www.wikidata.de-de.nina.az
Der Kasseler Marstall war ein 1593 fertiggestellter Marstall in der Kasseler Altstadt in unmittelbarer Nahe zum damaligen Kasseler Schloss Begonnen wurde das Gebaude 1591 unter Landgraf Wilhelm IV Das Gebaude diente neben seiner Funktion als Pferdestall anfangs auch als Bibliothek und Kunstkammer Spater wurde es als preussische Kaserne benutzt und vermietet bevor der Marstall im Zweiten Weltkrieg schwer beschadigt wurde In den 1960er Jahren wurde die Ruine abgetragen und durch einen frei rekonstruierten Neubau ersetzt Der Neubau zitiert das Aussere seines Vorgangers und wird als Markthalle genutzt und beherbergt das Stadtarchiv Kassel Aussenansicht des historischen Marstalls in den 1880er Jahren Inhaltsverzeichnis 1 Baubeschreibung 2 Geschichte 2 1 Bibliothek 2 2 Kunstkammer 2 3 Preussische Zeit 2 4 Neubau als Kleinmarkthalle 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseBaubeschreibung Bearbeiten nbsp Sudfassade und Langsschnitt des Kasseler Marstalls aus Die Bau und Kunstdenkmaler im Regierungsbezirk Cassel von Alois HoltmeyerDas rechteckige Gebaude bestand aus vier einen Innenhof umgebenden Flugel Der sudliche Flugel zum Marstaller Platz hin gelegen bildete mit einer Breite von 53 10 Metern die Hauptfassade Der etwa funf Meter kurzere Ostflugel stand parallel zur Wildemannsgasse Die beiden anderen Flugel stiessen an benachbarte Hinterhofe und Nachbarbebauungen an und waren entsprechend schlicht gehalten Die frei stehenden Fassaden verfugten jeweils uber zwei grosse Eck und einen kleineren Mittelgiebel die mit Voluten abgeschlossen waren Lanzentrager ruhende Lowen und Zierpyramiden schmuckten die Giebel Das Gebaude aus Bruchsteinmauerwerk war mutmasslich ursprunglich verputzt Das Satteldach war anfangs mit Schiefer gedeckt spater mit Biberschwanzen In den vier Ecken des Innenhofes befand sich jeweils ein polygonales Treppenhaus mit Wendeltreppe Das Hauptportal war leicht aus der Mitte herausgeruckt und erschloss das Erdgeschoss und den Innenhof Zwei seitliche kleinere Portale im Sudflugel boten Zugang zu den dahinter anstossenden Seitenflugeln Ost Nord und Westflugel besassen im Erdgeschoss kreuzgewolbte Hallen die auf einer Doppelreihe Saulen ruhten Diese Raume dienten als eigentlicher Marstall wohingegen im Obergeschoss die Kunstsammlung und Bibliothek untergebracht war 1 Geschichte Bearbeiten nbsp Innenhof des Marstalls Otto Ubbelohde vor 1923Der Marstall war das letzte Projekt zum Ausbau der Residenzstadt das unter Landgraf Wilhelm IV begonnen wurde Neben der Verstarkung der Festungsanlagen wurden von Wilhelm unter anderem auch die Neubauten des Zeughauses und des Renthofes in Angriff genommen 2 Der neue Marstall ersetzte einen unbekannten Vorganger der im Jahr der Grundsteinlegung 1591 abgebrochen wurde Als Bauplatz wurde der ehemalige Hof der Familie Boyneburg nordlich des Schlosses gewahlt Diesen Hof liess bereits Landgraf Philipp ankaufen und brachte dort zwischenzeitlich die Kanzlei unter Stilistisch orientiert sich die Gestaltung des Gebaudes an dem kurz vorher fertiggestellten Schloss Wilhelmsburg in Schmalkalden Als Architekt fungierte der Hofbaumeister Hans Muller Der Bauherr starb im August 1592 und erlebte die Vollendung des Gebaudes nicht mehr Sein Sohn und Nachfolger Moritz liess das Gebaude bis zum Sommer 1593 nach den bestehenden Planen vollenden 1 Das Gebaude wurde bis 1866 in seiner namensgebenden Funktion genutzt Bis zu 120 Pferde waren im Erdgeschoss des Bauwerks untergebracht ausserdem eine Rustkammer Schneiderei und Raumlichkeiten fur die Angestellten In der Mitte des 18 Jahrhunderts erfuhr die Anlage eine bedeutende Erweiterung durch den Anbau einer Reithalle an der Wildemannsgasse 1827 wurde die vordere Giebelfront zu einem Vollgeschoss ausgebaut Beide Erweiterungen wurden in den 1930er Jahren ruckgangig gemacht Des Weiteren waren zeitweise eine Druckerei und eine Munzpragestatte hier untergebracht 1 Bibliothek Bearbeiten