www.wikidata.de-de.nina.az
Hilarius von Orleans um 1080 in oder bei Orleans 25 Dezember nach 1162 bei Paris war Philologe und Literaturwissenschaftler Klosterbeamter Wanderdozent und Dichter im Frankreich des 12 Jahrhunderts Aufgrund seiner Lyrik gilt er als massgeblicher Vertreter der sogenannten Vagantendichtung Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Profession 3 Werk 4 Literatur 4 1 Manuskripte 4 2 Sekundarliteratur 5 WeblinksLeben BearbeitenHilarius wird um 1080 an unbekanntem Ort im Orleanais geboren moglicherweise in Orleans selbst Von seiner Familie weiss man nichts ausser dass Hilarius eine betuchte Schwester namens Hildburgis hat Als junger Mann beginnt Hilarius um das Jahr 1095 herum in der Krondomane Literatur und Dichtkunst zu studieren Disziplinen die zu dieser Zeit mehr in Orleans als in Paris in Blute stehen Kurz nach 1100 tritt Hilarius als personlicher Sekretar in den Dienst Bischof Johanns von Orleans eines skandalumwitterten Geistlichen der trotz aller Verdachtigungen bis 1125 im Amt bleibt Sowohl beim Bischof als auch bei Hilarius sind homoerotische Neigungen nachzuweisen inwieweit diese bei der Anstellung des Hilarius eine Rolle spielen bleibt unklar Kurz vor 1109 fallt Hilarius bei seinem Dienstherrn in Ungnade und erhalt nach 8 Jahren fruchtlosen Dienstes wie er es selbst nennt den Laufpass Da holt Hugo Primas von Orleans Hilarius an die Domschule von Orleans wohl mit Unterstutzung des Domkapitels welches gegen den Bischof opponiert Ausschlaggebend fur die Anstellung als Dozent ist das literarische Talent des Hilarius seine scientia litterarum und seine doctrina d h sein Wissen in der Literatur und seine Lehrbefahigung In Hilarius scheint jedoch dem Primas alsbald ein solcher Konkurrent zu erwachsen dass er ihm seinerseits die Gunst entzieht und ihn zum Wechsel in eine andere Stadt auffordert Den ungunstigen Folgen eines nicht naher bekannten Zwischenfalls kann sich Hilarius nur durch Hilfe der Gebruder Garlande einer in Orleans sehr einflussreichen Familie des Hochadels entziehen Hilarius verlasst schliesslich mit 30 Jahren verbittert Orleans und begibt sich nach Angers Er tritt als einer von drei Kanonikern in den Dienst des Nonnenklosters Le Ronceray bei Angers als Notar und Pfarrverweser Insgesamt 19 Urkunden des Klosters aus der Zeit zwischen 1109 und 1125 tragen seinen Namen sie werden abgefasst in der Amtszeit der Abtissinnen Tiburgis 1104 1122 Mabilia 1122 1124 und Hildburgis 1125 1130 Sein Nachfolger an der Domschule von Orleans scheint von so schlechter Qualitat zu sein dass Hugo Primas Hilarius mit schmeichlerischen Worten nach Orleans zuruckruft jedoch vergebens Wenig spater verlasst Hugo Primas seinerseits die Stadt an der Loire erklart sich zum Wanderscholar und zieht durch die Lande seine Dienste als Literat und Poet anbietend In Angers widmet sich Hilarius neben seinen Amtsgeschaften weiter der Poesie besingt in mehreren Gedichten gebildete Nonnen des Konvents u a eine Novizin namens Bona eine Nonne Superba des Weiteren die Reklusin Eva aus Angers Im Jahr 1121 verfasst er sogar ein amtliches Protokoll in Versform um sein Talent zu zeigen Es handelt sich um ein sogenanntes Gottesurteil zur Schlichtung eines Rechtsstreits bei Brissarthe Wahrscheinlich nimmt Hilarius auch an einer Schulstiftung seines Ordens als Lehrer teil diese Tatigkeit ist jedoch quellenmassig nicht belegt Irgendwann im Lauf des Jahres 1126 nach mehr als 17 Jahren Dienstzeit kommt es zum Bruch mit der neuen Abtissin Hilarius verlasst als ca 46 jahriger Mann den Konvent um sich in die Champagne zum Philosophen und Theologen Peter