www.wikidata.de-de.nina.az
Die Geschichte der Tonwarenindustrie in Velten zeigt den Aufschwung und Niedergang der Tonwarenindustrie in der brandenburgischen Stadt Velten Ofen und Keramikmuseum in der Wilhelmstrasse 32 Inhaltsverzeichnis 1 Ausgangslage 2 Die Tonvorkommen als Ausgangspunkt 3 Die ersten Ofenfabriken 4 Von der Grunderzeit bis zur Jahrhundertwende 5 Der Hohepunkt 6 Der Niedergang 7 Zeit des Nationalsozialismus 8 Sowjetische Besatzungszone und DDR 9 Wendezeit 10 Spuren der Vergangenheit 11 Siehe auch 12 Literatur 13 Weblinks 14 EinzelnachweiseAusgangslage Bearbeiten nbsp Denkmalgeschutztes Markisches Mittelflurhaus in VeltenAm Anfang des 19 Jahrhunderts war Velten ein reines Ackerdorf mit rund 300 Einwohnern und dem fur diese Gegend typischen Anger um den sich zwolf Hofwirtschaften und die Dorfkirche herumgruppierten Das typische Gebaude dieser Zeit war das Markische Mittelflurhaus aus Lehmwanden und mit Schilfrohr gedeckt 1 Die Tonvorkommen als Ausgangspunkt BearbeitenDie Tonvorkommen westlich von Velten in den so genannten Potterbergen waren schon seit dem Mittelalter bekannt und wurden sporadisch abgebaut Die Bauern auf deren Land sie sich befanden hatten keine besonderen Kenntnisse im Tonabbau so dass die Ausbeute gering blieb Den Ton verkauften sie an Topfereien in der Umgebung und nach Berlin Auch Ziegelbacker und brenner waren auf ihn angewiesen Der Ton wurde vor der Weiterverarbeitung in einer Tonschlamme gesiebt und gereinigt Seit 1833 hatte sich die Firma Friedrich Blumberg auf dieses Verfahren spezialisiert Aufgrund der hohen Nachfrage entstand 1840 eine zweite Schlammerei die von Christian Krause In dieser Zeit fuhr man den fertigen Ton mit Pferdefuhrwerken zur Havel bei Hohenschopping und lud ihn auf Schiffe um Von hier brachte man ihn zur Feilnerschen Ofenfabrik in Berlin Der Unternehmer Tobias Christoph Feilner hatte eine weisse Emailglasur entwickelt die sich besonders gut mit Ofenkacheln aus Veltener Ton verband Grund dafur war der hohe Kalkgehalt und die richtige Schwindung des Tons nach dem Brennen Mit diesen weissen Schmelzkacheln in klassizistisch strenger Tradition stellte Feilner den weissen Berliner Schmelzkachelofen her ein Verkaufsschlager der damaligen Zeit 2 Die ersten Ofenfabriken Bearbeiten nbsp Gebaude der ehemaligen Karl Sensse Ofenfabrik gegrundet 1886 in der Wilhelmstrasse 1b nbsp Das denkmalgeschutzte Gebaude der 1949 stillgelegten Ofenfabrik Netzband amp Co 2011 nbsp Rathaus Velten 1922 aus einem ehemaligen Elektrizitatswerk umgebaut Der Terrakotta Schmuck am Hauptportal und uber den Fenstern wurde von der Richard Blumenfeld AG gebrannt nbsp Wappen der Ofenstadt Velten nbsp Die Wandfliesen des 1929 eroffneten U Bahnhof Leinestrasse in Berlin stammen von der Richard Blumenfeld Veltener Ofenfabrik AG nbsp Das Anfang der 1930er Jahre gebaute Haus von Philipp Furchtegott Reemtsma mit Keramikplatten der Richard Blumenfeld Veltener Ofenfabrik AGAm 7 Juli 1835 genehmigten die Behorden die Plane des Maurermeisters Johann Ackermann auf dem Grundstuck Breite Strasse 35 heute 46 Lage 52 683468 13 182821 ein Thonwaaren Fabrik Etablissement zu errichten Drei Jahre spater beschaftigte die Fabrik 12 Topfer sowie 15 Arbeiter und stellte 300 weisse Berliner Ofen her Auch 12 000 Ziegelsteine kamen zur Auslieferung Durch den wirtschaftlichen Erfolg aufmerksam geworden entstanden weitere Ofenfabriken 1843 auf dem Gelande Breite Strasse 33 34 die Ofenfabrik Wartenberg Lage 52 686827 13 181973 1858 auf dem