Landgraf Moritz widmete das 1 Obergeschoss des neuerbauten Marstalls der furstlichen Bibliothek und grossen Teilen der Kunstsammlung des Hauses Hessens Die furstliche Bibliothek wurde bereits von Wilhelm IV 1580 zum ersten Mal systematisch aufgestellt Unter Moritz erfuhr die Bibliothek keine grosseren Erweiterungen Die Plunderung der Reichsabtei Fulda im Dreissigjahrigen Krieg durch hessische Truppen liess die Buchersammlung wachsen Bibliothekare wie Michael Engelhardt betreuten die Sammlung der Landgrafen Durch den kinderlosen Tod von Kurfurst Karl II von der Pfalz gelangten 1685 die von ihm und seiner Mutter Charlotte zusammengetragene umfangreiche Bibliothek in den Marstall Zur Unterscheidung von der Bibliotheca Palatina wird dieser Sammlungsbestand in der Forschung als Jungere Palatina bezeichnet 3 Die Bibliothek verblieb bis 1779 im Marstall und wurde unter Landgraf Friedrich II in das neu erbaute Museum Fridericianum verlagert Die nun frei gewordenen Raume wurden im Anschluss von der furstlichen Steuerverwaltung genutzt 4 Kunstkammer Bearbeiten In den oberen Raumen des sudlichen Flugels liess Landgraf Moritz eine Kunst und Wunderkammer einrichten Dem Bildungsideal der Renaissance folgend wurde hier neben der Bibliothek versucht alle Wissensbereiche der bekannten Welt zu vereinigen Ethnologische naturwissenschaftliche und Objekte der bildenden Kunste waren hier vereinigt Johann Just Winckelmann beschreibt die Sammlung in seiner hessischen Geschichte ausfuhrlich 5 Er erwahnt die heute noch erhaltenen Tische von Andreas Pleninger die astronomischen Wilhelmsuhr von Ebert Baldewein und Kleidungsstucke aus allen vier Weltteilen Moritz liess durch Mittelsmanner Antiken ankaufen um seine Sammlung zu vervollstandigen 6 Um der stetig wachsenden Sammlung mehr Raum zu bieten wurde das ehemalige Theater im Ottoneum zu einem Kunsthaus umgebaut und die Sammlung 1696 dorthin verbracht Diese Sammlung wurde 1779 mit der Bibliothek wieder im Museum Fridericianum vereinigt und bildet heute den Sammlungsgrundstock der Museumslandschaft Hessen Kassel Preussische Zeit Bearbeiten nbsp Siegelmarke des Husaren RegimentsMit dem Ende des Kurfurstentums Hessen 1866 ging das Gebaude in den Besitz Preussens uber 7 Bis 1910 wurde der Marstall als Husaren Kaserne der 4 Eskadron des Husaren Regiment Landgraf Friedrich II von Hessen Homburg 2 Kurhessisches Nr 14 genutzt Nach dem Auszug der Husaren wurde das Gebaude zunachst an verschiedene kleinere Firmen vermietet unter anderem eine Limonadenfabrik und eine Autoreifenerneuerung 8 In der Zeit des Nationalsozialismus war das Gebaude Sitz verschiedener Dienststellen der SA 9 Die Nutzung des Gebaudes durch die paramilitarische SA Standarte 83 ging auf die Initiative Fritz Schmidts zuruck Aus den Pferdestellen im Erdgeschoss wurden Autogaragen 10 Im Zuge der Altstadtsanierung der 1930er Jahre wurde die nordliche Fassade von ihren Anbauten befreit und grenzte an die neu entstandene Strasse Freiheit an 11 Im selben Zuge wurden auch die ausgebauten Mansarden zwischen den Giebeln der Hauptfassade zuruckgebaut und die ursprungliche Dachform wiederhergestellt Ebenso befand sich in Teilen der ehemaligen Stalle das sogenannte Baumuseum ein Lapidarium mit historischen Grabdenkmalern des Altstadter Friedhofes 12 Spatestens bei dem Luftangriff auf Kassel am 22 Oktober 1943 brannte das Gebaude vollstandig aus Neubau als Kleinmarkthalle Bearbeiten nbsp Aussenansicht der MarkthalleIm Jahr 1959 wurde seitens des Kasseler Regierungsprasidiums festgestellt dass die hygienischen Zustande auf den Markten auf dem Konigsplatz und Entenanger nicht mehr haltbar seien Daraufhin initiierte die Stadt Kassel den Neubau einer Kleinmarkthalle auf dem Grundstuck der Ruine des ehemaligen Marstalls 13 Fur den Zweck des Neubaus wurden im Sommer 1962 die Reste des im Zweiten Weltkrieg ausgebrannten Gebaudes vollstandig abgebrochen 14 Der Marstall war bereits 1946 eines von lediglich neun