Abaelard zu begeben der am Flusschen Ardusson das Oratorium des Paraclet errichtet hat und dort nun eine hochst erfolgreiche Schule betreibt Hilarius bleibt fur einige Zeit bei Peter Abaelard den er als Logiker verehrt und verfasste auch wenigstens zwei Gedichte uber das damalige Leben In einem dieser Gedichte bekennt Hilarius dass er ein dickleibiger aber lebenslustiger Mann ist Spatestens im Jahr 1127 verlasst Peter Abaelard zum Kummer seiner Anhanger seine Schule am Ardusson und begibt sich nach Saint Gildas en Rhuys in der Bretagne um das dortige Abbatiat zu ubernehmen Da der Champagne zu dieser Zeit auch Krieg droht verlaufen sich seine Schuler und auch Hilarius wird sich erneut auf den Weg gemacht haben Dieser Zeitpunkt markiert fur Hilarius den Beginn eines Wanderlebens von dem wir nicht genau wissen wie lange es anhalt Es scheint ihn allerdings wie seinen Kollegen Hugo Primas von Orleans durch weite Teile Frankreichs zu fuhren Von Vagantenklischees wie Wein Weib Gesang ist bei Hilarius nichts nachzuweisen Selbst wenn sein Leben unstet und wenig ortsgebunden ist so ist es doch alles andere als ungeordnet und zugellos Hilarius dessen Ruf als Lehrer sich durch Mundpropaganda offensichtlich weit verbreitet hat geht mit einzelnen Schulen oder Kapiteln von Kirchen und Stiften feste Zeitvertrage mit definierter Vergutung ein und bedient damit gewissermassen einen flexiblen Bildungsmarkt Sein Weg kann dabei in groben Zugen nachgezeichnet werden Hilarius folgt dem Unterlauf der Loire und begibt sich uber die sudliche Bretagne hinein in das Bas Poitou Richtung Atlantikkuste Seine Stationen sind Machecoul im Pays de Retz Montaigu und gegen 1138 auch Talmont in der heutigen Vendee Nicht immer verlauft der Unterricht reibungslos mitunter gibt es Arger mit dem Schulgeld Aber immerhin ist Hilarius so beliebt dass er die Angebote anderer Schulstadte ausschlagen kann Im Jahr 1132 kehrt er nochmals nach Angers zuruck um zugunsten seines alten Konvents ein Zeugnis abzulegen aber sein Aufenthalt in der Stadt ist nicht mehr von Dauer Spater um 1135 erreicht ihn sogar ein Ruf als neuer Leiter der Domschule von Angers vorgetragen durch den bisherigen Rektor Vasletus der sich dabei breiter Unterstutzung beim Klerus von Angers erfreut Warum der nun ca 55 jahrige Hilairus ablehnt ist unklar aber moglicherweise spielen dabei seine schlechten Erfahrungen in Orleans eine Rolle Mit dem Ruf nach Angers verliert sich Hilarius Spur zunachst im Dunklen Aus seinen Briefen dieser Zeit erfahrt man dass Hilarius sehr glaubig ist und sich als Lehrer ruhrend um seine Schuler kummert Dass Hilarius noch im hohen Alter als Literaturprofessor lehrt erfahrt man von Wilhelm von Tyrus Er belegt um 1160 herum bei Hilarius von Orleans die Facher Philologie und Dichtkunst und studiert die klassischen Autoren Dass sich Wilhelm in Orleans unterrichten lasst ist indes nicht sicher wahrscheinlicher gilt als Studienort Paris Hilarius ist nun zwischen 70 und 80 Jahre alt somit ein senior d h ein Greis wie ihn Wilhelm nennt Hilarius unterrichtet dabei moglicherweise am selben Lehrstuhl den sein fruherer Mentor Hugo Primas er ist um 1142 in Paris bezeugt inzwischen verlassen hat Die Anwesenheit der beiden Literaturprofessoren belegt dass zu diesem Zeitpunkt die Metropole an der Seine Orleans als Studienzentrum fur die antiken Autoren den Rang abgelaufen hat Wahrscheinlich tritt Hilarius zum Ende seines Lebens als monachus ad succurrendum das heisst als Pflegling in den Konvent von Saint Victor ein wo er am Weihnachtstag eines unbekannten Jahres verstirbt Er hinterlasst diesem Konvent seine