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Keltischer Kopfkult auch Schadelmystik oder Schadelfaszination nennen die Keltologen den Kult der Kelten um die tetes coupees 2 franzosisch Abgeschnittene Kopfe bzw severed heads englisch wie diese Artefakte von den Archaologen bezeichnet werden Es handelt sich um ein Kopfjagd Ritual das auf mystischen Vorstellungen beruht 3 Ein Ungeheuer mit zwei tetes coupees 1 Funf tetes coupees von EntremontDetail der Pforte von Clonfert Inhaltsverzeichnis 1 Der Kopfkult 2 Die Kopfjagd 3 Mythologie 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseDer Kopfkult Bearbeiten nbsp Galicisch Portugiesische cabeca cortada die sich unter Umstanden auf den keltischen Kopfkult beziehen lasst 4 Die Schadelfaszination der Kelten basiert auf der Uberzeugung mit dem abgetrennten Kopf eines Feindes zum einen seine Kraft und sein Wissen zu besitzen zum anderen den Geist des Toten in der Anderen Welt unschadlich zu machen Der Kopf steht offenbar als pars pro toto fur die gesamte materielle und spirituelle Personlichkeit 3 Der griechische Geschichtsschreiber Diodor berichtet im 1 Jahrhundert v Chr Die Kopfe ihrer vornehmsten Feinde balsamieren sie ein und verwahren sie sorgfaltig in einer Kiste und wenn sie diese dann den Fremden zeigen so ruhmen sie sich wie einer ihrer Vorfahren oder ihr Vater oder auch sie selbst diesen Kopf um vieles Geld nicht hergegeben hatten 5 In vielen keltischen Grabern wurden Kopf und Korper getrennt beigesetzt Bei Mont Trote Manre im Departement Ardennes sind von rund 90 Skeletten 30 ohne Kopf in den Lankhills bei Winchester wurde der Kopf post mortem abgetrennt und bei den Fussen begraben Ob es sich dabei um kopfjagerische Motive oder rituelle Zerstuckelung handelte eventuell um den Toten zu bannen bleibt unbeantwortet 6 Schadelfragmente wurden bei Ausgrabungen haufig inmitten von Hausuberresten gefunden Geglattet und durchbohrt wurden sie offenbar als Amulette getragen Als Opfergaben fur den ganzen Stamm sind an kultischen Orten manchmal Stelen mit echten oder aus Stein gehauenen tetes coupees aufgestellt wie in Roquepertuse oder Entremont 7 Neuere archaologische Forschungen haben ergeben dass die Schadel auf der Innenseite der Pfeiler angebracht waren also in den Kultraum hineinsahen deshalb wohl keine Schutzfunktion hatten sondern ein Teil der Schadelmystik als Apotropaische Handlung waren Ob es sich dabei um die Kopfe von Feinden von charismatischen Personlichkeiten oder von Menschenopfern handelte kann nicht festgestellt werden 3 Fur die spateisenzeitlichen Schadel aus der Themse wird eine Deutung als absichtliche Deponierungen erwogen 8 Im christianisierten Irland sind Kirchen und Klosterportale mit aus Stein gehauenen tetes coupees zu finden ein Beispiel ist die romanische Kathedrale von Clonfert irisch Cluain Fearta dt Kleinfort im Osten des County Galway 7 Die Kopfjagd Bearbeiten nbsp Die Helvetier zwingen die Romer unter dem Joch hindurch historistisches Phantasie Gemalde von Marc Charles Gabriel Gleyre 1806 1874 Diodor schildert die Kopfjagd der Kelten Den gefallenen Feinden schlagen sie die Kopfe ab und hangen sie am Hals ihrer Pferde auf die blutigen Waffen aber geben sie ihren Dienern und lassen sie als Beute unter Kriegsgeschrei und Triumphgesangen einhertragen 5 Ein romischer Bericht uber die Schlacht bei Clusium 295 v Chr schildert die Kopfjagd der keltischen Senonen es war dies der letzte grosse gallische Sieg in Italien Die Consuln wurden des Unheils erst gewahr als gallische Reiter in Sicht kamen die an den Halsen ihrer Pferde oder auf ihren Lanzen