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Homosexualitat bei den Kelten behandelt die antiken und mittelalterlichen Zeugnisse bezuglich Homosexualitat bei keltischen Volkern einschliesslich deren Interpretation durch die Forschung Generell besteht besonders in der Amateurforschung eine Tendenz zur Uberinterpretation Wahrend die antiken Quellen La Tene zeitliche Kelten des Festlandes behandeln beziehen sich mittelalterliche Zeugnisse auf Inselkelten namentlich Iren und Waliser Diese Quellen bezeugen dass bei den La Tene zeitlichen Kelten mannliche Homosexualitat unter gewissen Umstanden gesellschaftlich anerkannt war wahrend mittelalterliche Quellen sich generell als wertlos erweisen und keine schlussigen Aussagen uber Homosexualitat bei keltischen Volkern zulassen Alle Zeugnisse beschranken sich auf mannliche Homosexualitat Inhaltsverzeichnis 1 Antike 2 Interpretationen antiker Quellen 3 Mittelalter 3 1 Bussbucher 3 2 Sage 4 Literatur 5 EinzelnachweiseAntike BearbeitenDas alteste Zeugnis uber keltische Homosexualitat findet sich bei Aristoteles 384 322 v Chr der aus dem makedonischen Stageira stammt Zu seiner Zeit hatten die Makedonen erste Kontakte mit den nach Suden vorstossenden Kelten wodurch wahrscheinlich wird dass Aristoteles seine Information aus erster Hand erhielt 1 In seinem Werk Politik 2 9 7 1269b bemerkt er im Abschnitt uber Frauen und Staat beilaufig dass bei den Kelten sexuelle Beziehungen unter Mannern gesellschaftlich anerkannt werden Das zweite Zeugnis geht auf Poseidonios zuruck der sehr ausfuhrlich und zuverlassig uber die Brauche der Kelten schrieb Sein Werk ist nicht mehr erhalten doch finden sich viele Zitate bei spateren Autoren so bei Diodor Siculus 1 Jh v Chr Obwohl sie ansehnliche Frauen haben geben sie sich sehr wenig mit ihnen ab sie sind vielmehr von einer wilden Leidenschaft zu Umarmungen mit Mannern erfasst Sie pflegen auf Tierfellen am Boden zu liegen und sich mit einem Beischlafer auf jeder Seite herumzuwalzen Das allerunglaublichste ist aber sie sind nicht auf die eigene Anstandigkeit bedacht sondern geben die Blute ihre Leibes anderen bereitwillig preis und sie halten das nicht fur schandlich sondern halten vielmehr fur ehrlos wenn einer von ihnen umworben wird und die angetragene Gunst nicht annimmt Diodor Siculus Historische Bibliothek 5 32 7 2 Sehr ahnlich lautet auch die Stelle bei Athenaios von Naukratis Deipnosophistai 13 79 Auch die weniger ausfuhrlichen Notizen bei Strabon Geographie 4 4 6 und Eusebius von Caesarea Praeparatio evangelica 6 10 27 gehen letztendlich auf Poseidonios zuruck und besagen nichts uber die zeitgenossischen Brauche der Kelten Dagegen ist das Zeugnis bei Klaudios Ptolemaios 85 165 verallgemeinernd und nicht verwertbar fur die Thematik Aufgrund astrologischer Spekulation postuliert er eine naturliche Grundlage mannlicher Homosexualitat bei den Nordvolkern wie Kelten Germanen und Skythen Allerdings ergibt sich aus dem abendlichen Aspekt von Jupiter und Mars und auch aus dem Umstand dass die vorderen Teile des genannten Dreiecks mannlich die hinteren aber weiblich sind dass sie gegenuber Frauen ohne Leidenschaft sind und den Liebesgenuss gering achten in der Vereinigung mit Mannern dagegen unmassiger und auch eher eifersuchtig sind Die so Beeinflussten selbst halten ihr Benehmen nicht fur unsittlich und werden dadurch nicht wirklich unmannlich und weichlich weil sie nicht im passiven Sinne beeinflusst werden vielmehr bewahren sie ihre Seelen mannhaft gesellig treu familienfriedlich und wohlgesinnt Ptolemaios Apotelesmatika 2 3 14 3 Lediglich bei funf antiken Autoren finden sich Berichte uber homosexuelles Verhalten bei den Kelten Sie gehen alle auf Aristoteles und Poseidonios zuruck die beide von der Forschung als zuverlassige Zeitzeugen bewertet werden Interpretationen antiker Quellen BearbeitenDie antiken Quellen werden von Wissenschaftlern und