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Grundformen der Angst ist eine tiefenpsychologische Studie des Psychoanalytikers Fritz Riemann die erstmals im Jahr 1961 unter dem Titel Grundformen der Angst und die Antinomien des Lebens erschien In dem Werk werden vier verschiedene Typen der Personlichkeit charakterisiert und ihre jeweiligen Angste und Verhaltensweisen sowie deren Ursachen thematisiert Riemann unterscheidet schizoide depressive zwanghafte und hysterische Strukturen der Personlichkeit Das Buch durchgehend im Ernst Reinhardt Verlag veroffentlicht ist 2019 in 45 Auflage erschienen und wurde allein bis 2013 mehr als 967 000 Mal verkauft 1 Die zweite Halfte des ursprunglichen Titels ist zwischenzeitlich verandert und schliesslich ganz aufgegeben worden Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 1 1 Schizoide Personlichkeiten 1 2 Depressive Personlichkeiten 1 3 Zwanghafte Personlichkeiten 1 4 Hysterische Personlichkeiten 2 Zusammenfassung 3 Riemann Thomann Modell 4 Buchausgaben 5 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenAls Schuler Schultz Henckes entwickelte Riemann in seiner Studie eine Personlichkeitstypologie mit der er seine Vorstellung von den verschiedenen Personlichkeitsstrukturen der Menschen darlegte wie sie viele Jahre spater und in abgewandelter Form mit dem psychodynamischen Diagnoseinstrument der OPD von Rudolf und anderen systematisch erfasst werden sollten Dabei widmete Riemann den vier idealtypisch beschriebenen Strukturen jeweils ein eigenes Kapitel Jedes Kapitel ist untergliedert in funf Unterkapitel die sich ausfuhrlich mit den Aspekten der Liebe der Aggression des lebensgeschichtlichen Hintergrundes mit Beispielen fur die jeweilige Erlebnisweise sowie erganzenden Betrachtungen beschaftigen Dafur griff Riemann auf theoretische Kenntnis und Erfahrungswissen zuruck das er in seiner Praxis als analytischer Psychotherapeut zusammentrug Jeder Personlichkeitstyp wird im Kontext beschrieben und in Kontrast zu den anderen Typen gesetzt Da Riemann in der Lage war komplizierte Sachverhalte einfach und verstandlich zu vermitteln fand sein Buch Anklang unter interessierten Laien und trug auf diese Weise zu einer Verbreitung psychoanalytischer Erkenntnis doch zugleich auch zu einer Entwidmung psychoanalytischer Fachsprache bei Damit verbunden ist das Risiko von Missverstandnissen indem beispielsweise der Begriff schizoid falschlich in die Nahe der Schizophrenie und der schizoiden Personlichkeitsstorung geruckt oder gar als Synonym verwendet wird obwohl Begriffe die eine Personlichkeitsstruktur naher bezeichnen nichts mit Krankheitsbildern gemein haben So sind auch depressive Personlichkeiten nicht Trager von Symptomen einer depressiven Erkrankung In seiner Einleitung schickte Riemann einige allgemeine Bemerkungen uber die menschliche Angst voraus 2 Angst gehort unvermeidlich zu unserem Leben In immer neuen Abwandlungen begleitet sie uns von der Geburt bis zum Tode Die Geschichte der Menschheit lasst immer neue Versuche erkennen Angst zu bewaltigen zu vermindern zu uberwinden oder zu binden sie gehort zu unserer Existenz und ist eine Spiegelung unserer Abhangigkeiten und des Wissens um unsere Sterblichkeit Wir konnen nur versuchen Gegenkrafte gegen sie zu entwickeln Mut Vertrauen Erkenntnis Macht Hoffnung Demut Glaube und Liebe Diese konnen uns helfen Angst anzunehmen uns mit ihr auseinanderzusetzen sie immer wieder neu zu besiegen Methoden welcher Art auch immer die uns Angstfreiheit versprechen sollten wir mit Skepsis betrachten sie werden der Wirklichkeit menschlichen Seins nicht gerecht und erwecken illusorische Erwartungen Fritz Riemann 1975 3 Daruber hinaus werden in der Einleitung die vier Grundformen der Angst und ihr Verhaltnis zueinander in einer ersten Annaherung vorgestellt die Angst vor Hingabe mit ihrem Risiko der Vereinsamung und der Angst vor Einsamkeit als ihrem Gegenspieler der Angst vor Verganglichkeit mit dem Risiko des Wankelmuts stehe die Angst vor Unabanderlichkeit gegenuber Alle