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Hans Deichmann 9 September 1907 in Koln 7 Dezember 2004 in Bocca di Magra Italien war ein deutscher Widerstandskampfer gegen den Nationalsozialismus Jurist Unternehmer und Autor der seit 1948 in Italien lebte Fur seine 1995 veroffentlichten Lebenserinnerungen Gegenstande Oggetti erhielt er 1996 den Geschwister Scholl Preis Inhaltsverzeichnis 1 Familie und Beruf 2 Wirken als Widerstandskampfer 3 Nachkriegszeit 4 Schriften 5 Literatur 6 EinzelnachweiseFamilie und Beruf BearbeitenHans Deichmann kam im Palais Deichmann als zweiter Sohn des Kolner Privatbankiers Carl Theodor Deichmann Enkel von Wilhelm Ludwig Deichmann und seiner Frau Ada einer Tochter von Paul von Schnitzler zur Welt Er besuchte ab 1923 die Internatsschule Deutsches Kolleg in Bad Godesberg und studierte danach Rechtswissenschaften Das Sommersemester 1927 verbrachte er in Wien und hatte dort eine fur sein weiteres Leben entscheidende Begegnung mit der Padagogin und Sozialreformerin Eugenie Schwarzwald von der er alles lernte dessen man bedarf um ein relativ freier Mensch zu sein 1 An der Universitat Bonn promovierte Deichmann 1931 zum Dr jur Nach der im gleichen Jahr aufgrund der Weltwirtschaftskrise erfolgten Insolvenz des vaterlichen Bankhauses konnte er seine juristische Laufbahn aus wirtschaftlichen Grunden nicht fortsetzen und begann durch Vermittlung seines Onkels des I G Farben Vorstandsmitglieds Georg von Schnitzler zunachst eine kaufmannische Ausbildung bei der I G Farben in Frankfurt am Main Seinen eigentlichen Wunsch Richter zu werden gab er nach der Machtubernahme durch die Nationalsozialisten endgultig auf weil er nicht Teil der NS Justiz sein wollte Ab Juli 1934 war Deichmann fur die I G Farben ein Jahr in Paris tatig Ab 1937 war er in der Frankfurter Hauptverwaltung als Prokurist fur den Farbenabsatz in Italien zustandig Aus seiner am 5 Juli 1934 in Paris geschlossenen Ehe mit der Niederlanderin Senta Fayan Vlielander Hein gingen eine Tochter und zwei Sohne hervor Deichmanns jungere Schwester Freya war seit 1931 mit Helmuth James Graf von Moltke verheiratet Uber sie hatte Hans Deichmann Verbindungen zum Kreisauer Kreis Wirken als Widerstandskampfer BearbeitenBei Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 gelang es Deichmann sich aufgrund seiner kriegswichtigen Tatigkeit bei der I G Farben unabkommlich stellen zu lassen Im November 1940 wurde er wahrend eines privaten Besuchs bei seinem Onkel Georg von Schnitzler Zeuge eines Gesprachs das dieser mit dem I G Farben Vorstandsmitglied Fritz ter Meer fuhrte Beide begrussten den moglichen Einsatz von KZ Haftlingen beim Bau eines neuen Bunawerks in Auschwitz als Standortvorteil 2 3 Im Marz 1942 wurde Deichmann aufgrund seiner Landes und Sprachkenntnisse als Beauftragter des Generalbevollmachtigten fur Sonderfragen der chemischen Erzeugung im Vierjahresplan GBChem Carl Krauch nach Rom geschickt um italienische Bauarbeiter fur den Bau der oberschlesischen Hydrierwerke der I G Farben sowie des I G Farben Werks in Auschwitz zu rekrutieren In dieser Funktion besuchte Deichmann zwischen 1942 und 1944 insgesamt zehnmal die Baustelle der I G Farben beim KZ Auschwitz erstmals am 16 Marz 1942 Bei diesen Besuchen beobachtete er nicht nur die brutale Ausbeutung der KZ Haftlinge sondern erfuhr auch von der massenhaften Ermordung der Juden Das veranlasste ihn zu dem Entschluss aktiv Widerstand zu leisten und alles ihm Mogliche zu tun um die deutschen Kriegsanstrengungen zu sabotieren Die erste Chance dazu erhielt er im Juli 1943 Uber den Leiter des Fremdarbeiterlagers in Auschwitz erfuhr er von den V Waffen die in der Heeresversuchsanstalt Peenemunde entwickelt wurden Zuruck in Rom liess er diese Information uber italienische Kontaktleute den Englandern zukommen die eine Woche spater im Rahmen der Operation Hydra Peenemunde angriffen was den Einsatz der V1 und V2 um ein volles Jahr verzogerte 4 Deichmann knupfte Verbindungen zur italienischen Widerstandsbewegung Resistenza und arbeitete hier insbesondere mit der Gruppe Giustizia e Liberta zusammen