www.wikidata.de-de.nina.az
Der Begriff Konsulargerichtsbarkeit auch Konsularjurisdiktion oder konsularische Rechtsprechung genannt bezeichnete die juristische Zustandigkeit der konsularischen Vertretung eines Herkunftslandes in einem Gastland fur Rechtssachen von denen Staatsburger des Herkunftslandes beim Aufenthalt in dem Gastland betroffen waren Sie stellte in der Praxis eine nahezu vollstandige Immunitat von Auslandern vor der Gerichtsbarkeit derjenigen Gastlander dar in denen ihr Heimatland eine konsularische Rechtsprechung ausubte Damit war sie eine Ausnahme zu dem als Territorialitatsprinzip bezeichneten Grundsatz dass alle Personen der Rechtsprechung des Staates unterliegen auf dessen Territorium sie sich aufhalten Das Prinzip der konsularischen Rechtsprechung war im 19 Jahrhundert am weitesten verbreitet und wurde bis zur Mitte des 20 Jahrhunderts schrittweise abgeschafft Inhaltsverzeichnis 1 Historische Informationen 2 Juristische Aspekte 3 Rechtsweg 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseHistorische Informationen BearbeitenDie konsularische Rechtsprechung als vertraglich fixiertes Prinzip ging historisch auf die als Kapitulationen des osmanischen Reiches bezeichneten Abkommen zuruck die ab dem 16 Jahrhundert zwischen dem Osmanischen Reich und verschiedenen europaischen Landern und spater auch den Vereinigten Staaten geschlossen wurden Sie wurde im 19 Jahrhundert von den meisten europaischen Staaten auf ihre Kolonien und auf andere abhangige Gebieten wie Agypten wahrend der britischen Herrschaft ausgeweitet Daruber hinaus galt sie aber auch in den Landern des Nahen Ostens sowie in fernostlichen Landern wie beispielsweise Japan in denen historisch bedingt vorrangig das dem Territorialitatsprinzip entgegengesetzte Personalitatsprinzip die Grundlage der nationalen Rechtsprechung darstellte Die starkste Auspragung der konsularischen Rechtsprechung entwickelte sich in den von den europaischen Kolonialmachten betriebenen Vertragshafen in Asien Da die Konsulargerichtsbarkeit einen erheblichen Eingriff in die Hoheitsrechte des Gastlandes auf seinem eigenen Territorium darstellte und daruber hinaus von den Gastlandern als eine Form der Fremdbestimmung empfunden wurde wurde sie ab dem Ende des 19 Jahrhunderts schrittweise abgebaut Die vollstandige Abschaffung erfolgte beginnend mit dem Ersten Weltkrieg in der ersten Halfte des 20 Jahrhunderts Die Konsulargerichtsbarkeit endete in Agypten in Teilbereichen bereits 1876 mit der Einfuhrung der Gemischten Gerichtshofe vollstandig jedoch erst 1949 in der Turkei 1923 in Thailand 1927 und in Persien 1928 In China erfolgte der Verzicht der Vereinigten Staaten und der europaischen Landern hingegen erst zwischen 1943 und 1947 infolge des Zweiten Weltkrieges Zu den letzten aufgegebenen Systemen konsularischer Rechtsprechung zahlte 1956 der Verzicht der USA in Marokko und zum Ende des Jahres 1961 die Abschaffung der entsprechenden Privilegien Grossbritanniens im Sultanat Oman Die Konsulargerichtsbarkeit ist somit gegenwartig nur noch von rechtstheoretischem und historischem Interesse Juristische Aspekte BearbeitenDie Konsulargerichtsbarkeit beruhte entweder auf bilateralen Staatsvertragen zwischen Herkunfts und Gastland oder auf der gewohnheitsrechtlichen Duldung durch das Gastland Eine weitere Voraussetzung war die durch ihr Herkunftsland erteilte Ermachtigung der betreffenden konsularischen Vertretung zur Durchfuhrung der Rechtsprechung Sie umfasste in der Regel alle zivil handels und strafrechtlichen Verfahren in die Auslander verwickelt waren in den Landern in denen entweder ihr Herkunftsland oder ein als Schutzmacht fungierendes anderes Land Konsulargerichtsbarkeit ausubte Grundlage war in der Regel das nationale Recht des Herkunftslandes erganzt durch spezifische Regelungen wie das deutsche Reichsgesetz uber die Konsulargerichtsbarkeit KonsGG in den Fassungen vom 10 Juli 1879 und 7 April 1900 Die Entscheidungsgewalt hatte dabei je nach Verfahren und Rechtslage entweder der Konsul des Herkunftslandes als Einzelrichter ein aus dem Konsul und mehreren Beisitzern bestehendes Konsulatgericht oder nationale Gerichte im Herkunftsland Bei Streitigkeiten zwischen Auslandern aus verschiedenen Staaten mit konsularischer Rechtsprechung im gleichen Gastland war nach dem Grundsatz Actor sequitur forum rei Der Klager muss dem Gerichtsstand des Beklagten folgen der Konsul des Beklagten zustandig Rechtsweg BearbeitenUm auch bei Entscheidungen der Konsulargerichte die Moglichkeit einer Berufung oder Appellation zu geben war entweder die Berufung an inlandischer Obergerichte also Gerichte des Entsenderstaates moglich oder es wurden gesonderte Obergerichte fur die Konsulargerichtsbarkeit gebildet In Osterreich Ungarn diente beispielsweise bis zum Jahr 1855 die k k Internuntiatur in Konstantinopel als Obergericht fur Appellationen in der Konsularjurisdiktion Von 1855 bis 1897 war die Berufung stattdessen zu osterreichischen Oberlandesgerichten moglich Ab dem 1 Janner 1898 wurde in Konstantinopel wieder ein Konsularobergericht eingerichtet 1 Literatur BearbeitenEduard Brucklmeier Die geschichtliche Entwicklung der Konsulargerichtsbarkeit und ihre Rechtsgestaltung fur Deutschland im Anschluss an den Weltkrieg Maser Leipzig 1927 zugleich Dissertation Universitat Wurzburg 1927 Konsulargerichtsbarkeit In Karl Strupp Hrsg Hans Jurgen Schlochauer Hrsg Worterbuch des Volkerrechts Zweite Auflage Verlag Walter de Gruyter Berlin 1961 ISBN 3 11 001031 3 Band 2 S 278 281 Konsulargerichtsbarkeit In Heinrich Schnee Hrsg Deutsches Kolonial Lexikon Quelle amp Meyer Leipzig 1920 Band 2 S 357f Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Deutsche Rechtstexte zur Konsulatsgerichtsbarkeit Quellen und VolltexteEinzelnachweise Bearbeiten Engelbert Deusch Die effektiven Konsuln Osterreich Ungarns von 1825 1918 2017 ISBN 978 3 205 20493 0 S 80 DigitalisatNormdaten Sachbegriff GND 4256809 2 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Konsulargerichtsbarkeit amp oldid 234097113