www.wikidata.de-de.nina.az
Isolationsmechanismen beschreiben in der Evolutionstheorie Eigenschaften von Organismen verschiedener Arten oder Populationen die bei sexueller Fortpflanzung die Bildung von Nachkommen untereinander verhindern die zum Genpool der betreffenden Arten beitragen Diese so genannte reproduktive Isolation ist Voraussetzung dafur dass Arten getrennt voneinander bleiben wenn sie in Kontakt zueinander stehen vor allem weil sie gemeinsam im selben Lebensraum vorkommen Die Ausbildung von Isolationsmechanismen ist daher wesentlich fur den Vorgang der Artbildung Inhaltsverzeichnis 1 Grundlagen 1 1 Allopatrische Speziation 1 2 Peripatrische Speziation 1 3 Parapatrische Speziation 1 4 Sympatrische Speziation 2 Genetische Ebene 3 Prazygotische und postzygotische Isolationsmechanismen 3 1 Prazygotische Mechanismen 3 2 Postzygotische Mechanismen 4 Akkumulation von Isolationsmechanismen 5 Verstarkung 6 Introgression 7 Quellen 8 EinzelnachweiseGrundlagen BearbeitenZwischen Individuen derselben Population bestehen normalerweise keine Schranken die die Fortpflanzung untereinander einschranken Im Rahmen der sexuellen Fortpflanzung tauschen Individuen fortwahrend Erbanlagen untereinander aus Alle genetischen Unterschiede innerhalb der Population werden damit tendenziell eingeebnet Dieser homogenisierende Effekt wird mit dem Fachbegriff Genfluss bezeichnet In einer idealen Population bleibt die Frequenz aller Varianten der verschiedenen Gene mit dem Fachbegriff Allele genannt konstant Dieser Zustand wird als Hardy Weinberg Gleichgewicht bezeichnet Im Zustand des Hardy Weinberg Gleichgewichts findet damit keine Evolution statt Voraussetzung fur eine Artbildung ist aber nicht nur eine Veranderung der Erbanlagen selbst Mutation sondern dass sich die genetische Ausstattung in einer Population in einer bestimmten Richtung verandert die einer anderen Population derselben Art in eine andere Richtung unterschiedliche Selektion Dazu muss der Genfluss zwischen diesen Populationen eingeschrankt oder ganz unterbrochen sein Ansonsten wurden alle Veranderungen die in einer der Populationen stattfinden sofort auf die andere ubertragen Dann konnen sich zwar die Merkmale der Art verandern Anagenese genannt aber eine Neubildung von Arten Kladogenese genannt ware unmoglich Reproduktive Isolation kann auf verschiedene Weise zur Entstehung neuer Arten fuhren Geographische Isolation Separation fuhrt zu allopatrischer oder peripatrischer Speziation Okologische Isolation fuhrt zu sympatrischer Speziation eine Mischform stellt die parapatrische Speziation dar Im Detail 1 2 3 Allopatrische Speziation Bearbeiten Hauptartikel Allopatrische Speziation Bei der allopatrischen Artbildung werden zwei Populationen derselben Art durch eine aussere Barriere geografisch voneinander getrennt und entwickeln dadurch eine intrinsische reproduktive genetische Isolation Eine Isolation zweier Populationen kann am einfachsten dadurch zustande kommen dass der Kontakt zwischen ihnen unterbunden wird weil sie geographisch voneinander getrennt sind Leben zum Beispiel Individuen der Art auf zwei getrennten Inseln zwischen denen sie nicht wechseln konnen kann sich jede Population genetisch in eine andere Richtung entwickeln Dieses ist das am besten verstandene Modell der Artbildung 1 2 3 Da die Isolation hier rein geographisch erfolgt sind zunachst keine Isolationsmechanismen erforderlich Diese kommen aber bei diesem Modell dann ins Spiel wenn die getrennten entstehenden Arten sekundar wieder in Kontakt miteinander geraten Bestehen dann keine Isolationsmechanismen zwischen ihnen wurden sie sofort wieder zu einer Art verschmelzen die Unterschiede gingen verloren Isolationsmechanismen mussen hier also nach der Trennung der Arten entstehen Dies kann im einfachsten Fall einfach per Zufall passieren im Zusammenhang mit Genen Gendrift genannt 4 Peripatrische Speziation Bearbeiten Bei der peripartischen Artbildung wird eine kleine Gruppe einer Population von der Hauptpopulation