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Lew Nikolajewitsch Gumiljow russisch Lev Nikolaevich Gumilyov 1 Oktoberjul 14 Oktober 1912greg in Zarskoje Selo bei Sankt Petersburg 15 Juni 1992 in Sankt Petersburg war ein sowjetischer Historiker und Ethnologe Autor einiger neuer und umstrittener Theorien zur Ethnogenese sowie Dichter und Ubersetzer aus der persischen Sprache Er war der Sohn des Dichterpaars Anna Achmatowa und Nikolai Gumiljow Lew Gumiljow 1934 Bildnis von Lew Gumiljow auf einer Briefmarke der Republik Kasachstan 2012 Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen beispielsweise Einzelnachweisen ausgestattet Angaben ohne ausreichenden Beleg konnten demnachst entfernt werden Bitte hilf Wikipedia indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfugst Die nachfolgenden Interpretationen und Analysen bedurfen stichhaltiger Belege aus der Sekundarliteratur zumal sie im Folgetext nicht auftauchen Neben die russische Idee der Slawophilen und der Anlehnung an westliche Gesellschaftsmodelle stellte Gumiljow das eurasische Konzept in dem er die unaufhaltsame Entwicklung der russischen Geschichte in Richtung Osten vorhersagte und der erst in der jungeren Geschichte erfolgten Westbewegung eine langfristig eher geringe Bedeutung beimass Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Ideen 3 Kritik 4 Schriften 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenSeine fruhe Kindheit verbrachte Lew Gumiljow in der Obhut seiner Grossmutter vaterlicherseits auf dem Landgut Slepnewo bei Beschezk im Gouvernement Twer 1917 bis 1929 lebte er in Beschezk Als er 1921 knapp neun Jahre alt war wurde sein Vater Nikolai Gumiljow wegen angeblicher Beteiligung an einer konterrevolutionaren Verschworung erschossen Aufgrund seiner Herkunft wurde Gumiljow 1930 nicht an der Universitat angenommen und arbeitete zunachst vier Jahre als Hilfsarbeiter auf Expeditionen ins Sajangebirge in den Pamir und auf der Krim 1934 begann er ein Geschichtsstudium an der Leningrader Universitat wurde jedoch 1935 ausgeschlossen und verhaftet Trotz seiner baldigen Freilassung konnte er sein Studium zunachst nur privat fortsetzen er beschaftigte sich intensiv mit den Turkvolkern 1937 nahm die Universitat ihn wieder auf Die Freiheit dauerte nicht lange an Bereits 1938 wurde er erneut festgenommen und zu funf Jahren Lagerhaft verurteilt die er in Norilsk in einem Kupfer Nickel Bergwerk verbrachte er konnte aber dank seiner geologischen Kenntnisse der Expeditionsreisen mit den Geologen arbeiten und nicht in der Bergwerksarbeit 1 Im Anschluss an die Haftzeit wurde er nach Norilsk in eine De facto Verbannung entlassen Er durfte nicht nach Hause zuruckkehren und arbeitete in der Versandabteilung eines der ortlichen Kombinate Im Herbst 1944 meldete Gumiljow sich freiwillig in die Rote Armee und kampfte in der 1 Weissrussischen Front die bei der Eroberung Berlins beteiligt war so war er zum Kriegsende in Deutschland und beschrieb dort die angenehme Vielfalt der Eindrucke 1 Nachdem er 1945 aus dem Armeedienst ausgeschieden war immatrikulierte er sich als Fernstudent erneut an der Leningrader Universitat und schloss sein Studium 1946 ab Seine Aspirantur begann er an der Leningrader Abteilung des Instituts fur Orientalistik der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften wurde aber im selben Jahr im Zusammenhang mit der politischen Verfolgung seiner Mutter durch den hochrangigen Politiker Schdanow wieder ausgeschlossen Er arbeitete dann als Bibliothekar in einem Psychotherapeutischen Krankenhaus erhielt dort aber die Gelegenheit