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Das Kerstlingeroder Feld ist eine heute fast 200 ha grosse Freiflache im Gottinger Wald Die Rodung des Waldes fur die landwirtschaftliche Nutzung erfolgte bereits im fruhen Mittelalter Im 20 Jahrhundert diente das Gebiet langere Zeit als Truppenubungsplatz Heute ist es als Lebensraum zahlreicher seltener Tiere und Pflanzen unter Naturschutz gestellt und wird von der Gottinger Bevolkerung als Naherholungsgebiet genutzt Gasthaus KerstlingeroderfeldBlick vom Sauberg uber das Kerstlingeroder Feldverfallene Wirtschaftsgebaude auf dem Kerstlingeroder FeldDas Kerstlingeroder Feld im WinterStammbuchblatt Kupferstich Gutshaus Kerstlingeroderfeld Postkarte um 1900 zerstort nach 1961 Inhaltsverzeichnis 1 Siedlungsgeschichte 2 Naturschutzgebiet 3 Freizeit und Naherholung 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseSiedlungsgeschichte BearbeitenDas Kerstlingeroder Feld entstand in einer Zeit in der die Bevolkerung stark wuchs und landwirtschaftlich nutzbare Flachen knapp waren Deshalb wurden zahlreiche Waldflachen zu landwirtschaftlichen Nutzflachen umgewandelt Um 1300 wurde mitten im Gottinger Wald durch die Herren von Kerstlingerode auf Burg Niedeck eine grossere Flache gerodet um neue Ackerflachen zu gewinnen Ausserdem wurde hier ein neues Dorf gegrundet welches nach seinen Grundeigentumern Klein Kerstlingerode Klein Kerstlingeroda genannt wurde Verwaltungstechnisch gehorte das Kerstlingeroder Feld daher zum Gericht Niedeck 1 Bei der Fehde der Stadt Gottingen mit Otto dem Quaden wurde das Dorf 1387 teilweise zerstort Da der Zickenpump ein kleines Stillgewasser auf dem Kerstlingeroder Feld den Wasserbedarf des Ortes nur bedingt decken konnte wurde das Dorf um 1410 aufgegeben und fiel wust Die landwirtschaftliche Nutzung der Flachen ging jedoch weiter Der Bischof von Mainz Johann II von Nassau liess 1410 eine Kapelle errichten und 1416 ist an Stelle des Dorfes ein Gutshof der Herren von Kerstlingerode dokumentiert Ab 1418 bewirtschaften die Kalandsbruder das Kerstlingeroder Feld Im dreissigjahrigen Krieg 1618 bis 1648 wurden die Gebaude auf dem Kerstlingeroder Feld weitestgehend niedergebrannt und zerstort Der Gutshof wurde bei Beschadigung von den mehrfach wechselnden Besitzern immer wieder aufgebaut Die heute noch zu sehenden Ruinen gehoren zum letzten Gutshaus welches die Jahreszahl 1753 trug und der Familie von Wangenheim aus Waake bis 1928 gehorte 1928 wurde ein Teil der Flachen an die Reichsheeresverwaltung abgegeben Wahrend des Dritten Reiches mussten auch die ubrigen Flachen unter dem politischen Druck der Nationalsozialisten von der Familie von Wangenheim abgegeben werden Nach dem Zweiten Weltkrieg von 1945 bis 1956 ubte hier die Britische Rheinarmee bevor der Platz an die Bundeswehr ubergeben wurde Bis 1961 wurde die landwirtschaftliche Bewirtschaftung von dem auch bis dahin bewohnten Gutshof weiterhin aufrechterhalten Dann wurde der militarische Ubungsbetrieb intensiviert was in kurzester Zeit zur vollstandigen Zerstorung des Gutshofes fuhrte Laut Lucke 1969 besorgten vor allem habgierige Deutsche durch gewissenloses Ausschlachten des Gutshofes den endgultigen Untergang desselben Nach Gunther 2000 S 79 wurde die Stundenglocke des Gutshauses mit der Jahreszahl 1823 nach einem Bericht der Kreisheimatpflege 1963 in dem kleinen Teiche neben den Gutsgebauden gefunden Der spatere Verbleib der Glocke konnte nicht ermittelt werden Ein Kupferstich von 1820 zeigt das Gutsgebaude noch ohne den Aufbau des kleinen Uhrenturmes Eine 1985 durchgefuhrte etwa 64 ha umfassende Erweiterung des Truppenubungsplatzes durch Rodung wurde von Protestdemonstrationen begleitet Das Gebiet diente bis 1992 als Manovergelande fur die in Gottingen gelegene Zieten Kaserne welche Mitte der 1930er Jahre am Lohberg errichtet worden war Nach Abzug der Bundeswehr ging das Kerstlingeroder Feld wieder in den Besitz der Stadt Gottingen uber Nach Einstellung des militarischen Ubungsbetriebs unterlagen die Freiflachen der naturlichen Sukzession welche heute durch geeignete Pflegemassnahmen aufgehalten wird Die Flache wird vom Stadtforstamt betreut Naturschutzgebiet BearbeitenInnerhalb der etwa 600 jahrigen Siedlungs und Nutzungsgeschichte entwickelte sich das Kerstlingeroder Feld zu einer stark vom Menschen geformten Landschaft Die Einfuhrung der Agrochemie nach 1945 wirkte sich durch die Nutzungsanderung zum Truppenubungsplatz auf das Kerstlingeroder Feld nicht aus und ursprungliche