geographisch getrennt und erfahrt eine genetische Drift infolge von Selektionsdruck Es handelt sich im Grunde um einen Sonderfall der allopatrischen Artbildung Die Besonderheit besteht daher nur in den unterschiedlichen Grossenverhaltnissen Eine Folge ist dass die kleinere Population sich gewohnlich schneller von der Ausgangsform wegentwickelt als die grossere 1 2 3 Parapatrische Speziation Bearbeiten Hauptartikel Parapatrische Speziation Bei der parapatrischen Artbildung sind die Kerngebiete der Zonen zweier unterschiedlicher Populationen getrennt in ihren Randgebieten kommt es aber zu regionalen Uberschneidungen Die Artenbildung erfolgt also ohne strikte geographische Isolation d h in benachbarten Gebieten ohne unuberwindliche Barriere dazwischen Diese teilweise Trennung wird ebenfalls durch die Geographie garantiert so dass Individuen jeder Population nur noch gelegentlich miteinander in Kontakt kommen konnen Die Auswahl der Partner nach bestimmten Verhaltensweisen oder Mechanismen beispielsweise im Balzverhalten oder der genauen Melodie des Vogelgesangs kann die Fortpflanzung zwischen den beiden Gruppen dann verhindern 1 2 3 Sympatrische Speziation Bearbeiten Hauptartikel Sympatrische Speziation Bei der sympatrischen Artbildung trennen sich die Populationen in genetische Isolate ohne geographische Isolation d h im selben Gebiet Ahnlich wie bei der parapatrischen Artbildung in benachbarten Gebieten ohne unuberwindliche Barriere dazwischen mussen andere Isolationsmechanismen der Bildung der getrennten Arten vorausgehen Dies erschien in der klassischen Populationsgenetik lange Zeit unplausibel weshalb diese Artbildungstypen umstritten waren und sich die Theorie auf die allopatrische inkl peripatrische Artbildung fokussierte Die Unterbrechung des Genflusses und folgende Artbildung kann aber in vielen Fallen evolutionar vorteilhaft sein So ist sie Voraussetzung dafur dass sich Populationen an zwei verschiedene okologische Nischen im selben Gebiet optimal anpassen was als Einnischung bezeichnet wird 1 2 3 Entscheidend fur die Artbildung ist dabei nur die Isolation die der Aufspaltung und damit der Artbildung vorangeht Genetische Unterschiede die sich spater herausbilden sind obwohl selbstverstandlich biologisch interessant fur den Vorgang der Artbildung nicht wesentlich Dabei konnen zwei Populationen reproduktiv isoliert also getrennte Arten sein die sich unter Umstanden morphologisch und okologisch uberhaupt nicht unterscheiden diese werden kryptische Arten Kryptospezies genannt Normalerweise werden sich zwei Arten aber auch in ihrer Morphologie Biologie und Lebensweise unterscheiden insbesondere dann wenn sie gemeinsam sympatrisch vorkommen 5 Genetische Ebene BearbeitenAuf der Ebene der Gene selbst entstehen Isolationsmechanismen vor allem durch die Wirkung zweier Faktoren Pleiotropie Wenn Merkmale die innerhalb einer der beiden entstehenden Arten evolvieren zum Beispiel aus okologischen Grunden einfach per Zufall zur Inkompatibilitat fuhren und damit als Isolationsmechanismen wirken ist dies ein Fall von Pleiotropie Die Isolation kommt in diesem Fall als Beiprodukt zufallig zustande Epistasis Gene evolvieren allerdings nicht unabhangig voneinander sondern formen im Zusammenspiel ein Individuum mit bestimmten Eigenschaften Dazu ist es in vielen Fallen erforderlich dass zahlreiche Gene fein aufeinander abgestimmt sind Ein solches Genensemble das einem Individuum das Besetzen einer okologischen Nische ermoglicht wird in seinem Gefuge gestort wenn ein nicht koevolviertes Allel dazwischen kommt Spezialisieren sich verschiedene Populationen in unterschiedliche Richtungen konnen dadurch Mischlinge Hybride zwischen ihnen eine geringere Fitness besitzen Dieser Zusammenhang wird interspezifische Epistasis genannt Prazygotische und postzygotische Isolationsmechanismen BearbeitenNach ihrer Wirkungsweise werden Isolationsmechanismen in zwei Gruppen geteilt Diejenigen die vor der Bildung der Keimzelle Zygote wirken werden