Laienforschern unterschiedlich interpretiert wobei die Mehrzahl der gegenwartigen Historiker und Keltologen die Angaben der antiken Autoren uber die Akzeptanz bzw Toleranz der Kelten bezuglich gleichgeschlechtlicher Liebe unter Mannern als glaubhaft einschatzt Die Tatsache dass sich bei Polybios Livius und Casar keine Erwahnung homosexueller Sitten bei den Kelten findet wird allerdings kontrovers bewertet Sie kann dadurch erklart werden dass der Brauch nicht mehr beobachtet wurde oder dass diese Autoren keinen Grund sahen daruber zu berichten Der Vermutung die Berichte bezuglich der Homosexualitat waren lediglich als Barbarentopos zu werten widerspricht die magere Quellenlage und die detaillierte Beschreibung bei Poseidonios Dennoch ist die Wortwahl verzerrend und Ausdrucke wie wilde Leidenschaft fugen sich bestens ins antike Bild des wilden Barbaren ein Der franzosische Religionsforscher Bernard Sergent diskutiert die Moglichkeit eines Initiationsritus der auf ein gemeinsames indoeuropaisches Kulturerbe bei verschiedenen Volkerschaften zuruckgehen konnte David Rankin vermutete eine Art von bonding ritual das den Zusammenhalt eines Kriegerverbandes starken sollte und eine zeitweilige Frauenabstinenz erforderte 4 Helmut Birkhan bringt die insbesondere auf den Uberlieferungsstrang des Poseidonios zuruckgehenden Beschreibungen der keltischen Homoerotik Diodor Athenaios von Naukratis mit der Kultur der Feste und Gelage im Rahmen der reprasentativen Politik der keltischen Oberschicht in Verbindung 5 Nach Birkhan deutet auch das im keltischen Wortschatz uberlieferte Wort fur Athlet auf die sozial akzeptierten und verbreiteten homosexuellen Geschlechtskontakte hin da das betreffende Etymon offenbar zugleich auch den Paderasten bezeichnen konnte 6 Alexander Demandt der die Existenz homoerotischer Beziehungen bei den Kelten bestatigt fuhrt hierzu aus Die Keltenfrauen werden als schon bezeichnet Trotzdem ubten die Manner wie Diodor V 32 bezeugt die von Romern Karthagern und Germanen verponte Knabenliebe Gemass den antiken Autoren hatten sie dies wie die Perser Herodot I 135 von den Griechen gelernt 7 Bernard Sergent ein Schuler Georges Dumezils versuchte eine Verbindung zwischen homosexuellen Brauchen auf Kreta und bei den Taifalen zu ziehen Dabei berief er sich auf eine Notiz bei Ammianus Marcellinus Res Gestae 31 9 5 wonach bei den Taifalen Jugendliche mit erwachsenen Mannern sexuelle Kontakte hatten und das Erlegen eines Baren oder Keilers sie von dieser Schande befreite Ausfuhrlicher ist der Bericht von Strabo Geogr 4 4 6 uber einen kretischen Brauch wonach es als ehrenhaft galt wenn ein Jungling in Absprache mit seinen Verwandten von einem erwachsenen Mann als Liebhaber entfuhrt wurde Beide jagten eine gewisse Zeitspanne miteinander Die Verbindung wurde offiziell mit dem Uberreichen vorgeschriebener wertvoller symbolischer Geschenke und einem offentlichen Opferfest beendet Sergent stellt bei diesen drei indogermanischen Volkern folgende Gemeinsamkeiten fest Altersunterschied Ein Altersunterschied ist fur Kreta und bei den Taifalen bezeugt bei den Kelten ist dies weniger deutlich Jagd Die Verknupfung mit einer Jagd ist fur Kreta und die Taifalen belegt bei den Kelten mogen die Tierfelle darauf hinweisen Schande Auf Kreta galt es fur einen Jungling als schandhaft wenn er nicht entfuhrt wurde oder fur den Erwachsenen wenn die Verwandten die inszenierte Entfuhrung nicht zuliessen Bei den Taifalen war es schandhaft wenn danach kein wildes Tier erlegt wurde bei den Kelten wenn ein Mann von einem Liebhaber abgewiesen wurde Der Hinweis dass die Kelten zwei Liebhaber gleichzeitig hatten bringt Sergent mit der keltischen trimariske zusammen die bei Pausanias 10 19 10 f beschrieben wurde hiernach hatten die gallischen Krieger zwei Gehilfen die ihn bei Verletzung aus der Schlacht retteten Nach Sergent konnte dies auf das Verhaltnis eines