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Der Formobstbau ist eine Art des Obstbaues bei der die Aste der Baume durch gezielte Schnitt und Bindemassnahmen in eine bestimmte Wuchsform geleitet werden Haufig wird dazu ein Spalier verwendet Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte des Formobstbaus 2 Ziele des Formobstbaus 3 Schnitt und Kulturmassnahmen 4 Beispiele 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseGeschichte des Formobstbaus Bearbeiten nbsp Formobstbaume als Beetumrandungen im Potager du roi beim Schloss von VersaillesSeine Anfange hat der Formobstbau in Frankreich wo er schon im 17 Jahrhundert verbreitet war Die erste Erwahnung in der franzosischen gartenbaulichen Literatur findet sich bei Boyceau de la Barauderie 1 Von Frankreich aus verbreitet sich der Formobstbau zunachst nach Belgien in das Grossherzogtum Luxemburg und nach Elsass Lothringen Beeindruckt von den umfangreichen Obstanlagen im Potager du roi dem koniglichen Kuchengarten bei Schloss Versailles die zwischen 1678 und 1683 vom Hofgartner Jean Baptiste de La Quintinie angelegt worden waren 2 versuchten im 18 Jahrhundert zahlreiche deutsche Adelige diesem Vorbild nachzueifern und liessen Hofgartner in Frankreich in der Technik des Formobstbaus ausbilden 3 Die Kulturversuche in Deutschland scheiterten meist da es nicht gelang die Obstkultur an die deutschen Klimaverhaltnisse anzupassen nbsp Plan der Lepersche Quartiere am Weinberg am Klausberg bei PotsdamDer franzosische Gartner und Obstzuchter Alexis Lepere legte in den Jahren 1862 1864 zusammen mit seinem Sohn Alexis Lepere dem Jungeren fur Konig Wilhelm I im Hofgarten Babelsberg sowie auf dem Koniglichen Weinberg am Klausberg in Sanssouci einen Spalier Garten die sogenannten Lepere schen Quartiere an 4 Lepere hatte in seiner Baumschule in Montreuil fur die Pfirsich Kultur die nach ihm benannten Lepere schen Mauern entwickelt welche er bereits in Versailles Basedow und Arendsee Brandenburg fur den Pfirsichanbau erprobt hatte Die nach Suden ausgerichteten Anlagen ermoglichten eine verfruhte und langer andauernde Vegetationszeit fur Pfirsiche Apfel Birnen und Kirschen Trotzdem scheiterte der Plan den Hof ganzjahrig mit Obst aus dem eigenen Anbau zu versorgen auch hier am deutschen Klima 3 Nach dem Deutsch Franzosischen Krieg forderte Nicolas Gaucher den Formobstbau in Deutschland Der franzosische Gartner der in Frankreich unter anderem bei Du Breil gelernt hatte war 1869 als Baumschulgehilfe nach Stuttgart gekommen und grundete 1872 eine eigene Obstbaumschule Gaucher veroffentlichte mehrere Bucher zum Thema Obstbau in denen er auch die Technik des Formobstbaus behandelte Er legte im ganzen Land Spaliergarten an und gilt als Begrunder des Formobstbaues in Deutschland Durch die Ubersetzung seiner Bucher ins Russische hatte er auch erheblichen Einfluss auf den Obstbau in Russland Zur erfolgreichen Verbreitung des Formobstbaus in Deutschland trugen auch wesentlich die Pomologischen Institute und Lehranstalten in Reutlingen Proskau Wildpark bei Potsdam Geisenheim Augustenberg Heldwigsberg und Kassel bei die Musteranlagen unterhielten und ihre Schuler in der entsprechenden Schnitttechnik ausbildeten Zudem waren zahlreiche deutsche Baumschulen mittlerweile in der Lage selber Spalierbaume zu ziehen wahrend die Baume zuvor fast ausschliesslich aus Frankreich und