seine Kandidatenarbeit zu schreiben und am 28 Dezember 1948 vor der Leningrader Universitat zu verteidigen Anschliessend nahm er an einer archaologischen Expedition in den Altai teil 1949 trat er eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Volkerkundemuseum an Im November desselben Jahres wurde er verhaftet und zu 10 Jahren Lagerhaft verurteilt Den ersten uberwiegenden Teil der Haftzeit und diesmal harter Lagerarbeit verbrachte er in Tschurubai Nura bei Karaganda anschliessend in Meschduretschensk Oblast Kemerowo 2 Erst 1956 drei Jahre nach Stalins Tod wurde er wegen nicht vorhandenem Haftgrund rehabilitiert und nach Hause entlassen nbsp Eurasische Nationale Universitat in AstanaEr arbeitete in der Leningrader Ermitage und verteidigte seine Dissertation als Doktor der Wissenschaften zum Thema Alte Turkvolker Bis zu seiner Pensionierung 1986 arbeitete er im Wissenschaftlichen Institut fur Geografie an der Leningrader Universitat Er starb am 15 Juni 1992 in Sankt Petersburg Seine Wohnung wurde als Museum hergerichtet und kann nach privater Anmeldung besucht werden Alle Gegenstande und Einrichtungen sind im Originalzustand verblieben 1996 benannte man die Eurasische Nationale Universitat nach seinem Namen Wladimir Putin bekannte sich 2012 offentlich zu Gumiljows Theorie des Passionarnost 3 4 Ideen BearbeitenGumiljow versuchte die Wellen der Nomadenwanderung die die grosse Steppe Eurasiens jahrhundertelang erschutterte durch geographische Faktoren wie die jahrlichen Schwankungen der Sonneneinstrahlung zu erklaren die die Weideflachen bestimmen die fur die Viehzucht genutzt werden konnten Nach dieser Idee begannen die Nomaden Zentralasiens als die Steppengebiete drastisch schrumpften auf die fruchtbaren Weiden Europas oder Chinas zu ziehen Um die Genese und Entwicklung ethnischer Gruppen zu beschreiben fuhrte Gumiljow das Konzept der Passionaritat Passionarnost ein Darunter verstand er das fur eine ethnische Gruppe und insbesondere fur ihre Fuhrer zu einem bestimmten Zeitpunkt typische Mass an Expansionsbestrebungen Er argumentierte dass jede ethnische Gruppe die gleichen Stadien der Geburt Entwicklung des Hohepunkts der Tragheit der Faltung und des Gedenkens durchlauft Wahrend der akmatischen Phasen wenn die nationale Leidenschaft ihren Hohepunkt erreicht werden die grossen Eroberungen gemacht Gumiljow beschrieb den gegenwartigen Zustand Europas als tiefe Tragheit oder Einfuhrung in die Verdunkelung um seine eigenen Worte zu verwenden Die Leidenschaft der arabischen Welt sei dagegen nach wie vor hoch Nach Andreas Umland sind Gumiljow zufolge ethnische Gruppen Nationalitaten und Nationen und superethnische Konglomerate pannationale Gruppen und Zivilisationen in erster Linie naturliche in zweiter Linie soziokulturelle Gemeinschaften Sie befinden sich in einem zyklischen Prozess des Auf und Abstiegs in dem passionare Heldenfiguren einerseits und parasitare Fremdgruppen andererseits eine zentrale Rolle spielen Wahrend selbstlose und aufopferungsvolle Passionare eine Ethnie zur Blute fuhren erzeugt die Vermischung eines Wirtsvolkes mit Vertretern fremder Ethnien z B Juden so genannte Chimaren die zum Aussterben verurteilt sind Mysteriose Mikromutationen verursacht durch bestimmte kosmische und oder solare Strahlungen aus dem All die Gumiljow nicht naher spezifiziert sind fur eine mehr oder weniger starke Dynamik in der Entwicklung von Ethnien und Superethnien verantwortlich 5 Gumiljow betrachtete Russen als Super Ethnos der mit den turkisch mongolischen Volkern der eurasischen Steppe verwandt ist Diese Perioden