erfahrenen Kriegers und zwei Rekruten hinweisen die auch gemeinsam das Lager teilten Sergent diskutiert ob diese Zusammenhange auf einen ursprunglichen indogermanischen Initiationsritus zuruckgefuhrt werden konnten weist aber auf das Fehlen ahnlicher Brauche bei weiteren indogermanischen Volkern hin Neben den Griechen und Taifalen gebe es nur noch fur die antiken Makedonen und die spatmittelalterlichen Albaner ahnliche Berichte Zudem betont er dass die keltischen Zeugnisse keinen Hinweis auf einen Initiationscharakter geben Mittelalter BearbeitenKeine der bekannten mittelalterlichen Quellen konnen als direktes Zeugnis fur das Verhalten keltischer Volker gegenuber Homosexualitat dienen Diskutiert werden zum einen christliche Bussbucher und zum anderen Episoden aus der Sage Bussbucher Bearbeiten Mittelalterliche Bussbucher fuhren unter anderem Bussen fur homosexuelle Handlungen auf So musste Homosexualitat von Knaben uber einem bestimmten Alter mit 100 Nachten bis einem Jahr gebusst werden Die Unverhaltnismassigkeit der Bussen bei sexuellen Delikten lasst allerdings auf eine geringe Verankerung in der Praxis schliessen 8 Auch das Wettern gegen die bei Iren und Walisern angeblich weit verbreitete Homosexualitat und Bestialitat entsprang einer langst weit verbreiteten Praktik bei Kirchenmannern gegenuber schlechten Christen und entbehrt jeglicher Wirklichkeit Sage Bearbeiten Eine walisische Sage aus dem Mabinogion berichtet wie die beiden Bruder Gwydyon und Gilfaethwy aus Strafe von Konig Math nacheinander in ein Tierpaar verwandelt wurden namlich Hirsch und Hinde Keiler und Bache Wolf und Wulpin wobei sie jeweils miteinander ein Junges zeugten Sergent vermutet dass diese Sage eventuell ein spater Nachhall des von ihm fur die Antike postulierten Initiationsritus sein konnte wobei die drei Tiere Eigenschaften eines idealen Kriegers zeigen 9 Nach Birkhan darf aber daraus genauso wenig auf Homosexualitat wie Bestialitat geschlossen werden obschon sich in der Ethnologie Initiation mit ritueller Paderastie oder gar Bestialitat finden 8 Ahnliches gilt fur den Jungkrieger oclach im Finn Zyklus der jahrlich sein Geschlecht wechselt und so abwechselnd als Mann Kinder zeugt oder als Frau welche gebart Manchmal wird die dramatisch zugespitzte Episode worin der irische Held Cu Chulainn den Tod seines Zieh und Waffenbruders Fer Diad beklagt den er selbst im Zweikampf getotet hatte als Zeugnis fur ein homosexuelles Verhaltnis der beiden Recken gedeutet Literatur BearbeitenBernard Sergent Homosexualite et initiation chez les peuples indo europeens Paris 1996 ISBN 2 228 89052 9 Enthalt die beiden Werke L homosexualite dans la mythologie grecque 1984 und L homosexualite initiatique dans l Europe ancienne 1986 Helmut Birkhan Kelten Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur 3 Auflage Wien 1999 Einzelnachweise Bearbeiten Bernard Sergent Homosexualite et initiation chez les peuples indo europeens Paris 1996 S 506 Joachim Herrmann Hrsg Griechische und Lateinische Quellen zur Fruhgeschichte Mitteleuropas Erster Teil Berlin 1988 ISBN 3 05 000348 0 S 181 Joachim Herrmann Hrsg Griechische und lateinische Quellen zur Fruhgeschichte Mitteleuropas Dritter Teil Berlin 1991 ISBN 3 05 000571 8 S 237 ff David Rankin Celts and the Classical World London 1996 ISBN 0 203 44198 2 S 78 Helmut Birkan Kelten Bilder ihrer Kultur Wien 1999 S 54 Helmut Birkhan Kelten Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur 3 Auflage Wien 1999 S 983 f 1091 Alexander Demandt Die Kelten Reihe C H Beck Wissen 6 Auflage Munchen 2007 S 52 a b Helmut Birkhan Kelten Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur 2 Auflage Bohlau Wien 1997 ISBN 3 7001 2609 3 S 983 f Bernard Sergent Homosexualite et initiation chez les peuples indo europeens Paris 1996 S 512 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Homosexualitat bei den Kelten amp oldid 230640227