Belgien importiert worden waren Die Erziehung der Formobstbaume erfordert praktische und theoretische Kenntnisse im Obstbaumschnitt und zeitaufwendige regelmassige Schnitt und Pflegemassnahmen Deshalb fand der Formobstbau nur wenig Verbreitung in der obsterzeugenden landlichen Bevolkerung und wurde hauptsachlich auf herrschaftlichen und grossburgerlichen Gutern und Gartenanlagen angewandt Insgesamt wurde im Obstbau weniger geforscht und die wenigeren neuen Erkenntnisse wurden langsamer umgesetzt als im sonstigen Landbau Als Grunde dafur gelten die schwierigere Rationalisierung und Mechanisierung des Obstbaus und der schwierigere Transport der Ware aufgrund der schnelleren Verderblichkeit Erst zu Beginn des 20 Jahrhunderts anderte sich dies und die alten Erkenntnisse des Formobstbaus wurden angepasst um eine rationelle Bewirtschaftung des Obstbestands zu forcieren Die aus dem Formobstbau kommende Erkenntnis der besseren Bewirtschaftung der Baume durch schwachwuchsigere kurzere Stammgrundlagen wurde wahrend der NS Zeit zur Erreichung der Selbstversorgung weiter gefordert 5 Ziele des Formobstbaus Bearbeiten nbsp Formobst an einer MauerMit dem Formobstbau wird das Ziel verfolgt Obst auf kleinem Raum anbauen zu konnen Die Aste der Obstbaume werden dazu gezielt in bestimmte Wuchsformen geleitet um den vorhandenen Platz z B an einer Mauer moglichst effektiv auszunutzen Gleichzeitig wird durch eine waagerechte Aststellung die Blutenbildung induziert wodurch der Ertrag bei Formobstbaumen fruh einsetzt Formobstbaume werden oft an Mauern gezogen Diese speichern Warme die sie langsam wieder abgeben und schutzen gleichzeitig vor kaltem Wind und Luftzug wodurch ein fur die Obstbaume gunstiges Mikroklima entsteht Dies ermoglicht es auch empfindliche und klimatisch anspruchsvolle warmebedurftige Obstarten und sorten mit langerer Kulturzeit zu kultivieren 6 Verbreitet war der Formobstbau deshalb vor allem beim Anbau von Birnen Reben Pfirsichen und Aprikosen heute auch im Kiwianbau Ziel ist nicht eine hohe Anzahl von Fruchten pro Baum sondern die Ernte von qualitativ hochwertigem und gut ausgereiftem Obst 7 Die kleinwuchsigen Formobstbaume wurden auch haufig in Pflanzgefassen kultiviert 8 Exotische Obstarten konnten so ganzjahrig oder wahrend der Winterzeit in Orangerien untergebracht werden Im Formobstbau werden haufig auch Mehrsortenbaume kultiviert Die einzelnen Leitaste werden dabei mit Edelreisern verschiedener Sorten veredelt wodurch es moglich ist auf einer kleinen Anbauflache mehrere Sorten einer Obstart gleichzeitig zu kultivieren und zu ernten 9 Vor allem in den herrschaftlichen und grossburgerlichen Gartenanlagen wurden die Formobstbaumen auch wegen des dekorativen Wertes der Wuchsform der Blute und des Fruchtbehanges kultiviert und als gartengestalterisches Element eingesetzt Heute werden Formobstbaume haufig in Haus und Kleingarten kultiviert da hier nur ein begrenztes Platzangebot zur Verfugung steht Schnitt und Kulturmassnahmen Bearbeiten nbsp Birnbaum zu einer dreidimensionalen Flugelpyramide geformtIm Formobstbau werden meist schwach wachsende Unterlagen verwendet um die Wuchsigkeit der Baume zu begrenzen und einen fruhen Ertragseintritt zu erzielen Sollen grossere Flachen z B eine ganze Hauswand bewachsen werden werden aber auch starkwachsende Unterlagen eingesetzt Die Leitaste der Baume werden durch Schnitt