Grundstuck Breite Strasse 5 die Ofenfabrik F Konnecke und 1860 auf dem Areal Friedrichstrasse 31 heutige Rosa Luxemburg Strasse die Ofenfabrik Eckhard Rheins Flaming amp Spindler Bis 1865 produzierten in Velten zwolf Ofenfabriken Ofenkacheln im Format 8 Zoll 9 Zoll 21 cm 23 5 cm in unterschiedlichen Farben und Qualitatsstufen Der Preis fur einen weissen Berliner Ofen betrug 24 Taler Da in den Tonvorkommen auch Ton schlechterer Qualitat auftrat stellten viele Ofenfabriken als Nebenprodukt Ziegelsteine her Spater entstanden auch mehrere reine Ziegeleien die hauptsachlich den gelben Verblender herstellten Praktischerweise wurden einige gleich vor Ort zum Aufbau neuer Ofenfabriken verwandt 3 Von der Grunderzeit bis zur Jahrhundertwende BearbeitenAls zweite Strasse in Velten entstand die Viktoriastrasse die ab 1858 bebaut wurde Weitere kamen hinzu so z B die Friedrichstrasse heutige Rosa Luxemburg Strasse die Kochstrasse die Bergstrasse und die Wilhelmstrasse Die Bauern denen das Land gehorte wurden schnell reich und grundeten teilweise selbst Ofenfabriken Diese veranderten das Ortsbild rasch An der Breiten Strasse entstanden neben zehn Ofenfabriken auch mehrere Fabrikantenhauser mit prachtvollen Stuckfassaden die die Veltener Toppervillen nannten Die Zahl der Wohnhauser stieg von 1859 bis 1894 von 69 auf 351 in denen knapp unter 7000 Einwohner lebten Auch in den umliegenden Dorfern Marwitz Botzow Eichstadt Vehlefanz und Hennigsdorf lebte der Grossteil der Menschen von der Veltener Ofenindustrie 4 Nach dem gewonnenen Deutsch Franzosischen Krieg kam es von 1871 bis 1873 aufgrund der franzosischen Reparationszahlungen zu einem Bauboom im Deutschen Reich der auch die Ofenindustrie beflugelte Zwischen 1871 und 1878 entstanden 17 neue Ofenfabriken darunter mit dem Unternehmen A Schmidt Lehmann amp Co Lage 52 689113895002 13 170955181122 die einzige heute noch in Velten produzierende Ofenfabrik 5 Im Jahr 1894 wuchs der Bestand auf 34 Ofenfabriken mit mehr als 2000 Beschaftigten die um die 60 000 Kachelofen produzierten Der weisse Berliner Schmelzkachelofen war immer noch das Hauptprodukt da er andernorts nicht in dieser guten Qualitat hergestellt werden konnte Inzwischen kostete er 72 Mark Der Hauptabsatzmarkt war das nahe gelegene Berlin in das die Ware mit Pferdefuhrwerken gebracht wurde Deutschlandweit und bis in das Russische Reich brachte man die Kacheln per Schiff von der Havel bei Hohenschopping aus 6 Am Ende des 19 Jahrhunderts arbeiteten die Arbeiter in der Regel elf Stunden am Tag sechs Tage in der Woche Dazu kam dass die Arbeit durch Tonstaub und giftige Glasuren mit Bleianteil gesundheitsgefahrdend war Nach einem Streik mit mehr als 1000 Arbeitern sank die tagliche Arbeitszeit auf zehn Stunden Der Akkordlohn betrug 2 95 Mark fur 100 Kacheln und 4 80 Mark fur 100 Ecken 7 Der Hohepunkt BearbeitenDie letzten drei Veltener Ofenfabriken entstanden zu Beginn des 20 Jahrhunderts Es waren die Ofenfabrik Netzband amp Co in der Kreisbahnstrasse 8 Lage 52 685312 13 169769 Ofenfabrik Hermann Gustav Zirner in der Breiten Strasse 1a Lage 52 69447 13 17954 Genossenschaftsbetrieb H Lehmann amp Co in der Viktoriastrasse 35 Lage 52 686782 13 167543 Die Ofenfabrik Blumenfeld unter der Leitung von Richard Blumenfeld wurde 1905 zur ersten Aktiengesellschaft aller Veltener Ofenfabriken umgewandelt In diesem Jahr erreichten die Veltener Ofenfabriken mit 100 000 produzierten Ofen ihren Hohepunkt 8 Der Niedergang Bearbeiten nbsp Werbeanzeige der Vereinigten