prazygotisch genannt diejenigen die danach wirksam werden postzygotisch Prazygotische Mechanismen wirken in den meisten Fallen bereits vor einer moglichen Paarung oder verhindern diese Auch bei extrinsisch postzygotisch wirkenden Mechanismen s unten werden unter Umstanden Nachkommen Hybride produziert die auch zumindest im Labor oder in Gefangenschaft lebensfahig sein konnen sich aber in der naturlichen Population nicht durchsetzen konnen Solche Hybriden konnen sogar im Freiland recht haufig sein zum Beispiel wenn zwei parapatrische Arten oder Unterarten eine Hybridzone ausbilden wo ihre Verbreitungsgebiete aneinandergrenzen In einer Untersuchung von 20 Hybridzonen 6 wurde in 11 davon eine geringere Fitness der Hybride nachgewiesen in den ubrigen reichte meist die Datengrundlage zur Entscheidung nicht aus Die Bildung von hybridem Nachwuchs allein ist also noch kein Beweis dafur dass keine Isolation wirksam ist Ausserdem konnen Isolationsmechanismen auch sekundar zusammenbrechen oft nach menschlicher Einflussnahme die zum Beispiel vorher okologisch getrennte Arten durch Schaffung neuer Lebensraume wieder in Kontakt miteinander bringt Prazygotische Mechanismen Bearbeiten phanologische Isolation Kein Kontakt wegen unterschiedlicher Aktivitatsperioden oder Lebenszyklen okologische Isolation Kein Kontakt wegen unterschiedlicher Lebensraume auch Wirte oder Nahrungspflanzen Isolation aufgrund sexueller Selektion Paarungspartner sind sexuell unattraktiv falsche Farbung falsches Verhalten usw und werden gemieden Fruher wurde aufgrund der zwischen nahe verwandten sonst sehr ahnlichen Arten oft extrem verschiedenen Begattungsorgane angenommen dass Arten auch einfach mechanisch isoliert sein konnten weil diese nicht mehr zusammenpassen Schlussel Schloss Prinzip Dies gilt heute nicht mehr als bedeutsam 7 Postzygotische Mechanismen Bearbeiten Postzygotische Mechanismen werden oft noch unterteilt in extrinsisch wirkende die in ihrer Wirkung auf Umweltwirkungen beruhen beispielsweise reproduktiver Erfolg im Lebensraum und intrinsisch wirkenden die vom Lebensraum unabhangig sind beispielsweise Tod der Hybriden als Embryonen aufgrund genetischer Inkompatibilitat Intrinsisch wirkende postzygotische Isolationsmechanismen bewirken perfekte Isolation unter allen Bedingungen entstehen aber evolutiv in der Regel erst spat nachdem die anderen bereits lange wirksam waren 8 Hybride kommen vor besitzen aber geringere Fitness als Individuen der Elternarten Hybride kommen vor sind aber unfruchtbar steril Wenn nur ein Geschlecht steril ist ist es nahezu immer das heterogametische meist das Mannliche Haldanes Regel Hybride konnen nicht mehr gebildet werden oder sind nicht lebensfahig Akkumulation von Isolationsmechanismen BearbeitenVergleicht man zwei tatsachlich existierende sympatrische Arten bestehen meistens eine ganze Reihe von verschiedenen Isolationsmechanismen zwischen ihnen es sind aber auch Falle bekannt bei denen zwei getrennte Arten offenbar nur durch einen einzelnen Faktor voneinander isoliert werden Diese konnen unterschiedliche Starke aufweisen und fuhren moglicherweise nur im Zusammenspiel zu einer effektiven Isolation der Arten In der Evolution konnen solche komplexen Mechanismen allerdings nur Schritt fur Schritt erworben worden sein Dabei mussen die aktuell am starksten wirkenden Isolationsmechanismen nicht zwangslaufig die zuerst entstandenen sein Logischerweise besitzt ein Mechanismus der zeitlich fruh wirkt einen starkeren Effekt als ein spater wirkender kommt es erst gar nicht zur Paarung ist es irrelevant ob die Hybriden fertil waren oder nicht Beim Vergleich zweier Arten von Gauklerblumen Gattung Mimulus zeigt sich zum Beispiel dass die Fruchtbarkeit der Hybriden nur etwa 60 Prozent gegenuber Individuen der beiden Arten selbst betragt Da aber beide Arten getrennte Lebensraume besiedeln und daher nur selten in Kontakt zueinander geraten also eine prazygotisch wirkende Fortpflanzungsbarriere besteht tragt diese starke postzygotische