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Beim Goslarer Rangstreit eskalierte zu Pfingsten 1063 im Goslarer Stift St Simon und Judas der Streit um eine Sitzordnung zu einer bewaffneten Auseinandersetzung mit mehreren Toten Hintergrund ist die fruhmittelalterliche Rechtsordnung die vor allem auf personalen Loyalitaten und jederzeit gewahrbaren und entziehbaren Privilegien beruhte Inhaltsverzeichnis 1 Voraussetzungen 2 Der Verlauf des Rangstreits 2 1 Weihnachten 1062 2 2 Das Blutbad zu Pfingsten 1063 3 Die Folgen des Rangstreits 4 Quellen 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseVoraussetzungen BearbeitenIn der mittelalterlichen Gesellschaftsordnung waren mit Rangsymbolen und ritualen reale Macht und Einkunfte verbunden Eines dieser Rituale war das Einhalten einer Sitzordnung bei zeremoniellen Anlassen Wer naher beim Konig oder anderen Ranghohen sitzen durfte hatte am Ort der Zeremonie grossere Rechte als andere Personen Infolgedessen kam es bei unklarer Abgrenzung von Zustandigkeiten und Hoheitsbereichen des Ofteren zu so genannten Sesselstreitigkeiten um die Sitzreihenfolge Dabei gab es selten eine Einigung denn ein Nachgeben und Zurucktreten des einen hatte den Streit zugunsten des anderen entschieden und kam daher nicht in Frage so der Historiker Gerd Althoff Keine dieser Streitigkeiten endete aber in einer derartigen Auseinandersetzung mit mehreren Toten und einem anschliessenden Monchsaufstand wie der Goslarer Rangstreit zwischen dem Abt Widerad von Fulda und dem Bischof Hezilo von Hildesheim Der Verlauf des Rangstreits BearbeitenZweimal gerieten im Goslarer Stift St Simon und Judas der Abt Widerad der Reichsabtei Fulda und der Bischof Hezilo von Hildesheim daruber in Streit wer das Recht habe neben dem Erzbischof von Mainz zu sitzen Weihnachten 1062 Bearbeiten Zum Vespergottesdienst zu Weihnachten 1062 brach dieser Streit erstmals aus Der Abt beanspruchte dieses Recht wohl hauptsachlich aufgrund der traditionsreichen besonderen Beziehung zwischen dem Kloster Fulda und dem Reich fur sich Das Kloster Fulda war vom Mainzer Erzbischof Bonifatius gegrundet worden und zahlreiche kaiserliche und papstliche Privilegien raumten dem Kloster Fulda und seinem Abt eine Sonderstellung ein So war das Kloster beispielsweise exemt der Abt besass ein Primat und hatte ein Anrecht auf bischofliche Pontifikalien Der Bischof von Hildesheim beharrte hingegen darauf dass ihm aufgrund seiner Stellung als Bischof niemand vorgezogen werden durfe schon gar nicht innerhalb seiner Diozese wobei das Goslarer Stift ebenfalls exemt war und somit nicht zur Hildesheimer Diozese gehorte sondern direkt dem Papst unterstellt war Der Streit weitete sich zu einem Handgemenge aus das der Herzog von Bayern Otto von Northeim durch energisches Dazwischengehen beendete Er entschied den Sitzstreit zugunsten des Abtes von Fulda Konig Heinrich IV war bei diesem Treffen nicht anwesend er verbrachte das Weihnachtsfest in Freising Tuomas Heikkila s Lit vermutet daher eine Synode des Erzbistums Mainz moglicherweise in Opposition zur Ubergangsregierung Annos II Das Blutbad zu Pfingsten 1063 Bearbeiten Am 17 Juni 1063 am Samstag vor Pfingsten kam es zum Vespergottesdienst erneut zu der gleichen Auseinandersetzung Die Vorzeichen waren diesmal aber andere Der 12 jahrige Konig war anwesend es handelte sich um einen Hoftag Hezilo durfte davon ausgehen aufgrund seiner bischoflichen Stellung diesmal den Vorzug zu erhalten trotzdem hatte er vorgesorgt wohl ahnend dass Widerad auf seiner zu Weihnachten erreichten Position beharren wurde Hezilo hatte daher hinter dem Altar bewaffnete Manner unter der Fuhrung von Ekbert von Braunschweig in Stellung gebracht Als diese horten dass im Kirchenschiff der Streit erneut eskaliert trieben sie die Fuldaer mit Knuppeln aus der Kirche Diese bewaffneten sich nun ihrerseits und kehrten in den Gottesdienst zuruck Lampert von Hersfeld beschreibt das sich entwickelnde Blutbad dessen Augenzeuge auch der Konig war in seinen Annalen Inmitten des Chors und der psalmodierenden Monche kommt es zum Handgemenge man kampft jetzt nicht mehr nur mit Knutteln sondern mit Schwertern Eine hitzige Schlacht entbrennt und durch die ganze Kirche hallt statt der Hymnen und geistlichen Gesange Anfeuerungsgeschrei und Wehklagen Sterbender Auf Gottes Altaren werden grausige Opfer abgeschlachtet durch die Kirche rinnen allenthalben Strome von Blut vergossen nicht wie ehedem durch vorgeschriebenen