Veltener Ofenfabriken von 1912Von 1905 uber 1910 bis 1912 sank die Ofenproduktion von 100 000 uber 67 500 auf 52 500 Stuck Daran anderte auch nichts der Zusammenschluss von 33 Veltener Ofenfabriken zur Vereinigten Ofenfabriken GmbH Dadurch sollte gegenseitige Konkurrenz ausgeschlossen und hohere Preise erzielt werden Auch der neu gebaute Hafen der uber den Veltener Stichkanal eine gute Wasseranbindung an den Hauptabsatzmarkt Berlin bot konnte nicht verhindern dass 1913 eine schwere Krise eintrat in deren Folge mehrere Ofenfabriken schliessen mussten 9 Im Jahre 1917 legte man infolge des Ersten Weltkrieges die gesamte Ofenindustrie in Velten still zog die Belegschaft zum Militar ein oder liess sie in den Heereswerkstatten in Spandau arbeiten 10 Nach dem Ersten Weltkrieg nahmen 25 Ofenfabriken die Produktion wieder auf Der Richard Blumenfeld AG gelang es nach und nach mehrere Konkurrenten zu ubernehmen bis sie 1925 das grosste Unternehmen im Ort war Die Steingutfabriken Velten Vordamm gehorten zu den bekanntesten Unternehmen Der der 1913 neu errichtete Betriebsteil Velten sollte Wandplatten herstellen Nach dem Krieg wurde nunmehr Kunst Bau und Gebrauchskeramik hergestellt In Velten Vordamm arbeiteten bekannte Bauhauskeramiker wie Theodor Bogler und Werner Burri sowie im Bereich Baukeramik Thoma Grote und Charles Crodel Auch Keramikerinnen wie Charlotte Hartmann Else Dorr Luise Harkort Margerete Heymann und Hedwig Bollhagen hinterliessen hier ihre Spuren 11 Dieses im ersten Drittel des 20 Jahrhunderts erfolgreiche Unternehmen musste infolge der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise 1931 Insolvenz anmelden Anfang der 1930er Jahre gab es in Velten noch 15 Ofenfabriken von denen 5 zur Richard Blumenfeld AG gehorten Insgesamt waren noch 570 Menschen in den Ofenfabriken beschaftigt Die zunehmende billigere Konkurrenz aus dem Ausland und die neu aufkommende Zentralheizung machten den Ofenfabriken schwer zu schaffen Zeit des Nationalsozialismus Bearbeiten nbsp Aktie uber 100 RM der Veltag vom 9 Juli 1938In der Zeit des Nationalsozialismus drangte man den judischen Unternehmer Richard Blumenfeld als Vorsitzenden der Aktiengesellschaft aus dem Amt und benannte die Fabrik in Veltag Veltener Ofen und Keramik AG um Trotz alledem feierte man 1935 das hundertjahrige Jubilaum der Veltener Ofenkachelindustrie Die inzwischen 9000 Einwohner zahlende Gemeinde erhielt in diesem Jahr auch das Stadtrecht Auf dem neuen Stadtwappen erschien erstmals der grune Kachelofen und der Schriftzug Heimat des Kachelofens war am Ortseingangsschild angebracht Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges war die Veltag als kriegswichtiger Betrieb eingestuft Trotzdem verringerte sich die Belegschaft und die Zahl der Facharbeiter nahm ab Eine Folge daraus war dass die Qualitat sank und die Lieferzeit zwei bis vier Monate spater noch mehr betrug Bei der Veltag wurden 1944 auch Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion eingesetzt 12 Sowjetische Besatzungszone und DDR BearbeitenNach dem Krieg nahmen die Ofenfabriken trotz teilweiser Demontage durch die sowjetischen Behorden ihre Produktion wieder auf Doch schon am 1 Januar 1947 wurde die Veltag enteignet dem VEB Steine Erden zugeteilt und spater in VVB Glas Keramik Werk Kachelfabrik Veltak umbenannt Einige andere Ofenfabriken wurden unter dem VEB Ofenkacheln und Keramik zusammengefasst 13 Die DDR hatte 1968 einen Kachelofenanteil von 84 Dementsprechend investierte der Staat 1961 in