Seit September 1943 in Verona stationiert setzte er seine lebensgefahrlichen Aktivitaten bis zur Befreiung Norditaliens im April 1945 fort Da er bis zuletzt Zugang zu den hochsten deutschen Stabsstellen hatte avancierte er zum wichtigsten deutschen Informanten der Resistenza in Norditalien Er unterstutzte Sabotageaktionen und lieferte den italienischen Partisanen und den Alliierten wichtige Informationen uber deutsche Truppenbewegungen und Materialtransporte 5 Nachkriegszeit BearbeitenNach Kriegsende zog Deichmann nach Hessen und nahm an den Verhandlungen zur Entflechtung des I G Farben Konzerns teil In Oberursel war er im Rahmen der Entnazifizierung Vorsitzender der Spruchkammer fur den Landkreis Obertaunus Abgestossen von der fehlenden Bereitschaft der meisten Deutschen sich mit den nationalsozialistischen Verbrechen auseinanderzusetzen zog er 1948 mit seiner Familie wieder nach Italien und wurde dort Mitgrunder und Teilhaber der Importfirma SASEA fur die er bis 1975 in leitender Stellung arbeitete Nach dem Scheitern seiner ersten Ehe lebte Deichmann seit 1960 mit der Architektin Luisa Castiglioni zusammen Er engagierte sich gesellschaftlich indem er soziale und kulturelle Projekte unterstutzte Deichmann besuchte Auschwitz Monowitz 1991 ein weiteres Mal und schrieb an seiner Autobiografie die er 1995 in einem Band veroffentlichte der sowohl die deutsche Fassung Gegenstande als auch die italienische Fassung Oggetti enthielt Wie der Titel andeutet erinnert sich Deichmann darin in losen Episoden die an einzelne Gegenstande anknupfen an sein Leben wobei er von sich selbst nur in der dritten Person mit dem Kurzel HD spricht Fur sein Buch wurde ihm 1996 der Geschwister Scholl Preis zuerkannt Die Laudatio hielt Erich Kuby 6 Schriften BearbeitenGegenstande Oggetti All insegna del pesce d oro di Vanni Scheiwiller Milano 1995 zweisprachig Nur Deutsch Gegenstande Deutscher Taschenbuch Verlag dtv Munchen 1996 ISBN 3 423 30592 4 Autobiographische Schriften Englisch Objects A Chronicle of Subversion in Nazi Germany and Fascist Italy Marsilio Venezia 1997 Leben mit provisorischer Genehmigung Leben Werk und Exil von Dr Eugenie Schwarzwald Eine Chronik von Hans Deichmann Guthmann Peterson Verlag Berlin 1988 ISBN 3 900782 02 4Literatur BearbeitenLorenz Pollak Hans Deichmann Ein deutscher Partisanenhelfer Memento vom 4 Marz 2016 im Internet Archive Karl Heinz Roth Nachruf auf Hans Deichmann Ein engagierter Humanist und Anreger Hans Deichmann 1907 2004 In Stiftung fur Sozialgeschichte des 20 Jahrhunderts Hrsg Sozial Geschichte Zeitschrift fur historische Analyse des 20 und 21 Jahrhunderts Band 20 Nr 1 Peter Lang Bern 2005 ISSN 1660 1870 S 121 122 digizeitschriften de abgerufen am 20 November 2019 Einzelnachweise Bearbeiten Volker Ullrich Was es heisst ein freier Mensch zu sein Die ungewohnliche Erinnerungschronik des Hitler Gegners und Adenauer Fluchtlings Hans Deichmann In Die Zeit Nr 7 9 Februar 1996 S 15 zeit de abgerufen am 10 November 2014 Rezension zu Deichmanns Lebenserinnerungen Hans Deichmann Auschwitz In Stiftung fur Sozialgeschichte des 20 Jahrhunderts Hrsg 1999 Zeitschrift fur Sozialgeschichte des 20 Jahrhunderts Band 5 Nr 3 Volksblatt Verlag 1990 ISSN 0930 9977 S 110 116 hier S 114 Onlinetext auf Homepage http www digizeitschriften de dms resolveppn PID PPN884817873 0005 7CLOG 0065 abgerufen am 20 November 2019 Jurgen Schultheis November 1940 ein Tischgesprach im Familienkreis In Frankfurter Rundschau 2 November 1993 S 3 Das ungewohnliche Leben des Hans Deichmann in Berliner Zeitung vom 23 November 1996 Wollheim Memorial Biografien von fuhrenden I G Angestellten Geschwister Scholl Preis 1996 Hans Deichmann Laudatio von Erich KubyNormdaten Person GND 11940172X lobid OGND AKS LCCN n88158947 VIAF 22950624 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Deichmann HansKURZBESCHREIBUNG deutscher Widerstandskampfer gegen den NationalsozialismusGEBURTSDATUM 9 September 1907GEBURTSORT KolnSTERBEDATUM 7 Dezember 2004STERBEORT Bocca di Magra Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hans Deichmann amp oldid 239307139