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Hans Joachim Becker 19 November 1909 in Kassel 29 Oktober 1974 in Norheim war Leiter der Zentralverrechnungsstelle fur die Aktion T4 in der Zeit des Nationalsozialismus und Buroleiter der NS Totungsanstalt Hartheim Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Anmerkungen 3 Literatur 4 WeblinksLeben BearbeitenHans Joachim Becker wurde am 19 November 1909 in Kassel als Sohn eines Molkereimaschinenhandlers geboren Nach Abschluss des Realgymnasiums arbeitete er in der Firma seines Vaters In einer judischen Farbenfabrik volontierte Becker im Jahre 1929 bevor er ab 1930 als Verwaltungsangestellter in der Hauptverwaltung des Bezirksverbandes Hessen des Landeshauptmanns in Kassel tatig wurde Verwendet wurde Becker hier im Buro und Kassendienst sowie im Gaujugendamt Zum 1 Marz 1937 trat er der NSDAP bei Mitgliedsnummer 3 825 021 1 Bei seiner Vernehmung am 19 Marz 1949 durch die Staatsanwaltschaft Kassel 3a Js 794 48 lieferte er dafur eine der kuriosesten Begrundungen unter den vielfaltigen Erklarungsversuchen die nach dem Krieg fur den Parteieintritt zu horen waren Es wurde mir damals nahegelegt in die Partei einzutreten da ich Leiter der Fussballmannschaft meiner Behorde war 2 Die Inspektorenprufung fur den gehobenen Verwaltungs und Kassendienst bestand er 1940 mit der Gesamtnote gut wurde allerdings noch nicht gleich verbeamtet Eine Abordnung zum Jugendamt der Gauselbstverwaltung Danzig erfolgte ab Mitte 1940 Auf Vorschlag von Herbert Linden Ministerialrat vom Reichsministerium des Innern dessen Ehefrau eine Cousine von Becker war 3 wurde er von der Zentraldienststelle T4 notdienstverpflichtet und hierfur vom Bezirksverband Hessen ab Januar Februar 1941 freigestellt Becker blieb jedoch weiterhin formal Angestellter des Bezirksverbandes der sich Beckers Bezuge von der T4 Zentrale erstatten liess Verbunden mit dieser Dienstverpflichtung war eine hohere Gehaltsstufe In der T4 Zentrale arbeitete Becker zunachst in der Nachlassverwaltung der auch die Zahngold Verwertung der Euthanasie Opfer oblag Als Verwaltungsfachmann fand er die Zentraldienststelle T4 in einem verwaltungstechnischen Wirrwarr vor In seiner Aussage vom 4 Marz 1947 vor der Staatsanwaltschaft Kassel erklarte Becker Man hatte bei der Totung von Geisteskranken an alles mogliche gedacht aber auf dem Abrechnungssektor war eine Tarnungslucke ubrig geblieben Ich wurde dringend gebeten doch wenigstens dem Verwaltungsdurcheinander abzuhelfen Bei dieser Gelegenheit erkannte ich wie vollig ahnungslos die offenbar alle aus Parteikreisen stammenden leitenden Personlichkeiten in verwaltungsmassiger Beziehung waren Als Losung schlug Becker die Grundung einer Zentralverrechnungsstelle Heil und Pflegeanstalten ZVSt als weiteres Schein Unternehmen der Zentraldienststelle T4 vor die die Abrechnung mit den Kosten bzw Rententragern zentral vornahm Diese organisatorische Neuregelung brachte drei entscheidende Vorteile mit sich Arbeitserleichterung fur die diversen Aufnahmeanstalten und Kostentrager Ausgleich der unterschiedlichen Pflegesatzhohen beim Anstaltswechsel Beitrag zur Geheimhaltung des Krankenmordes da den Kostentragern die tatsachlichen Sterbeorte nicht mehr bekannt wurden Als Nebenprodukt dieser Zentralisierung konnten weiterhin durch fingierte Sterbedaten noch fur Zeiten nach dem Tod der Patienten die Unterbringungskosten von den Kostentragern eingefordert werden In der fortgeschrittenen Praxis wurde das offizielle Sterbedatum um etwa zwei Wochen uber das tatsachliche Todesdatum hinausgeschoben Die so gewonnenen erheblichen Mehreinnahmen trugen Becker den Spitznamen Millionen Becker ein Leiter dieser Zentralverrechnungsstelle war offiziell der Geschaftsfuhrer der Zentraldienststelle T4 Dietrich Allers Tatsachlich wurde sie jedoch von Becker als dessen formeller Vertreter geleitet Dienstsitz war zunachst Berlin Kanonierstrasse 39 1942 wurde die Dienststelle in die Wilhelmstrasse 43a und schliesslich in eine Baracke hinter dem Gebaude der Zentraldienststelle in der Tiergartenstrasse 4 verlegt Im weiteren Kriegsverlauf wurde die ZVSt im August 1943 in die NS Totungsanstalt Hartheim bei Linz ausgelagert Verbunden damit war auch ein Aufgabenzuwachs fur Becker Nach dem Geschaftsverteilungsplan vom 6 August 1943 war er jetzt auch Buroleiter der Vergasungsanstalt Leiter des NS Sonderstandesamtes der Ortspolizeibehorde sowie zustandig fur die seit Sommer 1940 fiktive Irrenanstalt Chelm Verrechnungsstelle Deutschland das Transportwesen die Nachlassverwaltung das Kurierwesen und fur die Abwicklungsverfahren der inzwischen aufgelassenen Vergasungsanstalten Bernburg Brandenburg Grafeneck Hadamar und Sonnenstein Schliesslich fungierte er noch