moglichen Angste sind letztlich immer Varianten dieser vier Grundangste so Riemann 4 Die Komplexitat des innerseelischen Geschehens deutet sich mit seinem Hinweis an dass Menschen nicht nur meiden wovor sie sich furchten sondern es zugleich auch erstreben All das wurde sich paarweise erganzen und widersprechen 5 Mit schizoider Struktur werde aus Angst sich selbst zu verlieren der Kontakt zu den Mitmenschen vermieden wer als ihrem Gegenspieler eine depressive Struktur entwickelt habe verbleibe aus Angst vor Trennung und Einsamkeit in Abhangigkeiten Mit zwanghafter Struktur und der darin begrundeten Angst vor Wandel und Verganglichkeit werde beharrlich am Gewohnten festgehalten und mit ihrem Gegenspieler einer hysterischer Struktur sei der Willkur Tur und Tor geoffnet um die Angst vor der Notwendigkeit und Endgultigkeit zu vermeiden 6 Schlussendlich werden die potentiell entwicklungsfordernden Aspekte der Angst betont und ihrer Vermeidung eine Absage erteilt denn sie erhalt die Angst aufrecht Wo wir eine der grossen Angste erleben stehen wir immer in einer der grossen Forderungen des Lebens im Annehmen der Angst und im Versuch sie zu uberwinden wachst uns ein neues Konnen zu jede Angstbewaltigung ist ein Sieg der uns starker macht jedes Ausweichen vor ihr ist eine Niederlage die uns schwacht Fritz Riemann 1975 7 Auch wenn Riemann sein Erfahrungswissen bevorzugt aus den Krankengeschichten seiner Patienten bezog hat er mit diesem Buch keine Krankheitslehre vorgelegt und versah dementsprechend seine Mitteilungen zu den vier Typen mit Titeln die auf Personlichkeit und nicht auf Krankheit fokussieren Schizoide Personlichkeiten Bearbeiten Die Hauptangst eines Menschen mit einer schizoiden Personlichkeitsstruktur sei so Riemann die Angst vor der Hingabe 8 Sie sei verknupft mit dem Impuls zur Selbstbewahrung und Ich Abgrenzung 9 Angst und Impuls wurden uberwertig wenn das Schizoide sich in einer Weise entwickelt habe dass es die Personlichkeit beherrsche Menschen mit einer solchen Struktur mieden Nahe und Bindung an andere Menschen seien ichbezogen und strebten nach Individuation und grosstmoglicher Unabhangigkeit bis hin zur Autarkie Sein Streben wird vor allem dahin gehen so unabhangig und autark wie moglich zu werden Auf niemanden angewiesen zu sein niemanden zu brauchen niemandem verpflichtet zu sein ist ihm entscheidend wichtig Fritz Riemann 1975 10 Auf ihre Mitmenschen wirkten schizoide Personlichkeiten fern kuhl distanziert schwer ansprechbar unpersonlich bis kalt 11 Sie wurden oft seltsam absonderlich in ihren Reaktionen unverstandlich oder befremdend erscheinen und selbst wer sie lange kenne werde immer aufs Neue uberrascht Ihr Verhalten habe Folgen auch fur sie selbst Weil sie dem Kontakt mit anderen Menschen aus dem Weg gingen lernten sie nicht ihre Mitmenschen einzuschatzen und deshalb blieben sie ihnen fremd Zuneigung und Sympathie in der Regel beziehungsstiftend erlebten sie als bedrohlich und ihre Integritat gefahrdend Liebe sei fur schizoide Personlichkeiten insofern besonders heikel als sich hier ihre ganze Unbeholfenheit und Unerfahrenheit in Gefuhlsdingen offenbare 12 Sie gestalteten ihre Partnerschaften eher rational und kuhl und seien auf Partner angewiesen die das ertrugen oder selbst wunschten Sexualitat werde instrumentalisiert und weitgehend versachlicht Haufig liessen sie sich nur auf unverbindliche leicht zu losende oder auf rein sexuelle Beziehungen ein Aggression spiele eine besondere Rolle Angriffe egal ob tatsachliche oder vermeintliche wurden stets als die gesamte Existenz gefahrdend erlebt 13 Schizoiden Personlichkeiten stehe in der Regel keine sonst ubliche Bandbreite aggressiver Reaktionen zur Verfugung Stattdessen antworteten sie mit archaischer Wut reagierten sofort und sorgten rucksichtslos fur Entlastung des eigenen Befindens Zugleich stelle Aggression fur sie die fast einzige Moglichkeit dar im Sinne eines aggredi sich zubewegen auf Kontakt zu anderen Menschen aufzunehmen Fur die Entstehungsgeschichte seien konstitutionelle