Briefsammlung Profession BearbeitenAm Leben des Hilarius das sich im Gegensatz zu dem des Hugo Primas durch die hinterlassenen Briefe besser erschliesst lasst sich definieren was zur damaligen Zeit unter einem Vagantendichter zu verstehen ist Beide Hilarius und Hugo Primas aus Orleans entsagen nach einer anfanglichen Kirchen bzw Klosterkarriere dem etablierten Wissenschaftsbetrieb um uber Jahre wenn nicht Jahrzehnte als Vaganten durch die Lande zu ziehen und mal hier mal dort ihre Fahigkeiten und Kenntnisse auf dem freien Markt anzubieten Alle Assoziationen mit einer Art von gelehrtem Landstreicherwesen oder dem Goliardentum sind dabei uberflussig Beide bestreiten durch die Unterrichtung zahlungsfahiger Kunden die sie in diversen Schulstadten organisieren weitaus effektiver ihren Lebensunterhalt als allein mit der Veroffentlichung ihrer Gedichte Dass man sich durch die Betatigung als Wanderlehrer Reichtum verschafft ist damit nicht gesagt Von Hilarius wissen wir dass er sich in Talmont unterbezahlt fuhlt und von Hugo Primas wird angenommen dass er am Ende seines Lebens im Armenhospital landet Dennoch scheinen die Gedichte des Primas das Zerrbild des Vagantendichtertums eher zu fordern als zu korrigieren Die in ihnen erzahlten Anekdoten uber das Leben des kleinen Mannes der standig mit der Obrigkeit hadert und weil er sich mit ihr angelegt hat nun in demutigender Armut und Verachtung seine alten Tage verbringen muss bedienen vermutlich mehr den Publikumsgeschmack als dass sie der historischen Wahrheit entsprechen Zumindest ergeben sich hieraus keine schlussigen Beweise dass dem so ist Hilarius von Orleans seinerseits betatigt sich in diesem literarischen Genre so gut wie nicht vermittelt vielmehr in seinen Briefen ein ganz anderes Bild Sie zeigen die Professionalitat und Planmassigkeit mit der ein wandernder Lehrer und dies war Hilarius zuletzt in erster Linie Lehrer aber nicht Dichter sein Geschaft betreibt So ein Wanderdozent ist weder frei im eigentlichen Sinn noch zahlt er zu jenen ziellosen Vagabunden die sich als Clerici vagi ganz unfromm Wein Weib und Gesang verschreiben oder als Goliarden die Verspottung und Verachtung des Establishments zum hochsten Lebensziel erklaren So konnte man zumindest was Hilarius von Orleans betrifft den klischeehaften Begriff des Vagantendichters getrost durch den eines Dozenten auf Abruf ersetzen Die lateinische Lyrik wurde mit ihrer Spielbreite von profanen zeitgeschichtlichen satirischen oder erotischen Themen in der Hauptsache soweit wir dafur Beweise haben nicht von einem zerlumpten Haufen von Bohemiens den fahrenden Scholaren Vaganten Goliarden gedichtet sondern von hart arbeitenden hochgebildeten Akademikern Peter DronkeWerk BearbeitenDie in den Werken des Hilarius vernehmbare Virtuositat der Sprache ihre Klangfarbe und literarische Vielseitigkeit das Corpus umfasst neben einer Heiligenlegende und liturgischen Spielen auch einige Liebeslieder an Vertreter beiderlei Geschlechts erheben diese in den hochsten Rang mittelalterlicher Dichtkunst Seine Gedichte zeigen nicht nur eine souveran beherrschte Rhythmik und Metrik sondern belegen auch den weitgespannten literarischen Bogen den der Autor trotz aller dichterischer Individualitat von den Klassikern wie Martial Juvenal Vergil Ovid und Ausonius bis hin zu zeitgenossischen Poeten wie Marbod von Rennes Balderich von Bourgueil Hildebert von Lavardin und Peter Abaelard zu spannen weiss Obendrein ist Hilarius auch in den Carmina Burana der beruhmten Gedichtsammlung aus Benediktbeuern der Carl Orff zu einem hohen Bekanntheitsgrad verholfen hat vertreten Relativ eindeutige