst ist negative Entropie Negentropie und bewirkt im Sinne einer Erhaltung eine entsprechende Entropieerhohung im Gas Der Damon kann diese anschliessend hochstens gerade wieder ausgleichen Allerdings erwies sich die Voraussetzung der Messung mit Photonen als zu starke Einschrankung die auch umgangen werden konnte Rolf Landauer und Charles Bennett 1961 1982 Bearbeiten Landauer beschaftigte sich nicht mit dem maxwellschen Damon sondern mit Informationsspeicherung Er konnte 1961 am Modell eines Potenzialtopfs zeigen dass das Loschen im Sinne des Zurucksetzens in einen wiederbeschreibbaren Zustand eines Bits physikalisch gespeicherter Information immer die bereits bekannte Entropie k B ln 2 displaystyle k mathrm B ln 2 nbsp freisetzen muss heute als Landauer Prinzip bekannt Er stellte einen Zusammenhang zur logischen Irreversibilitat der Loschoperation her Logisch reversible Operationen wie Schreiben und Lesen bewirken dagegen keine Entropie oder Energiefreisetzung Damit war fur das was Brillouin physikalisch irrelevant freie Information genannt hatte ein physikalischer Zusammenhang nachgewiesen Aber erst Charles Bennett zeigte 1982 dass mit der Anwendung des Landauer Prinzips auf das Gedachtnis des maxwellschen Damons dem Gas exakt die vermisste Entropie wieder zugefuhrt wird um den Zweiten Hauptsatz zu erfullen wahrend andererseits die Messung mit beliebig geringer Dissipation ausgefuhrt werden kann Gemass Bennett muss die Schwingtur des Maxwellschen Schwingturen Damons zwangsweise schwingen nachdem ein Gaspartikel die Tur passiert hat So wie die geschlossene Tur den Durchtritt eines Gaspartikels in die augenscheinlich richtige Richtung bewirkt bewirkt die schwingende Tur den Durchtritt eines Gaspartikels in die Gegenrichtung Die schwingende Tur stellt einen Zustand lokaler Uberhitzung dar Die uberschussige Energie gibt diese vorzugsweise durch Beschleunigung des Gaspartikels in die Gegenrichtung ab Der Anteil geschlossener Turen zu schwingenden Turen ist unabhangig von der Gasdichte Boltzmann Statistik Orly R Shenker sieht in einer detaillierten Analyse von Landauers Thesen aus dem Jahr 2000 diverse Fehler in der Argumentation Landauers die sich insbesondere auf eine unzulassige Gleichsetzung der Dissipationsbegriffe der Informationstheorie und der Thermodynamik zuruckfuhren liessen Sie weist darauf hin dass das Landauer Prinzip auf dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik aufbaut Da durch die Losung des Problems des maxwellschen Damons die Gultigkeit des Zweiten Hauptsatzes bewiesen werden soll entstehe ein unzulassiger Zirkelbezug Bennett und Landauer widerlegen also den Maxwellschen Damon nicht in dem Sinne dass sie die Gultigkeit des Zweiten Hauptsatzes auch fur den Maxwellschen Damon beweisen sondern sie zeigen wo genau der Maxwellsche Damon gegen den Zweiten Hauptsatz verstosst Oliver Penrose 1970 Bearbeiten Penrose beschaftigte sich im Jahr 1970 mit dem maxwellschen Damon und kam ohne Landauers Arbeit zu kennen noch vor Bennett mit einer statistischen Argumentation zur Entropie zum gleichen Ergebnis Wenn der Speicher des Damons voll ist kann er erst nach Zurucksetzung weiter benutzt werden Dies verringert die moglichen Zustande des Gesamtsystems Die Anwendung einer statistischen Entropiedefinition auf den Speicher fuhrt dann ebenfalls zu Landauers Ergebnis Siehe auch BearbeitenMolekulare Ratsche Brillouin ParadoxonLiteratur BearbeitenCharles H Bennett Maxwells Damon Spektrum der Wissenschaft Januar 1988 S 48 James Clerk Maxwell Theory of Heat 1871 Harvey S Leff Hrsg Andrew F Rex Hrsg Maxwell s Demon 2 Entropy Classical and Quantum Information Computing Institute of Physics Publishing Bristol 2003 ISBN 0 7503 0759 5Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Maxwell s demon Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Orly R Shenker Logic and Entropy 2000 Einzelnachweise Bearbeiten z B in den Roman Homo faber von Max Frisch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Maxwellscher Damon amp oldid 237009599