Faktoren anzunehmen die der Herausbildung einer schizoiden Personlichkeit mit ihren Strukturmerkmalen entgegenkamen Sie wurden in einer besonderen Sensibilitat und Verwundbarkeit gesucht Daneben habe sich gezeigt dass diesen Menschen in der fruhen Zeit ihrer Entwicklung wahrend des ersten Lebensjahres nicht der Schutz und hier besonders auch Reizschutz gewahrt worden sei dessen sie bedurft hatten Daneben habe es an Geborgenheit und liebevoller Begleitung gemangelt so dass sie sich nicht hatten aufgehoben fuhlen konnen 14 Als Beispiel dient die Geschichte eines erwachsenen Musikers aus der Praxis des Autors 15 In den abschliessenden Betrachtungen wird auf den grossen Unterschied des Reifegrades zwischen Verstand und Gefuhl und zwischen Rationalitat und Emotionalitat hingewiesen der fur diese Personlichkeiten charakteristisch sei 16 Daneben beschreibt Riemann wie sich aus dieser Struktur Erkrankungen entwickeln konnten und welche Besonderheiten sie aufwiesen Am Schluss werden die positiven Seiten schizoider Menschen zusammengetragen die sich beispielsweise in souveraner Selbstandigkeit und Unabhangigkeit im Mut zu sich selbst zur Autonomie des Individuums aber auch in einer scharfe n Beobachtungsgabe und einem kritisch unbestechliche n Blick fur Tatsachen zeigten 17 Diese Menschen pruften ehe sie etwas ubernahmen und vertraten ihre Positionen unsentimental klar und kompromisslos Depressive Personlichkeiten Bearbeiten Gegenspieler der schizoiden Struktur sind nach Riemann depressive Personlichkeiten 18 Ihre Hauptangst ist selbstandig zu werden Riemann nannte es unter anderem Ich Werdung und damit verbunden die Angst vor dem Verlust von Geborgenheit Eigenstandigkeit zu erwerben setzt einen Entwicklungsschritt voraus der mit Trennung verbunden ist und diese Trennung vermeiden Menschen mit einer depressiven Personlichkeitsstruktur Der damit verknupfte Impuls strebt danach das eigene Ich aufzugeben und ganz im Anderen aufzugehen Er wird gebraucht um sich sicher fuhlen zu konnen Ein Mensch mit depressiver Struktur versucht der Angst dadurch zu entkommen dass er sich in Abhangigkeit begibt und auf Freiheit verzichtet die er auch seinem Gegenuber nicht zugestehen kann Bewusst ist ihm dabei hochstens die Verlustangst die Angst vor der Individuation die das eigentliche Problem ist bleibt weitgehend unbewusst Fritz Riemann 1975 19 Sich zu unterscheiden anders zu denken und zu fuhlen mobilisiert Angst weil es als Entfernung und Entfremdung erlebt wird sodass diese Menschen bemuht sind alles sie Unterscheidende aufzugeben und sich anzupassen 20 Abhangigkeit gibt ihnen Sicherheit jedoch um den Preis einer gesteigerten Verlustangst Weil sie sich nicht nehmen konnen was sie brauchen entwickeln sie eine passive Erwartungshaltung und reagieren enttauscht wenn ihre Wunsche nicht erfullt werden Vorwurfe konnen sie nicht ertragen und deshalb breiten sich zahlreiche altruistische Tugenden aus von denen einige benannt werden Bescheidenheit Verzichtsbereitschaft Friedfertigkeit Selbstlosigkeit Mitgefuhl Mitleid und vieles mehr 21 Weil sie sich fur Andere aufreiben geraten sie schnell in einen Zustand der Uberforderung und Erschopfung Die Liebe ist depressiven Personlichkeiten das Wichtigste im Leben 22 und zugleich liegen hier ihre grossten Gefahrdungen Fur die mit einer Partnerschaft verbundenen Krisen haben sie keine Toleranzen und uber die allfalligen Anlasse fur partnerschaftliche Konflikte hinaus stehen sie immer wieder vor ihrer qualenden Verlustangst wenn sich der Partner aus der zu engen Umklammerung zu befreien versucht 23 Sexualitat ist ihnen weniger wichtig als Zuneigung und Zartlichkeit 24 Der Umgang mit Aggression stellt fur depressive Personlichkeiten ein ernsthaftes Problem dar Sich behaupten und durchsetzen wurde bedeuten den Ast abzusagen auf dem sie sitzen so Riemann 25 Diese Menschen neigen dazu aggressive Situationen umzudeuten und zu verharmlosen und eigene Impulse zu unterdrucken Krankungen und andere Verletzungen kompensieren sie mit einem Gefuhl