Isolation weniger als ein Prozent zur tatsachlichen Isolation der Arten bei 9 Es muss neben der absoluten Starke eines Isolationsmechanismus auch deren relative Starke bestimmt werden um die Evolution zu verstehen Verstarkung BearbeitenEs wird oft beobachtet dass zwischen verschiedenen Arten die nur in Teilen ihres Verbreitungsgebiets gemeinsam vorkommen sympatrisch sind die Isolationsmechanismen sich im uberlappenden Teil des Areals starker auswirken Dies ist nur dann zu beobachten wenn man Individuen aus den anderen Bereichen kunstlich miteinander in Kontakt bringt Dieser Effekt wird als Verstarkung engl reinforcement bezeichnet 10 Introgression BearbeitenAuch dort wo funktionierende Isolationsmechanismen zwei Arten normalerweise voneinander genetisch isolieren kann es vorkommen dass gelegentlich oder regelmassig Hybride gebildet werden die obwohl eigentlich mit geringerer Fitness ausgestattet gelegentlich mit einer der Elternarten erfolgreich Nachwuchs produzieren Dies hat dann zur Folge dass Erbanlagen der zweiten Art in die erste eingekreuzt werden auch nachdem die Arten eigentlich schon getrennt waren Dieser Mechanismus wird Introgression genannt Introgression kann evolutionar sehr bedeutsam sein 11 Beispielsweise wurden Gene des Braunbaren durch Hybride in das Genom des Eisbaren eingekreuzt nachdem sich die Stammlinien bereits mehrere Hunderttausend Jahre voneinander getrennt haben Auch in das menschliche Genom wurden auf gleiche Weise noch Gene des Neanderthalers eingekreuzt die bis heute nachweisbar sind Solche Introgressionen sind ein Problem bei kladistischen Analysen von Verwandtschaftsverhaltnissen anhand von Genen Quellen BearbeitenJerry Coyne amp H Allen Orr Speciation Sinauer Publishers Sunderland Mass USA 2004 ISBN 978 0 87893 089 0Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e Mauricio Arcos Burgos Maximilian Muenke Genetics of population isolates In Clinical Genetics Band 61 Nr 4 S 233 247 27 Mai 2002 doi 10 1034 j 1399 0004 2002 610401 x PMID 12030885 a b c d e Jane B Reece Lisa A Urry Michael L Cain Steven A Wasserman Peter V Minorsky Robert B Jackson Campbell Biology 9th edition Pearson 2011 S 489 491 a b c d e Ernst Mayr Populatiomns species and evolution An abridgment of Animal species and evolution The Belknap Press of Harvard University Press Cambridge Massachusetts amp London England 1 Januar 1970 ISBN 0 674 69013 3 Michael Turelli Nicholas H Barton Jerry A Coyne Theory and speciation In Trends in Ecology amp Evolution Band 16 Nr 7 1 Juli 2001 S 330 343 doi 10 1016 S0169 5347 01 02177 2 PMID 11403865 Jerry A Coyne H Allen Orr The evolutionary genetics of speciation In Philosophical Transactions of the Royal Society London Series B Band 353 28 Februar 1998 S 287 305 doi 10 1098 rstb 1998 0210 PMID 9533126 PMC 1692208 freier Volltext N H Barton and G M Hewitt 1985 Analysis of Hybrid Zones Annual Review of Ecology and Systematics Vol 16 113 148 doi 10 1146 annurev es 16 110185 000553 John P Masly 2012 170 Years of Lock and Key Genital Morphology and Reproductive Isolation International Journal of Evolutionary Biology Volume 2012 Article ID 247352 10 pages doi 10 1155 2012 247352 Ole Seehausen Roger K Butlin Irene Keller Catherine E Wagner Janette W Boughman Paul A Hohenlohe Catherine L Peichel Glenn Peter Saetre 2014 Genomics and the origin of species Nature Reviews Genetics Vol 15 176 192 Justin Ramsey H D Bradshaw Jr Douglas W Schemske 2003 Components of reproductive isolation between the monkeyflowers Mimulus lewisii and M cardinalis Phrymaceae Evolution 57 1520 1534 doi 10 1111 j 0014 3820 2003 tb00360 x vgl Maria R Servedio and Mohamed A F Noor 2003 The role of reinforcement in speciation theory and data Annual Review of Ecology Evolution and Systematics 34 339 364 vgl Mohamed A F Noor and Jeffrey L Feder 2006 Speciation genetics evolving approaches Nature Reviews Genetics Vol 7 851 861 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Isolationsmechanismen amp oldid 228061807