aufgespiesste Kopfe mit sich fuhrten und ihre ublichen Triumphgesange sangen 9 Der Kopf des bei Modena 216 v Chr von den keltischen Hilfstruppen Hannibals den Boiern erschlagenen romischen Feldherren Lucius Postumius wurde skelettiert und mit einer Goldeinfassung versehen im Stammesheiligtum zu Tranklibationen verwendet 10 Auch zur Zeit des Gallischen Krieges von Gaius Iulius Caesar ist die Kopfjagd noch uberliefert Auf einer Munze des Aeduerfursten Dumnorix ist ein Krieger mit einem tete coupee in der Hand abgebildet 7 Mythologie BearbeitenIn den keltischen Heldenmythen ist die Kopfjagd ein Topos aller Sagen Die Helden ubertrumpfen einander mit ihren Erzahlungen uber die Zahl der erbeuteten Kopfe besonders beim Streit um den Heldenbissen In der Sage Scela mucce Meic Datho Die Geschichte vom Schwein des Mac Datho streitet der Connacht Krieger Cet mac Magach mit Conall Cernach um den Heldenbissen Der schwachere Cet gibt schliesslich nach behauptet aber dass Conall sicher den Helden Anluan furchten wurde wenn dieser anwesend ware Aber er ist ja da rief Conall nahm Anluans Kopf aus seinem Sack und warf ihn so heftig gegen Cets Brust dass ein Mundvoll Blut uber seine Lippen spritzte 11 Nach Conalls Tod wird sein riesiger Schadel als Reliquie aufbewahrt aber nach Munster verschleppt Eine Prophezeiung besagt jedoch er werde wieder nach Ulster zuruckgebracht werden und die Ulter wurden dann die ihnen zur Strafe gegebene Schwache vor dem Kampfe verlieren wenn sie aus dem mit Milch gefullten Schadel tranken 12 Auch bei den gessi Tabus spielt der erbeutete Feindesschadel eine grosse Rolle so musste zum Beispiel Fothad Canainne beim Biertrinken immer die Kopfe dreier erschlagener Gegner dabei haben 13 In der Erzahlung Macgnimrada Con Culainn Cu Chulainns Knabentaten wird die Ankunft des beruhmtesten Ulster Kriegers Cu Chulainn in Emain Macha so geschildert und schrecklich kommt er daher Er hat die blutigen Kopfe seiner Feinde im Wagen Manchmal werden die tetes coupees auch am Kampfort zuruckgelassen wie ein Reisender uber Cu Chulainns Sieg an der Furt berichtet Er sah in der Mitte der Furt nur den gegabelten Pfahl mit vier Kopfen daran deren Blut in den stromenden Fluss tropfte und die Hufspuren zweier Pferde und die Spur eines einzelnen Wagenlenkers und eines einzelnen Kriegers die aus der Furt nach Osten fuhrten 7 Nur nach dem Sieg gegen seinen ehemaligen Waffenbruder Fer Diad verzichtet er aus Trauer auf die Trophae Eine spezielle Art der Trophaenpflege wird in den Erzahlungen Cath Etair Die Schlacht von Etar und Aided Chonchobuir Der Tod Conchobar mac Nessas dargestellt Das Gehirn Mes Gegras wird von Conall Cernach dem Kopf des enthaupteten Gegners entnommen mit Kalk vermischt zu einem Ball geformt und so aufbewahrt So nimm das Gehirn heraus Zerschneide es mit dem Schwert dann mische Kalk darunter und forme einen Ball daraus 14 Als im Zweiten Zweig des Mabinogi der walisische Konig Bran der Gesegnete in Irland getotet und enthauptet wird nehmen seine Getreuen den Kopf mit zuruck nach Wales Er lebt weiter gibt ihnen Ratschlage wie sie die Gefahren meistern konnen und wird schliesslich im Weissen Berg Gwynvryn wahrscheinlich dem altesten Teil des Londoner Towers beigesetzt mit dem Blick nach Frankreich damit kein Unheil aus dem Osten kommen konne 3 Siehe auch BearbeitenKeltische Religion Liste keltischer Gotter und Sagengestalten Liste inselkeltischer Mythen und SagenLiteratur BearbeitenAxel von Berg Der Schadelkult in der keltischen Eisenzeit In Alfried Wieczorek Wilfried Rosendahl Hrsg Schadelkult Kopf und Schadel in der Kulturgeschichte