moralischer Uberlegenheit die zugleich eine sublime Form der Aggression ist 26 weil sie das Gegenuber in Schuldgefuhlen gefangen halt Wir konnen sagen dass die unterdruckte Aggression eine ansteigende Linie erkennen lasst die von der Uberbesorgtheit dem Ideologisieren von Bescheidenheit Friedfertigkeit und Demut uber das lamentierende Jammern und die Dulderhaltung zur Wendung gegen sich selbst in Selbstvorwurfen Selbstanklagen Selbstbestrafungen bis zur Selbstzerstorung fuhrt Fritz Riemann 1975 27 Fur den lebensgeschichtlichen Hintergrund werden als begunstigende Faktoren eine moglicherweise gemuthaft gefuhlswarme Anlage und eine konstitutionell bedingte grosse Einfuhlungsgabe angenommen 28 Diese Menschen waren von Natur wenig kampferisch und hatten einen Mangel an dickem Fell Fur die biografischen Einflussgrossen werden zwei charakteristische Fehlhaltungen der primaren Bezugsperson erwahnt die sich insbesondere in der Zeit zwischen dem Ende des ersten und im zweiten Lebensjahr entsprechend auswirken Verwohnung und Versagung Verwohnung mache Eigeninitiative uberflussig und fordere eine Bequemlichkeitshaltung Als Motiv erweise sich die Unfahigkeit das Kind loszulassen und seiner eigenen Wege gehen zu lassen Schwieriger sei die Entwicklung fur Kinder die Versagung erlitten womit karge wenig mutterlich liebesfahige oft harte Frauen beschrieben werden die das Kind einem Mangel an Geborgenheit aussetzen Beispielhaft wird auf stark gekurzte Geschichten einiger Patienten beiderlei Geschlechts zuruckgegriffen Zusammenfassend werden sie in den erganzenden Betrachtungen als Objekt e des Lebens beschrieben die vermeiden ihr Leben als Subjekt aktiv zu gestalten Anderen Menschen werde so Riemann Uberwert zugewiesen wodurch sie selbst an Wert verloren 29 Mit derart geschwachtem Selbstbewusstsein fuhlten sie sich fur alles verantwortlich was in ihrer Umgebung geschieht Werden sie krank stehen sie in dem Risiko nicht mehr zu gesunden weil sie hoffen durch die Erkrankung Fursorge beanspruchen zu durfen In ihren Traumen wurde sich das was sie sich im Leben versagen in extremer Form und oft auf Andere projiziert Bahn brechen 30 Die Partnerwahl richte sich nicht selten auf ihren Gegenspieler in der Hoffnung von ihm lernen zu konnen was sie selbst nicht zu leben wagen Diese Menschen sind treu und dankbar Zu ihren Tugenden gehoren Ausharren und Ertragenkonnen Sie stellen ihr Licht eher unter den Scheffel so dass man sie entdecken musse um dann festzustellen dass Gemuthaftigkeit Gefuhlstiefe und Warme zu ihren schonsten Eigenschaften gehoren 31 Zwanghafte Personlichkeiten Bearbeiten Die Sehnsucht nach Dauer sei allen Menschen grundsatzlich eigen 32 Wenn auch nicht hinreichend so ware Verlasslichkeit doch notwendige Bedingung zur Entwicklung von Hoffnung und Vertrauen Auf diesem Hintergrund beschrieb Riemann die dritte Grundform der Angst die zwanghafte Personlichkeiten insbesondere durch die Angst vor Verganglichkeit und auf der Impulsseite durch ein Streben nach Dauer und Sicherheit auszeichne beides ggf uberwertig 33 Ein Mensch mit zwanghafter Struktur wolle unbedingt alles beim Alten belassen vermeide jede Veranderung und bekampfe sie wenn moglich Er wendet sich gegen Neuerungen wo sie ihm begegnen was aber immer mehr zu einer Sisyphusarbeit wird denn das Leben ist immer im Fluss alles ist in fortwahrender Wandlung begriffen alles fliesst in immerwahrendem Entstehen und Vergehen das sich nicht aufhalten lasst Fritz Riemann 1975 34 Hinter der Angst vor Verganglichkeit stehe so Riemann letztlich die Angst vor dem Tod 35 Was Menschen mit dieser Struktur erzwingen wollen kame wie ein Bumerang zu ihnen zuruck so dass sich mit der Zeit ihr zwingen wollen in ein gezwungen werden verwandele Sie verzweifeln daran dass Lebendiges nicht vorausberechnet werden kann und sich das Leben ihrer Kontrolle entzieht Diese Menschen hadern mit sich den Anderen und dem Leben zogern und konnen sich nicht entscheiden Riemann bezeichnete sie als Trockenkursler des Lebens 36 Werden sie krank entwickeln