als Vertreter des Leiters der Dienststelle Attersee d h fur die ebenfalls ausgelagerte medizinische Hauptabteilung der Zentraldienststelle T4 unter ihrem Leiter Hermann Paul Nitsche Im Herbst 1944 siedelte die ZVSt ins pommersche Schonfliess und Anfang 1945 in die Landesheil und Pflegeanstalt Pfafferode bei Muhlhausen um wo Becker das Kriegsende erlebte Als Dolmetscher der amerikanischen Besatzungstruppen verliess er mit diesen Thuringen das dann zur sowjetischen Besatzungszone zahlte Ab Oktober 1945 arbeitete Becker nach seiner Kundigung beim Provinzialverband Kurhessen als kaufmannischer Angestellter bei der amerikanischen Besatzungsmacht u a in der Verkaufsorganisation und als Manager im Kantinenbereich Ein Verhaftungsersuchen der Landeskriminalpolizei Thuringen vom Januar 1947 wurde vom Kasseler Polizeiprasidenten abgelehnt Die Oberstaatsanwaltschaft Kassel eroffnete ein eigenes Ermittlungsverfahren Dieses wurde jedoch am 19 Mai 1950 mit der Begrundung eingestellt dass ein ursachlicher Zusammenhang zwischen dem Handeln Beckers und den erfolgten Totungen nicht feststellbar sei Becker arbeitete ab 1952 vorubergehend bei der Wirtschafts und Organisationsberatung Hessischer Gemeinden in Offenbach und anschliessend wieder bei einer US Firma 1953 versuchte er vergeblich eine Wiedereinstellung beim Landeswohlfahrtsverband Hessen dem Nachfolger seines Vorkriegsarbeitgebers Auch Bewerbungen beim Regierungsprasidium in Kassel 1958 59 blieben erfolglos Becker war wieder bei US Dienststellen in Bad Kreuznach tatig als er am 7 Juni 1966 vom Frankfurter Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in Untersuchungshaft genommen wurde Am 27 Oktober 1966 entlassen wurde er am 15 April 1970 erneut inhaftiert nachdem die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt M am 7 November 1967 4 Anklage wegen Beihilfe zum Mord gegen ihn und den Vergasungsarzt Georg Renno sowie Friedrich Lorent den ehemaligen Leiter der Hauptwirtschaftsabteilung der T4 Zentraldienststelle erhoben hatte Am 25 Mai 1970 wurde Becker vom Schwurgericht des Landgerichts Frankfurt M wegen Beihilfe zum Mord an 24540 Geisteskranken und 3228 KZ Haftlingen zu einer Gesamtstrafe von zehn Jahren Freiheitsentzug verurteilt Ks 1 69 In seinem Schlusswort lehnte Becker jede Verantwortung ab Zum Schluss mochte ich noch sagen dass ich in die Aktion verstrickt worden bin ohne etwas davon zu wissen oder zu verstehen Mir ist es so ergangen wie vielen anderen Deutschen die an dem Platz arbeiten mussten wo sie hingestellt wurden Was Hartheim angeht so ist es mir ein unertraglicher Gedanke fur etwas zu suhnen was ich nicht getan habe 5 Vier Jahre verbrachte Becker in den Gefangnissen Diez und Kassel dann wurde er am 6 September 1974 wegen Vollzugsunfahigkeit aus der Haft entlassen Anmerkungen Bearbeiten Bundesarchiv R 9361 IX KARTEI 2030410 zitiert nach Ernst Klee Was sie taten was sie wurden S 78 s Literatur Aussage Beckers vom 15 Marz 1966 vor der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt M Js 5 65 Schwurgerichtsanklage gegen Dr Renno Becker und Lorent vom 7 11 1967 Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden HHStA 631a Verfahren gegen Renno u a Landgericht Frankfurt Main Ks 1 69 zitiert nach Ernst Klee Was sie taten was sie wurden S 80 s Literatur Literatur BearbeitenErnst Klee Euthanasie im NS Staat Die Vernichtung lebensunwerten Lebens 11 Auflage Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 2004 ISBN 3 596 24326 2 Fischer Taschenbucher 4326 Die Zeit des Nationalsozialismus Ernst Klee Was sie taten Was sie wurden Arzte Juristen und andere Beteiligte am Kranken oder Judenmord 12 Auflage Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 2004 ISBN 3 596 24364 5 Fischer Taschenbucher 4364 Die Zeit des Nationalsozialismus Ernst Klee Hans Joachim Becker In Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 Aktualisierte Ausgabe Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 2005 ISBN 3 596 16048 0 S 12 Fischer Taschenbucher 16048 Peter Sandner Verwaltung des Krankenmordes Der Bezirksverband Nassau im Nationalsozialismus Psychosozial Verlag Giessen 2003 ISBN 3 89806 320 8 Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen Hochschulschriften 2 auch online s Weblinks Weblinks Bearbeitenhttp www lwv hessen de files 266 Sandner Verwaltung 4 Seite 332 510 pdf PDF Datei 1 8 MB PersonendatenNAME Becker Hans JoachimKURZBESCHREIBUNG deutscher Beamter Leiter der Zentralverrechnungsstelle fur die Aktion T4 im Dritten Reich und Buroleiter der NS Totungsanstalt HartheimGEBURTSDATUM 19 November 1909GEBURTSORT KasselSTERBEDATUM 29 Oktober 1974STERBEORT Norheim Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hans Joachim Becker amp oldid 226363839