die Veltak in der taglich 325 Arbeiter im Schichtdienst 60 Tonnen Kachelware herstellten Damit war sie das grosste Kachelwerk in Europa Besondere Anfertigungen gingen gegen Devisen in den Export nach Osterreich Schweden oder Kanada 14 Wendezeit BearbeitenDie Veltak musste wenige Jahre nach der Wende ihre Produktion einstellen Heute existiert in Velten nur noch die Schmidt Lehmann amp Co GmbH in der Wilhelmstrasse 32 die Ofenkacheln und Baukeramik herstellt In den zwei obersten Etagen ist das Ofen und Keramikmuseum Velten untergebracht 15 Die Stadt Velten nennt sich heute offiziell Ofenstadt Heute existiert in Velten nur eine Keramik produzierende Fabrik die Firma B O S Keramik in den Raumen der fruheren Ofenfabrik Karl Sensse Spuren der Vergangenheit BearbeitenIn Velten gibt es noch viele Gebaude deren Nutzen ursprunglich mit der Tonwarenindustrie zu tun hatte Einige davon sind als Baudenkmal geschutzt Ehemalige Fabrikantenwohnhauser Breite Strasse 73 Breite Strasse 94 Kremmener Strasse 25 Rote VillaEhemalige Arbeiterwohnhauser Verbindungsweg 9Ehemalige Ofenfabriken Ofenfabrik Netzband Ofenfabrik Karl Sensse Ofenfabrik A Schmidt Lehmann amp CoSiehe auch BearbeitenGeschichte der Tonwarenindustrie in MarwitzLiteratur BearbeitenKarl Ludwig Lange Hrsg Geformt getrocknet gebrannt Markische Ziegel fur Berlin Publikation zur gleichnamigen Ausstellung Forderverein Ofen und Keramikmuseum Velten e V Velten 1996 ohne ISBN Baustein Band 3 Monika Dittmar Red Vollendung des Einfachen Hedwig Bollhagen wird neunzig Publikation zur gleichnamigen Ausstellung Forderverein Ofen und Keramikmuseum Velten e V Velten 1997 ohne ISBN Baustein Band 5 Paul Dahms Velten Ein Streifzug durch die Geschichte der Ofenstadt Veltener Verlagsgesellschaft mbH Velten 2009 ISBN 978 3 9811401 8 7 Nicole Seydewitz Hrsg KunstKeramik der Moderne Zum 150 Geburtstag des Veltener Ofen und Keramikunternehmers Richard Blumenfeld VV Veltener Verlagsgesellschaft Velten 2013 ISBN 978 3 9813649 8 9 Weblinks BearbeitenOKM VeltenEinzelnachweise Bearbeiten Paul Dahms Velten Ein Streifzug durch die Geschichte der Ofenstadt S 17 Restaurator im Handwerk 1 2009 S 30 Memento des Originals vom 20 Januar 2015 im Internet Archive PDF 5 5 MB nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www restaurator im handwerk de abgerufen am 7 Februar 2011 Geformt getrocknet gebrannt Markische Ziegel fur Berlin S 10 Paul Dahms Velten Ein Streifzug durch die Geschichte der Ofenstadt S 36 39 Ofenfabrik A Schmidt Lehmann amp Co GmbH Memento des Originals vom 17 April 2011 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www schmidt lehmann de abgerufen am 7 Februar 2011 Paul Dahms Velten Ein Streifzug durch die Geschichte der Ofenstadt S 30 34 Paul Dahms Velten Ein Streifzug durch die Geschichte der Ofenstadt S 59 61 Paul Dahms Velten Ein Streifzug durch die Geschichte der Ofenstadt S 63 64 Paul Dahms Velten Ein Streifzug durch die Geschichte der Ofenstadt S 64 Paul Dahms Velten Ein Streifzug durch die Geschichte der Ofenstadt S 73 Hedwig Bollhagen wird neunzig S 6 7 Paul Dahms Velten Ein Streifzug durch die Geschichte der Ofenstadt S 91 94 Paul Dahms Velten Ein Streifzug durch die Geschichte der Ofenstadt S 98 99 Paul Dahms Velten Ein Streifzug durch die Geschichte der Ofenstadt S 108 109 Ofen und Keramikmuseum Velten abgerufen am 7 Februar 2011 Karte mit allen Koordinaten OSM WikiMap Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Geschichte der Tonwarenindustrie in Velten amp oldid 236214079