sie Zwangssymptome die die Funktion haben Angst zu binden 37 Die Liebe sei diesen Menschen zutiefst beunruhigend 38 Sie wollen ihre Gefuhle unter Kontrolle behalten und furchten sich vor Leidenschaft und Sexualitat Beziehungen werden nicht selten aus Vernunftsgrunden eingegangen und sind tragfahig und belastbar Weil sie ein ausgepragtes Verantwortungsgefuhl hatten halten sie wenn sie sich einmal entschieden haben an ihren Entscheidungen fest Allerdings falle es ihnen schwer den Partner als gleichberechtigt anzuerkennen und konnen kaum ertragen wenn er sich nicht ihrem Diktat beugt Mit ihrer Aggression gehen zwanghafte Personlichkeiten vorsichtig um 39 Sie haben fruh lernen mussen ihre Affekte unter Kontrolle zu halten Wenn ihnen das nicht gelingt entwickeln sie Schuldgefuhle und versuchen zu widerrufen Uber den Verzicht Affekte auszuleben kann es ebenso zu einer Ideologiebildung kommen wie sie wenn sie aggressiv werden Aggressionen in den Dienst einer Ideologie zu stellen versuchen 40 Charakteristisch fur die Aggression zwanghafter Personlichkeiten sei ihre Verbindung zu ihrem Machtwillen 41 Als Aquivalent fur Aggressives beschrieb Riemann Verhaltensweisen die ihnen selbst nicht als aggressiv bewusst sind das Trodeln die Umstandlichkeit die Unentschlossenheit 42 Fur den lebensgeschichtlichen Hintergrund sprach Riemann zunachst mogliche konstitutionell begunstigende Faktoren an 43 Sie konnen in motorisch aggressiven und allgemein expansiven Anlagen angenommen werden die zu Verhaltensweisen fuhre mit denen das Kind haufig anecke Daneben ware auch im Gegenteil an eine erhohte Anpassungsbereitschaft und Fugsamkeit zu denken Entwicklungspsychologisch ist die Zeit etwa zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr bedeutsam die vom Volksmund als Trotzphase bezeichnet wird In dieser Zeit mussen Konflikte ausgehandelt werden die zwischen dem Willen des Kindes und den gegenlaufigen Forderungen seiner Umwelt entstehen Bei den spater zwanghaften Personlichkeiten finden wir in ihrer Lebensgeschichte mit grosser Regelmassigkeit dass in ihrer Kindheit altersmassig zu fruh und zu starr die lebendigen aggressiven affektiven die gestalten und verandern wollenden Impulse ja oft jede Spontaneitat jede Ausserung gesunden Eigenwillens gedrosselt gehemmt bestraft oder unterdruckt wurden Fritz Riemann 1975 44 Aber auch ein chaotisches familiares Milieu einschneidende Erlebnisse oder Schicksalsschlage die nicht verarbeitet werden konnen wirken sich ggf strukturfordernd aus Nach Beispielen aus der psychoanalytischen Praxis befasste sich Riemann in seinen erganzenden Betrachtungen zunachst mit der Abgrenzung zu Gewohnheiten Zeremonien und Traditionen denen auch gewissermassen etwas Zwanghaftes anhafte 45 All das werde in der Regel aber nicht als qualend erlebt und konne wenn gewunscht verandert werden Zwang dagegen lasse ein Verhalten zum Selbstzweck werden das nur in bestimmter Form gezeigt werden kann selbst wenn es sinnlos sei Starres und unbeirrtes Festhalten an Regeln und Prinzipien beraube ursprunglich Ordnungschaffendes seiner Sinnhaftigkeit 46 Zwanghafte Personlichkeiten scheuen das Risiko sind punktlich sparsam und pflichttreu Verlasslichkeit Konsequenz und Verantwortungsbewusstsein gehoren zu ihren Tugenden Sie geben Halt und Orientierung vertreten Werte und bewahren Traditionen 47 Hysterische Personlichkeiten Bearbeiten Gegenspieler der zwanghaften sind hysterische Personlichkeiten 48 Sie erfreuen sich wie Riemann es nannte an dem Zauber des Neuen suchen das Risiko streben nach Freiheit und Veranderung und haben besondere Freude daran Unbekanntes zu entdecken Wird dieses Streben uberwertig stellen sich Angst vor Endgultigkeit und Unausweichlichkeit vor Notwendigkeiten und Begrenztheit ein Charakteristisch fur diese Personlichkeiten ist ein kurzer Spannungsbogen 49 Jeder Impuls jeder Wunsch muss moglichst sofort befriedigt werden weil Warten unertraglich ist Darin liegt ihre grosse Verfuhrbarkeit sie konnen Versuchungen schwer widerstehen Fritz Riemann 