des Menschen Schnell Steiner Regensburg 2011 ISBN 978 3 7954 2454 1 S 75 82 Helmut Birkhan Kelten Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur 2 korrigierte und erweiterte Auflage Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 1997 ISBN 3 7001 2609 3 Barry Cunliffe Die Kelten und ihre Geschichte Deutsche Ubersetzung von Ingrid Lebe 6 Auflage Gustav Lubbe Verlag Bergisch Gladbach 1996 ISBN 3 7857 0506 9 Petra Hartl Trophaenschadel Schadelmasken und tetes coupees Zum Kopfkult der Latenekultur aus archaologischer Sicht In Alfried Wieczorek Wilfried Rosendahl Andreas Schlothauer Hrsg Der Kult um Kopf und Schadel Interdisziplinare Betrachtungen zu einem Menschheitsthema Kolloquiumsband anlasslich der Ausstellung Schadelkult Kopf und Schadel in der Kulturgeschichte des Menschen in den Reiss Engelhorn Museen Mannheim Verlag Regionalkultur Heidelberg u a 2012 ISBN 978 3 89735 769 3 S 35 42 Verena Schwartz Kopfkult der Kelten Archaologische Quellen und inselkeltische Erzahlungen im Vergleich In Alfried Wieczorek Wilfried Rosendahl Andreas Schlothauer Hrsg Der Kult um Kopf und Schadel Interdisziplinare Betrachtungen zu einem Menschheitsthema Kolloquiumsband anlasslich der Ausstellung Schadelkult Kopf und Schadel in der Kulturgeschichte des Menschen in den Reiss Engelhorn Museen Mannheim Verlag Regionalkultur Heidelberg u a 2012 ISBN 978 3 89735 769 3 S 43 54 Beatrice Vigie Zurschaustellung von Kopfen bei den Kelto Liguren In Alfried Wieczorek Wilfried Rosendahl Hrsg Schadelkult Kopf und Schadel in der Kulturgeschichte des Menschen Schnell Steiner Regensburg 2011 ISBN 978 3 7954 2454 1 S 83 86 Weblinks BearbeitenVerena Leusch Kelten stellten sich Kopfmumien ins Zuhause In Spektrum de 13 November 2018Einzelnachweise Bearbeiten Kalksteinplastik Tarasque de Noves Dep Bouches du Rhone 2 Jh v Chr Musee Calvet Avignon Tete coupee ist in der keltischen Kunst die irrefuhrende Bezeichnung jeder Darstellung eines menschlichen Kopfes ohne den dazugehorigen Korper Bernhard Maier Lexikon der keltischen Religion und Kultur Kroners Taschenausgabe Band 466 Kroner Stuttgart 1994 ISBN 3 520 46601 5 a b c d Helmut Birkhan Kelten Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 1997 ISBN 3 7001 2609 3 S 817 f Gonzalez Ruibal E Keltoi Artistic Expression and Material Culture in Celtic Gallaecia a b Diodor Diodwroy Sikeliwtoy Biblio8hkh Ἱstorikh lat Diodori Siculi Bibliotheca historica Bibliotheca Teubneriana Julius Friedrich Wurm Ubersetzer Diodor s von Sizilien historische Bibliothek Metzler Stuttgart 1831 1839 Band V S 29 Helmut Birkhan Kelten Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 1997 ISBN 3 7001 2609 3 S 860 a b c d Barry Cunliffe Die Kelten und ihre Geschichte 7 Auflage Gustav Lubbe Verlag Bergisch Gladbach 2000 S 82 f Richard Bradley Ken Gordon Human skulls from the River Thames their dating and significance Antiquity 62 1988 503 509 Titus Livius Ab urbe condita libri CXLII lat Von der Grundung der Stadt an 142 Bucher X 26 Titus Livius Ab urbe condita libri CXLII lat Von der Grundung der Stadt an 142 Bucher XXIII 24 Rudolf Thurneysen Sagen aus dem alten Irland Berlin 1901 Nachdruck Insel Taschenbuch 1301 Frankfurt M 1991 S 16 f Rudolf Thurneysen Die irische Helden und Konigssage bis zum siebzehnten Jahrhundert Halle 1921 S 581 Helmut Birkhan Kelten Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 1997 ISBN 3 7001 2609 3 S 830 Rudolf Thurneysen Die irische Helden und Konigssage Verlag Georg Olms Hildesheim 1980 S 77 f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Keltischer Kopfkult amp oldid 236855893