in denen Russland mit den Steppenvolkern in Konflikt geraten soll interpretierte Gumiljow als Perioden der Konsolidierung der russischen Macht mit der der Steppe um destruktiven Einflussen aus dem katholischen Europa entgegenzuwirken die eine potenzielle Bedrohung fur die Integritat der russischen Volksgruppe darstellten In Ubereinstimmung mit seinen panasiatischen Theorien unterstutzte Gumiljow neben den Mongolen und anderen Ostasiaten auch die nationalen Bewegungen der Tataren Kasachen und anderer unter russischer Vorherrschaft lebender Turkvolker seine Lehren wurden dementsprechend auch in muslimisch gepragten Regionen des russischen Einflussbereichs positiv rezipiert In Kasan der Hauptstadt der autonomen Republik Tatarstan wurde im August 2005 ein Denkmal fur ihn enthullt 6 im kasachischen Astana tragt seit 1996 eine Hochschule seinen Namen 7 Kritik BearbeitenDer Historiker Mark Bassin schreibt dass Gumiljow kein glaubwurdiger Theoretiker war Art von wissenschaftlicher oder intellektueller Autoritat seine Ideen sind wichtig zu verstehen da seine Theorien uber Ethnos Ethnogenese und Passionaritat neben anderen Konzepten massiv einflussreich waren und in einer Reihe von sowjetischen und postsowjetischen Kontexten erhebliche Auswirkungen hatten 8 Mehrere Forscher wie Vadim Rossman 9 John Klier 10 Victor Yasmann 11 12 Victor Schnirelmann 13 und Mikhail Tripolsky 14 beschreiben Gumilyovs Ansichten als antisemitisch 15 Diesen Autoren zufolge hat Gumilyov diese ethnologische Okumene nicht auf die mittelalterlichen Juden ausgedehnt die er als parasitare internationale Stadtschicht betrachtete die die Chasaren beherrscht und die fruhen Ostslawen dem Chasarenjoch unterworfen hatte Diesen letzten Satz ubernahm er aus dem traditionellen Begriff Tatarenjoch fur die mongolische Herrschaft des mittelalterlichen Russlands einen Begriff den Gumilyov ablehnte da er die mongolische Eroberung nicht als notwendigerweise negatives Ereignis ansah Insbesondere behauptete er in Die alte Rus und die grosse Steppe die Radhaniten seien massgeblich an der Ausbeutung der ostslawischen Volker beteiligt gewesen und hatten einen unangemessenen Einfluss auf die gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Landschaft des fruhen Mittelalters ausgeubt Gumilyov behauptete die judische Kultur sei von Natur aus kaufmannisch und existiere ausserhalb und im Gegensatz zu ihrer Umgebung Nach dieser Auffassung teilen Juden eine spezifische Denkweise die mit den moralischen Normen des Judentums verbunden ist Nach Gumilev trugen auch die mittelalterlichen Juden selbst keine Waffen sondern fuhrten Kriege durch Stellvertreter oder Soldner 16 17 18 Andreas Umland bewertet Gumiljow trotz seines Ansehens im akademischen Russland als Pseudo Ethnologen der dazu beigetragen habe die intellektuelle Landschaft Russlands zu deformieren sowie die russischen Sozial und Geisteswissenschaften mit alternativen Geschichtsdarstellungen zu infiltrieren Er sei allerdings kein primitiver Rassist der Menschengruppen nach ihrem Phanotyp hierarchisiert 5 Alexander Yanov meinte dass die Lehren von Gumiljow die ideale Grundlage der russischen braunen Ideologie werden konnen und dass antisemitische Ansichten Gumiljow nicht fremd sind 19 Schriften BearbeitenEthnogenese und die Biosphare der Erde Etnogenez i biosfera Zemli 1979 Auf der Suche nach einem erdachten Reich Poiski vymyshlennogo carstva 1970 1992 Searches for an imaginary kingdom the legend of the Kingdom of Prester John Ubersetzung ins Englische R E F Smith Cambridge Cambridge University Press 1987 Die alte Rus