Gebauden in der Kasseler Innenstadt deren Erhalt seitens der Stadt ausdrucklich gefordert wurde 15 Nach den Planen des Architekten Werner Noell wurde der Neubau mit einer Fassade verblendet die an den verlorenen Altbau erinnert 16 Obwohl der ursprungliche Bau nur zwei Schauseiten zum Marstaller Platz und der Wildemannsgasse besass wurde der nun freistehende Neubau mit drei historisierenden Fassaden und entsprechender Bauplastik ausgefuhrt Grosse Teile des figuralen Schmucks wurde fur diesen Zweck von den Bildhauern Heinz Wiegel und Adalbert Wolf in Kunststein nachgegossen 17 Weder die Anordnung der Fenster noch die der historischen Portale entspricht dem historischen Vorbild Die den Krieg uberdauert habenden Bauteile des Inneren sowie der Innenhof mit seinen vier Treppenturmen sind verloren gegangen Unter dem grossen von Noell geplanten Glasdach im ersten Obergeschoss fanden 79 Obst und Gemusestande ihre neue Heimat Im Erdgeschoss wurden gekachelte Verkaufsstande mit Kuhleinrichtungen gebaut aus denen Fleisch und Milchwaren verkauft wurden Die Kosten fur den Neubau betrugen etwa 4 7 Millionen DM 13 Seit dem 1 Februar 1966 waren alle Marktstande in die neue Halle umgezogen und der Bau vollendet 18 Literatur BearbeitenAlois Holtmeyer Die Bau und Kunstdenkmaler im Regierungsbezirk Cassel Kreis Cassel Stadt Hrsg Bezirksverband des Regierungsbezirks Cassel Band 6 Text Erster Teil Marburg 1923 DNB 101515898 S 303 306 8 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Marstall Kassel Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Linda Knop Die landgrafliche Kunst und Naturalienkammer vor 1779 In museumsgeschichte uni kassel de Kunsthochschule Kassel abgerufen am 16 Februar 2023 Einzelnachweise Bearbeiten a b c Alois Holtmeyer Die Bau und Kunstdenkmaler im Regierungsbezirk Cassel Kreis Cassel Stadt Hrsg Bezirksverband des Regierungsbezirks Cassel Band 6 Text Erster Teil Marburg 1923 DNB 101515898 S 303 306 1 Christian Presche Landgraf Wilhelm IV und seine Residenzstadt Kassel In ZHG Band 123 2018 ISSN 0342 3107 S 50 2 PDF Brigitte Pfeil Die Pfalzische Erbschaft kistenweise Bucher fur den Landgrafen In Holger Th Graf Christoph Kampmann Bernd Kuster Hrsg Landgraf Carl 1654 1730 Furstliches Planen und Handeln zwischen Innovation und Tradition Marburg 2017 ISBN 978 3 942225 39 7 S 295 314 HStAM Bestand 53 f Nr 288 Abgerufen am 17 Februar 2023 Johann Just Winckelmann Johann Just Winkelmanns Grundliche Und Warhafte Beschreibung Der Furstenthumer Hessen und Hersfeld 1697 S 281 urn nbn de bvb 12 bsb10938532 9 3 Christoph Rommel Geschichte von Hessen Band 6 1837 S 417 urn nbn de bvb 12 bsb10021033 6 4 HStAM Bestand 7 b 1 Nr 197 Abgerufen am 16 Februar 2023 Vom Marstall zur Markthalle In Hessische Allgemeine 9 Oktober 1965 ZDB ID 918652 9 S 20 Adressbuch von Kassel und Umgebungen Schonhoven Kassel 1936 S 54f 5 Karl Poppe Die Geschichte der Kurhessischen SA Kassel 1935 S 155f 165 176 6 Altmarkt Die Freiheit Abgerufen am 16 Februar 2023 Undatierte Innenaufnahe Abgerufen am 16 Februar 2023 a b Kassels Kleinmarkthalle ist so gut wie fertig In Hessische Allgemeine 6 November 1965 ZDB ID 918652 9 S 21 Mit dem Abbruch der Reste des historischen Marstallgebaudes am Marstaller Platz haben Arbeiter einer Baufirma in dieser Woche begonnen In Hessische Allgemeine 15 Juni 1962 ZDB ID 918652 9 S 5 Andrew MacNeille Zwischen Tradition und Innovation Historische Platze in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945 Hrsg Universitat Koln Dissertation Koln S 111 7 PDF Die historische Fassade wird wieder hergestellt In Hessische Allgemeine 20 Januar 1962 ZDB ID 918652 9 S 7 Acht Lowen aus Stein fur den Marrstall In Hessische Allgemeine 18 Juli 1964 ZDB ID 918652 9 S 10 Alle Stande jetzt unter Dach und Fach In Hessische Allgemeine 2 Februar 1966 ZDB ID 918652 9 S 7 51 3156 9 50312 Koordinaten 51 18 56 2 N 9 30 11 2 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Marstall Kassel amp oldid 235928235