1975 50 Mit einer erstaunliche n Naivitat 51 wurden diese Menschen an Patentlosungen und gern auch Wunder glauben weil sie helfen einer Wirklichkeit zu entkommen die Grenzen setzt und die Freiheit einschranken kann Uber die Konsequenzen eigenen Tuns mogen sie sich keine Klarheit verschaffen und neigen dazu sich ihnen ideenreich zu entziehen Punktlichkeit und planvolles Handeln halten sie fur kleinlich Verantwortungsubernahme fur verzichtbar und den unverkennbar die eigene Endlichkeit anzeigenden Alterungsprozess versuchen sie durch jugendtumliches Verhalten und entsprechende Kleidung zu verleugnen In ihrer Angst versuchen diese Menschen moglichst alles in der Schwebe zu halten und fur relativ zu erklaren Und weil sie dem Augenblick den Vorzug vor Kontinuitat geben spielen sie Rollen und laufen Gefahr eines Tages nicht mehr zu wissen wer sie selbst sind 52 In der Liebe seien hysterische Personlichkeiten nach Riemann leidenschaftlich und fordernd stets auf grenzuberschreitende Erfahrungen bedacht aber wenn sie allein sind langweilen sie sich schnell Als Partner sind sie phantasievoll und verspielt doch selten treu In ihren Beziehungen konne der hysterische Mensch sein Gegenuber nicht als eigenstandig anerkennen sondern versteht ihn als Spiegel in dem er sich als liebenswert gespiegelt sehen will 53 Es finde sich eine Neigung zur narzisstischen Partnerwahl weil im Partner gesucht wird was im Selbst nach Bestatigung verlangt Aggression stehe bei hysterischen Personlichkeiten im Dienst des Geltungsstrebens 54 Diese Menschen rivalisieren und konkurrieren gern Sie wollen andere Menschen beeindrucken und ubertreiben dabei nicht selten Weil Selbstkritik und Selbstkontrolle nicht zu ihren Starken gehoren sind sie auch in ihrem aggressiven Verhalten recht impulsiv und ungesteuert In Auseinandersetzungen uberrumpeln sie gern und wurden so Riemann nach dem Motto Angriff ist die beste Verteidigung handeln Wegen ihres leicht storbaren Selbstwertgefuhls sind sie schnell krankbar und reagieren auf subjektiv erlebte Krankungen recht heftig auch mit Vorwurfen die mit der Sache nichts zu tun haben 55 Fur die Entstehungsgeschichte warf Riemann wie auch fur die anderen Personlichkeitsstrukturen zunachst einen Blick auf Faktoren die als anlagebedingt angenommen werden konnen Er ging davon aus eine verstarkte emotionale Ansprechbarkeit und ein erhohtes Geltungsbedurfnis konnten ebenso angeboren sein wie ein besonders ausgepragter Wunsch sich mitzuteilen Auch konnten Eigenschaften beteiligt sein die in der Regel auf Sympathie stossen Ansonsten wird auf Erkenntnisse der Psychoanalyse verwiesen nach denen insbesondere die Zeit zwischen etwa dem vierten und sechsten Lebensjahr und die wahrenddessen gesammelten Erfahrungen Einfluss auf den Umfang hysterischer Strukturelemente in der Personlichkeit nehmen Mehr als in den davor liegenden Zeiten der Entwicklung spielen hier Vorbilder aus der Welt der Erwachsenen eine zentrale Rolle 56 Die Frage wie sie mit den Eigenarten des Kindes und seinem Stolz aber auch der inzwischen gereiften kindlichen Kritik umgehen beeinflusst die Moglichkeiten des Kindes sie als Vorbilder anzunehmen und von ihnen zu lernen oder sie zuruckzuweisen In dem Mass in dem das Kind in dieser Zeit in der das Bedurfnis nach Fuhrung und Vorbildern am starksten ist mit diesen Wunschen im Stich gelassen wird entwickelt sich eine mehr oder minder stark ausgepragte hysterische Personlichkeitsstruktur oder es wird gar die Grundlage fur eine spatere hysterische Erkrankung geschaffen Eines der Risiken dieser Menschen besteht darin sich einerseits aus der Identifikation mit ihren Vorbildern oder andererseits aus der Rebellion gegen sie nicht losen zu konnen und darin gleichsam stecken zu bleiben Das hindert sie an der Entwicklung einer eigenstandigen unabhangigen Identitat ggf auch ihrer Geschlechtsrolle Die Fallbeispiele aus seiner psychoanalytischen Praxis gaben Riemann Gelegenheit die Elemente eines begunstigenden familiaren Milieus zusammenzufassen in denen Widerspruche