Textanalogien zwischen den Carmina 6 und 8 des Hilarius und den Carmina Burana 95 und 117 sprechen jedenfalls fur einen gemeinsamen Verfasser Literatur BearbeitenManuskripte Bearbeiten Grand laterne des Klosters Le Ronceray 6 Urkundenrollen a 32 m 0 6 m aus dem 13 Jhd MS 2418 aus der Schlossbibliothek Rosny sous Bois bei Paris 12 Jhd Cod 998 Bibliothek Kloster Melk Osterreich MS Paris BN 11331 MS Paris BN lat 14615 vormals St Victor 1060 Abschrift 17 Jhd MS Brussel Bibl Royale 1979 Cod Vatic lat 2002 Sekundarliteratur Bearbeiten Annales Ordinis S Benedicti ed J Mabillon Bd 5 Buch 68 68 69 Lucca 1749 S 249 Jacques Joseph Champollion Figeac Hilarii versus et ludi Paris 1838 Cartularium B Mariae Caritatis Le Ronceray ed P Marchegay in Archives d Anjou Bd 3 Angers 1854 S 168 169 347 und 284 287 Hilaire disciple d Abelard in M Paulin Histoire litteraire de la France Bd 12 Paris 1869 S 251 254 P Marchegay Charte en vers de l an 1121 composee par Hilaire disciple d Abailard et chanoine du Ronceray d Angers in Bibl de l Ecole des Chartes 37 1876 S 245 252 A Luchaire Etudes sur quelques manuscrits de Rome et de Paris in Universite de Paris Bibliotheque de la Fa culte des Lettres Bd 8 Paris 1899 S 31ff J B Fuller Hilarii versus et ludi edited from the Paris MS New York 1929 Th Latzke Abaelard Hilarius und das Gedicht 22 der Ripoll Sammlung in Mittellateinisches Jahrbuch 8 1971 S 70 89 N Haring Hilary of Orleans and his Letter Collection in Studi medievali Serie terza anno XIV Fasc II 1973 S 1071 1122 N Haring Die Gedichte und Mysterienspiele des Hilarius von Orleans in Studi medievali Serie terza anno XVII Fasc II 1976 S 915 968 Th Latzke Das Verwahrungsgedicht mit besonderer Berucksichtigung der Carmina Burana 95 und 117 in Mittellateinisches Jahrbuch 11 1976 S 151 176 Th Latzke Zu dem Gedicht De papa scolastico des Abaelard Schulers Hilarius in Mittellateinisches Jahrbuch 13 1978 S 86 99 Th Latzke Zum Iudicium de calumnia molendini Brisesarte und zu den vier Nonnenepisteln des Hilarius in Mittellateinisches Jahrbuch 16 1981 S 73 96 Th Latzke Die Ganymed Episteln des Hilarius in Mittellateinisches Jahrbuch 18 1983 S 131 159 W Bulst und M L Bulst Thiele Hilarii Aurelianensis versus et ludi epistolae ludus Danielis Belovacensis Leiden New York Kopenhagen Koln 1989 M Bielitz Ludus Danielis Belovacensis die Egerton Handschrift Bemerkungen zur Musik des Daniel Spiels in Mittellateinischen Studien und Texte 16 Leiden 1989 W Robl Der Dichter und Lehrer Hilarius von Orleans Auf den Spuren eines Abaelard Schulers Neustadt 2002 Marian Weiss Die mittelalterliche Goiardendichtung und ihr historischer Kontext Komik im Kosmos der Kathedralschulen Nordfrankreichs Inaugural Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie des Fachbereichs 04 der Justus Liebig Universitat Giessen anno 2018 bes S 55 59 http geb uni giessen de geb volltexte 2018 13626 pdf WeissMarian 2018 06 13 pdf Abgerufen am 23 Marz 2023 Weblinks BearbeitenW Robl Der Dichter Hilarius von Orleans online W Robl Chalautre und die Quelle der Logik Die Gedichte des Hilarius von Orleans uber seinen Lehrer Peter Abaelard online Normdaten Person GND 118999419 lobid OGND AKS LCCN n88208105 VIAF 76372713 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Hilarius von OrleansALTERNATIVNAMEN Hilarius AurelianensisKURZBESCHREIBUNG Philologe und Literaturwissenschaftler Klosterbeamter Wanderdozent und Dichter in FrankreichGEBURTSDATUM um 1080GEBURTSORT bei OrleansSTERBEDATUM 25 Dezember nach 1162STERBEORT bei Paris Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hilarius von Orleans amp oldid 235375755