und die grosse Steppe Drevnyaya Rus i Velikaya step 1989 1992 Von der Rus zu Russland ethnische Geschichte der Russen spannend erzahlt Aus dem Russ ubers von Olga Grossmann unter Mitarb von Inge Pforr Munster Verl Haus Monsenstein und Vannerdat 2005 ISBN 3 86582 214 2 On demand Literatur BearbeitenMark Bassin 2016 The Gumilev Mystique Biopolitics Eurasianism and the Construction of Community in Modern Russia Ithaca Cornell University PressWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Lew Nikolajewitsch Gumiljow Sammlung von Bildern Literatur von und uber Lew Nikolajewitsch Gumiljow im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Umfangreiche Fotogalerie von 1916 bis ca 1977 russisch Biografie Grosse Enzyklopadie von Kyrill und Method russisch Einzelnachweise Bearbeiten a b Kazhetsya Putin i pravda dumaet chto mozhet pobedit Zapad Pochemu Vozmozhno potomu chto verit v teorii Lva Gumileva Meduza 14 November 2022 http gulag memorial de lager php lag 229 Artikel Wiesenlager Fussnote 3 Charles Clover Putin power and passionarnost in Financial Times 12 Marz 2016 S 1 S 20 Andrei Zavaliy Passionarity Passionarnost passionarnost bei The Online Dictionary of Intercultural Philosophy ODIP a b Andreas Umland Historische Esoterik als Erkenntnismethode Wie russische Pseudo Wissenschaftler zu Moskaus antiwestlicher Wende beigetragen haben In SIRIUS Zeitschrift fur Strategische Analysen Band 7 Nr 1 30 Marz 2023 ISSN 2510 2648 S 6 doi 10 1515 sirius 2023 1003 degruyter com abgerufen am 16 September 2023 Pamyatnik Lvu Gumilevu Abgerufen am 23 Juli 2021 Saparaly B T Rabbymyz bir kүnshygys kүnbatysta Vostok i Zapad odin mir Band 2 Қaganat Almaty 2008 ISBN 9965 430 76 4 S 624 632 ff Bassin Mark The Gumilev mystique biopolitics Eurasianism and the construction of community in modern Russia Ithaca 2016 ISBN 978 1 5017 0339 3 Russian Intellectual Antisemitism in the Post Communist Era Abgerufen am 23 Juli 2021 amerikanisches Englisch Klier John The Myth of the Khazars and Intellectual Antisemitism in Russia 1970s 1990s In The Slavonic and East European Review 1 Auflage Volume 83 Nr 4 Oktober 2005 S 779 781 Yasmann Victor The Rise of the Eurasians The Eurasian Politician Issue 4 August 2001 Radio Free Europe 1992 Yasmann Victor Red Religion An Ideology of Neo Messianic Russian Fundamentalism The Journal of Post Soviet Democratization Volume 1 Nr 2 S 26 Shnirelman Victor A The Story of a Euphemism The Khazars in Russian Nationalist Literature The World of the Khazars New Perspectives Brill 2007 S 353 372 Mihail Tripolskij Ob izvrashenii istorii Abgerufen am 23 Juli 2021 Malakhov Vladimir Racism and Migrants Trans Mischa Gabowitsch Neprikosnovennij Zapas 2003 L N Gumilyov Vybor very Abgerufen am 23 Juli 2021 Rossman Vadim The Ethnic Community and Its Enemies Russian Intellectual Antisemitism in the Post Communist Era Nicht mehr online verfugbar Archiviert vom Original am 21 September 2005 abgerufen am 23 Juli 2021 nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot sicsa huji ac il Rogachevsky Abgerufen am 23 Juli 2021 Uchenie Lva Gumilyova Aleksandr Yanov Abgerufen am 23 Juli 2021 Normdaten Person GND 11953889X lobid OGND AKS LCCN n85264852 VIAF 59131742 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Gumiljow Lew NikolajewitschALTERNATIVNAMEN Lev Nikolaevich GumilyovKURZBESCHREIBUNG russischer Historiker und EthnologeGEBURTSDATUM 14 Oktober 1912GEBURTSORT Zarskoje SeloSTERBEDATUM 15 Juni 1992STERBEORT Sankt Petersburg Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lew Nikolajewitsch Gumiljow amp oldid 237407946