und ein Mangel an haltgebender Orientierung eine ebenso bedeutungsvolle Rolle spielen wie das Wecken von Erwartungen die nicht halten was sie versprechen Seine erganzenden Betrachtungen focussieren auf den Mangel an Authentizitat dieser Menschen und ihren problematischen weil verleugnenden Umgang mit der Realitat so dass sie auch leicht politisch oder ideologisch ausgenutzt werden konnen 57 Zusammenfassung BearbeitenFritz Riemann legte im Jahr 1961 mit diesem 2017 in 42 Auflage erschienenen Buch ein auch Laien verstandliches Werk psychoanalytischer Entwicklungslehre vor das in fruhen Auflagen zunachst den Titel Grundformen der Angst und die Antinomien des Lebens trug Dabei ging er der Frage nach wie sich die Personlichkeit des Menschen entwickelt und in ihren verschiedenen Facetten jenseits eines Krankheitsprozesses zeigt Zwar sparte er Bemerkungen uber eine krankhafte Entwicklung nicht aus sie waren aber nicht Kern seines Buches Hinter den vier Grundformen der Angst stehen allgemein menschliche Probleme mit denen wir alle uns auseinandersetzen mussen Jedem von uns begegnet die Angst vor der Hingabe in einer ihrer verschiedenen Formen die als Gemeinsames das Gefuhl der Bedrohtheit unserer Existenz unseres personlichen Lebensraumes oder der Integritat unserer Personlichkeit haben Denn jedes vertrauende sich Offnen jede Zuneigung und Liebe kann uns gefahrden weil wir dann ungeschutzter und verwundbarer sind etwas von uns selbst aufgeben mussen uns einem anderen ein Stuck ausliefern Daher ist alle Angst vor der Hingabe verbunden mit der Angst vor einem moglichen Ich Verlust Jedem begegnet auch die Angst vor der Ich Werdung vor der Individuation die den verschiedenen Formen ihres Auftretens als Gemeinsames die Angst vor der Einsamkeit hat Denn jede Individuation bedeutet ein sich Herausheben aus bergenden Gemeinsamkeiten Je mehr wir wir selbst werden umso einsamer werden wir weil wir dann immer mehr die Isoliertheit des Individuums erfahren Jedem begegnet auch die Angst vor der Verganglichkeit auf seine Weise unvermeidlich erleben wir immer wieder dass etwas zu Ende geht aufhort plotzlich nicht mehr da ist Je fester wir etwas halten beibehalten wollen umso mehr erliegen wir dieser Angst deren verschiedene Formen als Gemeinsames die Angst vor der Wandlung erkennen lassen Und jeder begegnet schliesslich auch der Angst vor der Notwendigkeit vor der Harte und Strenge des Endgultigen bei deren verschiedenen Ausformungen das Gemeinsame die Angst vor dem unausweichlichen Festgelegtwerden ist Je mehr wir eine unverbindliche Freiheit und Willkur anstreben desto mehr mussen wir die Konsequenz und die Grenzen der Realitat furchten Fritz Riemann 1975 58 Da Menschen in der Regel schon von Geburt an verschieden sind und in ihrer Entwicklung vielfaltige und keine einformigen fruhkindlichen Erfahrungen machen und daruber hinaus wandelbar sind stellen die von Riemann beschriebenen Personlichkeiten Idealtypen dar Die meisten Menschen wurden in unterschiedlichem Ausmass all diese Strukturelemente auf sich vereinigen mit je individuellem Schwerpunkt Mitunter jedoch seien sie aufgrund besonderer Lebensumstande so festgelegt dass sie von den anderen Strukturelementen nicht profitieren konnten Doch auch spate Schritte der Entwicklung seien moglich Dabei wurden Vertrauen Hoffnung Einsicht und Mut helfen 59 Riemann Thomann Modell BearbeitenMit Grundformen der Angst schuf Riemann die Grundlage fur das Riemann Thomann Modell Es wurde von Christoph Thomann entwickelt und baut auf Riemanns Werk auf Thomann beschreibt mit seinem Modell die Auspragungen der Personlichkeitstypen im normalen und nicht pathologischen Bereich Das Riemann Thomann Modell kategorisiert in vier Personlichkeitstypen Nahe Distanz Dauer Wechsel und ist auf die alltagliche Anwendung ausgelegt Buchausgaben BearbeitenFritz Riemann Grundformen der Angst und die Antinomien des Lebens Eine tiefenpsychologische Studie uber die Angste des Menschen und ihre Uberwindung 7 Auflage Ernst Reinhardt Munchen Basel 1972 