und Bindemassnahmen in die gewunschte Richtung geleitet Zum Binden der jungen Aste werden Spaliere Geruste Drahtrahmen oder sogenannte Palissierstabe verwendet die die jungen und noch elastischen Zweige in der gewunschten Wuchsrichtung halten Der Baumschnitt erfolgt dabei meist im Sommer was triebberuhigend und ertragsfordernd wirken soll 10 Ziel der Schnittmassnahmen ist es den Baum zur Bildung von kurzem Fruchtholz anzuregen und durch die Stellung der Aste eine gute Besonnung der Fruchte zu gewahrleisten Eine spezielle Kulturmassnahme im Formobstbau ist das Pinzieren wobei die Spitze der noch krautigen Triebe entfernt wird 11 Dadurch werden die einzelnen Zweige im Gleichgewicht gehalten indem die behandelten Triebe in ihrem Langenwachstum gebremst werden Die Pflanze wird zur vermehrten Bildung von Blutenknospen aus Holzaugen angeregt Vor allem im 19 Jahrhundert wurden kunstvolle Baumformen entwickelt Formobstbaume konnen als senkrechte Schnurbaume als Spindeln als ein oder zweiarmige Kordons mit waagerecht wachsender Stammverlangerung oder in U Form z B um einen Fensterausschnitt an einer Mauer erzogen werden Bei den Palmettenwuchsformen werden waagerechte oder schrag stehende Leitaste abwechselnd nach rechts und links geleitet Neben diesen zweidimensionalen gibt es auch dreidimensionale Wuchsformen wie den Kesselbaum oder die Flugelpyramide Beispiele Bearbeiten nbsp Bogen uber einem Weg aus Apfelbaumen nbsp Baum bei Essex nbsp Kunstvoller Baum in Manhattan nbsp Waagerecht geformter Baum in Frankreich nbsp Obstbaum an einer Hauswand in DeutschlandWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Obstbaumformen Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten J Boyceau de la Barauderie Traite du jardinage selon les raisons de la nature e de l art Paris 1638 S 84ff http www potager du roi fr site potager index htm a b R Goethe Die Obst und Traubenzucht an Mauern Hauserwanden und im Garten Verlagsbuchhandlung P Parey Berlin 1900 S 4 Marianne Heise Mirosanda Vranic in Potsdam Park Babelsberg ehemalige Hofgartnerei Die Lepere schen Quartiere in Jahrbuch Masterstudiengang Denkmalpflege 2007 09 Berlin 2009 S 57 Bericht auf der Website der Universitat Kassel Memento vom 2 Dezember 2013 im Internet Archive abgerufen am 23 November 2013 F Rubens Der Obstbau am Spaliere leichtfassliche Anleitung zu einem sehr vortheilhaften und angenehmen Betriebe der Obstbaumzucht an den Wanden der Gebaude innerhalb des Hofraumes und im Garten Verlagsbuchhandlung J Weber Leipzig 1850 S 4ff Heinrich Beltz Spalier und Saulenobst auch fur kleine Garten Vortrag auf den Kasseler Gartenbautagen in Baunatal am 16 Januar 2013 Archivierte Kopie Memento des Originals vom 3 Dezember 2013 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot vegokassel de A F A Diel Anleitung zu einer Obstorangerie in Scherben Andreaische Buchhandlung 1796 J G C Oberdieck Die Probe oder Sortenbaume als bestes und leichtestes Mittel sich in kurzer Zeit umfassende pomologische Kenntnisse zu erwerben nebst naherer Anweisung zu deren Anfertigung Hahn schen Hofbuchhandlung Hannover 1844 www gartenakademie rlp de abgerufen am 23 November 2013 Joseph Werck Die Kultur der Zwergobstbaume mit Berucksichtigung ihrer Formen sowie die Kultur der Beerenfruchte E Wirz 1905 S 54ff Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Formobstbau amp oldid 227575115