Pflanzengesellschaften konnten uberleben Auch die Erdkastanie eine Kulturpflanze des Mittelalters ist noch auf den Wiesen zu finden Auf Grund des Vorkommens zahlreicher seltener Tiere Pflanzen und Pilze 2 hat das Gebiet einen hohen Wert fur den Naturschutz Es liegt im Landschaftsschutzgebiet Leinebergland und ist als Fauna Flora Habitat Teil des EU Schutzgebietes Nr 138 Gottinger Wald Eine Ausweisung als Naturschutzgebiet zusammen mit dem Stadtwald Gottingen erfolgte 2007 unter dem Namen Stadtwald Gottingen und Kerstlingeroder Feld Es wurden 410 Gefasspflanzen nachgewiesen von denen die Mehrzahl gesetzlich geschutzt ist Von den 53 nachgewiesenen Vogelarten sind zum Beispiel Neuntoter Wendehals und weitere funf Arten auf der Roten Liste Ausserdem konnten 432 der 750 in Niedersachsen lebenden Schmetterlingsarten auf dem Kerstlingeroder Feld nachgewiesen werden Freizeit und Naherholung BearbeitenDas Gebiet und fruher die auf dem Gutshof betriebene Gastwirtschaft war seit jeher ein beliebtes Ausflugsziel fur die Gottinger Bevolkerung und Studenten Am 17 Marz 1772 schrieb Georg Christoph Lichtenberg an Freunde unter den Tagen die ich in Gottingen seyn werde soll der schonste in Kerstlingeroder Feld zugebracht werden 3 Der Gottinger Hainbund eine literarische Gruppe grundete sich hier am 12 September 1772 nbsp Ruckkehr der Studenten vom Kerstlingeroder Feld nach Gottingen 1790 Am 26 Juli 1790 kam es nach einem Streit der Studenten mit Handwerkern zum Auszug der Studenten der Universitat Gottingen aus der Stadt zum Kerstlingeroder Feld 4 Es handelte sich um den erfolgreichsten Auszug der Studentenschaft in der Geschichte der Universitat Die Studenten setzten sich mit ihren Forderungen gegen die Stadt Gottingen und deren Burger durch die eingesehen hatten dass eine Abwanderung der Studenten an eine andere Universitat einen wirtschaftlichen Schaden fur die Stadt bedeutet hatte Literatur BearbeitenRolf Wilhelm Brednich Denkmale der Freundschaft Gottinger Stammbuchkupfer Quellen der Kulturgeschichte Verlag Hartmut Bremer Friedland 1997 S 71 72 365 ohne ISBN Funf historische Ansichten Stiche des 18 und 19 Jahrhunderts Stefan Brudermann Der Gottinger Studentenauszug 1790 Handwerkerehre und akademische Freiheit Reihe Lichtenberg Studien Hg von Stefan Brudermann und Ulrich Joost Bd 7 Wallstein Verlag Gottingen 1991 Egon Gunther Beitrage zur Ortsgeschichte des Dorfes Herberhausen Duderstadt 2000 S 75 79 Hans Heinrich Himme Stichhaltige Beitrage zur Geschichte der Georgia Augusta in Gottingen Gottingen 1987 S 150 156 Auszug der Gottinger Studenten Kerstlingeroderfeld 26 29 July 1790 Tagebuchaufzeichnungen des Studenten Fr G A Schmidt S 152 153 historische Abbildungen von Kerstlingeroderfeld und der Hainholzwarte Heinrich Lucke Burgen Amtssitze und Gutshofe rings um Gottingen Selbstverlag Clausthal Zellerfeld 1952 Zweite vermehrte Auflage 1969 S 209 213 mit Foto des Gutshauses Sebastian Schlinkheider Soll der Wald dem Panzer weichen Gottingen und der Konflikt um das Kerstlingeroder Feld In Sabine Horn Inge Marszolek Maria Rhode Eva Schock Quinteros Hrsg Protest vor Ort Die 80er Jahre in Bremen und Gottingen Klartext Verlag Essen 2012 S 191 228 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Kerstlingeroder Feld Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Dennis Muller Das Okosystem Kerstlingeroder Feld Ehemaliger Truppenubungsplatz und spateres Naturschutzgebiet mit FFH Gebiet in Schauplatze und Themen der Umweltgeschichte Umwelthistorische Miszellen aus dem Graduiertenkolleg Werkstattbericht Hg Bernd Herrmann Ulrike Kruse S 205 214 2010 PDF 7 9 MB Das Waldblatt Nr 2 Gutshof Kerstlingeroderfeld PDF 628 kB Das Waldblatt Nr 4 Paradies aus zweiter Hand PDF 372 kB Informationen zur Vogelwelt des Kerstlingeroder Feldes beim Arbeitskreis Gottinger Ornithologen AGO Einzelnachweise Bearbeiten Wolfgang Ollrog Die Bewohner der Burg und des Amtshofes Niedeck im Laufe der Jahrhunderte in Gottinger Jahrbuch Band 1963 S 145 186 S 145 ff Gerhard Schuster Die Dickrohrlinge des Sommers im Kerstlingeroder Feld bei Gottingen In Der Tintling 82 Ausgabe 3 2013 S 5 10 Abschrift des Briefes von Georg Christoph Lichtenberg an Christiane und Johann Christian Dietrich PDF 16 kB auf lichtenberg gesellschaft de abgerufen am 16 Dezember 2022 Stadtarchiv Gottingen zum Auszug 179051 524445411111 10 007944108333 Koordinaten 51 31 N 10 0 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kerstlingeroder Feld amp oldid 228902771