Erstausgabe 1961 Fritz Riemann Grundformen der Angst Eine tiefenpsychologische Studie 10 uberarbeitete und erweiterte Auflage 52 63 Tausend Ernst Reinhardt Munchen Basel 1975 ISBN 3 497 00749 8 Fritz Riemann Grundformen der Angst 45 Auflage Ernst Reinhardt Munchen 2019 ISBN 978 3 497 02422 3 Fritz Riemann Formele fundamentale ale angoasei Studiu de psihologie abisală Editura Trei Bucuresti 2013 ISBN 978 973 707 815 5 rumanisch Fritz Riemann Grundformen der Angst Eine tiefenpsychologische Studie Mit einer Kurzbiografie von Ruth Riemann 44 Jubilaums Auflage Ernst Reinhardt Munchen 2019 ISBN 978 3 497 01749 2 Einzelnachweise Bearbeiten Fritz Riemann Grundformen der Angst 41 Auflage Ernst Reinhardt Verlag Munchen 2013 ISBN 978 3 497 02422 3 S 4 Fritz Riemann Grundformen der Angst Eine tiefenpsychologische Studie 10 uberarbeitete und erweiterte Auflage 52 63 Tausend Ernst Reinhardt Verlag Munchen Basel 1975 ISBN 3 497 00749 8 Riemann 1975 S 7 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 15 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 15 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 204 Riemann 1975 S 201 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 20 ff Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 20 Riemann 1975 S 20 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 21 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 25 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 32 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 34 ff Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 41 ff Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 47 ff Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 57 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 59 ff Riemann 1975 S 61 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 61 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 62 Fritz Riemann Grundformen der Angst auf YouTube abgerufen am 15 Juli 2018 Auszug aus dem Horbuch Gelesen von Katja Schild Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 67 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 70 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 70 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 71 Riemann 1975 S 73 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 74 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 97 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 100 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 104 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 105 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 106 Riemann 1975 S 106 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 109 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 110 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 113 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 117 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 123 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 125 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 126 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 127 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 130 ff Riemann 1975 S 133 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 146 ff Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 150 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 154 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 156 ff Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 159 Riemann 1975 S 159 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 160 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 163 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 165 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 171 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 172 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 174 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 194 Riemann 1975 S 200 Fritz Riemann Grundformen der Angst 1975 S 202 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Grundformen der Angst amp oldid 220174986