Religionsbrauch sondern durch feindliche Grausamkeit Der Bischof von Hildesheim hatte einen erhohten Standort gewonnen und feuerte seine Leute wie durch ein militarisches Trompetensignal zu tapferem Kampfe an und damit sie sich nicht durch die Heiligkeit des Ortes vom Waffengebrauch abschrecken liessen hielt er ihnen das Aushangeschild seiner Machtbefugnis und seiner Erlaubnis vor Auf beiden Seiten wurden viele verwundet viele getotet unter ihnen vornehmlich Reginbodo der Fuldaer Bannertrager und Bero ein dem Grafen Ekbert besonders treuer Gefolgsmann Der Konig hob zwar wahrenddessen laut seine Stimme und beschwor die Leute unter Berufung auf die konigliche Majestat aber er schien tauben Ohren zu predigen Auf die Mahnung seines Gefolges an die Sicherung seines Lebens zu denken und den Kampfplatz zu verlassen bahnte er sich schliesslich mit Muhe einen Weg durch die dicht zusammengeballte Menge und zog sich in die Pfalz zuruck Lampert von Hersfeld Annalen 1 Den Hildesheimern gelang es schliesslich die Fuldaer aus der Kirche zu drangen Diese wiederum belagerten nun die in der Kirche Verbarrikadierten Erst der Einbruch der Dunkelheit setzte dem Kampf ein Ende Die Folgen des Rangstreits BearbeitenAm folgenden Tag fand eine Untersuchung des Vorfalls unter Vorsitz des Konigs statt Dieser unter dem Einfluss des Mainzer Erzbischofs Siegfried stehend sprach Abt Widerad in vollem Umfang schuldig und drohte ihm mit Amtsenthebung Von dieser Anklage kaufte sich der Abt frei Nach der Schilderung Lamperts scheint dieses Urteil zu uberraschen doch war Lamperts Bericht nicht objektiv Zu der Zeit des Streites gab es grosse Spannungen zwischen den Klostern des Reiches und dem Episkopat Lampert stand als Angehoriger des Klosters Hersfeld auf Seiten Widerads Seine Darstellung Hezilos ist daher wohl etwas ubertrieben Dem Abt wurde vorgeworfen mit einem auffallend grossen und bewaffneten Gefolge in Goslar erschienen zu sein die Tat also von langer Hand vorbereitet zu haben Auch waren es die Fuldaer die zu den scharfen Waffen gegriffen hatten und wahrend des Gottesdienstes das Blutbad ausgelost hatten Die Hildesheimer hatten sich vor Beginn des Gottesdienstes nur der Knuppel bedient Nicht zuletzt verfugte der auf Seiten Hildesheims stehende Ekbert uber hervorragende Beziehungen zum Konig Heinrich und er hatten in Kaiserin Gisela eine gemeinsame Grossmutter ihrer beider Vater waren Halbbruder Ausserdem hatte Ekbert Heinrich beim Staatsstreich von Kaiserswerth das Leben gerettet Fur die Schuld des Abts scheint auch zu sprechen dass er von einem Privileg des Papstes keinen Gebrauch machte das dieser den Abten von Fulda 999 zugestanden hatte und das besagte dass nur der Papst selbst uber eine Amtsenthebung des Abtes entscheiden konne Um sich von der Anklage zu befreien leistete Widerad Zahlungen an den Konig und wohl auch an Hezilo und das Goslarer Stift Dabei griff er auch auf Eigentum des Monchskonventes zuruck Dies sturzte das Kloster in eine tiefe Finanzkrise und loste einen Aufstand der Fuldaer Monche gegen den Abt aus Obwohl Widerad den Grossteil der Monche beschwichtigen konnte machten sich sechzehn Monche zum Konig auf um sich uber Widerads Zugriff auf das Klostergut zu beschweren In diesem Fall entschied Konig Heinrich zugunsten Widerads Der Aufstand wurde als Angriff auf die geistliche und weltliche Ordnung empfunden die Aufruhrer zu harten Strafen verurteilt Sie wurden ausgepeitscht kahl geschoren und ihre Anfuhrer aus dem Kloster verjagt die ubrigen auf andere Kloster verteilt Quellen BearbeitenLampert von Hersfeld Annalen Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1957 Ausgewahlte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters Freiherr vom Stein Gedachtnisausgabe 13 Literatur BearbeitenTuomas Heikkila Das Kloster Fulda und der Goslarer Rangstreit Helsinki 1998 ISBN 951 41 0856 6 Gerd Althoff Die Macht der Rituale Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2003 ISBN 3 534 14749 9 Weblinks BearbeitenNathalie Kruppa Rezension zu TUOMAS HEIKKILA Das Kloster Fulda und der Goslarer Rangstreit PDF 15 1 KB Concilium Medii Aevi 1999 abgerufen am 27 Juni 2017 Einzelnachweise Bearbeiten Oswald Holder Egger Hrsg Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 38 Lamperti monachi Hersfeldensis Opera Anhang Annales Weissenburgenses Hannover 1894 S 82 83 Monumenta Germaniae Historica Digitalisat Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Goslarer Rangstreit amp oldid 206271615